OGH 5Ob191/72

OGH5Ob191/7221.11.1972

SZ 45/123

Normen

ABGB §302
ABGB §1053
TabMG 1996 §15
TabMG 1996 §16
ABGB §302
ABGB §1053
TabMG 1996 §15
TabMG 1996 §16

 

Spruch:

Das Unternehmen einer Tabaktrafik, dessen Betriebsgegenstand neben dem Verschleiß von Monopolgegenständen auch der gewerbsmäßige Handel mit anderen Waren ist, kann veräußert werden. Daß der Veräußerer keinen Einfluß darauf hat, ob die Monopolverwaltung mit dem Erwerber einen entsprechenden Bestellungsvertrag abschließt und ihm die Gewerbebehörde die allenfalls notwendigen Berechtigungen erteilt, ist insbesondere dann ohne Bedeutung, wenn die Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages vereinbarungsgemäß von der Erteilung der betreffenden Befugnisse an den Erwerber abhängen soll

OGH 21. 11. 1972, 5 Ob 191/72 (OLG Wien 2 R 99/72; HG Wien 1 Cg 104/70)

Text

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte iS des Klagebegehrens, der Klägerin den Betrag von S 133.621.48 samt 5% Zinsen seit 2. 6. 1970 als Rest des zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreises für ein Detailhandelsunternehmen samt Inventar zu zahlen, das die Klägerin ererbt und der Beklagten veräußert hatte.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz. Der Entscheidung liegen folgende, vom Berufungsgericht übernommene Feststellungen zugrunde:

Die am 7. 8. 1968 verstorbene Rosa R war Mieterin eines Geschäftslokales im Hause Wien 1, W-Gasse 29. Dort betrieb sie eine sogenannte Tabaktrafik, ein Unternehmen, das den Detailhandel mit Tabak- und Kurzwaren, Zeitungen, Feuerzeugen udgl zum Gegenstand hatte. Nach ihrem Tod wurde Rechtsanwalt Dr S von der Klägerin als der Erbin der Rosa R beauftragt, das Unternehmen zu veräußern. Im September 1968 trat Rechtsanwalt Dr S mit der Beklagten in Verkaufsverhandlungen, bei denen er zunächst einen Kaufpreis von S 350.000.- und etwa S 30.000.- für das Inventar verlangte. Die Beklagte war mit diesem Kaufpreis einverstanden, verwies aber darauf, daß sie einige Zeit für die Beschaffung der erforderlichen Darlehen benötigte. Ebenso war die Beklagte damit einverstanden, daß von diesem Kaufpreis der Hauseigentümerin Maria L S 170.000.- für die Übertragung der Mietrechte an die Beklagte angeboten würden. Im Oktober 1968 kam es zwischen Maria L und Rechtsanwalt Dr S, der diesbezüglich als Beauftragter der Beklagten tätig wurde, zu einer Vereinbarung, wonach die Mietrechte an dem Geschäftslokal der Beklagten gegen Zahlung von S 170.000.- übertragen werden sollten. In der Folge erhielt die Beklagte von der W-Versicherungsanstalt ein Darlehen von S 166.074.-. Dieser Darlehensbetrag wurde an Rechtsanwalt Dr S überwiesen. Die Beklagte zahlte an Dr S die Differenz auf S 170.000.- in barem, worauf Dr S am 5. 12. 1968 anläßlich der Errichtung des Mietvertrages mit der Beklagten den Gesamtbetrag von S 170.000.- der Hausverwalterin der Maria L ausfolgte. Inzwischen hatte Rechtsanwalt Dr S namens der Klägerin bereits am 21. 10. 1968 mit der Beklagten die Herabsetzung des Kaufpreises für das Unternehmen der Klägerin auf S 130.000.- zuzüglich des Wertes des Inventars vereinbart. Diese Vereinbarung wurde aufschiebend bedingt von der Erteilung der Tabakverschleißbefugnis an die Beklagte geschlossen. Die Beklagte versprach, den Betrag von S 130.000.- nach Erhalt eines Gewerbekredites zahlen zu wollen. Im Dezember 1968 zahlte die Beklagte an Rechtsanwalt Dr S weitere S 30.000.-. Die Tabakverschleißbefugnis wurde der Beklagten mit Bescheid der Monopolverwaltung vom 17. 2. 1969 erteilt. Der Preis für das Inventar wurde mit S 33.621.48 ermittelt. Die Beklagte zahlte jedoch trotz wiederholter Mahnungen weder diesen Betrag noch den restlichen Kaufpreis von S 100.000.-.

