European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00188.75.0113.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der Erblasser hat in dem der Abhandlung des Nachlasses zugrunde gelegten Testament vom 16. 10. 1970 seine minderjährigen Enkel M* und H* zu gleichen Teilen als Erben bestimmt und seine einzige Tochter B* auf den Pflichtteil verwiesen. Die Pflichtteilberechtigte hat ihren Anspruch auf drei Achtel des Nachlaßwertes gefordert und ihn mit rund 12 Millionen Schilling beziffert. Ihren eigenen Angaben zufolge hat sie aus der Verlassenschaft bereits Leistungen im Gesamtwerte von etwas über acht Millionen Schilling in Anrechnung auf ihren Pflichtteilsanspruch erhalten und sie begehrt mit einer beim Landesgericht Linz eingebrachten Klage von der Verlassenschaft neben der Rechnungslegung mit dem Vorbehalt der Klageausdehnung jedenfalls die Bezahlung von 2,5 Millionen Schilling; sie behauptet, es stünden ihr mehr als 5,7 Millionen Schilling als Restforderung zu.
Nach dem Hauptinventar des Gerichtskommissärs vom 30. 11. 1973 beträgt das reine Nachlaßvermögen 29,644.127,55 S.
Die erbserklärten Erben sind der Ansicht, daß bei richtiger Nachlaßbewertung und Berücksichtigung der Heiratsausstattung im Wert von 500.000,-- S im Anrechnungswege der Pflichtteilsanspruch zur Gänze befriedigt sei.
Mit ihrem am 25. 4. 1975 erneuerten Antrag vom April 1973 begehrte die Pflichtteilsberechtigte, zur Sicherung ihres Pflichtteilanspruches die Absonderung der Verlassenschaft gemäß § 812 ABGB zu verfügen und einen Absonderungskurator zu bestellen. Zunächst behauptet sie, daß durch Unterbewertung der zum Nachlaß gehörigen 15 Eigentumswohnungen im Zuge der Schätzung des Nachlasses einerseits und andererseits dadurch, daß die flüssigen Mittel der Verlassenschaft zur Befriedigung ihres Anspruches nicht ausreichten, eine erhebliche Erschwerung bzw. Verzögerung ihrer Forderungsbefriedigung zu besorgen sei. Ergänzend brachte sie zur Begründung ihres Begehrens vor, daß durch die Einbringung des zum Nachlaß gehörigen Betriebsvermögens in die Firma J*gesellschaft m.b.H., deren Geschäftsführer die Vertreter der erbserklärten Erben seien, dieses Vermögen dem unmittelbaren Zugriff der Verlassenschaftsgläubiger entzogen worden sei, und die Vertreter der Erben in dem Rechtsstreit über die Bezahlung der restlichen Pflichtteilforderung beabsichtigen, durch lange Prozeßführung das Nachlaßvermögen weiter zu verringern, so daß schließlich die Befriedigung des restlichen Pflichtteilanspruches vereitelt werde.
Das Erstgericht wies die Anträge der Pflichtteilberechtigten ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im wesentlichen aus:
Eine Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen der erbserklärten Erben sei nicht möglich, weil diese kein eigenes Vermögen besäßen. Eine nennenswerte Vermögensverschleppung oder Vermögenspreisgabe sei nicht möglich, weil die Verwaltung des Vermögens der minderjährigen Erben der Überwachung durch das Gericht unterliege. Außer den Pflichtteilsansprüchen der Antragstellerin gebe es keine Ansprüche gegen den Nachlaß und es seien außer den in die Firma J*gesellschaft m.b.H. eingebrachten Vermögenswerten noch Aktiven vorhanden, deren Wert den Pflichtteilsanspruch um ein Mehrfaches übersteige. Für die allfällige restliche Pflichtteilsforderung der Antragstellerin sei keine Gefahr zu besorgen.
In Stattgebung des dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurses ordnete das Gericht zweiter Instanz die Absonderung der Erbschaft vom Vermögen der Erben und ihre Verwaltung durch einen Kurator an, dessen Bestellung es dem Erstgericht übertrug.
Das Rekursgericht traf die ihm wesentlich erscheinende Feststellung, daß der von der antragstellenden Pflichtteilberechtigten bescheinigte restliche Pflichtteilanspruch von mehr als drei Millionen Schilling durch das Nachlaßvermögen nicht zur Gänze gedeckt sei, wenn man das in die Firma J*gesellschaft m.b.H. eingebrachte Vermögen unberücksichtigt lasse, weil der Wert der noch vorhandenen Liegenschaften nach den Angaben des seinerzeitigen Verlassenschaftskurators lediglich 2,452.972,-- S betrage. Eine die Absonderung der Verlassenschaft rechtfertigende Gefahr für die Forderung der Pflichtteilberechtigten liege schon darin, daß auf die Möglichkeit eines nachteiligen Betriebes des zur Verlassenschaft gehörigen Unternehmens hingewiesen worden sei. Die Vermögenslosigkeit der Erben sei kein Grund, der Pflichtteilberechtigten die Nachlaßabsonderung mangels Gefahr einer Vermögensvermengung zu versagen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisonsrekurs der erbserklärten Erben mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisonsrekurs ist nicht berechtigt.
