OGH 504Präs26/22s

OGH504Präs26/22s13.10.2022

Beschluss

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:504PRA00026.22S.1013.000

 

Spruch:

Der Präsident des Oberlandesgerichts Graz ist von der Entscheidung über die Ausgeschlossenheit einer Richterin des Oberlandesgerichts Graz im Verfahren über die Beschwerde des Beschuldigten C* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 21. September 2022, GZ 4 HR 151/19y‑715, ausgeschlossen.

Infolge Ausgeschlossenheit aller anderen Richter und Richterinnen des Oberlandesgerichts Graz wird die Entscheidung über diese Beschwerde sowie die Entscheidung über allenfalls weitere Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe in diesem Strafverfahren, soweit sie C* betreffen, dem Oberlandesgericht Wien übertragen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 21. September 2022, GZ 4 HR 151/19y‑715, wurde die mit Beschluss vom 9. Juni 2022 über den Beschuldigten C* verhängte Untersuchungshaft fortgesetzt. Das Verfahren über die Beschwerde des Beschuldigten gegen diesen Beschluss ist beim Oberlandesgericht Graz zu AZ 9 Bs 347/22f anhängig.

Der Beschuldigte ist des Versuchs verdächtig, unter anderem eine (nunmehrige) Richterin des Oberlandesgericht Graz zum Amtsmissbrauch zu bestimmen sowie sie durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zu einer Handlung oder Unterlassung zu nötigen.

Die Vorsitzende des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Rechtsmittelsenats zeigte ihre Ausgeschlossenheit unter Hinweis darauf an, dass die betreffende Richterin seit 1. Jänner 2021 Richterin des Oberlandesgericht Graz ist. Bis 31. Jänner 2022 war sie überdies Mitglied der für die Behandlung der Beschwerde zuständigen Senatsabteilung 9. Angesichts der im verhältnismäßig kleinen Gremium des Oberlandesgerichts stattfindenden persönlichen Kontakte liege der Anschein der Befangenheit des gesamten Senats 9 vor.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Graz, der für die Entscheidung über die Ausgeschlossenheit zuständig ist, schloss sich in seiner zu AZ 1 Ns 31/22f erstatteten Ausgeschlossenheitsanzeige dieser Auffassung an und ergänzte, dass über die unmittelbare dienstliche Zusammenarbeit hinaus wischen den 33 beim Oberlandesgericht Graz ernannten Richter:innen regelmäßige informelle Kontakte durch den monatlich stattfindenden „Gremialkaffee“ und anlassbezogene Feierstunden bestünden. Objektiv bestehe daher der äußere Anschein der Befangenheit sämtlicher Richter des Oberlandesgerichts einschließlich seines Präsidenten und Vizepräsidenten.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Graz zeigt damit Gründe auf, die nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO). Da diese Gründe auch für die anderen Richterinnen und Richter dieses Oberlandesgerichts gelten, also kein ordentlich besetzter Senat zur Entscheidung über die Beschwerde gebildet werden kann, war die Zuständigkeit – auch für mögliche künftige, den konkreten Beschuldigten betreffende Verfahren – dem Oberlandesgericht Wien zu übertragen.

Die Übertragungskompetenz der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs gründet sich darauf, dass den auf die Entscheidung über die Anzeige der Ausgeschlossenheit und über den Antrag auf Ablehnung bezogenen Vorschriften der StPO, nicht anders als dieser insgesamt, die Annahme einer hierarchischen Gerichtsstruktur zugrunde liegt, womit die Zuständigkeit eines Präsidenten des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern eines anderen Oberlandesgerichts ausscheidet. Diese fällt daher der insoweit übergeordneten Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zu, der folgerichtig auch die Übertragung der Sache selbst und nicht bloß der darauf bezogenen Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern zukommt (vgl RS0125943).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte