European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130472
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass es lautet:
„1. Der gesetzlich zulässige Mietzins für das Bestandobjekt Top Nr 16 im Haus *, betrug zum 1. 1. 2013 228,45 EUR netto monatlich
2. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß zu den Zinsterminen Jänner 2013 bis einschließlich November 2015 durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von monatlich netto 423,91 EUR um monatlich 195,46 EUR netto überschritten.
3. Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern binnen 14 Tagen 6.841,1 EUR zuzüglich 10 % USt, somit brutto 7.525,21 EUR samt 4 % Zinsen aus jeweils 215,01 EUR seit 6. 1. 2013, seit 6. 2. 2013, seit 6. 3. 2013, seit 6. 4. 2013, seit 6. 5. 2013, seit 6. 6. 2013, seit 6. 7. 2013, seit 6. 8. 2013, seit 6. 9. 2013, seit 6. 10. 2013, seit 6. 11. 2013, seit 6. 12. 2013, seit 6. 1. 2014, seit 6. 2. 2014, seit 6. 3. 2014, seit 6. 4. 2014, seit 6. 5. 2014, seit 6. 6. 2014, seit 6. 7. 2014, seit 6. 8. 2014, seit 6. 9. 2014, seit 6. 10. 2014, seit 6. 11. 2014, seit 6. 12. 2014, seit 6. 1. 2015, seit 6. 2. 2015, seit 6. 3. 2015, seit 6. 4. 2015, seit 6. 5. 2015, seit 6. 6. 2015, seit 6. 7. 2015, seit 6. 8. 2015, seit 6. 9. 2015, seit 6. 10. 2015 und seit 6. 11. 2015 zu zahlen.
4. Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 440 EUR bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 560 EUR (darin enthalten 164 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten desRekursverfahrens und die mit 198 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortungbinnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Antragsteller waren vom 1. 1. 2013 bis 30. 11. 2015 Hauptmieter einer Wohnung im Haus *. Die Antragsgegnerin ist die Eigentümerin dieser Liegenschaft und schloss mit den Antragstellern am 19. 12. 2012 einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag ab, in dem zur Begründung eines Lagezuschlags auf die überdurchschnittliche, zentrumsnahe und verkehrsgünstige Grünlage, den ordnungsgemäßen Erhaltungszustand und das Fehlen der Notwendigkeit zu privilegierten Erhaltungsmaßnahmen im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses hingewiesen wurde. Unter Punkt L („Ausstattungskategorie“) des Bestandvertrags ist festgehalten:
„Zwei Zimmer, Küche möbliert (Kühlschrank, Dunstabzug, E‑Herd, Spüle, Küchenverbau), Bad, WC, Gasetagenheizung, PVC‑Fenster, Telekabelanschluss, Gegensprechanlage, Telefonanschluss, Hoflage.“
[2] Punkt 2.2. des Vertrags hält fest, dass das Objekt in zentraler Lage verkehrsgünstig gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln (U‑Bahn, Bus und Straßenbahn) leicht erreichbar ist. Das Objekt liege in der unmittelbaren Nähe mehrerer Verkehrsknotenpunkte.
[3] Während der Dauer des Mietverhältnisses schrieb die Antragsgegnerin den Antragstellern durchgehend einen Bruttomietzins von 572,29 EUR vor, der 10 % Umsatzsteuer und Betriebskosten von 96,35 EUR beinhaltete. Die Antragsteller haben den ihnen vorgeschriebenen Bruttomietzins während des gesamten Zeitraums der Vertragsdauer bezahlt.
[4] Das Wohnhaus ist ein 1894 errichtetes gründerzeitliches Gebäude in mittlerem bis teilweise schlechtem Erhaltungszustand. Es besteht aus einem Erdgeschoss und drei Obergeschossen. Das Gebäude ist nicht mit einem Lift ausgestattet. Die von den Antragstellern gemietete hofseitige Wohnung befindet sich im 3. Stock und hat eine Nutzfläche von 45,69 m². Sie besteht aus einem kleinen Vorzimmer, einem separaten WC, einem Badezimmer, einer Küche, einem Wohnzimmer und einem Kabinett. Das Badezimmer ist nur mit einem Gitter zur Küche hin entlüftet. Die Wohnung verfügt über einen Telekabel‑ und Telefonanschluss sowie über eine Gegensprechanlage und einen Waschmaschinenanschluss. Das Fenster im Vorraum geht auf den Lichthof hinaus. Die beiden Fenster im Wohnzimmer sind auf die rechte Gebäudehälfte gerichtet. Das Fenster im Kabinett öffnet in Richtung Hof. Die Umgebungsgeräuschkulisse der Wohnung ist aufgrund der hofseitigen Lage gering. Der Wohnung ist ein Kellerabteil zugeordnet.
