OGH 5Ob156/23m

OGH5Ob156/23m28.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Dr. J*, 2. A*, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes in EZ * und * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 28. Juni 2023, AZ 70 R 20/23k, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00156.23M.0928.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wirdmangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Unter Vorlage unter anderem des von ihnen, dem Verkäufer und der von ihm gewählten Erwachsenenvertreterin beglaubigt unterfertigten Kaufvertrags vom 3. 6. 2022 begehrten die Antragsteller die Einverleibung ihres Eigentumsrechts.

Punkt XV. dieses Kaufvertrages lautet:

„Genehmigung:

Im Österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis ist mit Errichtung vom 4. 2. 2022, Registrierungsnummer [...], eingetragen von Frau Notar [...], Datum der Eintragung 9. 3. 2022, die gewählte Erwachsenenvertretung für [Anm.: den Verkäufer] eingetragen. Vertreterin ist dessen Ehefrau […]. Demgemäß ist der Liegenschaftsverkauf vom zuständigen Pflegschaftsgericht, Bezirksgericht Graz‑Ost, nach Einholung von Befund und Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Immobilienfach, wofür Herr Architekt Dipl. Ing. [...] vorgesehen ist, genehmigungspflichtig. Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Liegenschaftskaufvertrages ist aufschiebende Bedingung für die Rechtswirksamkeit dieses Kaufvertrages.

Eine Einsichtnahme in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis am 02. 06. 2022 hat ergeben, dass das Ende der gewählten Erwachsenenvertretung eingetreten und durch Gerichtsbeschluss vom 21. 03. 2022, [...], erloschen ist. Die Eintragung in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis erfolgte am 02. 05. 2022.“

 

[2] In Reaktion auf den Verbesserungsauftrag des Erstgerichts, den Beschluss über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieses Kaufvertrags vorzulegen, haben die Antragsteller die Entscheidung in der Sache begehrt.

[3] Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Antrags durch das Erstgericht und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Zutreffend sei zwar, dass nach § 242 Abs 1 ABGB idF nach dem 2. ErwSchG die Handlungsfähigkeit einer vertretenen Person durch eine Vorsorgevollmacht oder eine Erwachsenenvertretung nicht automatisch eingeschränkt sei. Das Grundbuchsgericht dürfe eine Eintragung aber nur dann vornehmen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Eintragungsgegenstand vorhanden seien. Solche Bedenken seien im vorliegenden Fall gerechtfertigt, weil nicht nur im Kaufvertrag selbst auf das Erfordernis einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung hingewiesen werde, sondern vor dem Erstgericht nach wie vor ein Verfahren anhängig sei, in dem geprüft werde, ob die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Verkäufer erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtete sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller, die keine Frage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen vermögen.

[5] 1. Mit dem am 1. 7. 2018 in Kraft getretenen 2. ErwSchG, BGBl I 2017/59, wurde das Rechtsinstitut der Vertretung selbst nicht mehr voll handlungsfähiger Personen neu geregelt. Wesentliche Änderung durch diese Gesetzesnovelle, die die Revisionsrekurswerber für ihren Standpunkt ins Treffen führen, war, dass die rechtskräftige Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters, der die Funktion des früheren Sachwalters ersetzt, die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person auch im Wirkungskreis der Erwachsenenvertretung nicht mehr unmittelbar berührt (§ 242 Abs 1 ABGB; 5 Ob 208/20d mwN).

[6] 1.1. Für die Rechtswirksamkeit einer konkreten Rechtshandlung ist daher maßgebend, ob die betroffene Person im jeweiligen Einzelfall die erforderliche Handlungsfähigkeit aufweist (4 Ob 115/19v). Damit hat die Bestimmung des § 94 Abs 1 GBG durch das 2. ErwSchG keine Änderung erfahren.

[7] 1.2. Danach hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Es darf nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden sind.

[8] 1.3. Die Bestimmung des § 94 Abs 1 Z 2 GBG ist wegen der geänderten Rechtslage nach dem 2. ErwSchG auch nicht entschieden enger auszulegen, wie die Antragsteller meinen. Die von ihnen eingeforderte teleologische Reduktion des § 94 Abs 1 Z 2 GBG liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass der Grundbuchsrichter die begehrte Eintragung wegen begründeter Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit nur mehr dann versagen dürfte, wenn ein Genehmigungsvorbehalt gemäß § 242 Abs 2 ABGB im Grundbuch angemerkt ist (dazu RV 195 BlgNR 26. GP  2; 5 Ob 208/20d). Ein solches Ergebnis lässt sich mit der Zielsetzung des § 94 Abs 1 Z 2 GBG nicht in Einklang bringen.

[9] 2. Der Fachsenat hat daher bereits zu 5 Ob 145/19p zu der auch hier relevanten Frage, inwieweit Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG ein Eintragungshindernis auch nach der Rechtslage seit dem 2. ErwSchG begründen, klargestellt, dass dazu auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtslage vor dem 2. ErwSchG zurückgegriffen werden kann.

[10] 2.1. Danach genügt es für die Versagung der Eintragung, wenn beachtliche Gründe für die Beschränkung der Verfügungfähigkeit sprechen (RS0107975). Durch den unbestimmten Begriff „Bedenken“ wird dem Grundbuchsgericht ein gewisser Beurteilungsspielraum eröffnet. Bewegt sich die Beurteilung der Vorinstanzen in diesem Rahmen, liegt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG vor (RS0060644 [T4]).

[11] 2.2. Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG können sich sowohl aus dem amtlichen als auch dem privaten Wissen des Grundbuchsrichters ergeben, sofern die Überprüfung des Eintragungshindernisses objektiv möglich ist. Entsprechende Verdachtsmomente sind auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn sie sich nicht (nur) auf eine Eintragung im Grundbuch, sondern – wie hier – (auch) auf den Inhalt von Pflegschaftsakten stützen (5 Ob 206/08t). Selbst wenn ein an der Vertragserrichtung mitwirkender Notar möglicherweise keine Zweifel an der Diskretions‑ und/oder Dispositionsfähigkeit einer Vertragspartei hegte, sind solche „Bedenken“ nicht schlechthin ausgeschlossen (RS0107975 [T9]).

[12] 3. Im Grundbuchsverfahren als einem reinen Aktenverfahren kommt eine Beweisaufnahme durch Zeugen, Sachverständige oder persönlichen Augenschein nicht in Betracht. Im Einzelfall ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht wegen des Hinweises auf die als Gültigkeitsbedingung vereinbarte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung im Vertrag selbst (offensichtlich wegen der zunächst wirksamen [gewählten] Erwachsenenvertretung und trotz der ebenfalls erwähnten Beendigung noch vor Vertragsunterfertigung!) und dem Umstand, dass ein Verfahren zur Prüfung, ob für den Verkäufer die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters erforderlich ist, anhängig ist, Bedenken gegen dessen Verfügungsfähigkeit im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG annahm. Soweit die Antragsteller dem entgegenhalten, dass im Kaufvertrag ausdrücklich festgehalten ist, dass die vom Verkäufer gewählte Erwachsenenvertretung mit Gerichtsbeschluss aufgehoben wurde, übersehen sie, dass das Pflegschaftsgericht zugleich mit der Entscheidung darüber das Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung einleitete. Dieses Verfahren ist nach wie vor anhängig, sodass die Antragsteller mit ihrem Hinweis, dass für den Verkäufer kein Erwachsenenvertreter bestellt sei, keine Ermessensüberschreitung durch das Rekursgericht aufzeigen können.

[13] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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