OGH 5Ob161/92

OGH5Ob161/9215.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerlinde W*****, vertreten durch Dr.Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Kufstein, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Roman R*****, vertreten durch Dr.Siegfried Dillersberger und Dr.Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Waltraud V*****, vertreten durch Dr.Georg Huber und Dr.Thomas Zelger, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Durchführung von Arbeiten, infolge außerordentlicher Revisionsrekurse der Klägerin und der Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 3.Jänner 1992, GZ 2 a R 550/91-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 29.August 1991, GZ 2 C 564/90f-18, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung über die zulässige Verfahrensart zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten des Zwischenstreites.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Mieterin einer im Wohnungseigentum der Beklagten stehenden Wohnung, die nach dem Vorbringen der Beklagten (ON 14) in einem vor dem Jahre 1945 errichteten Gebäude gelegen sein soll.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten zunächst die Sanierung dieser Wohnung durch Austausch von vier Dachfenstern, wobei ein wärmegedämmter Aufsatzrahmen mit isolierverglasten Fenstern zu verwenden und der Anschluß an das bestehende Blechdach fachmännisch durch einen Spenglermeister durchzuführen sei, sowie die Zahlung von S 11.342,20 s.A. an Schadenersatz (ON 1).

Nach Zahlung des begehrten Schadenersatzbetrages durch die Haftpflichtversicherung der Beklagten schränkte die Klägerin das Klagebegehren diesbezüglich ein (ON 4 und 7) und änderte - nachdem der Nebenintervenient als Hausverwalter namens der anderen Wohnungseigentümer die Erklärung abgegeben hatte, daß diese zur Durchführung der von der Klägerin begehrten Arbeiten bereit seien, wenn auch die Beklagte zustimme - das Klagebegehren dahin, die Beklagte sei schuldig, der von den Wohnungseigentümern beschlossenen Sanierung der Wohnung der Klägerin durch Austauschen der Dachfenster oder sonst auf eine geeignete Art zuzustimmen (ON 15 und 17).

Die Beklagte beantragte Abweisung des ursprünglichen Klagebegehrens und sprach sich gegen die Zulassung der Klageänderung aus. Die Beklagte wendete überdies Unzulässigkeit des streitigen Verfahrens ein (ON 16 und 17).

Das Erstgericht sprach aus,

1.) das ordentliche Verfahren beim Bezirksgericht Kufstein sei unzulässig, und

2.) dieses Verfahren werde in das außerstreitige Verfahren verwiesen.

Die beantragte Änderung der Klage ließ das Erstgericht ohne spruchmäßige Entscheidung zu.

Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, die vom Sachverständigen aufgezeigten Mängel samt Sanierungsvorschlägen stellten die Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten gemäß § 3 MRG dar. Die Durchsetzung solcher Ansprüche habe gemäß § 37 Abs 1 Z 2 MRG im Verfahren Außerstreitsachen zu erfolgen.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes teilweise dahin ab, daß es die implizite zugelassene Klageänderung nicht zuließ, während es den Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Verfahrens sowie die Überweisung in das außerstreitige Verfahren bestätigte. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtlich führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:

Bei dem ursprünglichen Klagebegehren handle es sich in Wahrheit um einen Antrag auf Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten im Sinne der §§ 3 und 4 MRG, über welchen gemäß § 37 Abs 1 Z 2 MRG im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sei. Das geänderte Begehren hingegen, gestützt auf § 1096 ABGB, gehöre auf den ordentlichen Rechtsweg.

Da der Hauptmieter einer Eigentumswohnung insofern eine Sonderstellung habe, als er zwar formal alle Rechte des Hauptmieters habe, sie jedoch nur insoweit ausüben könne, als sie sich unmittelbar gegen den Wohnungseigentümer als seinen Vertragspartner richteten, könne er Ansprüche nach den §§ 3 ff MRG unmittelbar nur insoweit durchsetzen, als sie dem Wohnungseigentümer aufgetragen werden könnten (Verbesserungen im Mietgegenstand). Ein Tätigwerden des Wohnungseigentümers der Gemeinschaft gegenüber könne nur nach § 1096 ABGB im Rechtsweg durchgesetzt werden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung von Sanierungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses könne daher gemäß § 1096 ABGB lediglich im ordentlichen Rechtsweg durchgesetzt werden. Das im außerstreitigen Verfahren zu behandelnde ursprüngliche Begehren der Klägerin sei daher im Zeitpunkt der Klageänderung entscheidungsreif im Sinne einer Abweisung des Antrages gewesen. Unter diesen Umständen führe eine Änderung der Klage zu einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung, sodaß die Klageänderung unzulässig sei.