In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes war das Berufungsgericht der Auffassung, daß Gegenstand des Kaufvertrages zwischen den Streitteilen ungeachtet der Tatsache, daß die der Rosa R seinerzeit verliehene Tabakverschleißbefugnis mit ihrem Tod erloschen war, das von der Klägerin ererbte Trafikunternehmen, also die gegebene Erwerbsgelegenheit war. Dieses Unternehmen habe die Beklagte unter der Voraussetzung erworben, daß ihr die monopolbehördliche Tabakverschleißbefugnis erteilt werde. Die Veräußerung des Trafikunternehmens werde durch das Tabakmonopolgesetz 1968 nicht verboten; die behördliche Verschleißbewilligung sei nicht anders zu beurteilen als die Konzession für ein konzessioniertes Unternehmen. Auch dort könne das Unternehmen unabhängig von der dem Erwerber persönlich erteilten Konzession veräußert werden. Das Trafikunternehmen habe deshalb trotz seiner beschränkten Verkehrsfähigkeit einen Vermögenswert. Der Verschleiß der Tabakwaren stelle freilich kein Handelsgewerbe dar; dagegen handle es sich bei der gewerbsmäßigen fortgesetzten Anschaffung und Weiterveräußerung der Kurzwaren um die Ausübung eines Handelsgewerbes, zumal der Umfang des Betriebes kein bestimmendes Merkmal der Gewerbsmäßigkeit sei. Die Veräußerung und der Ankauf des Unternehmens stellten ein Handelsgeschäft dar, weshalb der Vertrag nicht wegen Verletzung über die Hälfte angefochten werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung ist das Unternehmen eine organisierte Erwerbsgelegenheit. Der Wert des Unternehmens wird nicht durch seine Bestandteile, sondern auch durch nicht faßbare Elemente, wie die Besonderheit der Lage, den Ruf des Unternehmens, das Vertrauen der Kundschaft und die darauf beruhende Zahl der Abnehmer, bestimmt. Von diesen Elementen hängt die Verdienstmöglichkeit ab. Dieser Wertfaktor wird mit "good will" bezeichnet (vgl Klang[2] II, 39 und die dort in FN 23 und 24 angeführte Literatur; SZ 12/141; EvBl 1971/155 uva). Das Unternehmen ist als solches Gegenstand des Rechtsverkehres (Klang aaO).

Nach § 15 Abs 1 des Tabakmonopol-Gesetzes 1968 - TabMG 1968 (BGBl 1968/38) sind Tabaktrafiken Tabakverschleißgeschäfte, in denen die zum Verschleiß bestimmten Tabakerzeugnisse nach Maßgabe der mit den Inhabern abgeschlossenen Bestellungsverträge im Rahmen und für Rechnung des Inhabers an jedermann verkauft werden. Nach § 15 Abs 2 TabMG 1968 ist eine selbständige Tabaktrafik eine solche, die ausschließlich Tabakerzeugnisse oder neben Tabakerzeugnissen andere Waren nur in einem solchen Umfang führt, daß der Charakter eines Tabakfachgeschäftes gewahrt bleibt. Nach § 16 Abs 1 und Abs 3 Z 3 lit e leg cit müssen die

allgemeinen Vertragsbedingungen, die Bestandteil der mit den Tabakverschleißern abzuschließenden Bestellungsverträge sind, vorsehen, daß es den Tabaktrafikanten gestattet ist, falls sie die hiezu erforderlichen Berechtigungen besitzen, in einer selbständigen Tabaktrafik neben den Tabakerzeugnissen Zeitungen, Zeitschriften, Papierwaren, Schreibwaren, Galanteriewaren und Lederwaren bis zu einem solchen Umfang zu verkaufen, daß der Charakter des Tabakfachgeschäftes gewahrt bleibt. Daraus ergibt sich, daß im Rahmen des Betriebes einer selbständigen Tabaktrafik neben dem ausschließlich von der monopolbehördlichen Verschleißbewilligung abhängigen Handel mit Monopolgegenständen auch der Verschleiß von Zeitschriften und Zeitungen sowie der gewerbsmäßige Verkauf sogenannte Kurzwaren zulässig ist, sofern der Trafikant die dazu erforderliche Berechtigung besitzt, daß sich also der Betriebsgegenstand einer Tabaktrafik keineswegs auf den Handel mit Monopolgegenständen beschränken muß. Dementsprechend enthält das TabMG 1968 zwar eingehende Vorschriften über den bei der Ausschreibung und Besetzung von Tabakverschleißgeschäften einzuhaltenden Vorgang (§§ 22 ff), es sieht auch ausdrücklich vor, daß durch den Tod des Tabaktrafikanten der mit ihm abgeschlossene Bestellungsvertrag erlischt (§ 16 Abs 3 lit f); die Veräußerung einer Tabaktrafik wurde jedoch durch das TabMG 1968 weder für rechtsunwirksam erklärt noch verboten. Das Gesetz enthält nicht einmal ein dem § 34 der Trafikantenvorschrift entsprechendes Verbot, im übrigen wurde jedoch die Trafikantenvorschrift durch das TabMG 1968 ausdrücklich aufgehoben (§ 42 Z 2 lit b TabMG 1968). Es ist daher die Verkehrsfähigkeit des Unternehmens einer Tabaktrafik, dessen Betriebsgegenstand neben dem Verschleiß von Monopolgegenständen auch der gewerbsmäßige Handel mit anderen Waren ist, vom Gesetz nicht eingeschränkt. Darauf, daß dem Veräußerer eines solchen Unternehmens kein Einfluß darauf offensteht, ob die Monopolverwaltung mit dem Erwerber des Unternehmens einen entsprechenden Bestellungsvertrag neu abschließt und die Gewerbebehörde ihm die allenfalls erforderlichen Genehmigungen erteilt, kommt es insbesondere dann nicht an, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Rechtswirksamkeit des Vertrages vereinbarungsgemäß von der Erteilung der entsprechenden Befugnisse an den Erwerber abhängt. Nach Eintritt der vereinbarten Bedingung kann die Zuhaltung des gültig zustande gekommenen Vertrages von beiden Seiten verlangt werden.

