OGH 5Ob148/01b

OGH5Ob148/01b4.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Ursula L*****, vertreten durch Mag. Petra Diwok, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner V***** Pfarrgemeinden ***** vertreten durch Dr. Harry Fretska, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG (§ 16 Abs 1 Z 3 MRG) infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Jänner 2001, GZ 39 R 311/00z-62, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 15. Juli 2000, GZ 5 Msch 36/96d-56, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Gebäude ***** wurde im 19. Jahrhundert erbaut. Der Antragsgegner kaufte es am 2. 7. 1947. Es wurde bis dahin als Hotel genutzt. Am 12. 10. 1948 wurde die Wiederherstellung des Gebäudes genehmigt. Der Antragsgegner verwendete das Haus nach Wiederherstellung als Schüler- und Studentenheim. In den Jahren 1955 bis 1956 wurden durch den Antragsgegner Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten durchgeführt, für die er allein in diesen beiden Jahren einen Betrag von S 738.819,35 aufwenden musste. Es handelte sich dabei großteils um Erhaltungsarbeiten an allgemeinen Teilen des kriegszerstörten Gebäudes, teilweise auch um Arbeiten zur Bewohnbarmachung von Wohnungen. Zur Finanzierung der Erhaltungsarbeiten stellte die "S*****", die sich aus den ***** Pfarrgemeinden ***** zusammensetzt, S 200.000 zur Verfügung. Weiters sollte zur Finanzierung der Erhaltungsarbeiten die S***** um ein jährliches Darlehen von S 50.000 durch längstens acht Jahre hindurch ersucht werden, sofern nicht auf andere Weise (etwa Ökumene) dem Baufonds Gelder zufließen würden. Einnahmen des "Baufonds der ***** Pfarrgemeinden *****" - dieser ist ein Sondervermögen des Antragsgegners - für die Jahre 1955 und 1956 sollten als Ergänzung herangezogen werden. Mietzinseinnahmen wurden nicht verwendet, zumal vor Jänner 1956 keine Wohnungen vermietet wurden. Die Schlichtungsstelle wies Anträge von Mietern auf Mietzinsüberprüfung mit Vorentscheidung vom 11. September 1956 zurück, da der Antragsgegner gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MG von den Bestimmungen des Mietengesetzes und auch von den Bestimmungen des Zinsstoppgesetzes ausgenommen sei. Die Ausgaben für den Erhaltungsaufwand betrugen im Jahr 1957 S 20.311,82, im Jahr 1959 S 23.410,39 und im Jahr 1965 S 30.625,42. Im Jahr 1963 wurde vom Finanzamt zum Stichtag 1. 1. 1963 ausgesprochen, dass der Gebäudeneuherstellungswert S 888.500 betrage.

Der Antragsgegner legte bis zum Jahr 1965 keine Mietzinsabrechnungen im Sinne der Bestimmungen des MG, sodass auch ein Mietzinspassivum auf Grund des in den Jahren 1955 und 1956 getätigten Erhaltungsaufwandes nicht ausgewiesen wurde. Die Mittel konnten daher und wurden auch nicht nachträglich in eine Hauptmietzinsabrechnung als Ausgaben eingesetzt.

Die Antragstellerin schloss mit dem Antragsgegner am 1. 12. 1992 einen Mietvertrag. Der angemessene Hauptmietzins zum 1. 12. 1992 beträgt S 3.130.

Das Haus ***** liegt nicht in einer Schutzzone. Es kann nicht festgestellt werden, dass aus Gründen der Stadtgestaltung ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Gebäudes besteht. Eine bescheidmäßige Feststellung, dass das Objekt die Kriterien des § 1 DMSG nicht erfüllt, erfolgte nicht.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass der Antragsgegner als Vermieter ihr gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch die Vorschreibungen im Zeitraum 1. 12. 1992 bis 1. 9. 1995 überschritten hat. Sie vertrat die Ansicht, dass die ex lege-Vermutung des § 2 DMSG nicht die Tatbestandsvoraussetzung des § 16 Abs 1 Z 3 MRG erfülle.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Antrages mit gegenteiliger Rechtsansicht.

Nach Anrufung des Gerichtes stellte das Erstgericht eine Mietzinsüberschreitung für den oben genannten Zeitraum fest. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass es für die Anwendung des § 16 Abs 1 Z 3 MRG unerheblich sei, ob die Unterschutzstellung bescheidmäßig oder kraft gesetzlicher Vermutung erfolge. Die für den Wiederaufbau und die Erhaltungsarbeiten verwendeten Gelder seien verrechnungsfreie Eigenmittel. Der Vermieter sei im relevanten Zeitraum von der Legung von Hauptmietzinsabrechnungen auf Grund der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 1 MG nicht verpflichtet gewesen und habe auch keine gelegt. Die Eigenmittel hätten daher auch nicht nachträglich in eine Hauptmietzinsabrechnung als Ausgabe eingesetzt werden können. Die Summe der aufgewendeten Eigenmittel in den Jahren 1955 und 1956 seien im Verhältnis zur Größe des Hauses als auch zum damaligen Gebäudewert und zu den jährlichen Mietzinseinnahmen als beträchtlich zu bezeichnen. Da jedoch der angemessene Mietzins lediglich S 3.130 betrage, sei eine Überschreitung festzustellen.

