Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Sachbeschluss wird in der Weise abgeändert, dass in Ergänzung der bereits rechtskräftig gewordenen Aussprüche (ON 33) folgendes festgestellt wird:
Der von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** im August/September 1999 durch die Sammlung von Unterschriften gefasste Beschluss, die Erstantragstellerin als Verwalterin der Liegenschaft zum 31. 12. 1999 zu kündigen, ist nicht rechtswirksam zustande gekommen; der Ausspruch der Kündigung durch Rechtsanwalt Dr. Dietmar L***** mit Schreiben vom 17. 9. 1999 ist rechtsunwirksam.
Text
Begründung
Alle am gegenständlichen Wohnrechtsverfahren beteiligten Personen, auch die als Erstantragstellerin einschreitende B***** reg. GenmbH, sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit den Häusern ***** 59a und ***** 59b. Die genannte Genossenschaft (Erstantragstellerin) ist zugleich die Verwalterin der Liegenschaft. Es geht um die Kündigung des Verwaltervertrages zum 31. 12. 1999. Da sich das Verfahren bereits im zweiten Rechtsgang befindet, kann zur Darstellung des Sachverhalts, des Begehrens der Parteien und ihrer unterschiedlichen Verfahrensstandpunkte auf die bereits ergangenen Entscheidungen, insbesondere auf die Entscheidung des OGH vom 10. 7. 2001, 5 Ob 146/01h, verwiesen werden (ecolex 2002/67 = immolex 2002/58). Zur Verdeutlichung der noch strittigen Fragen ist daraus hervorzuheben:
Die Erstantragstellerin hat am 24. 1. 2000 beim Erstgericht den Antrag gestellt "im Außerstreitverfahren, insbesondere nach § 26 Abs 1 Z 7 WEG" festzustellen, dass die von Rechtsanwalt Dr. Dietmar L***** namens der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer mit Schreiben vom 17. 9. 1999 ausgesprochene Kündigung (zum 31. 12. 1999) rechtsunwirksam, allenfalls nichtig sei und ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Kündigung weder zustande gekommen noch der (Erst-)Antragstellerin rechtswirksam mitgeteilt worden sei.
Mit Sachbeschluss vom 13. 9. 2000 (ON 18) hat daraufhin das Erstgericht
A) festgestellt, dass die Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen Kündigung der Antragstellerin als Verwalterin nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist und ebenso unwirksam ist wie die in der Folge durch Rechtsanwalt Dr. Dietmar L***** am 17. 9. 1999 gegenüber der Antragstellerin ausgesprochene Kündigungsmitteilung;
B) die Anträge abgewiesen, wonach der Erstantragstellerin aufgetragen
werden möge, ohne Verzug Rechnung zu legen und einen allfälligen Überschuss an die neue Hausverwalterin zu übertragen bzw herauszugeben.
Die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichtes sind der Entscheidung 5 Ob 146/01h zu entnehmen.
Über Rekurs der Wohnungseigentümergemeinschaft EZ ***** (damals noch die Antragsgegnerin) hat die zweite Instanz am 8. 2. 2001 (ON 27) das Begehren der (Erst-)Antragstellerin, die Unwirksamkeit des über ihre Kündigung gefassten Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft festzustellen zurückgewiesen und gleichzeitig ihren Antrag abgewiesen, die Unwirksamkeit der von Rechtsanwalt Dr. Dietmar L***** ausgesprochenen Kündigung des Verwaltervertrages festzustellen. Die Abweisung des unter B) genannten Sachantrags wurde bestätigt. Einem dagegen von der (Erst-)Antragstellerin erhobenen Revisionsrekurs gab der Oberste Gerichtshof am 10. 7. 