[5] Bei Anmietung durch die Antragsteller war die Küche mit einem Gasherd, einer einfachen Küchenzeile samt Abwasch sowie einem Kühlschrank ausgestattet. Die Kücheneinrichtung war nicht neu, sondern gebraucht und einfach. Die Wohnung wurde mit einem Gaskonvektor im Wohnzimmer beheizt; in den übrigen Räumen war keine Heizung vorhanden. Der Warmwasseraufbereitung diente ein Durchlauferhitzer.
[6] Die Antragsteller begehrten die Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses. In ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle vom 5. 2. 2016 rügten sie dazu ausdrücklich das Fehlen einer Heizquelle im Baderaum.
[7] Neben der Frage, ob die nach Beendigung des Bestandverhältnisses erhobene Rüge den Anforderungen des § 15a Abs 2 MRG idF WRN 2006 entspricht, ist in dritter Instanz nur noch strittig, ob bei der Ermittlung des höchst zulässigen Richtwertmietzinses ein der Höhe nach unstrittiger Lagezuschlag nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG zu berücksichtigen ist.
[8] Das Erstgericht stellte fest, dass der gesetzlich zulässige monatliche Hauptmietzins für die Wohnung zum Zeitpunkt der Anmietung am 1. 1. 2013 157,17 EUR netto und zum 1. 5. 2014 164,18 EUR netto betragen habe, die Antragsgegnerin durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 423,91 EUR im Zeitraum Jänner 2013 bis einschließlich April 2014 das zulässige Zinsmaß um monatlich 266,74 EUR und in der Zeit von Mai 2014 bis zur Beendigung des Mietverhältnisses um monatlich 259,73 EUR überschritten habe und verpflichtete sie zur Rückzahlung der Überschreitungsbeträge zuzüglich 4 % Zinsen ab den jeweiligen Zinsterminen. Es ging – zu den im Revisionsrekursverfahren rechtlich noch relevanten Fragen – davon aus, dass die Einstufung in die Kategorie A oder B gemäß § 15a Abs 1 MRG unter anderem fordere, dass die Wohnung über eine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit (Baderaum oder Badenische) verfüge. Damit ein Badezimmer dem zeitgemäßen Standard entspreche, müsse es über eine Heiz‑ und Entlüftungsmöglichkeit verfügen. In der Wohnung sei lediglich ein Gaskonvektor vorhanden gewesen, sodass der Baderaum über keine Heizmöglichkeit verfügt habe. Auch die Entlüftung zur Küche entspreche nach der Verkehrsauffassung nicht dem im Zeitpunkt der Anmietung zeitgemäßen Standard, sodass die Wohnung im Ergebnis zwar brauchbar, aber mangels einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit lediglich in die Kategorie C einzuordnen sei. Das Fehlen eines Kategoriemerkmals unterliege nicht der Rügepflicht nach § 15a Abs 2 MRG. Ob eine konkrete Lage aufgrund ihrer Eigenschaft „besser als durchschnittlich“ sei, müsse durch einen wertenden Vergleich mit anderen Lagen (der Wohnumgebung) beurteilt werden. In Wien sei als Referenzgebiet für diese Beurteilung nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstellten. Bei der Lage der gegenständlichen Wohnung sei das innerstädtische Gebiet als Referenzgebiet heranzuziehen, wobei im Vergleich zu übrigen innerstädtischen Bereichen die vorhandenen Nahversorgungsmöglichkeiten sowie die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und den Individualverkehr als durchschnittlich anzusehen sei. Auch die umliegenden Gebäude, die überwiegend Gründerzeithäuser seien, ließen auf eine bloß durchschnittliche Lage schließen. Der im Mietvertrag erwähnte Erhaltungszustand begründe keinen Lagezuschlag und sei darüber hinaus nach den Feststellungen keineswegs als gut zu beurteilen. Bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände sei die Lage der Liegenschaft daher als durchschnittlich anzusehen, weswegen kein Lagezuschlag in Frage komme.
