European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00160.22Y.0418.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die jeweils mit 2.234,52 EUR (darin 372,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte als Bauträgerin errichtete auf einem Grundstück, auf dem ihr ein Baurecht eingeräumt wurde, ein Wohnhaus und begründete Baurechtswohnungseigentum. Nach der ursprünglichen Bau- und Ausstattungsbeschreibung sollte Warmwasser und Heizungswärme für das Wohnhaus mittels Gaszentralheizung und Solarthermie erzeugt werden. Im Zusammenhang mit dem Wechsel des Generalunternehmers wurde das Konzept für die Wärmeversorgung geändert und ein „Anlagencontracting“ umgesetzt.
[2] Die Beklagte hatte bereits vor dem Konzeptwechsel und dem Abschluss des Contracting‑Vertrags mit der Nebenintervenientin Kaufverträge über einige der damals in Errichtung befindlichen Wohnungen abgeschlossen. In den Kaufverträgen dieser „Alteigentümer“ war noch festgelegt, dass die Wärme (Heizung und Warmwasser) mittels Gaszentralheizung und Solarthermie erzeugt wird. Erst in den nach dem Konzeptwechsel und dem Abschluss des Contracting-Vertrags abgeschlossenen Kaufverträgen fand das Contracting und der Rahmenvertrag mit der Nebenintervenientin Berücksichtigung („Neueigentümer“).
[3] Die klagende Eigentümergemeinschaft verfolgt mit ihrer Klage das Ziel, den Baurechtswohnungseigentümern („Miteigentümern“) eine in ihrem Eigentum und ihrer freien Verfügung stehende Heizungs- und Warmwasserversorgungs‑ sowie Solarthermie-Anlage zu verschaffen. Die Klägerin begehrt – zusammengefasst – (1.) die Errichtung einer Heizungs- und Solarthermieanlage entsprechend der Bau- und Ausstattungsbeschreibung der einzelnen Kaufverträge und deren Übertragung in das Miteigentum der Miteigentümer, (2.) mit der Lösungsermächtigung durch Verschaffung des Eigentums an der von der Nebenintervenientin errichteten Heizungs- und Solarthermieanlage, in eventu (3. und 4.) die Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung durch Zahlung der von der Nebenintervenientin vorgeschriebenen Grundpreise für Investitionen und Instandhaltung, (5.) die Zahlung von (nach Klageausdehnung) zuletzt 4.950,28 EUR und (6.) die Feststellung, dass die Beklagte schuldig sei, der Klägerin die künftig vorgeschriebenen Grundpreise zu ersetzen.
[4] Die Klägerin stützt diese Klagebegehren auf die den Miteigentümern aus ihren jeweiligen Kaufverträgen mit der Beklagten abgeleiteten Ansprüche auf Erfüllung, Gewährleistung, Schadenersatz und alle sonstigen Rechtsgründe. Die Mehrheit der Miteigentümer habe diese Ansprüche an die Klägerin abgetreten.
[5] Das Erstgerichtwies die Klage ab.
[6] Das Klagebegehren zu Punkt 1. sei unzulässig und daher samt der Lösungsbefugnis zu Punkt 2. abzuweisen. Die zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten abgeschlossenen Verträge der abtretenden Eigentümer wiesen unterschiedliche Inhalte auf. Nur die „Alteigentümer“ hätten einen Anspruch auf die in ihrer Bau‑ und Ausstattungsbeschreibung beschriebene Anlage, nicht aber die „Neueigentümer“, deren Kaufverträge bereits das Contracting beinhalteten. Die einschlägigen Bestimmungen zur Regelung der Contracting‑Konstruktion in den Verträgen der „Neueigentümer“ seien auch nicht rechtsunwirksam. Es lägen daher zwei Lebenssachverhalte vor, die nicht zu einem Anspruch gegen die Beklagte zusammengefasst und abgetreten werden könnten.