2001 mit folgendem Ergebnis teilweise Folge (5 Ob 146/01h): Von der Anfechtung unberührt blieb jener Punkt des rekursgerichtlichen Sachbeschlusses, mit dem das Begehren abgewiesen wurde, der (Erst-)Antragstellerin die Legung der Abrechnung und die Herausgabe des Überschusses an die neue Hausverwaltung aufzutragen. Bestätigt wurde der rekursgerichtliche Beschluss insoweit, als das von der (Erst-)Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Verwalterin gestellte Begehren zurückgewiesen wurde, die Rechtsunwirksamkeit bzw Nichtigkeit des von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlusses über die Kündigung des Verwaltervertrages festzustellen. Im Übrigen wurde die Entscheidung des Rekursgerichtes aufgehoben und die Wohnrechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen worden. Zu klären blieben die Anfechtung des Mehrheitsbeschlusses über die Kündigung des Verwaltervertrages durch einzelne Mit- und Wohnungseigentümer, darunter die Erstantragstellerin in dieser Eigenschaft, die insbesondere von der Erstantragstellerin als Verwalterin der Liegenschaft betriebene Anfechtung des Rechtsaktes, mit dem der Erstantragstellerin die Kündigung mitgeteilt wurde, und die Sachlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft als Antragsgegnerin. Die rechtlichen Vorgaben für die dem Rekursgericht aufgetragene Verfahrensergänzung seien hier kurz wiederholt:
Die von der Mehrheit der Mit- oder Wohnungseigentümer ausgesprochene Kündigung wäre nur dann wirksam, wenn ihr eine den Anforderungen des § 13b WEG genügende Willensbildung und Beschlussfassung vorangegangen ist. Die Rechtsunwirksamkeit eines derartigen Beschlusses könne der betroffene Verwalter zwar nicht selbständig feststellen lassen, sie jedoch in einem die Rechtswirksamkeit der Kündigung behandelnden Verfahren als Vorfrage relevieren. Das Rekursgericht müsse sich daher mit der Frage befassen, ob ein die verfahrensgegenständliche Kündigung deckender rechtswirksamer Beschluss der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer existiert. Überdies sei zu beachten, dass die (Erst-)Antragstellerin nicht nur Verwalterin, sondern auch Mit- und Wohnungseigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft ist. Die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit des strittigen Umlaufbeschlusses gehöre daher zu den ihr gemäß § 13a ff WEG zustehenden Individualrechten. Dabei könne sie sich zwar nicht auf die Verletzung des eigenen Anhörungsrechts berufen, weil ihr in der Frage des Entzuges des Verwaltungsmandates gemäß § 13b Abs 1 Z 1a WEG kein Stimmrecht zustehe, es bleibe ihr aber das Recht zur Anfechtung des Beschlusses wegen anderer Mängel der Willensbildung, etwa der unzureichenden Verständigung und Anhörung sonstiger Mit- und Wohnungseigentümer. Darüber hinaus sei nicht bedacht worden, dass neben der (Erst-)Antragstellerin noch weitere Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft die Ungültigkeit des die Kündigung der Verwaltung vorbereiteten Beschlusses geltend gemacht haben. Die Meinung des Rekursgerichtes, sich mit diesem Problem nicht befassen zu müssen, weil es an einer zulässigen Anfechtung des Umlaufbeschlusses fehle und die Kündigung der Verwaltung ohnehin (unabhängig von allfälligen Mängeln des vorausgegangenen Umlaufbeschlusses) rechtswirksam sei, lasse sich nicht halten. Der zweite Rechtsgang beim Rekursgericht erschöpfte sich im Wesentlichen darin, dass klargestellt wurde, dass sich die noch offenen Anfechtungsbegehren - wie im Kopf der Entscheidung vorweggenommen - von einzelnen Mit- und Wohnungseigentümern der Liegenschaft und - soweit es die Anfechtung der Kündigung des Verwaltungsvertrages betrifft - von der Erstantragstellerin als Verwalterin gegen die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft (die sich mehrheitlich für die Kündigung ausgesprochen haben) richten.
Auf Basis der sonst unverändert gebliebenen Entscheidungsgrundlagen (insbesondere der in der Entscheidung 5 Ob 146/01h wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes) entschied nunmehr das Rekursgericht, dass der Antrag, die von Dr. L***** am 17. 9. 1999 ausgesprochene Verwalterkündigung für unwirksam zu erklären, abgewiesen wird (ON 35). Hinsichtlich ihrer übrigen Anträge wurden die Parteien auf die Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofes verwiesen.
