Normen
Außerstreitgesetz §126
Außerstreitgesetz §126
Spruch:
Auch bei Abgabe einander widersprechender Erbserklärungen auf Grund desselben Testamentes hat der Abhandlungsrichter die Parteirollen zu verteilen und eine Frist zur Klage zu bestimmen.
Entscheidung vom 18. Februar 1959, 5 Ob 11/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Kirchbach; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
In ihrer schriftlichen letztwilligen Verfügung vom 24. Mai 1955 setzte die am 11. Mai 1958 verstorbene Aloisia S. jene Person zur Alleinerbin ein, die sie vor ihrem Ableben bis zu ihrer letzten Stunde gepflegt habe. Auf Grund dieses Testamentes gaben sechs Personen, nämlich Eva R., Rosalia Sch., Rosa Sch., Maria H., mj. Hildegard Sch. und mj. Rosemarie Sch., die bedingte Erbserklärung ab. Jede dieser Personen erklärte, die Bedingung der Erbeinsetzung, nämlich die Pflege der Erblasserin vor ihrem Ableben bis zu deren letzter Stunde, allein erfüllt zu haben, jede bestritt, daß die übrigen fünf Erbinnen diese Bedingung erfüllt hätten.
Das Erstgericht nahm alle Erbserklärungen zum ganzen Nachlaß zu Gericht an und verwies Eva R. unter Setzung einer einmonatigen Frist zur Klageerhebung auf den Rechtsweg. Begrundet hat das Erstgericht diesen Ausspruch nicht.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es auch die fünf anderen Erben auf den Rechtsweg verwies und unter Hinweis auf § 128 AußStrG. zur Klageerhebung eine Frist von einem Monat setzte. Es nahm den Standpunkt ein, daß die §§ 125, 126 AußStrG. hier nicht anwendbar seien, weil alle Erbanwärter, die sich auf denselben Erbrechtstitel stützten, als gleichwertig angesehen werden müßten und daher eine Zuweisung der Klägerrolle an die Erben mit dem schwächeren Erbrechtstitel nicht in Frage komme. Hier sei § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. anzuwenden. Die Zulässigkeit einer in dieser Gesetzesstelle an sich nicht vorgesehenen Fristsetzung ergebe sich aus der Erwägung, daß es sich hier nicht um materielle Säumnisfolgen handle, die von den Parteien zu erhebende Klage zumindest funktionell einer Erbrechtsklage gleichzuhalten sei und ohne Setzung einer Frist das Verlassenschaftsverfahren nie zum Abschluß gebracht werden könnte. Da § 125 AußStrG. keine Anwendung zu finden habe und überdies die Parteien Gelegenheit gehabt hätten, vor dem Notar als Gerichtskommissär Erklärungen abzugeben, könne in der Unterlassung der Vernehmung der Parteien vor Gericht ein Mangel des Verfahrens nicht erblickt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem von Rosa Sch., Rosalia Sch. und den Mj. Rosemarie und Hildegard Sch. erhobenen Revisionsrekurs Folge, hob den Beschluß der zweiten Instanz und den Beschluß des Erstgerichtes, der hinsichtlich der Annahme der Erbserklärungen als unangefochten unberührt blieb, im übrigen auf und trug dem Erstgericht auf, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Standpunkt des Rekursgerichtes, daß die §§ 125, 126 AußStrG. nicht anwendbar seien, ist abzulehnen, da § 126 Abs. 2 AußStrG. ausdrücklich auch den Fall vorsieht, daß die Erbserklärungen testamentarischer Erben untereinander im Widerspruch stehen, und eine Ausnahme für den Fall, daß sich alle Erbanwärter auf dasselbe Testament berufen, nicht vorgesehen ist. Gegenüber der Meinung des Rekursgerichtes, daß hier § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. anzuwenden sei, ist zu sagen, daß ja auch § 125 AußStrG. nichts anderes darstellt als einen Anwendungsfall des im § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. ausgesprochenen Grundsatzes, daß über Gegenstände, deren Entscheidung von der Erörterung streitiger Rechtsfragen oder von Tatumständen, die sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren ins klare setzen lassen, abhängt, im Rechtswege entschieden werden soll. Nur wurde hier die Verweisung auf den Rechtsweg durch die Fristsetzung und die Verteilung der Parteirollen ergänzt. Diese Ergänzung war im Interesse der Konzentration des Verlassenschaftsverfahrens und nach dem Grundsatz, daß über die Erbrechtsfrage in einem Prozeß entschieden werden soll, notwendig. Daß diese Ergänzung auch dann nicht