Diese Rechtslage haben die Untergerichte durchaus zutreffend erkannt. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin ist durch den Tod der Rosa R ihr Trafikunternehmen keineswegs untergegangen, da weder behauptet wurde noch hervorkam, daß das Trafikunternehmen nach dem Tod der Rosa R nicht gemäß § 35 TabMG 1968 weiterbetrieben worden wäre. Gewiß dürfen Tabakerzeugnisse im Inland (Zollgebiet) nur auf Grund einer monopolbehördlichen Verschleißbewilligung vertrieben werden (§ 8 TabMG 1968). Mit der Veräußerung des Trafikunternehmens verstieß die Klägerin aber nicht gegen dieses Verbot, da Gegenstand dieser Veräußerung das Unternehmen, also die organisierte Erwerbsgelegenheit aus dem räumlich und sachlich bestimmten Handel mit Tabakerzeugnissen und anderen Waren, jedoch weder die Verschleißbefugnis als solche noch die einzelnen Tabakerzeugnisse waren. Nur durch den Erwerb des über den Tod der Rosa R hinaus lebenden Trafikunternehmens wurde die Beklagte in die Lage versetzt, dieses Unternehmen weiter zu betreiben. Daran ändert es nichts, daß die Monopolverwaltung mit ihr persönlich den zum Weiterbetrieb des Unternehmens erforderlichen Bestellungsvertrag abschloß und daß die Beklagte durch den Abschluß eines Mietvertrages mit der Hauseigentümerin unmittelbar Mieterin des Geschäftslokals wurde, denn Voraussetzung beider Verträge war, daß die Klägerin, die als Erbin der Rosa R in deren Mietvertrag hinsichtlich des Geschäftslokals eingetreten war, ihre Mietrechte daran aufgab. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin das Geschäftslokal im Rahmen einer Verpachtung des lebenden Unternehmens einem Dritten überlassen konnte oder ob der Mietvertrag bei Verwertung der Bestandrechte in anderer Weise von der Vermieterin erfolgreich hätte aufgekundigt werden können; jedenfalls wäre die Beklagte ohne die getroffene Vereinbarung mit der Klägerin nicht in der Lage gewesen, am 5. 12. 1968 das Geschäftslokal zu mieten und der Monopolbehörde den iS des § 24 Abs 1 lit f TabMG 1968 für die Bewerbung um ein Tabakverschleißgeschäft erforderlichen Nachweis zu erbringen, daß sie über ein zum Betrieb der Tabaktrafik geeignetes Lokal verfüge.

Soweit die Revision davon ausgeht, daß die Klägerin kein lebendes Trafikunternehmen habe veräußern können, weil sie selbst über keine Tabakverschleißbefugnis verfügte, kann ihr nicht gefolgt werden, da es genügt, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das verkaufte Unternehmen lebte, das Geschäft also tatsächlich betrieben wurde, wobei es keine Rolle spielt, daß für den Handel mit Tabakwaren die Monopolverwaltung einer von ihr bestimmten Person nur eine vorläufige Verschleißbewilligung (§ 35 TabMG 1968) erteilt hatte. Für die auf der unrichtigen Annahme, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der Streitteile kein lebendes Trafikunternehmen mehr bestand, beruhenden rechtlichen Schlüsse der Revision fehlt somit die wichtigste Grundlage. Eine Auseinandersetzung mit diesen Ausführungen der Revision ist daher entbehrlich.

Die vom Berufungsgericht angeführte Entscheidung SZ 35/135 kann allerdings nicht zur Begründung des hier vorliegenden Urteils herangezogen werden, da ihr ein anderer Sachverhalt zugrunde lag und sich inzwischen auch die Rechtslage durch die Aufhebung der Trafikantenvorschrift geändert hat.

Die im übrigen zutreffende Auffassung des Berufungsgerichtes, daß auch der im Rahmen der Trafik betriebene Handel mit Kurzwaren als die Ausübung eines Handelsgewerbes zu beurteilen ist und daß sowohl die Veräußerung des Unternehmens als auch dessen Erwerb zum Zwecke der Weiterführung ein Handelsgeschäft darstellt, weshalb die von der Beklagten erhobene Einrede der Verkürzung über die Hälfte erfolglos bleiben mußte, wird von der Revision nicht angefochten.

Die Entscheidung der Untergerichte entspricht somit dem Gesetz, weshalb der Revision der Erfolg zu versagen war.

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