Die dabei vom Rekursgericht verwerteten Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Wohnungseigentümer des Hauses ***** 59a (vor allem Werner B***** und Hugo S*****) haben sich schon im ersten Halbjahr 1999 ernsthaft mit einer Kündigung der bestehenden Hausverwaltung beschäftigt. Sie begannen daraufhin, bei anderen Wohnungseigentümern Unterschriften für eine Kündigung der bestehenden Hausverwaltung einzuholen. Aus Einzelgesprächen mit Wohnungseigentümern des Hauses ***** 59a zogen sie den Schluss, dass sie grundsätzlich mit einer Zustimmung rechnen durften. Bei einem Gespräch mit der Haussprecherin des Hauses ***** 59b gewannen die beiden Initiatoren allerdings den Eindruck, dass diese mit einer Unterschriftensammlung in ihrem Haus nicht einverstanden sei. Hugo S***** suchte nun alle Wohnungseigentümer des Hauses 59a einzeln auf, um deren Unterschrift zu erreichen. Die dabei verwendete Unterschriftenliste hat als maßgeblichen Text:
"Betrifft die Kündigung der Hausverwaltung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Nachstehend angeführte Eigentümermehrheit kündigt hiermit die Verwaltung der Liegenschaft ***** 59a und 59b, EZ *****, unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten per 30. 9. 1999 zum 31. 12. 1999 gemäß § 18 WEG.
Gleichzeitig wird ab 1. 1. 2000 die Firma Günther H*****, Immobilien und Hausverwaltung, *****, als neuer Verwalter bestellt."
Etwa Mitte August hatte Hugo S***** die Unterschriften von allen Wohnungseigentümern des Hauses 59a (ausgenommen der Antragstellerin) beisammen.
Vor und während der Unterschriftensammlung ist es zu keinem Rundschreiben an die Wohnungseigentümer der Häuser 59a und 59b und auch zu keinem Aushang des Schreibens gekommen, dass auf den Abstimmungsvorgang Bezug nimmt.
In der Unterschriftenliste war die ausdrückliche Möglichkeit zur Abgabe einer Nein-Stimme nicht vorgesehen. Wie sich die Initiatoren der Verwalterkündigung verhalten hätten, wenn jemand ausdrücklich eine Nein-Stimme abgegeben hätte, konnte nicht festgestellt werden. Die Initiatoren erachteten sich Mitte August 1999 im Besitz der Mehrheit für den Umlaufbeschluss. Sie richteten daraufhin ein Einschreiben an alle Wohnungseigentümer des Hauses b mit folgendem Inhalt:
"Betrifft: Wechsel der Hausverwaltung
Sehr geehrte Miteigentümer!
Aufgrund besonderer Vorkommnisse haben wir, die Eigentümer des Bauteiles II beschlossen, die Hausverwaltung Siedlungsgenossenschaft B***** zu wechseln. Da unsere Wohnanlage Bauteil I und II sich im Grundbuch unter derselben Einlagezahl EZ ***** befindet, haben wir Sie als Eigentümer des Bauteiles I darüber zu informieren. Weiters möchten wir darauf hinweisen, dass die dafür notwendige Mehrheit für den Wechsel bereits vorhanden ist und gleichzeitig bitten, uns in unserem Vorhaben zu unterstützen.
Die dafür erforderlichen detaillierten Informationen und Hintergründe stehen Ihnen natürlich zur Einsicht zur Verfügung. Diese können Sie täglich von 18 bis 20 Uhr (innerhalb der nächsten 14 Tage, also bis einschließlich Donnerstag den 2. 9. 1999) beim Miteigentümer Herrn Hugo S*****, Bauteil II, Top 16, einsehen.
Bei positiver Übereinstimmung mit der Thematik Hausverwaltungswechsel ist Ihnen auch die Möglichkeit geboten, bei unserer Unterschriftenliste zu unterschreiben. Wir hoffen, dass Sie von diesem Angebot Gebrauch machen und somit die Möglichkeit einer demokratischen Mitbestimmung nutzen. Die Hausgemeinschaft des Bauteiles II verbleiben mit freundlichen Grüßen."
Dieses Einschreiben erging an alle Wohnungseigentümer des Hauses 59b, an Ehegatten allerdings gemeinsam durch Absendung von jeweils nur einem Brief. Die Einschreibebriefe wurden jeweils am 21. 8. 1999 aufgegeben, nur an die Erstantragstellerin wurde der Brief erst am 26. 8. 1999 aufgegeben.