[7] Die Klagebegehren zu den Punkten 3. bis 6. seien durch den der Anspruchsverfolgung zu Grunde liegenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft nicht gedeckt und deshalb abzuweisen.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
[9] Es begründete seine Entscheidung – soweit für das Rekursverfahren von Relevanz – damit, dass die Klägerin ihre Aktivlegitimation auf eine Abtretung individueller, aus den jeweiligen Kaufverträgen abgeleiteter Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche von Wohnungskäufern gründe. Das Hauptbegehren zu Punkt 1. sei auf Verbesserung eines für alle Verträge behaupteten Mangels gerichtet. Da dieser auf einen allgemeinen Teil der Liegenschaft bezogene Verbesserungsanspruch unteilbar sei, könne jeder einzelne Wohnungseigentümer seinen behaupteten Anspruch auf die gesamte Verbesserung geltend machen und an die Eigentümergemeinschaft abtreten. Dem Klagebegehren zu Punkt 1. sei daher bereits dann stattzugeben, wenn nur einer der abgetretenen Ansprüche auf Herstellung einer im Miteigentum stehenden Heizungsanlage zu Recht bestehe. Eine Abweisung käme also erst dann in Betracht, wenn sich aus keinem der abgetretenen Ansprüche die Berechtigung des Klagebegehrens ableiten ließe.
[10] Die Klägerin „bündle“ daher – entgegen der Auffassung des Erstgerichts zulässigerweise – die ihr abgetretenen, in Konkurrenz zueinander stehenden Ansprüche verschiedener Wohnungseigentümer. (Nur) Soweit diese Ansprüche nur aliquot zustünden und geltend gemacht würden, seien diese für jeden einzelnen Wohnungseigentümer gesondert zu prüfen.
[11] Im Fall einer solchen Abtretung von Ansprüchen einzelner Wohnungseigentümer nach § 18 Abs 2 Fall 1 WEG bedürfe es für die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft auch keiner (zusätzlichen) Beschlussfassung. Die mit der Annahmeerklärung wirksam zustande gekommene Abtretung bewirke im Außenverhältnis die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft, ohne dass das Prozessgericht die interne Willensbildung der Eigentümergemeinschaft über die Geltendmachung der abgetretenen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche überprüfen müsse.
[12] Für eine Stattgebung des Klagebegehrens zu Punkt 1. reiche zwar das Zurechtbestehen eines Erfüllungs- und Gewährleistungsanspruchs auch nur der „Alteigentümer“ aus. Dieses Klagebegehren sei aber dennoch nicht spruchreif, weil Feststellungen zu der Vertragslage der Alteigentümer fehlten. Zu Recht rüge die Beklagte in diesem Zusammenhang (sekundäre) Feststellungsmängel zu der von der Beklagten behaupteten nachträglichen Änderung der Verträge durch Vereinbarung eines Anlagen‑Contractings. Da noch nicht abschließend beurteilt werden könne, ob dieses angeblich nachträglich vereinbarte Anlagen-Contracting gemessen an § 38 WEG unzulässig sei, könne eine allfällige Willenseinigung zur entsprechenden Änderung der Verträge hier nicht dahingestellt bleiben.
[13] Anders als bei den „Alteigentümern“ seien bei den „Neueigentümern“ schon in den Kaufverträgen Bestimmungen zum Anlagen‑Contracting enthalten. Die Klägerin behaupte allerdings die Nichtigkeit dieser Vertragsbestimmungen und berufe sich dazu auf das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG, die „Hürde“ des § 38 WEG, die gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB und die Inhaltskontrolle nach § 864a ABGB.
[14] Die in den Kaufverträgen der „Neueigentümer“ in das Kapitel „Herstellungsumfang“ eingeordnete Klausel 3.13. enthalte einen Passus mit einem deutlichen Hinweis, dass die Heizzentrale nicht Gegenstand der von der Beklagten zu erbringenden Leistungen sei und im Eigentum der Nebenintervenientin verbleibe. Außerdem werde auf den dem Kaufvertrag angeschlossenen Rahmenvertrag verwiesen. Damit sei die hier gewählte besondere vertragliche Gestaltung mit dem Ziel der Auslagerung der Herstellung der Heizzentrale deutlich offen gelegt und ausdrücklich angesprochen. Die Klausel halte daher der Inhaltskontrolle nach § 864a ABGB stand.
