Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****. Auf dieser Liegenschaft ist unter C-LNR 4a (TZ 10839/1985) das Fruchtgenussrecht für Johann Berthold D*****, geboren 10. 8. 1937, einverleibt. An diesem Recht wiederum ist unter C-LNR 4d (TZ 3287/2004) das Pfandrecht für die E***** AG für die vollstreckbare Forderung von EUR 47.982,20 sA einverleibt. Mit dem verfahrenseinleitenden Grundbuchsgesuch begehrte die Antragstellerin unter Vorlage der notariell beglaubigten Verzichtserklärung des Johann Berthold D***** vom 12. 3. 1993 die Löschung des Fruchtgenussrechtes.
Das Erstgericht bewilligte die Löschung des Fruchtgenussrechtes mit dem Beisatz des § 51 Abs 1 GBG.
Einem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
§ 51 Abs 1 GBG, welche Bestimmung nach herrschender Auffassung nicht nur auf Hypotheken, sondern auch auf andere belastende bücherliche Rechte anwendbar sei, bestimme Folgendes:
Wenn auf einer Hypothekarforderung zur Zeit, als ihre Löschung begehrt wird, noch Afterpfandrechte haften, darf die Löschung der Forderung nur mit dem Beisatz bewilligt werden, dass ihre Rechtswirkung in Ansehung der Afterpfandrechte erst mit ihrer Löschung einzutreten hat.
Nach dem Grundbuchstand stehe einer Einverleibung der Löschung des Fruchtgenussrechtes ohne den Beisatz des § 51 Abs 1 GBG das einverleibte Afterpfandrecht der E***** AG entgegen. Im Unterschied zum Tod eines Fruchtgenussberechtigten, mit dem das Fruchtgenussrecht gemäß § 529 ABGB jedenfalls erlösche, sei die materiellrechtliche Unwirksamkeit des gegenständlichen Fruchtgenussrechtes zufolge eines bereits 1993 erklärten, aber bisher noch nicht verbücherten Verzichts mit den für das Grundbuchsverfahren maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen nicht erwiesen. Das Recht des Fruchtgenusses erlösche zwar auch durch Verzicht des Berechtigten gemäß §§ 524, 1444 ABGB, doch gelte nach herrschender Lehre der Eintragungsgrundsatz (vgl Dullinger in Rummel ABGB³ Rz 8 zu § 1444 ABGB; gegenteilig: EvBl 1963/162). Nach Ansicht des Rekursgerichtes komme es daher nicht darauf an, dass es sich bei dem unter C-LNR 4d einverleibten Pfandrecht um ein exekutives Pfandrecht handle und dem Erwerber der Schutz des guten Glaubens nicht zukomme, selbst wenn die Verzichtserklärung bereits 11 Jahre vor der Einverleibung des Zwangspfandrechtes erfolgt sei.
Nach dem entscheidungsmaßgeblichen Grundbuchstand sei daher davon auszugehen, dass am Fruchtgenussrecht des Johann Berthold D***** noch ein Pfandrecht hafte, sodass das Erstgericht zutreffend die Löschung dieses Pfandrechtes nur mit dem Beisatz des § 51 Abs 1 GBG bewilligt habe. Das stehe auch in Einklang mit höchstgerichtlicher Judikatur (5 Ob 110/87; 5 Ob 114/91; 5 Ob 74/98p).
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob ein mit einem Pfandrecht behaftetes Fruchtgenussrecht ohne Beisatz des § 51 Abs 1 GBG zu löschen sei, wenn die - bisher nicht verbücherte - Verzichtserklärung des Fruchtgenussberechtigten vor der Einverleibung eines Zwangspfandrechtes datiere.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, der aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig ist. Er ist jedoch nicht berechtigt.
