OGH 5Ob170/11b

OGH5Ob170/11b13.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Dr. Kurt Bayr, Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M***** H***** M*****, vertreten durch Dr. Bernd Schmidinger, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. P***** Z*****, vertreten durch Tinzl & Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, und 2. S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Karl Ulrich Janovsky, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 11.286,07 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Mai 2011, GZ 4 R 95/11v‑69, womit infolge der Berufungen beider Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 19. Februar 2011, GZ 5 Cg 96/08h‑63, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig,

1. der beklagten Partei die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt),

2. dem Erstnebenintervenienten die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt),

3. der Zweitnebenintervenientin die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt)

bestimmten Kosten ihrer jeweiligen Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bejahte den von der klagenden Eigentümergemeinschaft für die Sanierung der zum Wohnungseigentumsobjekt der Beklagten gehörigen Terrasse nach § 1042 ABGB geltend gemachten Aufwandersatz. Die Terrasse werde ausschließlich von der Beklagten benutzt und sei vom Erstnebenintervenienten als ihrem Rechtsvorgänger ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer baulich so verändert worden, dass es letztlich zum Schaden gekommen sei. Der Entscheidung 5 Ob 190/06m folgend, entspreche es der Billigkeit, wenn die allein nutzende Wohnungseigentümerin die mit der Beseitigung der ernsten Schäden verbundenen Kosten trage, auch wenn sie den Schaden weder verursacht noch verschuldet habe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der Nebenintervenienten dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Die ordentliche Revision ließ es über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO zu, weil „eine ‑ analoge ‑ Anwendung der in der Entscheidung 5 Ob 190/06m aufgestellten Grundsätze auf einen Sachverhalt, wie den hier vorliegenden, durch den Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt worden sei“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig, weswegen sich die Ausführungen dieses Beschlusses auf die Zurückweisungsgründe beschränken können (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Schwerpunkt der Revision ist, ob die geltend gemachten Sanierungskosten von der klagenden Eigentümergemeinschaft im Rahmen der ordentlichen Verwaltung iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 3 MRG aufgewendet wurden, oder ‑ wie sie meint ‑ von der Beklagten als allein nutzende Wohnungseigentümerin zu tragen gewesen wären. Dazu beruft sich die Klägerin auf die Entscheidung 5 Ob 190/06m.

2. Die Abgrenzung, ob allgemeine Teile des Hauses betroffen sind, erfolgt nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG in räumlicher Hinsicht, was eine unproblematische Einordnung all jener Teile erlaubt, die zweifelsfrei außerhalb der Wohnungseigentumsobjekte liegen. Darunter fallen nach herrschender Ansicht jene Bereiche, die gemeinhin als „Außenhaut“ des Gebäudes bezeichnet werden (vgl RIS‑Justiz RS0069976; RS0083334 [T3]). Zur weiteren Abgrenzung bedient sich die Rechtsprechung darüber hinaus funktionaler Gesichtspunkte (vgl 5 Ob 294/99t = immolex 2000/205 = MietSlg 52.575; 5 Ob 154/08w; RIS‑Justiz RS0112445 [T4]). Sanierungsarbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft gehören nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG zur ordentlichen Verwaltung und fallen damit in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft mit der Rechtsfolge, dass es auf das Vorliegen eines ernsten Schadens nicht ankommt.

3.1 Die Frage, ob ein allgemeiner Teil der Liegenschaft betroffen ist, begegnet dort Schwierigkeiten, wo die Arbeiten die räumliche Grenze zwischen Wohnungseigentumsobjekt und allgemeinen Teilen betreffen. Arbeiten an Balkonen und Terrassen stellen solche Grenzfälle dar (vgl H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 28 WEG Rz 53 und 58; 5 Ob 154/08w). Eine solche Abgrenzung ist aber dort entbehrlich, wo die Behebung ernster Schäden iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG ansteht. Die Behebung eines ernsten Schadens des Hauses oder an einem Wohnungseigentumsobjekt ist stets ordentliche Verwaltung und fällt damit in die Zuständigkeit der Eigentümergemeinschaft, die dafür auch zahlungspflichtig ist (H. Löcker aaO Rz 55 mwN; RIS‑Justiz RS0112445; 5 Ob 16/05x; 5 Ob 249/99z). Diese Regel gilt grundsätzlich auch für die Erhaltung eines geänderten Wohnungseigentumsobjekts, selbst wenn die Änderung nur einem einzigen Wohnungseigentümer zugute kommt (Tschütscher, Wer anschafft, zahlt? ‑ Wer trägt die Kosten von baulichen Änderungen des Wohnungseigentumsobjekts?, wobl 2004, 233 [238]; RIS‑Justiz RS0116332 [T2, T3]). Ebenso ist unerheblich, dass die Schadensbehebung nicht jedem Wohnungseigentümer zum Vorteil gereicht (H. Löcker aaO Rz 55 mwN).

