Spruch:
Der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ist nicht ausgeschlossen, wenn im Außerstreitverfahren geltend gemacht wird, daß eine Entscheidung oder ein Vergleich über den gesetzlichen Unterhalt für die Vergangenheit unwirksam sei
Entscheidung vom 7. Oktober 1965, 5 Ob 122/65
I. Instanz: Bezirksgericht Steyr; II. Instanz: Kreisgericht Steyr
Text
Mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichtes vom 21. November 1961 wurde Erich X. als Vater des am 20. Juni 1961 außer der Ehe geborenen Kindes Alfred M. festgestellt und für schuldig erkannt, für das Kind ab 4. September 1961 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 300 S zu bezahlen.
Mit den Eingaben vom 17. Jänner 1965, die am 19. Jänner 1965 beim Erstgericht einlangten, beantragte der uneheliche Kindesvater, 1. ihn vorübergehend von einer Alimentationsleistung für den Minderjährigen zu befreien, weil er im Dezember 1964 wegen Verbrechens nach § 81 StG. zu vier Monaten Kerker verurteilt worden sei und nun die Strafe antreten müsse; nach Strafverbüßung werde er seiner Verpflichtung nachkommen, 2. die ihm auferlegte Unterhaltsverpflichtung auf 150 S monatlich herabzusetzen, weil er aus gesundheitlichen Gründen nur die Notstandsunterstützung beziehe.
Die Amtsvormundschaft des Minderjährigen stimmte den Anträgen des Kindesvaters zu.
Mit Beschluß vom 24. Februar 1965 sprach das Erstgericht aus, daß der Kindesvater ab 1. Februar 1965 für die Dauer seiner Strafhaft, voraussichtlich bis 27. Mai 1965, von der ihm mit Urteil vom 21. November 1961 auferlegten Unterhaltspflicht befreit werde; das weitere Begehren, den Unterhaltsbeitrag für die Zeit seines Bezuges der Notstandsunterstützung auf 150 S monatlich herabzusetzen, wurde abgewiesen.
Dazu stellte das Erstgericht fest, daß der Kindesvater am 1. Februar 1965 die über ihn verhängte Kerkerstrafe in der Dauer von vier Monaten angetreten habe. Die Herabsetzung des rechtskräftig auferlegten Unterhaltsbeitrages oder die Befreiung von der Verpflichtung zur Bezahlung eines solchen für einen Zeitraum, der vor der Antragstellung liege, sei nicht möglich. Da der für Jänner 1965 zu leistende Unterhaltsbeitrag des Kindesvaters bereits am 1. Jänner 1965 fällig geworden sei, könne sich der Herabsetzungs- und Befreiungsantrag des Kindesvaters nur auf die Zeit ab 1. Februar 1965 beziehen.
Über Rekurs des Kindesvaters hob das Rekursgericht die Entscheidung des Erstrichters in ihrem abweislichen Teil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Herabsetzungsantrag auf.
Die Auffassung des Erstrichters über die Unmöglichkeit, im Außerstreitverfahren über den Anspruch eines Unterhaltspflichtigen auf Herabsetzung des geschuldeten Unterhaltsbeitrages oder auf Befreiung von der Unterhaltspflicht für einen Zeitraum in der Vergangenheit zu entscheiden, sei weder im Gesetz begrundet noch entspreche sie der Prozeßökonomie. Das Erstgericht müsse deshalb nach Präzisierung des vorliegenden Antrages auch über das rückwirkende Erlöschen der Unterhaltsforderung entscheiden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Amtsvormundschaft teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluß, insoweit damit der Ausspruch des Erstgerichtes über den Antrag des Kindesvaters auf Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung für die Zeit vor dem 19. Jänner 1965 aufgehoben wurde, dahin ab, daß der Kindesvater mit seinem Antrag in diesem Umfang auf den Rechtsweg verwiesen wurde.
Im übrigen, also soweit der Ausspruch des Erstgerichtes über den Antrag des Kindesvaters auf Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung für die Zeit ab 19. Jänner 1965 aufgehoben wurde, wurde der Revisionsrekurs zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist nur teilweise zulässig, in diesem Umfang aber auch begrundet.
Nach dem Judikat 60 (neu) (= SZ. XXVII 177) sind die Bestimmungen der §§ 14 (2) AußStrG. und 502 (2) ZPO. dahin zu verstehen, daß die Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen ist, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche zum Gegenstand haben. Die Rechtsmittelbeschränkung gilt jedoch nicht für den Oppositionsprozeß und für andere Prozesse, in denen die Bemessungsfrage eine materiellrechtliche Vorfrage bildet.
Im vorliegenden Falle handelt es sich um die Beurteilung des Anspruches des außerehelichen Vaters auf Herabsetzung des ihm auferlegten Unterhaltsbeitrages wegen seiner angeblichen geringen Leistungsfähigkeit. Wenn auch dem Antrag noch nicht zu entnehmen ist, von welchem Zeitpunkt an die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages begehrt wurde, so ergibt sich aus den Rekursausführungen doch deutlich, daß die Herabsetzung sowohl für einen Zeitraum vor der Antragstellung als auch für die folgende Zeit begehrt wurde.
Soweit nun Gegenstand der Entscheidung der Untergerichte das Herabsetzungsbegehren für die Zeit nach der Antragstellung ist, handelt es sich dabei um die Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes des Minderjährigen und ist daher insofern eine Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz ausgeschlossen. In diesem Umfang war der Revisionsrekurs deshalb als unzulässig zurückzuweisen.