Das Rekursgericht gab dem von der Antragstellerin erhobenen Rekurs nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Widmung des Gebäudes gemäß § 2 DMSG als denkmalgeschütztes Objekt bereits ex lege ein öffentliches Interesse beinhalte, sodass dieses nicht gesondert zu prüfen sei. Es habe für den Antragsgegner keine Pflicht zur Bildung einer Mietzinsreserve nach den Aufbauarbeiten bestanden. Bis dahin sei mangels Vermietungen auch keine Mietzinsreserve zur Verfügung gestanden. Es seien keine öffentlichen Mittel für die Erhaltung in Anspruch genommen worden. Die aufgewendeten Mittel seien im Verhältnis zur Größe des Hauses und zur Gesamthöhe der Erhaltungskosten als erheblich zu bezeichnen. Zuwendungen aus dem Bereich der ***** Kirche ***** an den Antragsgegner stelle ein Privatvermögen des Antragsgegners dar und sei daher als Einsatz von Eigenmitteln anzusehen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 16 Abs 1 Z 3 MRG in einem Fall vorliege, in dem das Haus im Zeitpunkt der Durchführung der Erhaltungsarbeiten nicht den Beschränkungen und Auflagen des Mietengesetzes oder Mietrechtsgesetzes unterlegen sei und daher keine gesetzliche Verpflichtung zur Legung von Hauptmietzinsabrechnungen bestanden habe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin stützt sich neuerlich darauf, dass die ex lege-Vermutung des § 2 DMSG nicht für die Anwendung des § 16 Abs 1 Z 3 MRG ausreiche. Es hätte das öffentliche Interesse gesondert überprüft werden müssen. § 2 DMSG sei überdies verfassungswidrig, weil keine sachlich gerechtfertigte Differenzierung zwischen Religionsgesellschaften, Körperschaften öffentlichen Rechts und anderen Hauseigentümern vorgenommen werde.

Die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses ist zulässig, wenn der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, an dessen Erhaltung aus Gründen des Denkmalschutzes öffentliches Interesse besteht, sofern der Vermieter unbeschadet der Gewährung öffentlicher Mittel zu dessen Erhaltung nach dem 8. Mai 1945 erhebliche Eigenmittel aufgewendet hat (§ 16 Abs 1 Z 3 MRG). Gebäude, die sich im alleinigen oder überwiegenden Eigentum des Bundes, eines Landes oder von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Fonds sowie von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften einschließlich ihrer Einrichtungen befinden, gilt das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung solange als gegeben (stehen solange unter Denkmalschutz), als das Bundesdenkmalamt nicht auf Antrag des Eigentümers oder von amtswegen das Gegenteil festgestellt hat (Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung) (§ 2 Abs 1 DMSG idF BGBl 1990/473 i Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses).

Nach der klaren, nicht auslegungsbedürftigen Bestimmung des § 2 Abs 1 DMSG besteht also ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines im Eigentum von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgemeinschaften einschließlich ihrer Einrichtungen befindlichen Gebäudes, solange nicht bescheidmäßig das Gegenteil festgestellt wird. Da ein derartiger Bescheid nicht vorliegt, ist das öffentliche Interesse an der Erhaltung aus Gründen des Denkmalschutzes im Sinne des § 16 Abs 1 Z 3 MRG ex lege zu vermuten, ohne dass das Gericht berechtigt wäre, das tatsächliche Vorliegen des öffentlichen Interesses selbständig zu prüfen.

Die von der Antragstellerin ins Treffen geführten verfassungsrechtlichen Bedenken, dass eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung gegenüber anderen Hauseigentümern vorliege, geht schon deshalb ins Leere, da der Antragsgegner an die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes und die darin enthaltenen Beschränkungen genauso wie andere Eigentümer von Gebäuden, die bescheidmäßig unter Denkmalschutz gestellt sind, gebunden ist. Er kann sich ohne den genannten Feststellungsbescheid nicht darauf berufen, dass sein Gebäude nicht dem Denkmalschutz unterliege. Die Begünstigung durch § 16 Abs 1 Z 3 MRG ist durch die Belastung gerechtfertigt. Der von Dirnbacher in Das MRG in der Fassung der Novelle 1997, 101 ohne jegliche Begründung dargelegten gegenteiligen Rechtsansicht, auf die sich die Antragstellerin beruft, kann auf Grund der eindeutigen und unzweifelhaften Gesetzeslage nicht gefolgt werden.