[15] Die Klausel sei auch nicht intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG. In der Literatur werde zwar teilweise gefordert, dass es zur Erfüllung der Anforderungen an dieses Transparenzgebot nicht nur eines konkreten Hinweises im Vertrag auf das Contracting bedürfe, sondern auch einer zahlenmäßigen, einen Vergleich ermöglichenden Gegenüberstellung. Dass die Kaufpreisbildung im Detail offen zu legen wäre, um die Bestimmung transparent zu gestalten, überzeuge aber deshalb nicht, weil die Aufschlüsselung des Kaufpreises auch bei sonstigen Leistungsbestandteilen nicht zu fordern sei. Tatsächlich hänge es von der konkreten Textierung ab, ob und inwieweit vertragliche Vereinbarungen ausreichend transparent seien. Die Vertragsbestimmung Punkt 3.13. enthalte nicht nur eine Regelung zu den Eigentumsverhältnissen dahin, dass die Heizungsanlage von der Nebenintervenientin installiert werde und in deren Eigentum verbleibe. Vielmehr finde sich darin zum Herstellungsumfang auch die Aussage, dass die Heizzentrale überhaupt nicht Gegenstand der von der Verkäuferin zu erbringenden Leistungen gemäß dem Kaufvertrag sei. Damit komme aber deutlich zum Ausdruck, welche Leistung dem Kaufpreis gegenüberstehe. Eine Rechnung im Sinn einer Gegenüberstellung, um welchen Betrag der Käufer das Wohnungseigentumsobjekt vom Bauträger günstiger erhalten habe, sei angesichts der hier gegebenen klaren Formulierung nicht zu verlangen. In dem dem Kaufvertrag angeschlossenen Baurechtswohnungseigentumsvertrag finde sich überdies unter der Überschrift „Aufwendungen“ der mit der Kaufvertragsbestimmung in Einklang stehende Hinweis, dass die Wohnungseigentümer die anfallenden Kosten und Aufwendungen für die Errichtung und den Betrieb zu zahlen hätten, woraus der Käufer schließen könne, dass er mit zusätzlichen Kosten zu rechnen habe.
[16] Die Vertragsbestimmung in Punkt 3.13. der Verträge der „Neueigentümer“ könne grundsätzlich unter dem Aspekt des § 879 Abs 3 ABGB geprüft werden, weil die Etablierung eines Contracting keine der beiderseitigen Hauptpflichten sei. Die klagende Eigentümergemeinschaft könne sich auch auf § 38 WEG berufen, weil sie die ihr abgetretenen individuellen Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer verfolge und auch dem Zessionar die Einwendung der Unwirksamkeit des Vertrags zustehe.
[17] Eine Beurteilung, ob das Anlagen-Contracting im vorliegenden Fall mit § 879 Abs 3 ABGB oder § 38 WEG vereinbar sei, sei aber auf der derzeitigen Sachverhaltsbasis nicht möglich. Anlagen-Contracting könne nicht per se als unzulässig erachtet werden. Einem Bauträger sei vielmehr ein Argumentationsspielraum zuzugestehen, weshalb dieses Konzept im konkreten Fall eine sachgerechte Lösung sei. Hier stehe zwar eine (lange) Vertragslaufzeit des Rahmenvertrags mit 20 Jahren fest. Die Beklagte habe bislang auch weder bestritten, dass die Wohnungseigentumsobjekte zu Fixpreisen verkauft worden seien noch dass der von der Nebenintervenientin vorgeschriebene Grundpreis auch Investitionskosten beinhalte. Dies werfe vor allem in Hinblick auf die „Alteigentümer“ die Frage auf, weshalb diese zusätzlich zu dem im Kaufvertrag festgesetzten Kaufpreis Investitionskosten zahlen sollten. Die Beklagte und die Nebenintervenientin hätten jedoch ein Vorbringen zu den zahlreichen Vorteilen des Contractings für die Wohnungseigentümer erstattet, das im Sinn einer sachlichen Rechtfertigung im Rahmen der Prüfung nach § 38 WEG und § 879 Abs 3 ABGB zu berücksichtigen sei. Das Erstgericht habe dazu aber keine Feststellungen getroffen.