Das Recht, gemäß § 812 ABGB unter der dort angeführten Voraussetzung die Nachlaßabsonderung zu begehren, steht allen Gläubigern zu, die auf die Erbschaft verwiesen sind; zu diesen zählt auch der Pflichtteilberechtigte. Es soll damit erreicht werden, daß das vom Vermögen der Erben abgesondert verwaltete Sondervermögen ausschließlich zur Befriedigung der Absonderungsgläubiger dient (Koziol-Welser, Grundriß II, 266). Die Absonderungsgläubiger werden dadurch von der mit der Einantwortung und der damit eintretenden Verschmelzung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben verbundenen Gefahr befreit, den Nachlaß als ihren Haftungsfonds mit anderen Gläubigern des Erben teilen zu müssen (Koziol‑Welser aaO, 264 f; in diesem Sinn auch Weiß in Klang2 III, 1018). Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die sich auf Ehrenzweig (Familien-und Erbrecht, S 496, § 516, III) stützt, ist das Absonderungsrecht der verbliebene Rest der Fürsorge für die Nachlaßgläubiger (SZ 9/218; NZ 1957, 11 u.a.) und hat nicht nur den Zweck, das Verlassenschaftsvermögen dem Zugriff der Gläubiger des Erben zu entziehen, sondern es schlechthin gegen alle Gefahren zu sichern, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben (NZ 1929, 21 f; SZ 9/218 u.a.); die im § 812 ABGB angeführte Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen der Erben wird nur als Beispielfall angesehen, bei dem die Gefahr eigenmächtiger Verfügung der Erben über Nachlaßbestandteile besonders nahe liegt (SZ 9/218 u.a.). Deshalb wird auch die Vermögensabsonderung in Fällen bejaht, in denen infolge Vermögenslosigkeit der Erben eine Vermengung zweier Vermögensmassen schon begrifflich ausgeschlossen ist (8 Ob 159/72), wenn nur die Gefährdung der Gläubigerbefriedigung in einer anderen Richtung zu besorgen ist, so etwa durch eine die Nachlaßmasse schmälernde wirtschaftliche Gebarung (8 Ob 159/72). Ganz allgemein ist die Absonderung nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen (NZ 1927, 11 f u.a.), es genügt die subjektive Besorgnis des Gläubigers für die Einbringlichkeit seiner Forderung, wenn sie nur nicht von vorneherein als vollkommen unbegründet erscheint (SZ 8/5; SZ 9/218; 8 Ob 159/72 u.a.). Eine Bescheinigung der besorgten Gefährdung ist nicht erforderlich (NZ 1971, 80; NZ 1969, 156; 8 Ob 159/72 u.a.). Der Gläubiger muß aber jene Umstände anführen, welche die subjektive Besorgnis begründen (SZ 18/181; SZ 25/299 u.a.). Seine Forderung muß der Gläubiger freilich bescheinigen (SZ 24/194 u.a.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß die Gefährdung der bescheinigten Forderung der Antragstellerin in der restlichen Höhe von mindestens drei Millionen Schilling auf Grund der Behauptungen der Antragstellerin nicht von der Hand gewiesen werden kann. Der Umstand, daß beide Erben minderjährig und der Vormundschaft unterworfen sind, räumt nicht die Besorgnisse der Antragstellerin aus, weil die ihnen übertragene Verwaltung des Nachlasses von ihren gesetzlichen Vertretern nicht im Interesse der Gläubigerin ausgeübt wird, sondern im Interesse der Pflege befohlenen (NZ 1927, 11 f). Der Wert der nicht der freien Verfügung der gesetzlichen Vertreter der Erben unterliegenden Liegenschaften ist, wie unbekämpft blieb, mit 2,452.972,-- S zu veranschlagen und deckt nicht die bescheinigte Pflichtteilforderung. Durch die Einbringung des zur Verlassenschaft gehörigen Unternehmens in eine eigene Gesellschaft m.b.H. ist tatsächlich das Unternehmen in eine fremde Rechtszuständigkeit gelangt und dadurch dem Zugriff der pflichtteilberechtigten Antragstellerin entzogen worden. Ihr steht gegebenenfalls nur die Exekution auf die im Eigentum der Verlassenschaft stehenden Geschäftsanteile zu, deren Nominalwert von 1,6 Millionen Schilling nichts über ihren wahren Wert aussagt. Für ihren Wert sind aber sehr wohl die Ertragslage des Unternehmens und seine künftigen Erwerbsgelegenheiten von Bedeutung, die von den Erben in der Klagebeantwortung zu der Pflichtteilanspruchsklage der Antragstellerin nicht sehr optimistisch beurteilt werden. Mit Recht hat deshalb das Rekursgericht in dem Hinweis der Antragstellerin auf die Möglichkeit einer nachteiligen Entwicklung des Betriebes des Unternehmens, das von der Verlassenschaft ins Vermögen einer Gesellschaft m.b.H. eingebracht wurde, eine die Vermögensabsonderung rechtfertigende Gefahrenbesorgnis erblickt.
Dem Revisionsrekurs der Erben kann aus diesen Erwägungen kein Erfolg zukommen.
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