OGH 5Ob186/12g

OGH5Ob186/12g20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. M*****, vertreten durch Dr. Bernd Bakay, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. C*****, vertreten durch Dr. Klaus Riedmüller, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. Verlassenschaft nach Ing. B*****, 2. H*****, beide vertreten durch Dr. Paul Bauer und Dr. Anton Triendl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen §§ 24 Abs 6, 29, iVm § 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 30. Mai 2012, GZ 4 R 65/12f-38, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Die Mehrheit der Wohnungseigentümer fasste in einer Eigentümerversammlung am 7. 4. 2010 den Beschluss, dass die Eigentümergemeinschaft (erstmals) im Hofbereich des Hauses einen Lift südlich der Balkone mit einer Ausstiegsstelle je im 1., 2., 3. und 4. Obergeschoss errichten soll, wobei die Lifterrichtungskosten und die Liftbetriebskosten nach den Parifizierungsanteilen der betroffenen Etagen abzurechnen sind. Eine getrennte Abstimmung über die Errichtung einerseits und die Kostentragung andererseits erfolgte nicht.

Das Rekursgericht begründete die gänzliche Stattgebung des auf § 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG gestützten Sachantrags damit, dass die aus § 32 Abs 2 WEG abzuleitende Unwirksamkeit des Beschlussteils über die Kostentragung auch die Unwirksamkeit des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Beschlussteils über die Lifterrichtung nach sich ziehe.

Die Antragsgegner zeigen in ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung kann ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft, der der Einstimmigkeit bedurft hätte, zur Klarstellung der Rechtslage im Außerstreitverfahren überprüft werden (5 Ob 16/05x wobl 2006/93 [Vonkilch] = immolex 2005/97 [Prader]).

2. Ob dann, wenn der Beschlussgegenstand aus mehreren Punkten besteht, über die auch getrennt abgestimmt werden könnte, die erfolgreiche Geltendmachung eines Anfechtungsgrundes zur Unwirksamkeit des gesamten Beschlusses oder lediglich zur Unwirksamkeit des vom Anfechtungsgrund betroffenen Beschlussteils führt, kann regelmäßig nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

Die Frage ist danach zu beantworten, ob ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den Beschlussteilen besteht.

Das Rekursgericht hat einen solchen untrennbaren Zusammenhang zwischen der von der Mehrheit beschlossenen (erstmaligen) Lifterrichtung und jenem Beschlussteil, der die Errichtungskosten unter Außerachtlassung des im Erdgeschoss gelegenen Objekts nur den Eigentümern der Objekte in den Etagen 1 bis 4 auferlegt, bejaht, weil nicht unterstellt werden könne, dass der ursprüngliche Zweitantragsgegner als Wohnungseigentümer des im Erdgeschoss gelegenen Objekts der Lifterrichtung auch zugestimmt hätte, wäre er - der Grundregel des § 32 Abs 1 WEG entsprechend - mit den Lifterrichtungskosten belastet worden.

Dass die im Anlassfall nicht unbeträchtlichen Lifterrichtungskosten auf die Willensbildung über die Frage, ob überhaupt ein Lift zu errichten ist, gerade dann entscheidenden Einfluss hat, wenn ein der Lifterrichtung zustimmender Wohnungseigentümer durch den Beschlussteil über die Tragung der Lifterrichtungskosten von diesen ausgenommen wird, stellt eine jedenfalls vertretbare Beurteilung des Rekursgerichts dar.

3. Unverständlich sind die Revisionsrekursausführungen, soweit sie darauf verweisen, dass die Wohnungseigentümer des im Erdgeschoss des Hauses gelegenen Geschäftslokals auf die im Rahmen einer Benützungsvereinbarung zur Benützung überlassenen Flächen verzichteten: Ein solcher Verzicht hat keinerlei Einfluss auf die Frage der Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses.

4. Aus der Entscheidung 5 Ob 93/06x will der Revisionsrekurs ableiten, dass die Kosten der Lifterrichtung ohnedies nur von jenen Eigentümern zu tragen seien, die den Lift errichten wollten. Wollten daher die Antragsteller nicht an der Errichtung des Lifts mitwirken und benötigten sie keinen Lift, stehe es ihnen frei, sich an diesen Kosten nicht zu beteiligen. Aus diesem Grund sei ihnen ein Rechtsschutzinteresse an der positiven Erledigung ihres Sachantrags abzusprechen.

Dabei verkennt der Revisionsrekurs ganz grundlegend, dass es hier - anders als in dem der Entscheidung 5 Ob 93/06x zugrunde liegenden Fall - nicht um die Durchsetzung eines Änderungsrechts eines Wohnungseigentümers nach § 16 Abs 2 WEG geht, in welchem Fall eine Genehmigung des Antrags nur in Frage kommt, wenn der änderungswillige Wohnungseigentümer die Kosten übernimmt (vgl RIS-Justiz RS0116332). Vielmehr geht es hier um eine bauliche Veränderung, die von der Mehrheit der Wohnungseigentümer beschlossen wurde und die die Errichtung des Lifts durch die Eigentümergemeinschaft zum Gegenstand hat.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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