[18] Die Klage sei daher im Ergebnis in keinem Punkt des Klagebegehrens spruchreif, sondern bedürfe einer Ergänzung des Verfahrens durch das Erstgericht.
[19] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der – vom Berufungsgericht zugelassene und von der Beklagten und der Nebenintervenientin beantwortete – Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern, „dem Hauptbegehren“ stattzugeben und „im Übrigen die Rechtssache in Ansehung der Zahlungsbegehren“ an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
[20] Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines solchen Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RIS-Justiz RS0043691).
[21] 1. Das Berufungsgericht begründet die Zulässigkeit des Rekurses zum einen damit, dass zur Frage der Zulässigkeit der Verfolgung eines „Gesamtanspruchs“ durch die Eigentümergemeinschaft bei unterschiedlicher Vertragslage der einzelnen abtretenden Wohnungseigentümer sowie zur Möglichkeit eines Klagebegehrens auf Übertragung einer Heizungsanlage „in das freie und unbeschränkte Miteigentum der Miteigentümer“ im Baurechtswohnungseigentum eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof angezeigt sein könnte.
[22] Diese Fragen der Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft und der Möglichkeit der Begründung von Miteigentum an einer Heizungsanlage im Baurechtswohnungseigentum greift die Klägerin in ihrem Rekurs nicht auf. Das Berufungsgericht ist dem Rechtsstandpunkt der Klägerin insoweit ja ohnedies gefolgt. Der Oberste Gerichtshof ist nun aber nicht dazu berufen, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RS0102059). Nur bei Geltendmachung einer (anderen) erheblichen Rechtsfrage wäre die rechtliche Beurteilung durch das Rekursgericht grundsätzlich in jede Richtung zu überprüfen (RS0048272), wobei (dann) im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts der Grundsatz der Unzulässigkeit der reformatio in peius nicht gilt (RS0043939).
[23] 2.1. Das Berufungsgericht begründet die Zulassung des Rekurses weiters damit, dass der Frage der transparenten Gestaltung einer Klausel zum Anlagen-Contracting iSd § 6 Abs 3 KSchG und der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Anlagen-Contracting im Wohnungseigentum gemessen an den Vorgaben des § 38 WEG zulässig sei, für die (Bauträger-)Praxis insgesamt erhebliche Bedeutung zukomme.
[24] Die Klägerin erachtet eine Klarstellung und Rechtsfortbildung durch den Obersten Gerichtshofs zudem zur Frage der Inhaltskontrolle nach § 864a ABGB und der gröblichen Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB als geboten. Zu diesen Gesetzesbestimmungen gebe es keine einzige höchstgerichtliche Entscheidung, die sich mit den Besonderheiten des Anlagen-Contracting in einem Bauträgervertrag beschäftige.
[25] 2.2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776). Auch eine auszulegende Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder einem Vertragsformblatt ist eine spezielle Ausformung im Einzelfall, der lediglich ihre vielfache Anwendung im Rechtsverkehr Bedeutung über den einzelnen Geschäftsfall und Rechtsfall hinaus verschaffen könnte (RS0042871 [T2, T21]). Der Oberste Gerichtshof ist also zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516 [T3]). Für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs genügt daher weder der Umstand, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln fehlt (RS0121516 [T4]), noch die bloße Häufigkeit der Verwendung strittiger Klauseln (RS0121516 [T38]; RS0042816 [T1]).
[26] 2.3. Diese Einzelfallbezogenheit betrifft nicht nur die Auslegung von Vertragsbestimmungen im engeren Sinn, sondern auch die Inhalts- und Geltungskontrolle. So ist etwa die Beantwortung der Frage, ob eine Klausel nach § 864a ABGB ungewöhnlich ist, stets von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt und auf die singuläre Rechtsbeziehung der Streitteile zugeschnitten, sodass dieser Rechtsfrage in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RS0122393; RS0014646 [T7]). Als Einzelfallentscheidung ist sie nur dann durch den Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn sie sich nicht im Rahmen der Vorgaben der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bewegt und daher im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren ist (4 Ob 69/22h).