Die sachliche Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Sinne seiner Abweisung könne jedoch nur im Verfahren Außerstreitsachen erfolgen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil der Entscheidung des Rekursgerichtes qualifizierte Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zukomme.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richten sich die außerordentlichen Revisionsrekurse

1.) der Klägerin mit dem Antrag, entweder dem geänderten oder den zuerst gestellten Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben;

2.) der Beklagten mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Parteien beantragen, jeweils dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben; die Beklagte beantragte primär, den Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen.

Der Nebenintervenient beantragte, dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten keine Folge zu geben, sondern den angefochtenen Beschluß im Sinne des außerordentlichen Revisionsrekurses der Klägerin abzuändern.

Beide Revisionsrekurse sind zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur Zulässigkeit:

Beide Revisionsrekurse sind deswegen zulässig, weil zu der Frage, ob

der Mieter einer Eigentumswohnung seine Ansprüche auf Durchführung

von Erhaltungsarbeiten, die sich auf allgemeine Teile des Hauses

beziehen, im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen hat, eine

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt.

b) Zur Sachentscheidung:

Gemäß § 1 Abs 4 Z 3 MRG gelten für Mietgegenstände, die im

Wohnungseigentum stehen, sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude

gelegen ist, das auf Grund einer nach dem 8.5.1945 erteilten

Baubewilligung neu errichtet worden ist, die §§ 14, 29 bis 36, 45,

46 und 49 MRG, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und

II.Hauptstückes, insbesondere also auch nicht die Bestimmungen des §

37 MRG (Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten in Verfahren

Außerstreitsachen) und nicht die Bestimmungen der §§ 3, 4 und 6 MRG

(Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten). In dieser

Rechtssache liegt zwar eine Behauptung der beklagten Partei vor (ON

14), das Gebäude sei bereits um die Jahrhundertwende errichtet

worden, doch wurde dies von den Vorinstanzen nicht weiter geprüft.

Diesbezügliche Feststellungen fehlen.

Sollte es sich also um ein Gebäude handeln, das auf Grund einer nach dem 8.5.1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet wurde, so käme schon nach dem positiven Gesetzeswortlaut eine Verweisung der Klägerin mit ihrem ursprünglichen Klagebegehren in das Verfahren außer Streitsachen nicht in Betracht.

Sollte jedoch die Behauptung der beklagten Partei betreffend den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes den Tatsachen entsprechen, so spricht der Wortlaut des § 1 Abs 4 Z 3 MRG mangels Erfüllung der Voraussetzungen des genannten Ausnahmetatbestandes für die volle Anwendbarkeit des MRG, daher auch der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des § 37 MRG.

Es ist zwar richtig, daß dem Mieter eines Wohnungseigentümers gegenüber den anderen Wohnungseigentümern keine Rechte zustehen (s ImmZ 1989, 203; MietSlg XXXVIII/12; vgl ferner WoBl 1990/40) und er daher denjenigen Wohnungseigentümern gegenüber, die nicht seine Vertragspartner sind, Erhaltungs- oder Verbesserungsansprüche nicht unmittelbar durchsetzen kann. Er kann sich diesbezüglich immer nur an seinen Vertragspartner halten. Entgegen der von Würth in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 2 MRG und in Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 2 MRG Rz 4 vertretenen Meinung ist es aber durchaus möglich, daß ein zur Erfüllung der dem Wohnungseigentümer seinem Mieter gegenüber obliegenden Pflichten zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten gegebenenfalls erforderliches Tätigwerden des vermietenden Wohnungseigentümers nach § 15 Abs 1 Z 1 WEG nicht nur im Rechtsweg nach § 1096 ABGB erzwungen werden kann, sondern auch auf Grund eines im außerstreitigen Verfahren hiefür geschaffenen Titels. Es ist nicht recht einzusehen, warum im Falle der Notwendigkeit exekutiver Durchsetzung des dem Vertragspartner des Mieters einer Eigentumswohnung erteilten Auftrages, Erhaltungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses durchzuführen, dies gegenüber den anderen Wohnungseigentümern nur möglich sein sollte, wenn dieser Auftrag im streitigen Verfahren erteilt worden ist, nicht aber auch,

wenn es sich um eine im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidung handelt. Auch der Umstand, daß die besondere Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Mieter einer Eigentumswohnung einerseits und dem vermietenden Wohnungseigentümer andererseits - vor allem dann, wenn auch die anderen Objekte im Haus Eigentumswohnungen sind - dazu führen mag, daß nicht alle materiellrechtlichen Vorschriften der §§ 3 ff MRG anwendbar sein könnten, bedeutet nicht, daß dies auch eine Änderung der Verfahrensart zur Folge haben müßte. Die maßgeblichen materiellrechtlichen Vorschriften, auf die hier näher nicht einzugehen ist, können nämlich sowohl im streitigen als auch im außerstreitigen Verfahren, also unabhängig von der Verfahrensart, angewendet werden.

