Spruch:
Bei der Tagsatzung zur abgesonderten Verhandlung über eine Unzuständigkeitseinrede ist eine Klagsänderung (Klagserweiterung) nicht zuzulassen.
Entscheidung vom 3. Juli 1967, 5 Ob 104/67.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Zwischen den Streitteilen ist über Klage der Frau und Widerklage des Mannes ein Ehescheidungsverfahren anhängig, in dem beide Teile rechtsfreundlich vertreten sind. In der vorliegenden bei dem Gericht, vor dem auch das Scheidungsverfahren anhängig ist, eingebrachten Klagen behauptete nun die Klägerin, daß der Gegenanwalt ihrem Vertreter mitgeteilt habe, der Beklagte beabsichtige, mit 1. September 1966 einen Nebentelefonanschluß in den von den Streitteilen gemeinsam benützten Geschäftsräumlichkeiten aufzulassen. In diesen Räumen übten der Beklagte seinen Beruf als Gebäudeverwalter, die Klägerin ihren Beruf als Steuerberaterin aus.
Die Klägerin sei "nach familienrechtlichen Gesichtspunkten" Mitbenützerin, aber auch "formal" Untermieterin der Bestandräume. Sie begehre daher unter Anrufung des Gerichtsstandes nach § 50 (2) Z. 3 JN., den Beklagten schuldig zu erkennen, die gegenständliche Fernsprechstelle samt Nebenanschluß in ihrem Arbeitszimmer in gebrauchsfähigem Zustand zu belassen und insbesondere alle Erklärungen zu unterlassen, die zu einer Verlegung oder Absperrung oder "Unfähigkeit" der Benützung dieser Fernsprechstelle führen könnten. Die Klägerin bewertete ihr Interesse an dieser Unterlassungsklage mit 20.000 S.
Nach Zustellung der Klage an den Beklagten, aber noch vor Ahaltung der ersten Tagsatzung, erweiterte die Klägerin ihr Begehren dahin, daß sie beantragte, den Beklagten auch schuldig zu erkennen, ihr zwei näher bezeichnete Rechenmaschinen und ihren Arbeitstisch herauszugeben. Der zunächst mit 15.000 S bewertete Herausgabeanspruch wurde auf die Behauptung gestützt, daß die genannten Gegenstände Eigentum der Klägerin seien und daß der Beklagte sie in Abwesenheit der Klägerin aus ihrem Arbeitszimmer entfernt habe.
Der Beklagte erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit. Es handle sich um vermögensrechtliche Streitigkeiten, die mit der Ehe der Streitteile nicht zusammenhingen. Allerdings liege auch kein Streit um Hausrat vor, zumal die Streitteile anderswo wohnen. Das Unterlassungsbegehren sei übermäßig hoch bewertet, da der Verkaufswert der Telefonanlage höchstens 3000 S betrage. Das Herausgabebegehren stelle eine unzulässige Klagsänderung dar, weil zunächst nur ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht worden sei. Auch das Herausgabebegehren sei erheblich überwertet worden, da die beiden Rechenmaschinen höchstens einen Wert von 2000 S und 8000 S, der Tisch einen solchen von 200 S hätten. Selbst bei Zusammenrechnung aller geltend gemachten Ansprüche ergebe sich bloß ein Streitwert von 6000 S, weshalb das Bezirksgericht zur Verhandlung dieser Klage zuständig sei.
Bei der ausdrücklich zur Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten angeordneten Tagsatzung vom 20. Dezember 1966 bewertete die Klägerin ihren Herausgabeanspruch hinsichtlich der Rechenmaschine I mit 8000 S, der Rechenmaschine II mit 2000 S und des Arbeitstisches mit 1000 S. Ferner dehnte sie ihr Begehren neuerlich dahin aus, daß sie beantragte, den Beklagten überdies schuldig zu erkennen, ihr auch eine Schreibmaschine im Werte von 13.040 S herauszugeben. Zur Begründung dieses Begehrens wurde nichts vorgebracht. Eine Äußerung des Beklagten zu dieser Klagserweiterung wurde nicht protokolliert.
Nach Vernehmung eines Sachverständigen über den Wert der beiden Rechenmaschinen und Durchführung der Parteienvernehmung über die Kosten der Herstellung der Telefonanlage des Beklagten beantragte die Klägerin, im Falle der rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärung die Rechtssache an das offenbar sachlich und örtlich nicht unzuständige Bezirksgericht W. gemäß § 261 ZPO. zu überweisen.
Das Erstgericht überwies im Sinne dieses Antrages die Rechtssache wegen sachlicher Unzuständigkeit an das von der Klägerin angegebene Bezirksgericht, legte ihr den Ersatz der Kosten der Tagsatzung vom 20. Dezember 1966 auf und sprach aus, daß die bei der Tagsatzung vom 20. Dezember 1966 vorgenommene Klagsausdehnung auf Herausgabe der Schreibmaschine nicht zugelassen werde.
Über Rekurs der Klägerin änderte die zweite Instanz die Entscheidung des Erstrichters dahin ab, daß die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen und die am 20. Dezember 1966 vorgenommene Klagsänderung zugelassen wurde. Der vom Beklagten erhobene Kostenrekurs wurde auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Oberste Gerichtshof wies den Rekurs des Beklagten, soweit er sich gegen die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei richtete, zurück.
Im übrigen, also hinsichtlich der Frage der Zulassung der Klageerweiterung durch Geltendmachung des Anspruches auf Herausgabe der Schreibmaschine, wurde dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes in diesem Punkt wiederhergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, schließt § 45 JN. die Anfechtung der die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtshofes erster Instanz bejahenden Entscheidungen aus, gleichviel ob sie von der ersten oder zweiten Instanz ergangen sind (JBl. 1959 S. 553, EvBl. 1954 Nr. 99, SpR. 265 u. a.). Es erweist sich daher der Beschluß des Rekursgerichtes, soweit damit in Abänderung der Entscheidung der ersten Instanz die Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei verworfen wurde, als unanfechtbar, weshalb der dagegen erhobene Revisionsrekurs zurückzuweisen war.
Im übrigen ist der Revisionsrekurs zulässig (vgl. SZ. XXVI 111), es kommt ihm auch aus allerdings nicht geltend gemachten Gründen Berechtigung zu.
Wie in der Sachverhaltsdarstellung aufgezeigt, hat das Erstgericht über die vom Beklagten bei der ersten Tagsatzung am 24. Oktober 1966 erhobene Prozeßeinrede der sachlichen Unzuständigkeit eine abgesonderte Verhandlung angeordnet. Damit wurde der Gegenstand dieser Verhandlung auf die erhobene Einrede beschränkt und damit nicht zusammenhängendes Vorbringen der Parteien ausgeschlossen (§ 260 (1) ZPO.). Das Erstgericht hat daher mit Recht die von der Klägerin bei dieser Tagsatzung über die abgesonderte Verhandlung am 20. Dezember 1966 vorgenommene Klagserweiterung durch Erhebung des neuen Anspruches auf Herausgabe einer Schreibmaschine nicht zugelassen.
Es war daher schon aus diesen Erwägungen die Entscheidung des Erstgerichtes in bezug auf die Klagserweiterung wiederherzustellen, ohne daß die Frage zu prüfen war, ob das den Gegenstand der Klagserweiterung bildende Begehren mangels jedweder Substantiierung im Hinblick auf § 226 (1) ZPO. überhaupt Grundlage für die Einleitung eines Rechtsstreites bilden könnte oder ob nach Erörterung mit den Parteien und nach Bejahung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes über die Zulässigkeit der eine Klagsänderung darstellenden Klagserweiterung gemäß § 235 (3) ZPO. zu entscheiden wäre.
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