OGH 5Ob143/20w

OGH5Ob143/20w25.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers M*, vertreten durch Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. K*, vertreten durch die Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, wegen § 52 Abs 1 Z 8 iVm § 23 WEG über den außerordentlichen Revisionrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Mai 2020, GZ 40 R 93/20b‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129461

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die vom Antragsteller begehrte Bestellung eines (vorläufigen) Verwalters iSd § 23 WEG 2002.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Gemäß § 23 WEG 2002 kann ein Wohnungseigentümer die gerichtliche Bestellung eines vorläufigen Verwalters beantragen, wenn kein Verwalter bestellt wurde. Dass eine wirksame Verwalterbestellung der Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 23 WEG entgegensteht, bestreitet der Antragsteller im Revisionsrekurs nicht. Er behauptet aber, der vom Erstgericht festgestellte Beschluss der Wohnungseigentümer im Jahr 2018, bei dem die Mehrheit für den Wechsel der Hausverwaltung per Jahreswechsel zu der seit 20. 2. 2019 auch im Grundbuch ersichtlich gemachten Gebäudeverwaltung gestimmt hätten, sei nicht wirksam, weil nicht einmal der Anschein eines Mehrheitsbeschlusses vorliege. Im Zusammenhang mit den von ihm monierten Mängeln der Beschlussfassung meint er eine erhebliche Rechtsfrage zu erkennen, weil gesicherte Rechtsprechung dazu fehle, was unter einem „Anschein der Beschlussfassung“ konkret zu verstehen sei.

2. Nach gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0117554) hat auch die Bekämpfung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft grundsätzlich im Außerstreitverfahren zu erfolgen. Nur dann, wenn nicht einmal der Anschein eines solchen Beschlusses besteht, wäre unheilbare Nichtigkeit anzunehmen – so etwa dann, wenn die Minderheit unter Ausschluss der Mehrheit einen Beschluss fasst (5 Ob 263/03t). Zu 5 Ob 133/07f wurde mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf die bisherige Judikatur und die Gesetzesmaterialien festgehalten, dass eine absolute Nichtigkeit nur bei besonders krassen Verstößen gegen die Rechtsordnung oder die Grundsätze des Wohnungseigentumsrechts denkbar sei, wobei auf den Anschein eines Mehrheitsbeschlusses abzustellen sei. Fehler bei der Mehrheitsberechnung oder der Stimmauszählung seien in der Lehre nur als Anfechtungsgrund gewertet worden. Dort unterstellte der Fachsenat etwa das Fehlen einer Mehrheit als binnen Monatsfrist geltend zu machenden Anfechtungsgrund dem § 24 Abs 6 WEG 2002, er sprach aus, dass die dort zu beurteilende Verwaltungsmaßnahme, die nach dem Gesetz einer Beschlussfassung durch die Mehrheit zugänglich sei, den Anschein eines Mehrheitsbeschlusses für sich habe. Zu 5 Ob 205/12a sprach der Fachsenat aus, dass Maßnahmen, die nicht Gegenstand der Verwaltung der Liegenschaft sind (dort: die angestrebte Verteilung von über Jahre hinweg aufgelaufenen Kosten der Arbeiten an allgemeinen Teilen abweichend von der allgemeinen Regel des § 32 Abs 1 WEG und die Bereinigung von Rechtsstreitigkeiten zwischen einzelnen Wohnungseigentümern bzw diesen und dem Wohnungseigentumsorganisator), keiner Beschlussfassung zugänglich sind. Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung die Frage, ob der Anschein eines Mehrheitsbeschlusses vorliegt, von den Umständen des Einzelfalls abhängig. In Zweifelsfällen ist zur Erleichterung einer Klarstellung im Außerstreitverfahren Großzügigkeit angebracht; bei der Abgrenzung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen ist daher im Zweifel im Interesse der Rechtssicherheit für (befristete) Anfechtbarkeit zu entscheiden (RS0118451).

3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientieren sich an diesen Rechtsprechungsgrundsätzen, eine im Einzelfall korrekturbedüftige Fehlbeurteilung zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Nach den Feststellungen des Erstgerichts kam es im Jahr 2018 zu einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über den Wechsel der Hausverwaltung auf die nunmehr bestellte Verwalterin, auch die erforderliche Mehrheit dafür hat das Erstgericht festgestellt. Auf Grundlage dieses Beschlusses wurde die Verwalterbestellung im Grundbuch ersichtlich gemacht. Eine Anfechtung dieses Beschlusses der Eigentümergemeinschaft erfolgte bis zum Datum der Sachbeschlussfassung erster Instanz nicht. Die Abberufung des bisherigen und Bestellung des neuen Verwalters sind Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung und daher grundsätzlich einer Beschlussfassung zugänglich. Angesichts dieser Feststellungen zumindest vom Rechtsschein eines Beschlusses auszugehen und die Mit‑ und Wohnungseigentümer, die dessen wirksames Zustandekommen bestreiten wollen, auf den Anfechtungsweg nach § 24 Abs 6 WEG zu verweisen, ist keine Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Darauf, ob der Beschluss im Haus angeschlagen wurde (was jedenfalls den Rechtsschein einer bereits abgeschlossenen Beschlussfassung auslöst – RS0109645 [T8]), kommt es somit nicht an. Wenn auch das Grundbuchsgericht die Rechtmäßigkeit der Verwalterbestellung aus Anlass der beantragten Ersichtlichmachung nicht mehr zu prüfen hatte, liegt es doch in dem von der bisherigen Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen, spätestens mit der Publizierung der Verwalterbestellung im Grundbuch von einem Rechtsschein einer Beschlussfassung auszugehen.

4. Die im Rekurs geltend gemachten Verfahrensmängel erster Instanz hat das Rekursgericht mit ausführlicher, aufgrund des Akteninhalts gedeckter Begründung verneint. Sie könne daher im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963), dies gilt auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (RS0042963 [T41]).

5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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