Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die EZ 543 KG ***** steht im bücherlichen Alleineigentum von R***** D*****, geboren am 6. 8. 1948. Zu dieser Liegenschaft gehört unter anderem das Grundstück 964/4, das aus der Teilung des Grundstücks 964/1 in die Grundstücke 964/1 und 964/4 hervorgegangen ist (C-LNR 1b).
Auf der Gesamtliegenschaft ist zu C‑LNR 2a das Pfandrecht im Höchstbetrag von 3.100.000 S zu Gunsten der R***** reg GenossenschaftmbH einverleibt.
Unter C‑LNR 1a ist die Dienstbarkeit der Wasserleitung über Grundstück 961 und 964/1 für Grundstück 966 der EZ 1442 einverleibt.
Mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmanns der Steiermark vom 10. 5. 2010, GZ FA 18 E‑81.20‑313/2010‑3, wurde gemäß §§ 2 und 6 HlG BGBl Nr 135/1989 idgF im Zusammenhalt mit § 2 Abs 2 Z 1 und 3 EisbEG BGBl Nr 71/1954 idgF zu Gunsten der Ö***** AG (der nunmehrigen Antragstellerin und Rechtsmittelwerberin) die Enteignung des Grundstücks 964/4 der EZ 543, KG ***** im Ausmaß von 174 m², im Alleineigentum der R***** D*****, geboren am 6. 8. 1948, stehend, durch Einräumung des lastenfreien Eigentums daran verfügt.
Weiters wurde mit dem bezeichneten Enteignungsbescheid die Realservitut „Dienstbarkeit Wasserleitung über Gst 961, 964/1 für Gst 966 der EZ 1442“ am Grundstück 964/4 aufgehoben.
Nach gerichtlicher Hinterlegung des Entschädigungsbetrags (§ 34 EisbEG, § 6 HlG) wurde die Ausfolgung dieses Erlagsbetrags an R***** D***** genehmigt, welcher Beschluss ebenfalls in Rechtskraft erwachsen ist (234 Nc 22/10d‑4 des Bezirksgerichts Graz‑Ost). Der Begründung ist zu entnehmen, dass die Hypothekargläubigerin als Zweiterlagsgegnerin schriftlich der Ausfolgung des Betrags zugestimmt hatte.
Unter Vorlage des bezeichneten Enteignungsbescheids, des Beschlusses des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 12. 8. 2010, 234 Nc 22/10d‑4, einer Freilassungserklärung, einer sonstigen Urkunde und einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragte die Antragstellerin die lastenfreie Abschreibung des Grundstücks 964/4 von EZ 543 und Zuschreibung zur EZ 2352, beide KG *****.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Gemäß § 3 Abs 1 LiegTeilG sei für die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers ohne Mitübertragung von Lasten die Zustimmung der Buchberechtigten erforderlich. Eine derartige Zustimmung sei nicht vorgelegt worden. Überdies sei das Enteignungsverfahren ob der EZ 543 niemals angemerkt gewesen. Einen weiteren Abweisungsgrund sah das Erstgericht darin, dass entgegen der Bestimmung des § 27 Abs 2 GBG die Firmenbuchnummer der Antragstellerin im Enteignungsbescheid nicht enthalten sei.
Dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass § 3 Abs 1 LiegTeilG einer lastenfreien Abschreibung entgegenstehe. Daran ändere der Umstand nichts, dass im Enteignungsbescheid eine „lastenfreie“ Enteignung verfügt und der Pfandgläubigerin der Enteignungsbescheid auch zugestellt worden sei. Dass die Pfandgläubigerin der Auszahlung der Entschädigungssumme an die Enteignete zugestimmt habe, könne nicht als Zustimmung iSd § 3 Abs 1 LiegTeilG gewertet werden.
Der Enteignungsbescheid enthalte zwar eine ausdrückliche Anordnung der Aufhebung der Dienstbarkeit der Wasserleitung hinsichtlich des abzuschreibenden Grundstücks, was jedoch nur bedeute, dass es insofern einer Zustimmung des Eigentümers der dienstbarkeitsberechtigten Liegenschaft nicht bedürfe.