Es steht nicht fest, dass sich in den Häusern 59a und 59b schwarze Bretter oder Aushangtafeln befinden. Die Aushänge werden bei den Foyereingangstüren dieser Häuser aufgehängt. Das genannte Schreiben ist beim Haus 59a 14 Tage lang ausgehangen. Es steht auch fest, dass das Schreiben beim Haus 59b ausgehängt war, aber nicht wie lange. Die eingeschriebenen Briefe erreichten die Empfänger; nur die Wohnungseigentümerin Franziska P***** verweigerte die Annahme und bei Bernd und Ingrid P***** kam es zu einer Hinterlegung, wobei der Brief nicht behoben wurde.
Die Wohnungseigentümer des Hauses 59b haben sich in der Folge nicht bei Hugo S***** gemeldet, obwohl dieser zu den angegebenen Zeiten bis 2. 9. 1999 jeweils in seiner Wohnung anwesend war. Nur die Erstantragstellerin schickte ihren Mitarbeiter A*****, der in die Unterschriftenliste und in die Vergleichsangebote anderer Hausverwalter Einsicht nahm.
Rechtsanwalt Dr. Dietmar L***** schrieb am 17. 9. 1999 an die Antragstellerin:
"Betrifft Hausverwaltung Liegenschaft EZ ***** 59a und 59b. Ich darf Ihnen anzeigen, dass mich die Mehrheit der Miteigentümer der oben genannten Liegenschaft mit der rechtsfreundlichen Vertretung im Zusammenhang mit der von Ihrer Gesellschaft durchgeführten Hausverwaltung beauftragt hat. Es wurde eine Abstimmung über die Änderung der Hausverwaltung durchgeführt. Von dieser Abstimmung wurden sämtliche Miteigentümer der oben genannten Liegenschaft verständigt. Die Abstimmung hat im Umlaufbeschlussweg stattgefunden. Es hat sich die Mehrheit der Miteigentümer für einen Wechsel der Hausverwaltung ausgesprochen. Die Mehrheit hat sich für die Firma Günther H***** Immobilien und Hausverwaltung, *****, entschieden. Diese hat sich dazu bereit erklärt, die Hausverwaltung zu übernehmen. Ich kündige daher im Auftrag der Mehrheit der Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** die mit Ihrer Gesellschaft bestehende Hausverwaltung dieser Liegenschaft unter Hinweis auf § 18 WEG unter Einhaltung der gesetzlichen Frist bis 31. 12. 1999 auf und ersuche Sie, diese Aufkündigung zur Kenntnis zu nehmen. Ferner darf ich Sie ersuchen, mit Beendigung der Hausverwaltung, sohin längstens per 1. 1. 2000 sämtliche, die Verwaltung der Liegenschaft betreffenden Unterlagen an die neue Hausverwaltung herauszugeben."
Bei der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts stellte das Rekursgericht zunächst die sich aus § 13b WEG ergebende Rechtslage dar und gelangte zum Schluss, dass mit der gewählten Vorgangsweise den vom Gesetz normierten Anforderungen der gemeinschaftlichen Willensbildung durch Umlaufbeschluss Genüge getan worden sei. Es stehe fest, dass allen Miteigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde. Weiters stehe fest, dass jeder Miteigentümer von einer beabsichtigten Beschlussfassung und ihrem Gegenstand in Kenntnis gesetzt wurde. Die Forderung, auch einem schriftlichen Umlaufbeschluss müsse eine getrennte schriftliche Verständigung vorangehen, damit keinem Miteigentümer eine Überlegungsfrist genommen wird, finde im Gesetz keine Deckung (OGH 25. 10. 1997, MietSlg 39/43, offenbar gemeint MietSlg 49/43). Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Auffassung könne aber auch kein Hindernis darin liegen, dass der Inhalt des Schreibens der Initiatoren an die Wohnungseigentümer des Hauses 59b davon spricht, dass die notwendige Mehrheit bereits vorhanden sei. Entscheidend sei, dass allen Miteigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, was nach den Feststellungen auch bei den Eigentümern des Hauses 59b der Fall gewesen sei. Fest stehe aber auch, dass die Eigentümer des Hauses 59b von dieser ihnen gebotenen Gelegenheit nicht Gebrauch gemacht haben (lediglich die Erstantragstellerin habe einen Mitarbeiter zu Hugo S***** geschickt). Der Rechtssatz, dass die Wohnungseigentümer an ihre bereits abgegebene Erklärung nicht gebunden sind, solange noch einem Mitarbeiter Gelegenheit zur Äußerung offen steht, komme im gegebenen Fall nicht zum Tragen, weil nicht feststehe, dass in der vom Gesetz gemeinten "Schwebezeit" ein Miteigentümer seine Erklärung zurückgezogen hat. Bemerkenswert sei auch, dass die Erstantragstellerin - obwohl als professionelle Verwalterin mit dem WEG bestens vertraut - offenbar gar nicht versuchte, in der "Schwebezeit" die für sie günstigen Argumente nochmals allen Miteigentümern darzulegen um damit einen Meinungsumschwung im Hause 59a herbeizuführen. Nachdem das Gesetz den anderen Miteigentümern lediglich die Gelegenheit zur Äußerung einräumt, könne es auch nicht darauf ankommen, ob die Wohnungseigentümer des Hauses 59b den Eindruck hatten, man brauche sie ohnedies nicht mehr. Nicht zu teilen sei auch die Auffassung des Erstgerichtes, dass die durch das Einschreiben bis 2. 9. 1999 gesetzte Frist zu knapp bemessen sei. Abgesehen davon, dass nach der Rechtsprechung bei einem Umlaufbeschluss keine Vorausverständigung nötig ist, werde eine Frist von zwei Wochen bzw als absolutes Mindestmaß von einer Woche als angemessen erachtet (siehe Niedermayr in Schwimann ABGB2, Band IV, Rz 12 zu § 12b WEG). Dass an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. L***** für die Abfassung des Schreibens vom 17. 9. 1999 nicht zu zweifeln ist, habe bereits das Erstgericht zutreffend festgehalten. Schließlich werde auch im Rekursverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen, dass die erforderliche Mehrheit der Stimmen im Sinne des § 13b Abs 2 WEG gegeben ist.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe sich nämlich in seinem Beschluss vom 10. 7. 2001 (5 Ob 146/01h) zu den Anforderungen eines Umlaufbeschlusses iSd § 13b Abs 3 WEG in Richtung § 18 WEG nicht äußern können.
Die Antragsteller fechten jetzt den rekursgerichtlichen Sachbeschluss mit dem Rechtsmittelbegehren an, ihn so abzuändern, dass die Rechtsunwirksamkeit bzw Nichtigkeit sowohl der Kündigung der Erstantragstellerin als auch des ihr zugrundeliegenden Umlaufbeschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft festgestellt wird. Hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Antragsgegner haben in einer Revisionsrekursbeantwortung (deren Honorierung sie ohne Beachtung der Vorschrift des § 26 Abs 2 WEG, § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG verlangen) die Bestätigung des rekursgerichtlichen Sachbeschlusses beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass das Rekursgericht sowohl über die Anfechtung des Umlaufbeschlusses der Mit- und Wohnungseigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft über die Vewalterkündigung als auch über die Anfechtung der Kündigungserklärung abzusprechen hatte und dies - trotz der missverständlichen Formulierung seines Spruchs - in Wahrheit auch getan hat. Die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung ist nämlich, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, die ausschließliche und zwingende Folge der Unwirksamkeit des von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer gefassten Umlaufbeschlusses. Damit eröffnet sich die Möglichkeit einer Maßgabeentscheidung über beide im zweiten Rechtsgang noch offenen Sachanträge. Das sehen auch die Rechtsmittelwerber so, die anerkennen, dass das Rekursgericht "offensichtlich abschließend (also alle noch offenen Anträge erledigend) entscheiden wollte" (ON 37, 5).
