Normen
Handelsvertretergesetz §8
Handelsvertretergesetz §25
Handelsvertretergesetz §8
Handelsvertretergesetz §25
Spruch:
In der Vereinbarung einer Provisionspflicht für alle direkten und indirekten Geschäfte liegt jedenfalls eine Kundenzuweisung im Sinne des § 8 (2) HVG.
Ob der Vertreter vorwiegend mit der Kundenzuführung im Sinne des § 25 HVG. beschäftigt war, hängt von der Zahl der Geschäftsvermittlungen (Abschlüsse) mit neuen Kunden im Verhältnis zu den mit den bisherigen Kunden des Geschäftsherrn zustandegekommenen Geschäften ab.
Entscheidung vom 6. September 1967, 5 Ob 153/67.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die beklagte Partei hat ihren Sitz in der Deutschen Bundesrepublik. Der Kläger betreibt in Wien eine selbständige Handelsagentur.
Er sollte nach allen direkten und indirekten Geschäften zwischen der beklagten Partei und einer Kundschaft der Beklagten mit dem Sitz in Österreich Provisionen in der Höhe von 5% des Nettoumsatzes erhalten, und zwar ohne Unterschied, ob es Umsätze in elastischer oder unelastischer Ware seien. In der ihm zur Verfügung gestellten Musterkollektion verwendete der Kläger keine elastischen Bänder.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von 233.426.48 S samt 5% Zinsen seit 30. September 1965 zu bezahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß dem Kläger auf Grund seiner Alleinvertretungsbefugnis für Österreich für die Lieferungen an die Firma X. eine Provisionsforderung von 184.726.48 S und ein Anspruch auf Entschädigung nach § 25 HVG. in der Höhe von 88.300 S zustehe.
In der eingebrachten Widerklage begehrt die Beklagte und Widerklägerin (im folgenden kurz als Beklagte bezeichnet), die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden kurz Kläger genannt) schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von 7042.03 DM zu dem nach dem am Vortag der Zahlung von der Oesterreichischen Nationalbank verlautbarten Umrechnungskurs zu ermittelnden Schillingwert samt 5% Zinsen seit 25. September 1964 zu bezahlen. Die Widerklage wird darauf gestützt, daß dem Kläger für die Zeit vom 1. April 1961 bis 30. Juni 1964 irrtümlich Provisionen für elastische Artikel entrichtet worden seien, auf die er keinen Anspruch besitze.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, dem Kläger den Betrag von 181.041.48 S samt 5% Zinsen seit 30. September 1965 zu bezahlen. Es wies hingegen das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 92.385 S samt Anhang ab. Das Begehren der Widerklage wurde zur Gänze abgewiesen. Das Prozeßgericht ging davon aus, daß zwischen dem in Österreich wohnhaften Kläger und der in der Bundesrepublik Deutschland domizilierten beklagten Partei keine ausdrückliche Vereinbarung über das anzuwendende Recht in den Vertrag über die Vertretung aufgenommen worden sei. Der Wille der vertragschließenden Teile beim Abschluß des Rechtsgeschäftes sei aber dahin gegangen, auf die vom Kläger innerhalb des Gebietes der Republik Österreich auszuübende Tätigkeit österreichisches Recht anzuwenden.
Die Beklagte müsse auch für die an die Firma X. gelieferten elastischen und unelastischen Waren Provision zahlen, die 180.565 S ausmache, wozu noch die Provision für die mit anderen Unternehmungen erzielten Umsätze in der Höhe von 476.048 S käme, sodaß sich der Anspruch des Klägers auf 181.141.48 S belaufe. Der weitere Provisionsanspruch bestehe ebensowenig zu Recht, wie der Anspruch nach § 25 HVG. Die beklagte Partei könne aber auch keine Provision zurückverlangen, weil der Kläger bei allen direkten und indirekten Geschäften zwischen der beklagten Partei und einer in Österreich domizilierten Kundschaft Anspruch auf Provision in der Höhe von 5% des Nettoumsatzes besitze, gleichgültig ob die Umsätze unelastische oder elastische Ware betreffen. Von einer irrig geleisteten Provisionszahlung könne daher nicht gesprochen werden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze und billigte die vom Prozeßgericht vertretene Rechtsauffassung.