entbehrt werden kann, wenn widerstreitende Erbansprüche sich auf dieselbe letztwillige Verfügung grunden, wird dadurch augenfällig, daß das Rekursgericht, obwohl es die Anwendbarkeit der §§ 125, 126 AußStrG. verneinte, doch eine dem § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. fremde Fristsetzung nach Art der im § 125 AußStrG. vorgesehenen Frist nicht entbehren konnte. Ebenso unentbehrlich ist aber auch die Rollenverteilung im Prozeß, da nur dadurch die rasche Klärung der Erbrechtsfrage unter Ausschluß der Möglichkeit der Fällung einander widersprechender Entscheidungen (Randa, Der Erwerb der Erbschaft, S. 40) gewährleistet ist. Das führt allerdings bei widerstreitenden Erbansprüchen aus dem gleichen Erbrechtstitel oder scheinbar gleichwertigen Erbrechtstiteln zu Schwierigkeiten. Diese konnten in vielen Fällen von der Judikatur nach der Lage des Falles verhältnismäßig leicht gelöst werden. So hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß demjenigen die Klägerrolle zuzuweisen sei, der einen Verzicht des Miterben auf das Erbrecht behauptet (1 Ob 442/57, GlUNF. 4092 u. a.). Das gleiche gilt für den Erben, der die ganze Erbschaft in Anspruch nimmt, gegenüber dem Miterben, der nur einen Teil in Anspruch nimmt (SZ. XXVII 142 u. a.). Aber auch dort, wo solche sich zwanglos aus der Lage des Falles ergebende Lösungsmöglichkeiten fehlen, können die Schwierigkeiten niemals zur Verneinung des im Gesetze verankerten Grundsatzes führen, daß der Außerstreitrichter über die Zuweisung der Parteirollen entscheiden muß (in diesem Sinne offenbar auch Ehrenzweig 2 Aufl. II/2 S. 612 f.). Aus der Bestimmung des § 126 AußStrG. ergibt sich das leitende Prinzip, daß der Außerstreitrichter demjenigen Erbanwärter die Beklagtenrolle zuzuweisen hat, für den die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechtes spricht (Unger, Die Verlassenschaftsabhandlung in Österreich, S. 131; Schuster, Kommentar zum AußStrG., 4. Aufl. S. 218 ff.). Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, muß der Richter vor der Entscheidung den Fall mit den Parteien genau erörtern (Schuster a. a. O. S. 213). Die Abgabe von Erklärungen der Parteien vor dem Gerichtskommissär genügt im Falle des § 126 Abs. 2 AußStrG. nicht. Das Gesetz legt gerade bei der Verteilung der Parteirollen zwischen Erben, die ihre Erbserklärungen aus demselben Berufungsgrund abgeben, auf den Eindruck besonderen Wert, den der Richter aus der Vernehmung der Parteien hinsichtlich der Frage zu gewinnen hat, für wen die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechtes spricht. Das geht daraus hervor, daß § 126 Abs. 2 AußStrG. die schon im § 125 AußStrG. allgemein erteilte Weisung, der Richter habe seine Entscheidung über die Zuweisung der Parteirollen nach Vernehmung der Parteien zu treffen, ausdrücklich wiederholt. Die im Schrifttum viel erörterte Frage, wie vorzugehen ist, wenn auf Grund mehrerer undatierter, einander widersprechender Testamente Erbserklärungen abgegeben werden (Randa a. a. O., Unger a. a. O. Anm. 14. Schuster a. a. O. S. 227, Gschnitzer - Weiss in Klang 2. Aufl. III S. 710), kann hier auf sich beruhen, weil entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ein gleichgearteter Fall nicht vorliegt. Der Richter kann die Grundlagen für seine Entscheidung gewinnen, wenn er alle Anwärter eingehend über die Verhältnisse vor dem Tode der Erblasserin und namentlich darüber vernimmt, wie es zu der behaupteten Pflege der Erblasserin gekommen ist und worin die Pflege bestanden hat. Er wird danach die Entscheidung zu treffen haben, für welche der Erbanwärterinnen schon nach ihren persönlichen Beziehungen zur Erblasserin, den örtlichen Verhältnissen und anderen aus der Vernehmung sich ergebenden Umständen die größte Wahrscheinlichkeit spricht, daß sie die Erblasserin vor ihrem Ableben bis zu ihrer letzten Stunde gepflegt hat. Dieser Erbanwarterin wird er die Beklagtenrolle, allen anderen Erbanwärterinnen aber die Klägerrolle zuzuweisen haben, und zwar unter Setzung einer Frist zur Klageerhebung, die erst von der Rechtskraft des Beschlusses zu laufen beginnt.
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