[9] Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts über Rekurs der Antragsteller dahin ab, dass es den Ausspruch über die Erhöhung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes zum 1. 5. 2014 beseitigte, weil die Antragsgegnerin von der Möglichkeit einer Wertsicherungserhöhung während der gesamten Mietdauer keinen Gebrauch gemacht habe, und erhöhte den gemäß § 37 Abs 4 MRG von der Antragsgegnerin zurückzuzahlenden Betrag um die Umsatzsteuer von 10 %, weil nach den insoweit unbekämpften Feststellungen zu den vom Erstgericht festgehaltenen Nettobeträgen noch 10 % Umsatzsteuer hinzukämen. Dem Rekurs der Antragsgegnerin hingegen gab es nicht Folge. Es verneinte eine von dieser geltend gemachte Mangelhaftigkeit und führte – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – aus, gemäß § 15a Abs 2 MRG idF WRN 2006 sei die Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals oder der Umstand, dass eine Badegelegenheit nicht dem zeitgemäßen Standard entspreche, für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem nur zu berücksichtigen, wenn der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter angezeigt und dieser den Mangel nicht in angemessener Frist behoben habe. Insoweit beruhe die Ansicht des Erstgerichts, wonach es keiner Rüge der Antragsteller bedurft hätte, weil es sich um ein kategoriebestimmendes Merkmal handle, auf einem Rechtsirrtum. Zwar hätten die Antragsteller in ihrem nach Beendigung des Mietverhältnisses bei der Schlichtungsstelle eingebrachten Antrag geltend gemacht, dass im Baderaum keine Heizquelle vorhanden gewesen sei, doch liege darin keine taugliche Rüge gemäß § 15a Abs 2 MRG, weil das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen sei. Ratio der Rügeobliegenheit sei, den Vermieter vor Nachteilen zu schützen, die aus der Nichtbehebung von Mängeln des Mietobjekts drohten, soweit sie ihm nicht ohne weiteres einsichtig seien; er solle in die Lage versetzt werden, die drohende dauernde Einstufung der vermieteten Wohnung in eine niedrigere Ausstattungskategorie durch die nachträgliche Instandsetzung unbrauchbarer kategorie-bestimmender Bestandteile zu verhindern. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin im konkreten Fall erkennbar gewesen sei, dass sie eine Wohnung mit einem Gasofen im Wohnzimmer und sonst keiner Heizmöglichkeit in den anderen Räumen vermietet habe. Das Fehlen einer Heizung im Badezimmer sei daher kein Mangel, der für den Vermieter nicht ohne weiteres einsichtig gewesen sei. Gehe man davon aus, dass das Fehlen einer Heizmöglichkeit im Badezimmer für die Antragsgegnerin evident gewesen sei, schade es nicht, wenn ein solcher Mangel von Mieterseite nicht gerügt werde. Eine Einstufung der Wohnung in eine höhere Kategorie als jener der Kategorie C komme daher nicht in Betracht.
[10] Zu dem von der Antragsgegnerin auch noch im Revisionsrekurs begehrten Lagezuschlag hielt es fest, dass aus § 2 Abs 3 Richtwertgesetz nicht der Schluss gezogen werden könne, jegliche Lage außerhalb eines Gründerzeitviertels sei bereits überdurchschnittlich. Bei der Beurteilung, ob eine Wohnlage (über‑)durchschnittlich sei, sei auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und daher ein einigermaßen einheitliches bzw vergleichbares Wohngebiet darstellen. Entgegen dem im Mietvertrag angeführten Lagezuschlagskriterien könne weder von einer „Zentrumsnähe“ bzw „zentralen Lage“ noch von einer „Grünlage“ ausgegangen werden, weil eine Parallelstraße weiter bereits der Gürtel liege, der die äußere Grenze der sogenannten „Vorstädte“ bilde, und das Beweisverfahren Anhaltspunkte für Grünlagen in der näheren Wohnumgebung nicht ansatzweise ergeben habe. Die festgestellte Anbindung der Liegenschaft an den öffentlichen Verkehr durch zwei Straßenbahnlinien und eine Buslinie sei typisch für eine Lage innerhalb des Gürtels und lasse sie nicht überdurchschnittlich erscheinen, weswegen nicht mehr näher geprüft werden müsse, ob die Liegenschaft überhaupt außerhalb eines Gründerzeitviertels liege.
