OGH 4Ob98/84

OGH4Ob98/8428.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Elmar Peterlunger und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika HERZBERG, Sekretärin, Graz, Berliner Ring 18, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH (BUNDESMINISTERIUM FÜR W*** UND FORSCHUNG), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 54.088,48 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 20.März 1984, GZ 2 Cg 3/84-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 15.September 1983, GZ 1 Cr 308/82-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin nimmt die beklagte REPUBLIK ÖSTERREICH (BUNDESMINISTERIUM FÜR W*** UND FORSCHUNG) auf Zahlung von S 54.088,48 brutto sA in Anspruch. Sie sei vom 2.11.1967 bis 30.9.1981 als Sekretärin des I*** FÜR W*** an der Hochschule (früher: Akademie) für Musik und darstellende Kunst in Graz zur beklagten Partei in einem privatrechtlichen, dem Vertragsbedienstetengesetz unterliegenden Arbeitsverhältnis gestanden. Da für die Klägerin offenbar kein entsprechender Dienstposten zur Verfügung gestanden sei, habe man sie pro forma fortlaufend und immer nur für ein Jahr als "Lehrbeauftragte" zur Verrichtung künstlerischer Hilfsdienste mit einer bestimmten Anzahl von Wochenstunden geführt und nach den entsprechenden Jahres- bzw. Monats-Wochenstunden entlohnt. Diese Lehraufträge seien jedoch bloße Scheinakte gewesen: Die Klägerin habe niemals - auch nicht hilfsweise - eine künstlerische oder wissenschaftliche Lehrtätigkeit ausgeübt, sondern ausschließlich als (weisungsgebundene) Sekretärin gearbeitet, und zwar doppelt so viele Stunden, als ihr in den jeweiligen "Bestellungsdekreten" vorgeschrieben worden waren; sie sei von der beklagten Partei als angestellte Arbeitnehmerin bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse angemeldet worden. Zwischen den Parteien sei auf diese Weise - schlüssig - ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zustande gekommen, welches den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes unterlegen sei. Am 30.9.1981 - dem Ende des letzten befristeten "Lehrauftrages" - habe der Rektor der HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz der Klägerin erklärt, daß sie am nächsten Tag nicht mehr zum Dienst zu erscheinen brauche. Die Klägerin nehme diese vorzeitige Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zur Kenntnis, verlange aber von der beklagten Partei aus dem Titel der Kündigungsentschädigung (drei Monatsentgelte), der Urlaubsentschädigung (26 Werktage) und der Abfertigung (4 Monatsentgelte) die Zahlung des eingeklagten Betrages. Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges und hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit an der HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz auf Grund befristeter Lehraufträge nach den Bestimmungen des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes BGBl.1970/54 ausgeübt; gemäß § 9 Abs4 dieses Gesetzes werde aber durch die Erteilung von Lehraufträgen - bei welchen es sich um Hoheitsakte handle - kein Arbeitsverhältnis begründet. Die Klägerin sei nicht Vertragsbedienstete der beklagten Partei gewesen; sie sei vielmehr in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis gestanden, aus welchem allein sie allfällige Ansprüche gegen die beklagte Partei herleiten könne. Solche Ansprüche seien aber dem ordentlichen Rechtsweg entzogen. Das Zahlungsbegehren der Klägerin werde im übrigen auch der Höhe nach bestritten.

Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ist rechtskräftig verworfen worden (Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 9.11.1982, 4 Ob 163/82-14).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Durch die der Klägerin erteilten Lehraufträge sei weder ein öffentlich-rechtliches noch ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis begründet worden. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens sei das von der Klägerin behauptete Vertragsbedienstetenverhältnis auch nicht schlüssig zustande gekommen.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Während ihrer Tätigkeit als Pressestenografin bei einer Grazer Tageszeitung war die Klägerin mit dem Kulturredakteur dieses Blattes, Prof. K***, in Kontakt gekommen. Dieser sagte eines Tages zu ihr, daß er das Institut für Wertungsforschung an der GRAZER M***AKADEMIE übernehmen werde, wobei ihm auch eine Halbtagssekretärin zur Verfügung gestellt werde. Er fragte die Klägerin, ob sie an dieser Tätigkeit interessiert sei, konnte aber über die Bezahlung keine konkreten Angaben machen und riet ihr daher, sich diesbezüglich an den damaligen Präsidenten der M***AKADEMIE GRAZ, Prof. M***, zu wenden. Dies tat die Klägerin, und Prof. M*** erklärte sich mit ihrer Einstellung einverstanden. Nachdem er die ihm von der Klägerin bekanntgegebenen Gehaltsvorstellungen in Wochenstunden umgerechnet hatte, erklärte er, daß zwar keine Vertragsbedienstetenstelle frei sei, doch könne er der Klägerin Lehraufträge anbieten. Das wäre gleich wie ein fixes Angestelltenverhältnis, die Klägerin müsse sich keine Sorgen machen. Der Klägerin war an einer sicheren Anstellung gelegen, weil sie für ihre Tätigkeit an der Musikakadamie ihre bisherige sichere Stellung bei der Grazer Tageszeitung hatte aufgeben müssen.

Die Klägerin begann ihre Tätigkeit im Institut für Wertungsforschung am 15.11.1967. Ihre Dienstzeit war jeweils von Montag bis Freitag von 8,30 h bis 12,30 h, wobei man aber für allfällige Änderungswünsche weitgehend flexibel war. Der Aufgabenbereich der Klägerin umfaßte die Bedienung des Telefons, die Behandlung des Post-Ein- und Ausganges, das Schreiben von Diktaten und wissenschaftlichen Vorträgen vom Band, das Mitstenografieren bei abendlichen Institutsvorträgen, die Organisation von Symposien, den Vertrieb eines vom Institut herausgegebenen Buches und die Behandlung der damit zusammenhängenden Abrechnungen. Zugleich mit dem Institut für Wertungsforschung war an der GRAZER M***AKADEMIE auch das Institut für Werkpraxis gegründet worden, dessen Vorstand aber nur 2-3 mal in der Woche von Wien nach Graz kam. In diesem Institut hatte die Klägerin die ein- und ausgehende Post zu bearbeiten.

In der Zeit von Anfang oder Mitte Juli bis Anfang September sowie an einigen Tagen über Weihnachten und Neujahr waren beide Institute geschlossen. Während dieses Zeitraums hatte die Klägerin Urlaub, wobei vereinbart war, daß sie mit Rücksicht auf diese Freizeit ihre abendliche Tätigkeit nicht im Wege einer Überstundenentlohnung abgegolten erhielt.

Am 5.1.1968 erteilte das Bundesministerium für Unterricht der Klägerin gemäß § 1 Abs2, § 4 Abs2 und § 9 der Verordnung vom 4.6.1959 BGBl 144 für die Zeit vom 2.11.1967 bis zum 30.9.1968 einen Lehrauftrag "für die Erteilung von Unterricht im Nebenfach-Künstlerische Hilfsdienste an den Instituten für Wertungsforschung und Werkpraxis" im Ausmaß von 22 Wochenstunden. Erst dadurch erfuhr die Klägerin, daß die Lehraufträge befristet erteilt wurden. Prof. M*** sagte ihr jedoch, sie müsse sich diesbezüglich keine Sorgen machen. In der Folge wurden der Klägerin ohne ihr Zutun jeweils für den Zeitraum vom 1.Oktober bis 30. September des folgenden Jahres vom Bundesministerium für Unterricht und später vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Lehraufträge erteilt, und zwar vorerst für 22 Wochenstunden und dann ab 1.10.1974 für 11 Wochenstunden. Als Lehrfach wurden dabei zunächst "Künstlerisch-administrative Hilfsdienste an den Instituten für Wertungsforschung und Werkpraxis", dann ab 1.10.1972 "Künstlerisch-administrative Hilfskraft am Institut für Wertungsforschung" und schließlich ab 1.10.1974 "Mitarbeit am Institut für Wertungsforschung" angeführt. Die Klägerin hatte immer nur den Empfang der Lehraufträge zu bestätigen, wurde aber nicht gefragt, ob sie damit einverstanden sei. Sie hat jedoch vor dem 18.3.1980 niemals ausdrücklich verlangt, an Stelle eines Lehrauftrages einen Dienstvertrag zu erhalten. Im Jahr 1968 oder 1969 erhielt die Klägerin von Prof. K*** im Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Arbeit den Auftrag, bestimmte Artikel aus Wiener Zeitungen herauszusuchen. Diese Arbeit war mit Mehrleistungen verbunden, wofür die Klägerin Überstundenentlohnung erhielt.

