European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00173.23M.1109.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wirdzurückgewiesen.
Begründung:
[1] Mit Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 9. 5. 2022, GZ 87 Pu 74/22h‑20, wurde der Vater verpflichtet, seinen Kindern ab 1. 9. 2021 einen Unterhalt von monatlich je 320 EUR zu zahlen. Er beantragte am 8. 7. 2022, seine Unterhaltsverpflichtung beginnend mit 1. 6. 2022 auf 150 EUR je Kind herabzusetzen. Die drei Minderjährigen würden sich nun häufiger bei ihm befinden; für seine seit 1. 6. 2022 neu bezogene Wohnung habe er hohe Kosten zu tragen.
[2] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es den Unterhaltsherabsetzungsantrag abgewiesen hatte. Zwar habe der Vater die Minderjährigen in der Zeit vom 1. 6. 2022 bis 17. 9. 2022 vermehrt betreut, seither habe er jedoch nur mehr einmal in der Woche in einem Besuchskaffee Kontakt zu ihnen. Damit werde für einen längeren Zeitraum betrachtet die übliche Dauer des Kontakts zu den Kindern nicht überschritten. Eine Reduzierung des Unterhalts sei daher nicht gerechtfertigt. Die vom Vater ins Treffen geführten Kosten für Fernwärme und Gas seien bei der Bemessung des Unterhalts ebensowenig zu berücksichtigen wie Ausgaben des täglichen Lebens. Auch die Kosten des Vaters dafür, dass er in eine neue Wohnung gezogen sei und diese eingerichtet habe, wirkten sich nicht unterhaltsmindernd aus.
[3] Den Revisionsrekurs des Vaters ließ das Rekursgericht nachträglich zu, weil möglicherweise ein Verstoß gegen das Verfahrensrecht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[5] 1. Nach ständiger Rechtsprechung sind auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens in Außerstreitsachen subjektive Behauptungs‑ und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (RIS‑Justiz RS0006261 [T1]). Der Unterhaltspflichtige hat die seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände zu behaupten und zu beweisen (RS0111084, RS0006261 [T3; T6; T14]).
[6] 2. Ausgehend davon kann der Vater keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen.
[7] 2.1. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung bei der Entscheidung über einen (an sich berechtigten) Antrag auf rückwirkende Unterhaltserhöhung grundsätzlich alle vom Unterhaltspflichtigen in der Vergangenheit erbrachten, die (ursprünglich titulierte Unterhaltspflicht übersteigenden) Naturalleistungen mit Unterhaltscharakter anspruchsmindernd anzurechnen sind (RS0047328). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil nicht ein von den Kindern rückwirkend gestellter Unterhaltserhöhungsantrag zu beurteilen ist, sondern das Begehren des Vaters auf Verminderung seiner Unterhaltsverpflichtung für die Zukunft.
[8] 2.2. Für die Zukunft sind Naturalleistungen jedoch nur zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltsberechtigte sich ausdrücklich oder doch schlüssig damit einverstanden erklärt und aufgrund eines stabilen Verhaltens des Unterhaltsschuldners die begründete Annahme besteht, dass dieser die Naturalleistungen auch künftig erbringen werde (RS0047258). Die Beurteilung dieser Voraussetzungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RS0047258 [T3]). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, behauptet der Vater gar nicht, wenn er geltend macht, er habe in der Zeit, in der er seine Kinder vermehrt betreute, Kosten für Kleidung, Mobiltelefone und Fahrräder zu tragen gehabt. Damit begründet es auch keinen Verfahrensmangel, dass die Tatsacheninstanzen Erhebungen dazu für entbehrlich erachteten und Feststellungen in diesem Zusammenhang unterließen.
[9] 3. Auch mit dem Hinweis auf seine Betreuungsleistungen kann der Vater keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen:
[10] 3.1. Nach der jüngeren Rechtsprechung ist der zu leistende Geldunterhalt zu reduzieren, wenn der Geldunterhaltspflichtige – über ein übliches Kontaktrecht hinaus – Betreuungsleistungen erbringt (RS0047452 [T6]). Als üblich werden Kontakte von zwei Tagen alle zwei Wochen sowie von vier Wochen in den Ferien, also etwa 80 Tage im Jahr, angesehen (vgl 1 Ob 89/22b mwN). Eine darüber hinausgehende Betreuungsleistung wird im Allgemeinen in Form prozentmäßiger Abschläge pro (regelmäßigem) wöchentlichem Betreuungstag berücksichtigt, an dem sich das Kind über das übliche Ausmaß des Kontaktrechts hinaus beim geldunterhaltspflichtigen Elternteil befindet (vgl dazu RS0128043). Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Richtschnur im Sinn einer generalisierenden Betrachtungsweise (RS0128043).
[11] 3.2. Im vorliegenden Fall hat der Vater seine Kinder im Jahr 2022 zwar in der Zeit vom 1. 6. 2022 bis 17. 9. 2022 über das übliche Kontaktrecht hinaus betreut, seither hat er nach den Feststellungen jedoch nur mehr einmal in der Woche in einem Besuchskaffee Kontakt zu ihnen. Damit ist es im Einzelfall (vgl dazu RS0047452 [T16]) keineswegs zu beanstanden, dass das Rekursgericht im Sinn einer wertenden Gesamtbetrachtung (dazu RS0128043 [T12]) eine regelmäßige Betreuung der Kinder durch den Vater, die über das übliche Kontaktrecht hinausginge, verneinte und die vom Vater angestrebte Reduktion seiner Geldunterhaltsleistung ablehnte.
[12] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)