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin ihr Klagebegehren nach Durchführung des Sachverständigenbeweises über die Notwendigkeit der Erhaltungsarbeiten und nach der Erklärung des Nebenintervenienten (= des Verwalters der Liegenschaft namens der anderen Miteigentümer), daß die anderen Miteigentümer zur Durchführung dieser Arbeiten bereit seien, wenn auch die Beklagte zustimme, auf Abgabe einer Zustimmungserklärung geändert (ON 15 und 17).

Auch über dieses Begehren ist im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden, weil sich aus der weiten Fassung des § 37 Abs 1 Z 2 MRG

ergibt, daß im Gegensatz zum Mietengesetz nicht nur Verfahren zur Durchsetzung, sondern auch alle anderen im Zusammenhang mit Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten denkbaren Streitigkeiten ins Außerstreitverfahren gehören (MietSlg 41.377). Begehrt nun der Mieter einer Eigentumswohnung - wie hier - von seinem Vertragspartner die Zustimmung zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten, zu deren Durchführung die anderen Miteigentümer des Hauses ohnedies bereit sind, so handelt es sich bei diesem Begehren um nichts anderes als um ein aus der konkreten Fallgestaltung abgeleitetes Begehren im Zusammenhang mit dem Anspruch des Mieters auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten. Es ist daher auch über das im Zuge des Verfahrens von der klagenden Partei geänderte Begehren im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden, sofern nicht - wie eingangs ausgeführt wurde - die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 3 MRG Platz greift. Nur in diesem Fall wäre auch über das geänderte Begehren auf dem streitigen Rechtsweg zu entscheiden.

Für den Fall, daß im streitigen Verfahren zu entscheiden wäre, erachtet jedoch der erkennende Senat entgegen dem Standpunkt des Rekursgerichtes die Klageänderung für zulässig (für den Fall der Entscheidung im außerstreitigen Verfahren stellt sich dieses Problem nicht, weil in diesem Verfahren die als Antragstellerin anzusehende Klägerin mangels vorgeschalteter Schlichtungsstelle zur Änderung des Begehrens ohne Rücksicht auf die diesbezüglichen einschränkenden Bestimmungen der Zivilprozeßordnung berechtigt ist):

Gemäß § 235 Abs 3 ZPO kann das Gericht eine Änderung der Klage selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ungeachtet der Einwendungen des Gegners zulassen, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten wird und aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist.

Beide Voraussetzungen sind in diesem Fall erfüllt:

Durch das geänderte Klagebegehren würde die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten, weil hiefür sowohl der streitige Rechtsweg als auch die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes (§ 49 Abs 2 Z 5 JN) gegeben wäre.

Eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung wäre nicht zu besorgen, weil wesentliche Beweisaufnahmen (Sachverständigenbeweis zur Notwendigkeit der begehrten Erhaltungsarbeiten) schon erfolgten. Jedenfalls ist die Fortsetzung des streitigen Verfahrens über das geänderte Klagebegehren voraussichtlich wesentlich kostensparender und kürzer als der vom Rekursgericht vorgeschlagene Weg, das ins außerstreitige Verfahren überwiesene ursprüngliche Klagebegehren dort abzuweisen und über das neue Klagebegehren erst auf Grund einer abermaligen Klage im streitigen Rechtsweg zu entscheiden. Die gegenteilige Meinung des Rekursgerichtes widerspräche den von der Rechtsprechung für die Zulassung einer Klageänderung unter dem Blickwinkel der Erschwerung und Verzögerung aufgestellten Grundsätzen (MGA JN-ZPO14 § 235 ZPO/E 147 bis 153, 158).

Im fortzusetzenden Verfahren wird daher das Erstgericht Sachverhaltsfeststellungen darüber zu treffen haben, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 4 Z 3 MRG gegeben sind und sodann neuerlich gemäß § 40 a JN über das anzuwendende Verfahren zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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