Das Rekursgericht hielt auch den auf § 27 Abs 2 GBG gegründeten Abweisungstatbestand für verwirklicht. Auch öffentliche Urkunden müssten den in §§ 26, 27 GBG geforderten Voraussetzungen entsprechen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob für eine lastenfreie Ab- und Zuschreibung des enteigneten Liegenschaftsteils im Fall einer Enteignung durch lastenfreie Einräumung des Eigentums für den Enteignungswerber eine Zustimmung nach § 3 Abs 1 LiegTeilG von einem bücherlich einverleibten Pfandgläubiger beigebracht werden müsse.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinn der Bewilligung der begehrten Grundbuchseintragungen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Das Eigentumsrecht des Enteigners wird nicht vom Enteigneten abgeleitet, sondern entsteht originär (RIS‑Justiz RS0010847; RS0010841 [T7]; Klicka in Schwimann³ § 365 ABGB Rz 7; Spielbüchler in Rummel³ § 365 ABGB Rz 6; Holzner in Kletečka/Schauer ABGB‑ON § 365 Rz 6).
2. Der Enteigner erwirbt das Eigentum grundsätzlich lastenfrei, was für alle obligatorischen aber auch dinglichen Rechte gilt (RIS‑Justiz RS0010847), ohne dass es einer gesonderten Enteignung bedürfte (anders bei Realservituten, Prädial‑Reallastberechtigungen und Wald‑ und Weidenutzungsrechten; vgl Brunner, Enteignung für Bundesstraßen [1983] 69 f mwN; Klang in Klang II² 202; Korinek/Panger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts 272).
2.1. Zwar regelt das EisbEG 1954 die Wirkung der Enteignung auf dinglich Berechtigte nicht ausdrücklich. In § 4 Abs 2 kommt zum Ausdruck, dass Enteigneter jeder ist, dem der Gegenstand der Enteignung gehört oder dem an einem Gegenstand der Enteignung eine Realservitut zusteht. § 5 beschäftigt sich mit der Entschädigung Nutzungsberechtigter, Gebrauchsberechtigter oder Bestandnehmer. Der Hypothekargläubiger wird von diesen Regelungen nicht erfasst.
2.2. Aus dem Regelungszusammenhang der §§ 5, 22 Abs 2 und 34 Abs 2 EisbEG wird aber abgeleitet, dass die Pfandrechte mit der Enteignung untergehen („sich wandeln“) und Ansprüche von Pfandgläubigern sich auf die Entschädigungssumme als Surrogat für die enteignete Grundstücksteilfläche beziehen (Spielbüchler aaO; Holzner aaO; M. Lunzer, Das Schicksal von Pfandrechten bei Enteignung nach der BauO für Wien NZ 2003/52; Brunner aaO 70; RIS‑Justiz RS0057988).
Der Revisionswerberin ist insoweit Recht zu geben, als sie darauf hinweist, dass entgegen der Ansicht der Vorinstanzen verbücherte Pfandrechte grundsätzlich, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, als dingliche Rechte untergehen.
3. Nach neuerer Auffassung von Lehre und Rechtsprechung bildet die Rechtskraft des Enteignungsbescheids (RIS‑Justiz RS0010847 [T2]) (nur) den Rechtsgrund, der allerdings gemäß § 35 Abs 1 EisbEG noch des Vollzugs der Enteignung als Modus des Rechtserwerbs iSd § 380 ABGB bedarf (vgl 5 Ob 234/08k NZ 2009, 384 [Hoyer]; Eccher in KBB³ § 365 ABGB Rz 5). Dazu ist der tatsächliche Vollzug der Enteignung durch freiwillige Besitzübertragung oder zwangsweise Besitzeinweisung nach Leistung der Entschädigung oder gerichtlicher Hinterlegung bzw Sicherstellung erforderlich (4 Ob 544/74 EvBl 1975/17; 5 Ob 311/74 JBl 1975, 321; 5 Ob 254/99k NZ 2001/505 [Hoyer]; Holzner, Die „Enteignung“ des Nichteigentümers 47 ff; ders in Kletečka/Schauer ABGB‑ON § 365 Rz 5; Klicka in Schwimann³ § 365 Rz 7; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 365 Rz 25 bis 27; Spielbüchler aaO).
Im gegenständlichen Fall lässt sich den vorgelegten Urkunden nicht entnehmen, ob es bereits zu einem Vollzug der Enteignung gekommen ist.
4. Werden Liegenschaften enteignet, ist die Eintragung des Begünstigten im Grundbuch nach einem außerbücherlichen Vollzug deklarativ, wird hingegen die Einverleibung vor einem Vollzug erzwungen, konstitutiv (5 Ob 234/08k mwN; RIS-Justiz RS0010847 [T3-T5]; RS0010841; Leupold aaO Rz 27 mwN).