3.2 Entsprechend diesen Grundsätzen betont auch die Entscheidung 5 Ob 190/06m, die die Klägerin zur tragenden Begründung ihrer Revision macht, dass derjenige Wohnungseigentümer, der allgemeine Teile der Liegenschaft ausschließlich in Anspruch nimmt, hinsichtlich der Erhaltung der nur durch ihn benützten Liegenschaftsteile Beitragsleistungen der Gemeinschaft nur dann einfordern kann, wenn es sich um die Behebung ernster Schäden des Hauses handelt. Nur die eigenmächtig errichteten Räume (in casu: Kellerräume unter der Terrasse) fallen nach dieser Entscheidung auch bei Vorliegen ernster Schäden nicht in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft. Betreffen die ernsten Schäden iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG aber auch allgemeine Teile des Hauses bzw das ursprüngliche Wohnungseigentumsobjekt (= konsensgemäßer Bauzustand), bleibt die Eigentümergemeinschaft zu den Erhaltungsarbeiten und zur Kostentragung verpflichtet.

3.3 Ein ernster Schaden liegt jedenfalls dann vor, wenn „einem Menschen nach herrschender Auffassung die Benützung eines Raumes nicht mehr zugemutet werden kann“ (H. Löcker aaO Rz 56 unter Berufung auf Call in Mietrecht und Wohnungseigentum, 102). Darunter fallen jedenfalls Feuchtigkeitsschäden (MietSlg 41.468; MietSlg 51.547 = wobl 1999/136 [Call]; 5 Ob 142/01w = wobl 2001/212 [Call]). Liegt ein ernster Schaden vor, fällt nicht nur die bloße Schadensbehebung, sondern die gesamte Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustands in die Zuständigkeit der Gemeinschaft, und zwar unabhängig von den Zulässigkeitsvoraussetzungen für Änderungen nach § 16 Abs 2 WEG (H. Löcker aaO Rz 56).

4. Im vorliegenden Fall war die Sanierung der Terrasse notwendig, um weitere Wassereintritte und in weiterer Folge Schäden an der Außenwand, den Umfassungsbauteilen des unter der Terrasse liegenden Müllraums sowie der benachbarten Wohnung abzuwehren. Solche Sanierungsarbeiten gehen deutlich über die Behebung bloß oberflächlicher Mängel hinaus, dienen sie doch der Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden und dem Schutz vor weiteren Durchfeuchtungen. Im Sinn der obigen Ausführungen lag damit ein ernster, die Substanz des Hauses betreffender Schaden vor, zu dessen Behebung unabhängig von der Einordnung der Terrasse als allgemeiner Teil des Hauses nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG jedenfalls die klagende Eigentümergemeinschaft verpflichtet war. Die dabei erforderlichen Arbeiten auf der Terrasse der Beklagten zählen zu den Maßnahmen zur Beseitigung eines ernsten Schadens und damit zu den Erhaltungsarbeiten (vgl MietSlg 51.547 = wobl 1999/136 [Call]). Anders als in der Entscheidung 5 Ob 190/06m, der insoweit ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, betraf der ernste Schaden auch keineswegs unter Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen der Liegenschaft eigenmächtig errichtete Bauteile, sondern das von Anfang an bestehende Objekt der Beklagten top 16 und die diesem benachbarte Wohnung. Damit fiel aber nicht nur die bloße Schadensbehebung, sondern die gesamte Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustands in die Zuständigkeit der Gemeinschaft (H. Löcker aaO Rz 56). Dass die Bepflanzung der Terrasse im Sinne der vom Erstnebenintervenienten veranlassten Umbauarbeiten nicht einen solchen ordnungsgemäßen Zustand darstellen würde, hat die klagende Eigentümergemeinschaft nicht behauptet.

5. Damit vermag die Revision mit ihrem Verweis auf die Entscheidung 5 Ob 190/06m keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Inwieweit ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu den ihr verrechneten Stehzeiten geführt haben soll, hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht dargelegt, sodass die Revision insgesamt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag und daher als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

6. Sowohl die Beklagte als auch die Nebenintervenienten haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass die Klägerin ihnen gegenüber zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0035979). Nach § 23 RATG gebührt der Beklagten und dem Erstnebenintervenienten für deren Revisionsbeantwortungen nur der einfache Einheitssatz. Im Kostenverzeichnis der Beklagten war darüber hinaus zu berücksichtigen, dass ein Erhöhungsbeitrag für die Direktzustellung (gemeint offensichtlich iSd § 112 ZPO) keine gesetzliche Grundlage hat.

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