[11] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die vom Rekursgericht vertretene Auffassung, offenkundige Mängel bedürften keiner Rüge, „in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Wortlaut des § 15a Abs 2 MRG stehe“ und – soweit überblickbar – vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde. Auch zur Frage, wie sich die Rügepflicht nach § 15a Abs 2 MRG zu der bei befristeten Mietverhältnissen verlängerten Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG verhalte, fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
[12] Gegen diese Entscheidung richtet sich der von den Antragstellern beantwortete Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, der aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig und auch teilweise berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
[13] I. Zur Rügeobliegenheit nach § 15a MRG:
[14] 1. Die Antragsgegnerin wendet sich in ihrem Rechtsmittel gegen die Ansicht des Rekursgerichts, für den Vermieter evidente Mängel, wie das Fehlen einer Heizmöglichkeit im Badezimmer, müssten durch den Mieter nicht gerügt werden, und beruft sich dazu auf den Wortlaut des § 15a Abs 2 MRG. Dass sie diesen Umstand gerügt hätten, hätten die Antragsteller nicht behauptet. Den Umstand, dass der Baderaum zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung über keine Heizmöglichkeit verfügte und damit eine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit fehlte, stellt die Antragsgegnerin demgegenüber nicht mehr in Frage.
[15] 2.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde die in § 15a Abs 1 Z 4 MRG idF vor der WRN 2006, BGBl I 2006/124, normierte Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die Unbrauchbarkeit einer die Wohnungskategorie bestimmenden Ausstattung anzuzeigen, nicht auf deren gänzliches Fehlen oder die (gänzliche) Unbrauchbarkeit der gemieteten Wohnung bezogen (vgl RIS‑Justiz RS0070162 [T2]; RS0069776 [T4]; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 15a Rz 6). Das erschien dem Gesetzgeber der WRN 2006 wegen der damit verbundenen Konsequenz (Unbrauchbarkeit etwa wegen gefährlicher Elektroinstallationen) als echte „Vermieterfalle“ (RV 1183 BlgNR 22. GP 41; Lovrek in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 15a MRG Rz 24; T. Hausmann aaO Rz 6).
[16] 2.2 § 15a MRG idF der WRN 2006 hat folgenden Wortlaut:
„Die Ausstattungskategorie nach Abs 1 richtet sich nach dem Ausstattungszustand der Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags. Eine Wohnung ist in eine Ausstattungskategorie auch bei Fehlen eines Ausstattungsmerkmals einzuordnen, wenn das fehlende Ausstattungsmerkmal, nicht jedoch eine Badegelegenheit, durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen wird. Ist im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags die Wohnung oder ein Ausstattungsmerkmal nicht brauchbar oder entspricht eine Badegelegenheit nicht dem zeitgemäßen Standard, so ist dies für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem nur zu berücksichtigen, wenn der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter angezeigt und dieser den Mangel nicht in angemessener Frist, höchstens aber binnen dreier Monate ab Zugang der Anzeige, behoben hat.“
[17] Voraussetzung dafür, dass ein nicht brauchbares Ausstattungsmerkmal oder eine Badegelegenheit, die nicht dem zeitgemäßen Standard entspricht, für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem berücksichtigt werden kann, ist nach dem insoweit klaren Wortlaut, dass der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards angezeigt und der Vermieter den Mangel nicht in angemessener Frist, höchstens aber binnen dreier Monate ab Zugang der Anzeige, behoben hat.
[18] 2.3 Anders als noch im Ministerialentwurf zur WRN 2006 vorgesehen, der die Rügeobliegenheit auf den Fall der Unbrauchbarkeit eines Kategoriemerkmals beschränkte, erfasst § 15a Abs 2 Satz 3 MRG idF BGBl I 2006/124 ausdrücklich auch das in § 15a Abs 1 Z 1 und 2 MRG geforderte Kriterium einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit. Weder nach dem Wortlaut dieser Bestimmung noch nach den Intentionen des historischen Gesetzgebers besteht daher ein Zweifel, dass für im zeitlichen Anwendungsbereich der WRN 2006 (also ab 1. 10. 2006) geschlossene Verträge die Rügeobliegenheit des Mieters nicht nur die Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich, sondern auch alle Fälle der Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals einschließlich des fehlenden zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit erfassen soll (dazu Lovrek aaO Rz 24; vgl auch Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht TaKomm3 § 15a MRG Rz 11; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 15a MRG Rz 19).
[19] 2.3.1 Für eine teleologische Reduktion der Bestimmung des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG, wie sie das Rekursgericht vorgenommen hat, indem es die Auffassung vertrat, die für den Vermieter offenkundige Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals, wie hier das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit, bedürfe keiner Rüge im Sinn dieser Gesetzesstelle, besteht kein Raum:
[20] 2.3.2 Eine teleologische Reduktion erfordert den klaren Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwerten oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht erfasst werden soll, weil sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RS0106113 [T6]).