Der Oberste Gerichtshof gab den dagegen erhobenen Revisionen beider Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
A. Revision der klagenden Partei:
Nach § 25 HVG. hat der Handelsvertreter Anspruch auf Entschädigung, wenn der Geschäftsherr das Vertragsverhältnis mit dem Handelsvertreter, der ausschließlich oder vorwiegend mit der Zuführung von Kunden beschäftigt war, vor Ablauf von 15 Jahren gelöst hat, ohne daß der Handelsvertreter durch schuldbares Verhalten begrundeten Anlaß zur vorzeitigen Lösung oder zur Kündigung des Vertragsverhältnisses gegeben hat. Ob der Vertreter vorwiegend mit der Kundenzuführung beschäftigt war, hängt von der Zahl der Geschäftsvermittlungen (Abschlüsse) mit neuen Kunden im Verhältnis zu den mit den bisherigen Kunden des Geschäftsherrn zustandegekommenen Geschäften ab. Denn nicht das Ausmaß der Bemühungen, sondern der erzielte Erfolg (die Kundenzuführung) und die dem Geschäftsherrn hieraus erwachsenden dauernden Vorteile begrunden den Entschädigungsanspruch (Linner, Das Recht der Handelsvertreter, Provisionsvertreter und freien Vertreter, S. 19, Grünberg - Mayer - Mallenau, Handelsagentengesetz S. 95 Anm. 2). Ob der Vertreter auch vertraglich ausdrücklich zur Kundenzuführung aufgenommen oder damit betraut wurde, ist nicht entscheidend, wenn nur seine tatsächlich verrichtete Tätigkeit vorwiegend in der Kundenzuführung bestanden hat. Im vorliegenden Fall war nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Firma X. ein dem Kläger zugewiesener Kunde. Der Kläger führte der Beklagten in den Jahren 1961 bis 1964 nur vier Kunden mit einem Umsatz von 5642.60 DM zu. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, daß der Kläger vorwiegend mit der Zuführung von Kunden beschäftigt war. Denn der Umsatz mit den vom Kläger zugeführten Kunden fällt gegenüber den anderen Firmen, die nicht vom Kläger zugeführt wurden, nicht ins Gewicht. Nach Lösung des Vertretungsverhältnisses mit dem Kläger aber wurden mit den zugeführten Kunden keine Geschäfte, die wirtschaftliche Bedeutung haben, mehr getätigt, weil sich die Geschäftsverbindung nicht lohnte.
Dem steht auch nicht entgegen, daß Umsatzsteigerungen bisweilen der Werbung eines neuen Kunden gleichzustellen sind (siehe hiezu Grünberg - Mayer - Mallenau, Handelsagentengesetz S. 48, Schlegelberger, Handelsgesetzbuch I, S. 839 Anm. 5 a zu § 89b HGB.). Darauf wurde jedoch der Abfertigungsanspruch nicht gestützt. Auch sind solche Umstände im Verfahren vor dem Prozeßgericht nicht hervorgekommen.
Der Revision des Klägers war somit der Erfolg zu versagen.
B. Revision der beklagten Partei:
Nach § 8 HVG. gebührt dem Handelsvertreter, falls er ausdrücklich für ein bestimmtes Gebiet als alleiniger Vertreter des Geschäftsherrn bestellt wurde, im Zweifel die Provision auch für solche Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung während der Dauer des Vertragsverhältnisses durch den Geschäftsherrn oder für diesen mit der zum Gebiete des Handelsvertreters gehörigen Kundschaft abgeschlossen worden sind. Diese Vorschrift ist nach § 8 (2) HVG. sinngemäß anzuwenden, wenn der Handelsvertreter für einen bestimmten Kundenkreis als alleiniger Vertreter des Geschäftsherrn bestellt ist. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien war der Kläger Alleinvertreter der beklagten Partei für Österreich hinsichtlich der nicht elastischen Ware. Der Kläger sollte überdies entsprechend den Feststellungen der Untergerichte nach allen "direkten und indirekten" Geschäften zwischen der Beklagten und einer in Österreich domizilierten Kundschaft der Beklagten Provision in der Höhe von 5% des Nettoumsatzes erhalten. In der Vereinbarung, daß alle direkten und indirekten Geschäfte provisionspflichtig sind, liegt jedenfalls eine Kundenzuweisung im Sinne des § 8 (2) HVG. (Linner, Das Recht der Handelsvertreter, Provisionsvertreter und freien Vertreter, S. 175). Damit wird nämlich zum Ausdruck gebracht, daß der Vertreter als Gegenleistung dafür, daß er die Wahrnehmung der Belange des Unternehmens in den betreffenden Geschäftsbereich allgemein übernommen hat, auch für solche Geschäfte Provision beanspruchen kann, die der Unternehmer ohne seine Mitwirkung in diesem Bereich abgeschlossen hat (vgl. hiezu Bundesgerichtshof vom 20. Oktober 1955, II ZR. 75/54, in: Der Betriebsberater, 11. Jahrgang Heidelberg 1956 S. 95).
Frei von Rechtsirrtum ist auch die Auffassung der Vorinstanzen, daß der dem Kläger entrichtete Betrag von 7042.03 DM nicht auf einem Irrtum in der Buchhaltung der Beklagten beruht. Nach den Feststellungen der Untergerichte hatte der Kläger nach allen direkten und indirekten Geschäften zwischen der Beklagten und einer in Österreich domizilierten Kundschaft Provision in der Höhe von 5% des Nettoumsatzes zu erhalten, gleichgültig, ob die Umsätze elastische oder nicht elastische Waren betreffen. Die Zahlungen wurden daher entsprechend den getroffenen Abreden als wahre Schuldigkeit geleistet und können nicht zurückgefordert werden.
Auch der Revision der beklagten Partei war somit der Erfolg zu versagen.
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