In der Sache selbst stellen die Rechtsmittelwerber folgerichtig vor allem jene Argumente des Rekursgerichtes in Frage, die vom Rekursgericht für die Rechtswirksamkeit des Umlaufbeschlusses (der Willensbildung der Mit- und Wohnungseigentümer über die Kündigung des mit der Erstantragstellerin bestehenden Verwaltervertrages) ins Treffen geführt wurden. Sie sind der Meinung, dass - kurz zusammengefasst - folgende Umstände (Mängel) gegen eine rechtswirksame Willensbildung der Gemeinschaft aller Mit- und Wohnungseigentümer sprächen:
1.) die mangelnde Vorweg-Bekanntgabe des Themas der Abstimmung, die erst gar keine Diskussion über die Verwalterkündigung unter Einbeziehung der Antragsteller aufkommen ließ;
2.) dass von den Proponenten der Verwalterkündigung nur die Bewohner des Hauses 59a persönlich kontaktiert wurden;
3.) die Desinformation der Bewohner des Hauses 59b, es liege bereits die erforderliche Mehrheit für die Verwalterkündigung vor;
4.) dass den Bewohnern des Hauses 59b lediglich die Unterfertigung der Unterschriftenliste nicht aber die Abgabe bzw Registrierung eines Kontravotums angeboten wurde;
5.) dass die Frist für die Äußerung zu kurz gewesen sei, um Gegenargumente in die Diskussion zu bringen und
6.) dass das Abstimmungsergebnis (die endgültige Beschlussfassung) nicht bekannt gegeben werde.
Gemessen an den Anforderungen, welche Judikatur an das rechtmäßige Zustandekommen eines Umlaufbeschlusses in Angelegenheiten der Verwaltung von Wohnungseigentumsanlagen stellt (MietSlg 49/43; WoBl 2001/10 [Call]; WoBl 2001/160 [Call]) zeigen zwar nicht alle diese Argumente für sich genommenen Mängel der gemeinschaftlichen Willensbildung iSd § 13b WEG auf (so macht die Judikatur etwa Abstriche bei den Vorweg-Verständigungspflichten), doch stehen zumindest zwei von ihnen - vor dem Hintergrund des insgesamt fragwürdigen Willensbildungsprozess - der Annahme eines rechtswirksamen Mehrheitsbeschlusses über die Verwalterkündigung entgegen.
Gemeint ist damit einerseits das fehlende Angebot, mit "Nein" zu stimmen und den anderen Gemeinschaftsmitgliedern Gegenargumente zu unterbreiten, andererseits die unterlassene Bekanntmachung des Beschlusses, die nötig gewesen wäre, um die Abstimmung bindend zu machen.
Dazu ist - einem Argument der Rechtsmittelgegner erwidernd - zunächst klarzustellen, dass jene Judikatur, die für die Kündigung eines Wohnungseigentumsverwalters eine von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer getragene Erklärung genügen ließ, wie immer auch diese Mehrheit zustandegekommen war (MietSlg 29.512), seit der Neugestaltung der Vorschriften über die gemeinschaftliche Willensbildung durch das 3. WÄG überholt ist (MietSlg 49/43; 5 Ob 261/98p = EWr II/18/24; 5 Ob 146/01h). Es ist vielmehr allen Mit- und Wohnungseigentümern - auch jenen mit einer voraussichtlich chancenlosen Gegenposition - Gelegenheit zur Äußerung zu gegeben, was die Möglichkeit einer Werbung für den eigenen Standpunkt ebenso einzuschließen hat wie die eigene Stimmabgabe. Genau das aber war durch die Vorgangsweise, die Bewohner des Hauses 59b praktisch vor vollendete Tatsachen zu stellen und sie nur mehr einzuladen, dem Beschluss der Bewohner des Hauses 59a (die die Mehrheit stellen) beizutreten, nicht ausreichend gewährleistet. Die Bewohner des Hauses 59b mussten den Eindruck gewinnen, sie könnten die Kündigung der Verwalterin ohnehin nicht mehr verhindern, der Versuch einer argumentativen Gegenwehr lohne sich gar nicht. Dazu kommt, dass bei einem Umlaufbeschluss die Bindung der Teilnehmer an ihre Abstimmungserklärung erst dann eintritt, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist (WoBl 2001/10 mwN). Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Mit- und Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Zum Eintritt der Bindungswirkung ist demnach bei Umlaufbeschlüssen - falls nicht ausnahmsweise auf andere Weise der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen dokumentiert ist - die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen. Auch letzteres ist im gegenständlichen Fall nicht gesehen. Es ist daher der Meinung des Erstgerichtes zu folgen, dass der die Stimmen der Antragsgegner bündelnde Umlaufbeschluss über die Beendigung des Verwaltungsmandats der Erstantragstellerin nicht rechtswirksam ist und dementsprechend auch die darauf aufbauende Kündigungserklärung vom 17. 9. 1999 keine Geltung beanspruchen kann.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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