Eine konstitutive Einverleibung vor Vollzug ist möglich, erfordert aber neben dem öffentlich‑rechtlichen Titel auch den Nachweis der Vollzugsvoraussetzungen, wobei die Annahme des Entschädigungserlags die Rechtmäßigkeit des Erlags nicht dartut und daher keine Einverleibung erlaubt (5 Ob 56/85 RPflSlg G 2039; Holzner aaO; für eine Vormerkung analog § 39 GBG Spielbüchler aaO).
5. Weil aber nicht schon der Erlag oder die Zahlung der Entschädigungssumme, sondern erst der tatsächliche Vollzug der Enteignung durch freiwillige Besitzübernahme oder zwangsweise Besitzeinweisung nach Leistung der Entschädigung das Eigentum verschafft (Klang aaO; RIS-Justiz RS0010841), ist eben vor diesem Zeitpunkt das Recht eines dinglich Berechtigten, hier eines Hypothekargläubigers, noch aufrecht.
Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass eine bücherliche Einverleibung des Enteigners zwar konstitutiv erzwungen werden kann, dann aber des Nachweises der Zustimmung des (noch) berechtigten Pfandgläubigers bedarf.
Nur im Fall einer bloß deklarativen Nachführung des Grundbuchs an den außerbücherlich eingetretenen Eigentumserwerb ist infolge Untergangs (Wandlung) des Pfandrechts eine derartige, ansonsten nach § 3 Abs 1 LiegTeilG erforderliche Zustimmung nicht zu erbringen.
Im Ergebnis scheitert daher das Gesuch um lastenfreie Abschreibung und Zuschreibung zu einer Liegenschaft der Antragstellerin an der fehlenden Zustimmung der Hypothekargläubigerin.
6. Der weiters von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund liegt aber nicht vor:
Zutreffend verweist die Revisionsrekurswerberin darauf, dass die seit der Grundbuchs‑Novelle 2008 BGBl 2008/100 in § 27 Abs 2 GBG geforderte Angabe der Firmenbuchnummer nur dann erforderlich ist, wenn es um die Verbücherung eines Rechtsgeschäfts geht. Zweck des § 27 Abs 2 GBG ist es, die Beteiligten eines Rechtsgeschäfts genau zu identifizieren (RIS‑Justiz RS0060482 [T7]; 5 Ob 33/10d NZ 2011, 60 [Hoyer]). Es ist zwar zutreffend, dass gerade § 27 Abs 2 GBG als allgemeine Voraussetzung einer Grundbuchsurkunde angesehen wird (vgl RIS‑Justiz RS0117703) und der erkennende Senat schon ausgesprochen hat, dass auch öffentliche Urkunden grundsätzlich den Erfordernissen der §§ 26, 27 GBG entsprechen müssen (vgl etwa 5 Ob 91/03y: gerichtlicher Vergleich über Aufteilung des Gebrauchsvermögens, in welcher Entscheidung dann aber von einer zu „engen“ Auslegung Abstand genommen und die mangelhafte Heftung des Vergleichs als unschädlich angesehen wurde). Die Ansicht, auch öffentliche Urkunden müssten den Voraussetzungen der §§ 26, 27 GBG entsprechen, wurde auch von Hofmeister (in NZ 1984, 203 und 241 in Ablehnung zweitinstanzlicher Entscheidungen) vertreten.
Doch gebietet es einerseits der oben dargestellte primäre Zweck des § 27 Abs 2 GBG sowie der Umstand, dass behördliche oder gerichtliche Entscheidungen nach den dafür bestehenden Vorschriften solche spezifische Angaben wie Geburtsdatum oder hier die Anführung der Firmenbuchnummer nicht vorsehen, von solchen Erfordernissen abzusehen, die möglicherweise im Nachhinein nicht mehr bewirkt werden können (3 Ob 24/91 SZ 64/60 mit Hinweis auf JUS 1990/510; Feil Grundbuchgesetz³ § 27 Rz 3 mwN). Ein rechtskräftiger Enteignungsbescheid verliert daher nicht dadurch den Charakter einer grundbuchstauglichen Urkunde, dass in ihm die Firmenbuchnummer des Enteignungswerbers nicht angegeben ist.
Im verfahrenseinleitenden Antrag ist die Firmenbuchnummer jedenfalls enthalten, sodass der Bestimmung des § 98 letzter Satz GBG entsprochen werden könnte.
Insgesamt erweist sich der Revisionsrekurs jedoch nicht als berechtigt, weshalb die abweisliche Entscheidung des Rekursgerichts zu bestätigen war.
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