[21] 2.3.3 Zur Rechtslage nach § 15a Abs 1 Z 4 MRG (idF vor der WRN 2006) hat der Fachsenat die Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die Unbrauchbarkeit einer die Wohnungskategorie bestimmenden Ausstattung anzuzeigen, nicht auch auf die (gänzliche) Unbrauchbarkeit der gemieteten Wohnung bezogen. Deshalb verneinte der Senat eine Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die Unbrauchbarkeit der Wohnung bedingende Mängel an der Elektroinstallation anzuzeigen, auch für Fälle offenkundiger und schwerwiegender Mängel. Ganz allgemein bestand nach der Rechtsprechung zu § 15a Abs 1 Z 4 MRG (idF vor der WRN 2006) keine Bemängelungsobliegenheit bei Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich. Dieser Grundsatz wurde nur eingeschränkt, wenn das Unterlassen der Mängelanzeige durch den Mieter gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieß (dazu 5 Ob 304/01v; insb 5 Ob 295/06b mwN). Eine Reduktion der Obliegenheit dahin, dass dem Vermieter bloß nicht offenkundige Mängel anzuzeigen wären, lag dieser Rechtsprechung nicht zugrunde. Lediglich Mängel, die dem gänzlichen Fehlen eines Ausstattungsmerkmals entsprachen, unterlagen nicht der Rügeobliegenheit.
[22] Der Gesetzgeber der WRN 2006 hat die Anzeigeobliegenheit mit der Neufassung des § 15a Abs 2 MRG in Kenntnis dieser Rechtsprechung ausgeweitet und auch auf die Unbrauchbarkeit der Wohnung erstreckt, sodass sie nicht nur alle Fälle der Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals, sondern auch die Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich erfasst. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmunglöst ganz allgemein die „Unbrauchbarkeit“ eine Rügeobliegenheit des Mieters aus und erstreckt diese damit auf offenkundige Mängel gleichermaßen wie solche, die nicht leicht erkennbar sind. Zweck der Rügeobliegenheit ist es, den Vermieter in die Lage zu versetzen, Nachteile, die ihm aus der Nichtbehebung von Mängeln des Mietobjekts drohen, abzuwenden. In Weiterführung des allgemeinen gewährleistungsrechtlichen Grundsatzes – nämlich des Vorrangs der Verbesserung vor der Preisminderung – soll dem Vermieter durch die Rügeobliegenheit die Möglichkeit gegeben werden, eine ihm drohende dauernde Einstufung der vermieteten Wohnung in eine andere (niedrigere) Ausstattungskategorie durch die nachträgliche Instandsetzung unbrauchbarer kategoriebestimmender Ausstattungsmerkmale oder durch die Behebung des Fehlens eines zeitgemäßen Standards einer Badegelegenheit abzuwenden (Illedits/Reich‑Rohrwig aaO Rz 11). Dem wird nur entsprochen, wenn die Anzeigeobliegenheit für alle Mängel, die eine Unbrauchbarkeit eines Ausstattungskriteriums bedeuten oder das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit nach sich ziehen, gilt. Eine Einschränkung der Rügeobliegenheit dahin, dass sie sich nur auf Mängel erstreckt, die für den Vermieter nicht leicht erkennbar wären, ist damit abzulehnen. Lediglich das gänzliche Fehlen eines Ausstattungsmerkmals löst weiterhin keine Rügeobliegenheit aus (Lovrek aaO Rz 24). Eine dem Fehlen eines Ausstattungsmerkmals auch nur nahe kommende Unbrauchbarkeit liegt hier aber nicht vor.
[23] 2.4 Abweichend von der Ansicht des Rekursgerichts ist damit als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Rügeobliegenheit des Mieters die Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals und damit auch das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit erfasst, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Mangel handelt, der für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags offenkundig sein musste.
[24] 3.1 Nach der Rechtsprechung gehört zum zeitgemäßen Standard einer Badegelegenheit sowohl deren Beheizbarkeit (RS0070071 [T7]) als auch die Möglichkeit der Belüftung eines Badezimmers ins Freie (RS0070016 [T14; T20]). Eine Entlüftung des Bades über die Küche ist nicht ausreichend (5 Ob 41/06z). Nach allgemeinen Regeln trifft den Mieter die Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass er den Mangel gerügt hat (Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25). Ein an das Gericht (die Schlichtungsstelle) gerichteter Antrag des Mieters auf Überprüfung des Hauptmietzinses, in dem die Unbrauchbarkeit bzw der Mangel des zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit geltend gemacht wird, gilt als Mängelrüge (RV 1183 BlgNR 22. GP 41; 5 Ob 175/13s; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht23 § 15a MRG Rz 8; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 15a MRG Rz 6a).
[25] 3.2 Die Antragsteller haben die fehlende Beheizbarkeit des Badezimmers nach Beendigung des auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses in ihrem an die Schlichtungsstelle gerichteten Antrag geltend gemacht und dabei den Mangel ausreichend konkret bezeichnet. Ihr Vorbringen entspricht damit grundsätzlich der Anzeige des im Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit gelegenen Mangels im Sinn des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG (vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 15a MRG Rz 8 mwN).
[26] 3.3 Eine rechtzeitige Verbesserung, also eine Behebung des Mangels innerhalb der Frist des § 15a Abs 2 MRG kommt bei einer Anzeige des Mieters erst nach Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses naturgemäß nicht in Betracht. Damit stellt sich die Frage, ob die Antragsteller mit der in ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle enthaltenen Anzeige der fehlenden zeitgemäßen Bademöglichkeit ihrer Rügeobliegenheit entsprochen haben, sodass dieser Mangel bei der Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem für die Beurteilung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses, mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags (dazu 5 Ob 175/13s), zu berücksichtigen ist.
[27] 3.3.1 Für den Mieter bestehen in zeitlicher Hinsicht keine Vorgaben für die Mängelanzeige (Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25). Die Anzeige des Mieters ist daher nicht fristgebunden, sodass diesen auch keine unmittelbare „Prüfpflicht“ trifft (T. Hausmann aaO § 15a MRG Rz 6a). Eine zeitliche Befristung für die Mängelanzeige ergibt sich lediglich indirekt aus § 16 Abs 8 MRG, weil der Mietzins nach Verstreichen der darin genannten Präklusivfrist keinerÜberprüfung mehr unterliegt und unanfechtbar ist (T. Hausmann aaO § 15a MRG Rz 6a; Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25).
[28] 3.3.2 Nach § 16 Abs 8 MRG sind Mietzinsvereinbarungen insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den gesetzlich zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung ist binnen drei Jahren gerichtlich (oder vor der Schlichtungsstelle) geltend zu machen, wobei bei befristeten Hauptmietverhältnissen diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis endet.
[29] 3.3.3 Die Bestimmung des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG differenziert nicht zwischen befristeten und unbefristeten Mietverhältnissen, sodass die Rügeobliegenheit in gleicher Weise für beide Arten von Mietverhältnissen gilt. Ihr Verhältnis zu § 16 Abs 8 MRG ist bei unbefristeten Verträgen unproblematisch: Die Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 MRG beschränkt die Geltendmachung der Unzulässigkeit von (Haupt‑)Mietzinsvereinbarungen auf einen dreijährigen Zeitraum. Nach Verstreichen dieser Zeit ist der vereinbarte oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen angehobene Mietzins saniert; die (Teil‑)Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung kann vom Mieter nicht mehr geltend gemacht werden (Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 MRG Rz 5; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 16 MRG Rz 84). Eine danach erhobene Rüge im Sinn des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG bliebe ohne Folgen für den vereinbarten Mietzins; die im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags fehlende Brauchbarkeit der Wohnung bzw eines Ausstattungsmerkmals oder des zeitgemäßen Standards einer Badegelegenheit kommt nicht mehr zum Tragen, weil das Recht auf Überprüfung des Hauptmietzinses verfristet und damit die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem für diese Frage unerheblich ist.
[30] 3.3.4 Zweck der in § 16 Abs 8 MRG für befristete Mietverhältnisse vorgesehenen Verlängerung der Präklusivfrist ist, den Mieter nicht zu einer Mietzinsüberprüfung zu zwingen, solange er sich gegenüber dem Vermieter noch insofern in einer Drucksituation befindet, als er auf dessen Zustimmung zur Verlängerung der Befristung oder zur Umwandlung des befristeten Mietverhältnisses in ein unbefristetes angewiesen ist (vgl 5 Ob 141/17x; 5 Ob 152/17i; Schinnagl in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht TaKomm3 § 16 MRG Rz 40; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch³ aaO § 16 MRG Rz 80 ua). Nach Beendigung des Mietverhältnisses ist dieser Druck weggefallen (Lovrek aaO § 16 MRG Rz 109). Dem steht der Zweck des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG idgF gegenüber, den Vermieter in die Lage zu versetzen, Nachteile, die ihm aus der Nichtbehebung von Mängeln des Mietobjekts drohen, abzuwenden (vgl 5 Ob 61/01h zu § 15a Abs 1 Z 4 idF vor der WRN 2006). Ihm soll die Möglichkeit gegeben werden, die für die gesamte Dauer des Vertrags drohende Einstufung der vermieteten Wohnung in eine andere (niedrigere) Ausstattungskategorie abzuwenden (SchinnaglaaO § 15a Rz 11). Saniert der Vermieter fristgerecht, wahrt er sich den Anspruch des mit der höheren Kategorie verbundenen Hauptmietzinses ab Beginn der Vereinbarung darüber; der Mieter kommt demgegenüber in den Genuss brauchbarer Ausstattungsmerkmale oder einer Badegelegenheit in einem zeitgemäßen Standard. Behebt der Vermieter trotz Rüge nicht fristgerecht, bleibt es demgegenüber bei der niedrigeren Kategorie (T. Hausmann aaO § 15a Rz 7).