[27] Das ist hier nicht der Fall:
[28] Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB erfasst nachteilige Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsform-blättern, mit denen nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde nicht zu rechnen war (RS0105643). Die umfangreiche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 864a ABGB lässt sich dahin zusammenfassen, dass eine Klausel dann objektiv ungewöhnlich iSd § 864a ABGB ist, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht; der Klausel muss also ein Überrumpelungseffekt innewohnen (RS0014646). Die Ungewöhnlichkeit hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren (RS0014627). Nur weil bestimmte Klauseln häufig Verwendung finden, sind sie aus Sicht des Vertragspartners aber noch nicht als im redlichen Verkehr üblich anzusehen (RS0014646 [T15]). Neben ihrem Inhalt ist insbesondere die Stellung der Klausel im Gesamtgefüge des Vertragstexts maßgebend. Für die Ungewöhnlichkeit einer Vertragsbestimmung ist daher die Art ihrer Einordnung in den Text entscheidend. Die Bestimmung ist dann ungewöhnlich, wenn sie im Text derart „versteckt“ ist, dass sie der Vertragspartner dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, kommt es auf den durchschnittlich sorgfältigen Leser an (RS0014646; RS0014659; RS0105643 [T2]). Die Ungewöhnlichkeit eines Inhalts ist nach dem Gesetzestext objektiv zu verstehen. Ein Abstellen auf die subjektive Erkennbarkeit gerade für den anderen Teil ist daher ausgeschlossen (RS0014627).
[29] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in den Kaufverträgen der Neueigentümer enthaltene Bestimmung zum Anlagen-Contracting (Klausel 3.13) sei nicht ungewöhnlich iSd § 864a ABGB, bewegt sich innerhalb des Rahmens, den diese höchstgerichtliche Rechtsprechung vorgibt. Die Bestimmung ist nicht im Text versteckt oder deplatziert; sie findet sich im Kapitel „Herstellungsumfang“, zu dem ein sachlich nachvollziehbarer Konnex besteht. Der Umstand, dass es sich um ein umfangreiches Vertragskonvolut handelt, liegt in der Natur der Sache und kann für sich nicht zur Folge haben, auch Bestimmungen, die an einer Stelle des Vertragstextes eingereiht werden, an der sie inhaltlich auch zu erwarten sind, als ungewöhnlich zu qualifizieren.
[30] 2.4. Gemäß § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RS0115217 [T7]; RS0122169 [T2]). Maßstab für die Transparenz ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen „Durchschnittskunden“ (vgl RS0126158). Einzelwirkungen des Transparenzgebots sind das Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit, das Gebot, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit (RS0115217 [T12]; RS0115219 [T12]).
[31] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in den Kaufverträgen der „Neueigentümer“ enthaltene Bestimmung zum Anlagen‑Contracting (Klausel 3.13) sei nicht intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, steht mit diesen Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang. Die Vertragsbestimmung regelt die Wärmeversorgung (Heizwärme, Warmwasserbereitung) durch die Nebenintervenientin und den Umfang der Leistungspflichten der Beklagten klar und verständlich. Aus deren Wortlaut ergibt sich zweifelsfrei, dass die von der Nebenintervenientin selbst installierte und betriebene Anlage in deren Eigentum verbleiben und somit nicht Gegenstand der von der Verkäuferin zu erbringenden Leistungen gemäß dem Kaufvertrag sein soll. Inhalt und Tragweite dieser Regelung, nämlich, dass die Beklagte gegenüber den „Neueigentümern“ nicht zur Herstellung der Wärmeversorgungsanlage verpflichtet ist und der ihr geschuldete Kaufpreis daher die Kosten dieser Anlage nicht umfasst, ist für den typischen „Durchschnittskäufer“ einer Eigentumswohnung „durchschau-bar“. Diesem muss auch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Auslagerung der Wärmeversorgung an einen Dritten, nämlich die Tatsache, dass ihm dafür nicht durch den Kaufpreis abgedeckte Zusatzkosten entstehen, er also wirtschaftlich betrachtet letztlich auch anteilige Errichtungskosten der Heizungsanlage zusätzlich zum Kaufpreis tragen muss, bewusst sein. Die finanzielle Tragweite dieser Regelung wird nicht verschleiert (vgl RS0115217 [T23]; RS0115219 [T33]; RS0122169 [T6]). Jedenfalls im hier zu beurteilenden Einzelfall ist es daher nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht angesichts der klaren Formulierung der Regelung des Contractings eine rechnerische Gegenüberstellung, um welchen konkreten Betrag der Käufer das Wohnungseigentumsobjekt vom Bauträger günstiger erhalten habe, nicht als erforderlich angesehen hat. Es hängt tatsächlich von der konkreten Textierung ab, ob und inwieweit vertragliche Vereinbarungen ausreichend transparent sind. Die Anforderungen an das Transparenzgebot dürfen dabei auch nicht überspannt werden.