Der Revisionsrekurs, mit dem in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidung die Löschung des Fruchtgenussrechtes ohne den Beisatz des § 51 Abs 1 GBG angestrebt wird, zielt im Wesentlichen darauf ab, dass im Zeitpunkt der Begründung des Zwangspfandrechtes im Jahr 2004 das zu TZ 10839/1985 einverleibte Fruchtgenussrecht infolge des am 12. 3. 1993 erfolgten Verzichts auf dieses Fruchtgenussrecht nicht mehr bestanden habe und daher das Afterpfandrecht nicht wirksam begründet worden sei. Dabei stützt sich die Revisionsrekurswerberin im Wesentlichen auf die in EvBl 1963/162 veröffentlichte Entscheidung 3 Ob 174/62, wonach für den Verzicht auf eine Dienstbarkeit der Eintragungsgrundsatz nicht gilt. Auf einen Gutglaubensschutz könne sich die Pfandgläubigerin nicht berufen. Seit dem Judikat Nr 188 entspreche es nämlich ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass einem exekutiven Pfandrechterwerber der Schutz des guten Glaubens nicht zukomme. Der Vertrauensgrundsatz gelte nur für den rechtsgeschäftlichen Verkehr, schütze aber einen Zwangspfandgläubiger nicht. Die Afterpfandgläubigerin könne sich daher nicht auf den Grundbuchstand schlechthin berufen. Ihr könne die bereits im Jahr 1993, somit 11 Jahre vor dem Pfandrechtserwerb abgegebene Verzichtserklärung auf das Fruchtgenussrecht entgegengehalten werden. Die Revisionsrekurswerberin führt weiters aus, dass es für den Rechtsgeschäftsverkehr bedenklich wäre, sollte eine im Vertrauen auf die Einhaltung von Verpflichtungen vom Fruchtgenussberechtigten ausgestellte Löschungserklärung nicht durchgesetzt werden können, wenn die vertraglich vorgesehene Bedingung des Verzichts eingetreten ist. Damit kommt die Revisionsrekurswerberin auf ein umfangreiches Vorbringen zurück, das sie (als Neuerung) im Rekurs erstattet hat und - zusammengefasst - annehmen lässt, dass die im Grundbuchsverfahren vorgelegte Verzichtserklärung des Johann Berthold D***** hinsichtlich seines Fruchtgenussrechtes (über den Wortlaut der Urkunde hinaus) nur unter bestimmten, hier nicht näher zu erörtenden Bedingungen Wirkung erlangen sollte.
Zuletzt führt die Revisionsrekurswerberin noch aus, dass, so wie der Tod des Dienstbarkeitsberechtigten sein Fruchtgenussrecht rückstandslos erlöschen lasse, dies auch für eine grundbuchsfähige Verzichtserklärung gelten müsse, die vom Fruchtgenussberechtigten (zum Zweck der Erzwingung der Einhaltung von Verbindlichkeiten) vor der Einverleibung exekutiver Rechte ausgestellt wurde.
Dazu hat der erkennende Senat erwogen:
Richtig hat das Rekursgericht erkannt, dass die Bestimmung des § 51
GBG nicht nur auf Hypotheken, sondern auch auf andere belastete
bücherliche Rechte, etwa ein verpfändetes Fruchtgenussrecht,
anwendbar ist (5 Ob 74/98p mwN = NZ 1998/430, 408 [Hoyer]). § 51 GBG
trägt nämlich dem Grundsatz Rechnung, dass Rechte Dritter durch einen
Verzicht nicht beeinträchtigt werden dürfen. Daher wirken
Tatbestände, die das Erlöschen des verpfändeten Rechts mit dem Willen
des Pfandbestellers herbeiführen, gegen den Afterpfandgläubiger nicht
(5 Ob 114/91 = NZ 1992/234, 155 [Hofmeister]; 5 Ob 74/98p; vgl 1 Ob
302/97m = SZ 71/30; 7 Ob 47/89 = SZ 63/29; Dullinger in Rummel³ Rz 9
zu § 1444 ABGB mwN).
Folglich kann ein Pfandschuldner die Löschung einer mit einem Afterpfandrecht belasteten Hypothek grundsätzlich nur mit Zustimmung des Afterpfandgläubigers oder mit dem Vorbehalt des § 51 GBG oder aber nach gerichtlicher Hinterlegung der Schuldsumme begehren (5 Ob 110/87; Hofmann in Rummel³ Rz 3 f zu § 455 ABGB mwN). Zum Einwand der Liegenschaftseigentümerin, das Fruchtgenussrecht sei bereits 1993 und damit elf Jahre vor dem exekutiven Pfandrechtserwerb infolge Verzichts des Berechtigten außerbücherlich erloschen, ist Folgendes auszuführen:
Von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, wird zufolge § 4 GBG die Aufhebung eines bücherlichen Rechts nur durch die Eintragung in das Hauptbuch erwirkt. Diese Bestimmung bildet die formellrechtliche Ergänzung des in den materiellrechtlichen Vorschriften des ABGB (§§ 431, 445, 451) festgelegten Eintragungsgrundsatzes. Erlöschensgründe sind im Allgemeinen nur Löschungstitel (Gschnitzer Sachenrecht 155). Das wird von einem überwiegenden Teil der Lehre auch für die willentliche Aufgabe von Rechten, so auch für den Verzicht auf ein Servitutsrecht vertreten (vgl Gschnitzer/Faistenberger/Barta/Call/Eccher Sachenrecht² 177; Iro Sachenrecht Rz 15/49; Rummel in Rummel² Rz 8 zu § 1444 ABGB; Dullinger in Rummel³ Rz 8 zu § 1444 ABGB; Klang in Klang 529). Eine gegenteilige Ansicht vertrat die Rechtsprechung bisher nur in der Entscheidung 3 Ob 174/62 = EvBl 1963/162. Dort meinte der Oberste Gerichtshof, dass der Eintragungsgrundsatz für den Verzicht auf eine Dienstbarkeit nicht gelte. Es bestehe kein Grund, den in § 527 ABGB hinsichtlich des Erlöschens einer Servitut durch Zeitablauf und in § 1500 ABGB hinsichtlich der Ersitzung und Verjährung bei verbücherten Rechten geltenden Vertrauensgrundsatz nicht auch für den Verzicht anzuwenden, weil die Sachlage in allen diesen Fällen durchaus ähnlich sei. Auch Ehrenzweig (System § 186) lehne die allgemeine Geltung des Eintragungsgrundsatzes ab und lasse ihn nur bezüglich der Bestellung der Dienstbarkeit und auch dort nur im eingeschränkten Umfang gelten. Dieser Ansicht haben sich Hofmann in Rummel³ Rz 1 zu § 481 ABGB und Rz 2 zu § 524 ABGB sowie Koziol/Bydlinski/Bollenberger ABGB Rz 2 zu § 524 ABGB jeweils unter Berufung auf EvBl 1963/162 kommentarlos angeschlossen.
Der erkennende Senat vermag aus den eingangs angeführten grundsätzlichen Erwägungen die zuletzt referierte Ansicht für die willentliche Aufgabe von Servitutsrechten nicht zu teilen. Der Verzicht des Berechtigten auf die Ausübung der Servitut wird wegen des bei der Aufgabe von Sachenrechten zu beachtenden Publizitätsprinzips, das grundsätzlich die Verbücherung erfordert, erst durch die Einverleibung ihrer Löschung im Grundbuch Dritten gegenüber wirksam (vgl Rummel und Dullinger aaO).
Es hat daher bei der Ansicht der Vorinstanzen zu bleiben, dass beim gegebenen Buchstand, nämlich der rechtskräftig einverleibten exekutiven Belastung des Fruchtgenussrechtes eine Löschung dieses Fruchtgenussrechtes nur mit der Einschränkung des § 51 Abs 1 GBG erfolgen kann.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)