[31] 3.3.5 Zur Lösung der Frage, ob der Mieter seiner Rügeobliegenheit auch noch nach Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses entsprechen kann, ist auf die von den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen verfolgten Interessen abzustellen. Die Anzeige soll den Vermieter– ähnlich der Verbesserung im Gewährleistungsrecht – in die Lage versetzen, einen vertragskonformen Zustand herzustellen. Nach Beendigung eines befristeten Dauerschuldverhältnisses bleibt für die Herstellung eines dem Vertrag entsprechenden Zustands – wie hier durch kategorieerhaltende Sanierungsmaßnahmen – kein Raum, sodass eine erst danach erfolgte Mängelanzeige nur noch Bedeutung für das Mietzinsüberprüfungsverfahren haben könnte. Dass sich der Mieter darauf berufen kann, er habe den Mangel angezeigt, und der Vermieter wegen der Vertragsbeendigung von vornherein keine Möglichkeit hat, Maßnahmen zu ergreifen, die ihm den mit der höheren Kategorie verbundenen Hauptmietzins ab Vertragsbeginn erhalten, widerspricht dem klaren Zweck des § 15a Abs 2 MRG. Demgegenüber besteht für die Mängelanzeige des Mieters kein Formgebot; auch eine mündliche Rüge ist ausreichend (Lovrek aaO § 15a MRG Rz 25 mwN). Eine solche formlose Anzeige kann mit der Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung der Unwirksamkeit einer Hauptmietzinsvereinbarung nicht gleich gehalten werden und bedeutet auch keineswegs, dass es zu einem solchen Verfahren kommen muss. Folge einer formlosen Rüge durch den Mieter gemäß § 15a Abs 2 MRG ist zunächst bloß, dass dem Vermieter die Wahl eröffnet wird, in geeigneter Weise zu reagieren, was mit den Konsequenzen der Einleitung eines förmlichen Verfahrens vor Gericht oder der Schlichtungsstelle nicht gleichgesetzt werden kann. Damit kann die der Fristverlängerung des § 16 Abs 8 MRG zugrunde liegende Erwägung, dass der Mieter nicht zur Einleitung eines förmlichen Verfahrens gezwungen sein soll, solange er sich gegenüber dem Vermieter noch in einer Drucksituation befindet, nicht ohne weiteres auf die Obliegenheit des Mieters zur Rüge übertragen werden. Nach Ansicht des Senats bedeutet die Verlängerung der Frist des § 16 Abs 8 MRG, daher nicht, dass der Mieter bei einem befristeten Mietverhältnis die Rüge gemäß § 15a Abs 2 MRG auch noch innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erheben kann.
[32] 3.4 Zusammenfassung: Bei befristeten Vertragsverhältnissen entspricht der Mieter seiner Rügeobliegenheit nach § 15a Abs 2 MRG nur dann, wenn er sie vor Beendigung des Mietverhältnisses erhebt und die Anzeige so rechtzeitig erfolgt, dass der Mieter den Mangel noch vor Vertragsende beheben kann. Der Grundsatz, ein an das Gericht (die Schlichtungsstelle) gerichteter Antrag des Mieters auf Überprüfung des Hauptmietzinses, in dem die Unbrauchbarkeit bzw der Mangel des zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit geltend gemacht wird, sei als Mängelrüge im Sinn des § 15a Abs 2 Satz 3 MRG zu sehen, ist damit auf Fälle beschränkt, in welchen das Mietverhältnis noch nicht beendet ist. Daraus folgt für den hier zu beurteilenden Fall, dass die von den Antragstellern nach Beendigung des auf drei Jahre befristeten Mietvertrags in ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle aufgenommene Rüge verspätet war, was nicht anders zu sehen ist als hätte der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter nicht angezeigt. Das Fehlen einer zeitgemäßen Bademöglichkeit ist für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem daher nicht zu berücksichtigen.