Weiters stützt sich die Antragstellerin darauf, dass der Vermieter im Verrechnungszeitraum den Bestimmungen des MRG oder MG unterliegen müsse, damit § 16 Abs 1 Z 3 MRG angewendet werden könne. Die Vorlage einer ordnungsgemäßen Hauptmietzinsabrechnung sei unabdingbare Voraussetzung. Im Übrigen habe der Antragsgegner keine erheblichen Eigenmittel eingesetzt, da diese durch Mietzinseinnahmen von rund S 85.000 jährlich gedeckt gewesen seien. Jedenfalls habe er sich die fiktiven Einnahmen im Hinblick auf die Eigenbenützung des Hauses anrechnen zu lassen.

Unter Eigenmitteln, die der Vermieter zur Erhaltung des Hauses nach dem 8. 5. 1945 in erheblichem Ausmaß aufgewendet haben muss, um den Tatbestand des § 16 Abs 1 Z 3 MRG zu erfüllen, sind aus dem Vermögen des Vermieters stammende Mittel zu verstehen, die ihm als nicht nach § 3 Abs 3 Satz 1, § 20 MRG oder § 6 Abs 1 MG verrechnungspflichtig frei zur Verfügung stehen. "Eigenmittel" sind also nur verrechnungsfreie Mittel des Vermieters (5 Ob 119/98f, MietSlg 36.305/33, 37.309, JBl 1985, 360). Maßgeblich ist stets die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufwendung (5 Ob 187/00m; 5 Ob 119/98f, ImmZ 1986, 375 = RdW 1986, 315 = MietSlg 38.330/6). Zukünftige Mietzinseinnahmen sind nicht zu berücksichtigen (5 Ob 187/00m; ImmZ 1986, 394). Zu beachten ist, ob der Vermieter einmal (rechtmäßig) aufgewendete Eigenmittel in der Folge (noch vor Abschluss der Mietzinsvereinbarung, deren Zulässigkeit zu untersuchen ist) nicht etwa (rechtmäßig) als Ausgaben in die Mietzinsabrechnung eingesetzt hat (5 Ob 187/00m, 5 Ob 129/86, 5 Ob 119/98f, WoBl 2000/77, RIS-Justiz RS0069740). Darauf, wie die Eigenmittel des Vermieters finanziert wurden, ob etwa durch Darlehen von dritter Seite oder dgl, kommt es nicht an, soweit dabei nicht öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden (5 Ob 119/98f). Erheblich sind die Eigenmittel dann, wenn sie im Verhältnis zur Größe des Hauses und zur Gesamthöhe der Erhaltungskosten ins Gewicht fallen, ohne dass es auf das Vermögen des Vermieters ankäme (5 Ob 119/98f, 5 Ob 74/89, 5 Ob 108/85).

Ausgehend von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufwendungen ergibt sich, dass schon aus dem Grund, weil bis dahin keine Wohnungen in dem Haus vermietet wurden, keine verechnungspflichtigen Mittel (Mietzinseinnahmen) vorhanden waren (§ 1 Abs 2 Z 3 MG idF BGBl 1951/228). Der vom Antragsgegner aufgewendete Betrag ist insbesondere in Relation zu den zur Größe des Hauses (im Hinblick auf den Bescheid des Finanzamtes für die Kosten der Gebäudeneuherstellung) und den oben genannten Erhaltungskosten zweifellos ins Gewicht fallend. Die Mittel, die der Antragsgegner von Dritten zur freien Verfügung erhalten hat, sind - wie oben dargelegt - Eigenmittel im Sinne des § 16 Abs 1 Z 3 MRG. Nicht hingegen kommt es auf künftige Mietzinseinnahmen und damit auch nicht auf die folgende Eigenbenützung durch den Antragsgegner an.

Zu prüfen bleibt nur, ob nachträglich die Eigenmittel als Ausgaben in die Mietzinsabrechnungen eingesetzt wurden, d.h. die verrechnungspflichtigen Mietzinseinnahmen geschmälert wurden. Von den Parteien unbestritten unterlagen die infolge Umbauten, Auf-, Ein- oder Zubau nach dem 23. 12. 1922 neu geschaffenen Räume nicht dem Mietengesetz (§ 1 Abs 2 Z 1 MG; Zingher, MG10, 29). Die Bestandobjekte unterlagen aber auch nicht den Bestimmungen des Zinsstopgesetzes (§ 1 ZinsstopG iVm § 1, Anh A 1.b PreisregelungsG), da sie in einem Gebäude lagen, das bedeutende Kriegsschäden erlitten hat. Besteht aber - wie hier - gar keine gesetzliche Pflicht zur Mietzinsverrechnung, so sind auch die Mietzinseinnahmen nicht verrechnungspflichtig und damit wieder Eigenmittel. Die nachträgliche Verrechnung als Mietzinspassivum war schon deshalb nicht möglich. Die Rechtsansicht der Revisionsrekurswerberin, dass in diesem Fall die Anwendung des § 16 Abs 1 Z 3 MRG ausscheide, ist durch das Gesetz nicht gedeckt.

Der als Vermieter behauptungs- und beweislastpflichtige Antragsgegner (RIS-Justiz RS0111657) hat daher die Voraussetzungen für den Tatbestand des § 16 Abs 1 Z 3 MRG nachgewiesen.

Dem Revisionsrekurs war ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte