OGH 504Präs50/23x

OGH504Präs50/23x4.10.2023

Beschluss:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:504PRA00050.23X.1004.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck ist von der Entscheidung über die Ausgeschlossenheit einer Richterin des Oberlandesgerichts Innsbruck im Verfahren über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 12. Juli 2023, AZ 27 Hv 22/23f, ausgeschlossen.

Infolge Ausgeschlossenheit aller anderen Richter und Richterinnen des Oberlandesgerichts Innsbruck wird die Entscheidung über diese Berufung sowie die Entscheidung über allenfalls weitere Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe in diesem Strafverfahren dem Oberlandesgericht Linz übertragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 12. Juli 2023, AZ 27 Hv 22/23f, wurde der Angeklagte des Verbrechens nach § 3g VerbotsG als Medieninhaltsdelikt gemäß § 1 Abs 1 Z 12 MedienG für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wurde die mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 2. Juni 2022 zu AZ 38 Hv 33/22b gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Zur Entscheidung über die gegen dieses Urteil erhobene Berufung der Staatsanwalt Innsbruck ist entsprechend der aktuellen Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck der Senat 6 (Senatspräsident des Oberlandesgerichts * F* als Vorsitzender sowie die Richterin des Oberlandesgerichts * K* und der Richter des Oberlandesgerichts * M* als weitere Mitglieder des Senats) berufen.

Am 16. August 2023 zeigte der Senatspräsident des Oberlandesgerichts * F* die Ausgeschlossenheit der Richterin des Oberlandesgerichts * K* an, zumal es sich beim Angeklagten um ihren Bruder handle. Weiters legte der Senatspräsident den Akt zur Prüfung der Ausgeschlossenheit seiner Person sowie des Richters des Oberlandesgerichts * M* vor und führte dazu aus, dass er sich durchaus in der Lage fühle, in der Sache unvoreingenommen und unparteilich zu entscheiden. Dies gelte auch für das Senatsmitglied * M*.

Als Ersatzmitglieder des Senats 6 des Oberlandesgerichts sind nach der aktuellen Geschäftsverteilung (1 Jv 6432-7A3/22d-10) acht Senatspräsident:innen bzw Richter:innen des Oberlandesgerichts vorgesehen. Ist diese Vertretungsregel ausgeschöpft, sind gemäß Punkt III) B) 2) der Geschäftsverteilung die Mitglieder des Oberlandesgerichts Innsbruck in der umgekehrten Reihenfolge, in der sie in der Liste zu Punkt XV der Geschäftsstelle angeführt sind, zur Stellvertretung berufen. In dieser Liste sind sämtliche Senatspräsidentinnen und Richterinnen des Oberlandesgerichts mit Ausnahme des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts und des Präsidenten des Oberlandesgerichts angeführt. Aus eingeholten Äußerungen der potentiellen Ersatzmitglieder ergibt sich, dass sich die Richter:innen des Oberlandesgerichts subjektiv als nicht befangen erachten.

Der Präsident des Oberlandesgerichts, der für die Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern des Oberlandesgerichts zuständig ist, zeigte zu AZ 8 Ns 20/23w seine Ausgeschlossenheit an. Der besondere Umstand des andauernden kollegialen Kontakts mit einem Richter (desselben Gerichtshofs zweiter Instanz), der Angehöriger eines Angeklagten sei, lasse auch bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler den Anschein einer Befangenheit der übrigen Richter des Oberlandesgerichts zu. Es bestehe daher hinsichtlich sämtlicher Richter:innen des Oberlandesgerichts zumindest der äußere Anschein der Befangenheit. Das Oberlandesgericht sei daher aus einem der in § 43 StPO vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert, was dem Obersten Gerichtshof anzuzeigen sei.

Der Präsident des Oberlandesgerichts zeigt damit Gründe auf, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO; RS0096718). Da diese Gründe auch für die anderen Richterinnen und Richter dieses Oberlandesgerichts gelten, also kein ordentlich besetzter Senat zur Entscheidung über die Berufung gebildet werden kann, war die Zuständigkeit dem Oberlandesgericht Linz zu übertragen. Die Übertragungskompetenz der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs gründet sich darauf, dass den auf die Entscheidung über die Anzeige der Ausgeschlossenheit und über den Antrag auf Ablehnung bezogenen Vorschriften der StPO, nicht anders als dieser insgesamt, die Annahme einer hierarchischen Gerichtsstruktur zugrunde liegt, womit die Zuständigkeit eines Präsidenten des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern eines anderen Oberlandesgerichts ausscheidet. Diese fällt daher der insoweit übergeordneten Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zu, der folgerichtig auch die Übertragung der Sache selbst und nicht bloß der darauf bezogenen Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern zukommt (vgl 1 Präs 2690-3149/15x; RS01125943).

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