[33] II. Zum Lagezuschlag:
[34] 1. Für die Berechnung des Richtwertmietzinses sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen (§ 16 Abs 2 MRG). Einer der in § 16 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG taxativ aufgezählten Umstände, die zu Zuschlägen oder Abstrichen vom Richtwert führen können, ist die Lage (Wohnumgebung) des Hauses (Z 3). Ein Lagezuschlag im Sinn des § 16 Abs 2 Z 3 MRG ist nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 16 Abs 4 MRG).
[35] 2.1 Zur Frage, was unter „durchschnittlicher Lage“ zu verstehen ist, verweist § 16 Abs 4 MRG auf § 2 Abs 3 Richtwertgesetz. Danach ist die durchschnittliche Lage nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist.
[36] 2.2 Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen, dass durch diese, auf die sogenannte Gründerzeitviertel hinweisende Bestimmung der Wiener Verhältnisse nicht der Schluss gezogen werden kann, jegliche Lage außerhalb eines solchen Viertels sei bereits überdurchschnittlich (5 Ob 188/14d mwN). Damit liegt die von der Antragsgegnerin gerügte sekundäre Mangelhaftigkeit nur dann vor, wenn nach den Feststellungen Umstände gegeben sind, die unabhängig davon, ob die Wohnumgebung in einem Gründerzeitviertel im Sinn des § 2 Abs 3 Richtwertgesetz zu qualifizieren ist, die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage erlauben würden. Das ist nicht der Fall.
[37] 2.3 Der Fachsenat hat wiederholt betont, dass die „durchschnittliche Lage“, die in § 2 Abs 3 Richtwertgesetz normiert ist, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen ist (RS0111204). Das gilt auch für die nach § 16 Abs 4 MRG erforderliche Beurteilung, ob die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die „besser“ ist als die durchschnittliche. Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaft als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (5 Ob 74/17v). Dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Wertungs‑ und Ermessensspielraum eingeräumt (5 Ob 150/19y).
[38] 2.4 Das Objekt befindet sich im dicht verbauten Wohn‑ und Geschäftsgebiet am gürtelnahen Rand des 7. Wiener Gemeindebezirks. Im Vergleich mit innerhalb und außerhalb des Gürtels gelegenen, durch Blockbauweise gekennzeichneten Lagen fehlen Anhaltspunkte für eine Überdurchschnittlichkeit. Sowohl Geschäfte des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Umgebung als auch die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz durch eine U‑Bahn‑ sowie Straßenbahnstationen in erreichbarer Nähe sind im dicht verbauten Stadtgebiet zu erwarten. Die von der Antragsgegnerin ins Treffen geführte Anbindung an den Individualverkehr, weil mit dem Auto in 15 Minuten die Autobahn erreicht werden könne, macht demgegenüber lediglich deutlich, dass sich die Liegenschaft in unmittelbarer Nähe des stark befahrenen Gürtels befindet. Die Auffassung der Vorinstanzen, eine überdurchschnittliche Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG liege nicht vor, bewegt sich damit innerhalb der durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gezogenen Grenzen und ist damit nicht zu beanstanden.
[39] III. Ergebnis:
[40] Dem Revisionsrekurs ist teilweise Folge zu geben. Die Antragsgegnerin hat sich erfolgreich gegen die Einstufung der Wohnung in die Kategorie C durch die Vorinstanzen gewendet, deren Ansicht, dass kein Lagezuschlag gebührt, bedarf jedoch keiner Korrektur. Auf Basis der von der Antragsgegnerin unbeanstandet gebliebenen sonstigen Zu- und Abschläge ist der für die Wohnung gesetzlich zulässige Hauptmietzins zu ermitteln, wobei jedoch ein Zuschlag, weil die Wohnung eine bessere Ausstattung aufweist als es der Kategorie C entspricht, wegen der Neueinstufung im Kategoriesystem zu entfallen hat. Insgesamt errechnen sich derart der im Spruch ausgewiesen Mietzins sowie die daraus abzuleitenden Überschreitungsbeträge, die in Summe den von der Antragsgegnerin rückzuzahlenden Betrag ergeben.
[41] IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragsgegnerin ist mit ihrem Standpunkt lediglich geringfügig durchgedrungen, sodass es der Billigkeit entspricht, sie zum Ersatz der Kosten der Antragsteller in allen Instanzen zu verpflichten.
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