[32] 2.5. Nach § 38 Abs 1 WEG sind Vereinbarungen oder Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken, rechtsunwirksam. § 38 Abs 1 WEG erklärt daher (nur) unbillige, einer vernünftigen Interessenabwägung widersprechende Aufhebungen und Beschränkungen für unwirksam (RS0075734; RS0083359 [T2]). Verpflichtungen, die ein Wohnungseigentümer auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich genommen hätte, die also einer vernünftigen Interessenabwägung entsprechen, dürfen darunter nicht subsumiert werden (RS0083371).
[33] Auch für die Beurteilung, ob eine Vereinbarung nach § 38 WEG nichtig ist, gilt, dass dies eine auf die singuläre Rechtsbeziehung der Streitteile zugeschnittene Frage des Einzelfalls ist, sodass dieser Rechtsfrage in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt. Dem Berufungsgericht, das sich sehr ausführlich mit dem Meinungsstand in der Literatur auseinandergesetzt hat, ist daher darin zuzustimmen, dass ein Anlagen‑Contracting ungeachtet der in aller Regel langen Bindungsdauer nicht per se als unbillige Beschränkung der Rechte der Wohnungseigentümer iSd § 38 Abs 1 WEG und damit als unzulässig anzusehen ist. Ausgehend vom derzeitigen Verfahrensstand fehlen allerdings Feststellungen zu den von der Beklagten und Nebenintervenientin behaupteten Umständen, die die mit dem vereinbarten Anlagen-Contracting verbundenen Beschränkungen der den Wohnungseigentümern zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte im vorliegenden Einzelfall rechtfertigen könnten. Weitergehende Erwägungen dazu hätten mangels Sachverhaltsgrundlage nur theoretisch-abstrakte Bedeutung.
[34] Entgegen der Erwägung des Berufungsgerichts in seiner Zulassungsbegründung lässt sich aus der Entscheidung 1 Ob 220/14f nichts Gegenteiliges ableiten. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung eine Vertragskonstruktion zum Anlagen-Contracting zwar als unbillige Beschränkung der Wohnungseigentümer iSd § 38 WEG erachtet, das aber nicht allein wegen der langen Bindungsdauer (dort 15 Jahre). Als problematisch sah er vielmehr auch den Umstand an, dass bei einer wirksamen Vertragsübernahme (der beklagten Eigentümergemeinschaft) die Verpflichtung bestünde, die Kosten der Herstellung der Heizungsanlage über den Grundpreis zusätzlich zum vereinbarten Fixpreis für die erworbenen Wohnungseigentumsobjekte zu zahlen – bei „vorzeitiger“ Vertragsauflösung zuzüglich eines Pönales von 10 % –, obwohl sich nach dem dort festgestellten Sachverhalt der klagende Bauträger – anders als hier – zur Herstellung der Gesamtanlage (einschließlich des Heizungssystems) auf eigene Kosten verpflichtet hatte.
[35] Analoges gilt, woraufdas Berufungsgericht zutreffend verweist, für die Beurteilung, ob das Anlagen‑Contracting gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB ist.
[36] 3. Ein Rekurs gegen einen Beschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist zurückzuweisen, wenn der Rechtsmittelwerber – wie die Klägerin hier – nur Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RS0048272 [T11]).
[37] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nicht statt (RS0123222). Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben auf die fehlende Zulässigkeit des Rekurses hingewiesen, sodass ihnen die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen zu ersetzen sind (RS0123222 [T8]).
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