Soweit sich der vorliegende Herabsetzungsantrag aber auf die Zeit vor die Antragstellung bezieht, wird ein Tatbestand geltend gemacht, der jedenfalls eine Oppositionsklage begrunden könnte, wenn gegen den Unterhaltspflichtigen zur Hereinbringung des für diese Zeit geschuldeten Unterhaltes Exekution geführt worden wäre. Ebenso hätte dieser Tatbestand gewiß mittels einer negativen Feststellungsklage geltend gemacht werden können und wäre auch in einem solchen Fall die Anfechtungsbeschränkung des § 502 (2) ZPO. nach dem genannten Judikat nicht wirksam gewesen, da die Bemessung des Unterhaltes nur eine materiellrechtliche Vorfrage des Klagsanspruches gebildet hätte.
Dieselben Grundsätze müssen auch dann Geltung haben, wenn im Außerstreitverfahren über einen solchen Anspruch entschieden werden soll. Es ist daher die Vorschrift des § 14 (2) AußStrG. dahin zu verstehen, daß der Rechtsmittelzug an die dritte Instanz nicht ausgeschlossen ist, wenn im Außerstreitverfahren geltend gemacht wird, daß eine Entscheidung oder ein Vergleich über den gesetzlichen Unterhalt für die Vergangenheit unwirksam sei. Denn auch in diesem Fall handelt es sich in der Hauptsache nicht um eine Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes.
In diesem Umfang kommt dem Revisionsrekurs auch Berechtigung zu.
Es ist dem Rekursgericht gewiß zuzustimmen, daß das Judikat 40 (neu) (= SZ. XIII 270) über die hier vorliegende Frage nichts enthält. Aber auch in der Entscheidung SZ. XIX 316 wird keineswegs deutlich ausgesprochen, daß im Außerstreitverfahren eine Entscheidung über Anträge auf Herabsetzung des Unterhaltes für in der Vergangenheit liegende Zeiträume nicht ergehen dürfe.
Die Zuständigkeit des Außerstreitrichters zur Entscheidung über das Ausmaß der dem außerehelichen Vater nach dem Gesetz obliegenden Unterhaltsleistung ist auf § 16 (2) der I. TN. gegrundet. Dort wird allerdings nichts darüber gesagt, ob diese Zuständigkeit, nur bei der Entscheidung über Unterhaltsansprüche pro futuro gegeben ist oder auch eine solche pro praeterito umfaßt. Wohl aber hat die Rechtsprechung allgemein aus den Judikaten 40 (= GlU. 1375) und 81 (=GlU. 5177) den Rechtssatz abgeleitet, daß Alimente für die Vergangenheit nicht gefordert werden könnten, und es hat der Oberste Gerichtshof trotz der in der Literatur dagegen geäußerten Bedenken (s. Pichler ÖJZ. 1964 S. 60 f.) keine Veranlassung, davon abzugehen. Für die Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes ist daher der Tag der Antragstellung maßgebend (SZ. XXI 118). Wie bereits ausgeführt, handelt es sich auch um die Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes, wenn der Unterhaltspflichtige die Herabsetzung des ihm auferlegten Unterhaltes für künftige Zeiträume begehrt.
Soweit aber geltend gemacht wird, daß bereits in der Vergangenheit Umstände eingetreten seien, die eine Einschränkung oder das Erlöschen des Unterhaltsanspruches bewirkt hätten und deshalb die durch Richterspruch oder Vergleich festgesetzte Unterhaltsleistung dem Unterhaltsberechtigten trotz des bereits bestehenden Vollstreckungstitels nicht gebühre, wird ein Anspruch behauptet, der sich gegen einen Exekutionstitel richtet. Ein solcher Anspruch kann aber, wenn bereits Exekution geführt wird, nur mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung oder durch Einwendungen nach §§ 35, 36 EO. und, soweit der Unterhaltspflichtige einer Exekutionsführung zuvorkommen will, mit einer negativen Feststellungsklage geltend gemacht werden (vgl. SZ. XVI 142, JBl. 1951 S. 574). Eine andere Möglichkeit der Geltendmachung dieses Anspruches besteht mit Rücksicht auf die Rechtskraft der Entscheidung bzw. die Wirksamkeit des Vergleiches über die geschuldete Leistung des Unterhaltspflichtigen für diesen Zeitraum nicht.
Daraus folgt aber, daß der Außerstreitrichter zur Entscheidung über einen Antrag auf Herabsetzung der rechtskräftig durch Richterspruch bestimmten oder verglichenen Unterhaltsleistung für Zeiträume vor der Antragstellung nicht berufen ist (vgl. Neumann - Lichtblau Komm. zur EO.[3] 165). Deshalb wurde bereits in der Entscheidung SZ. XI 158 ausgesprochen, daß die einmal erfolgte Festsetzung des Unterhaltes nur durch die Entscheidung des zuständigen Prozeß- oder Außerstreitrichters und zwar nur mit Wirksamkeit für die Zeit nach der Stellung des Antrages auf Herabsetzung des Unterhaltes abgeändert werden könne. (Ebenso verneint die in der Fußnote zu SZ. XIX 316 zit. Entscheidung 1 Ob 300/32 die Berechtigung des Außerstreitrichters, für die Vergangenheit eine Verfügung zu treffen.)
Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof auch in jüngster Zeit in der Entscheidung 7 Ob 50/65 vertreten. Von ihr abzugehen besteht kein Grund. Der Meinung des Rekursgerichtes, daß der Außerstreitrichter auch über den Antrag des Kindesvaters auf Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung für die Zeit vor der Antragstellung entscheiden müsse, kann daher nicht gefolgt werden. Vielmehr war in Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes der Antrag des Kindesvaters in diesem Umfange auf den Rechtsweg zu verweisen.
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