Mit der Umwandlung der Akademie in die HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz erweiterte sich der Aufgabenbereich der Klägerin, weil weitere administrative Tätigkeiten, wie das Führen einer Institutsbibliothek, das Bestellen von Büchern hiefür und das Überprüfen der diesbezüglichen Rechnungen sowie das Führen von Posteingangs- und -ausgangsbüchern, dazukamen.

Nachdem Prof. K*** Mitte 1970 vestorben war, war das Institut für Wertungsforschung einige Zeit ohne Vorstand. Die Klägerin setzte aber ihre Tätigkeit im bisherigen Umfang fort. Nach einigen Monaten wurde Dr. Otto K*** zunächst interimistisch und dann ab 1971 oder 1972 definitiv zum Vorstand dieses Institutes bestellt. Er ordnete an, daß die Klägerin an Stelle der von ihr bisher geleisteten 20 Wochenstunden die im Lehrauftrag vorgesehene Anzahl von 22 Wochenstunden zu arbeiten habe; zugleich ersuchte er die Klägerin, welche bisher 8 Wochen Urlaub gehabt hatte, sich künftig mit 6 Wochen zufriedenzugeben, und zwar 4 Wochen im Sommer und 2 Wochen im Winter; die Klägerin war damit einverstanden. Die tatsächlichen Inhaber von Lehraufträgen hatten wesentlich mehr Urlaub als die Klägerin.

Die Klägerin, welche die Anträge auf Erteilung der Lehraufträge an sie auf Diktat des Dr. K*** selbst schrieb, erwähnte auch öfter bei Besprechungen über Urlaub und Arbeitszeit, daß sie die Unsicherheit in Kauf nehmen müsse, einmal keinen Lehrauftrag mehr zu erhalten, und daß sie sich bewußt sei, keinen Abfertigungsanspruch zu haben. Aus diesen Gründen kam man ihr bei Arbeitszeit und Urlaub entgegen.

Mit dem Bundesgesetz vom 11.7.1974 BGBl 463 über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen wurden die Bezüge von Lehrbeauftragten an den Kunsthochschulen denjenigen von Universitäts-Lehrbeauftragten angeglichen. Nachdem diese Remunerationen rückwirkend mit 1.7.1972 in Kraft traten, erhielt die Klägerin, welche 14 Remunerationen im Jahr bezogen hatte, eine Nachzahlung von etwa S 100.000. Da die Erhöhung zur Folge hatte, daß die Klägerin für ihre Tätigkeit jetzt eine doppelt so hohe Remuneration bekommen hätte als bisher, wurde zwischen ihr und der HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** vereinbart, daß das Ausmaß ihrer Tätigkeit in Hinkunft zwar gleich bleiben sollte, die Lehraufträge aber nur noch für 11 Stunden statt wie bisher für 22 Stunden wöchentlich erteilt würden. In der Tätigkeit der Klägerin trat dadurch keine Änderung ein. Ihre Dienstzeit war von Montag bis Freitag von 8 h bis 12 h, am Donnerstag arbeitete sie 2 Stunden mehr. Nachdem die Klägerin schwanger geworden war und deshalb im Personalbüro der HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz nachgefragt und von dort den Beginn des Mutterschaftsurlaubes mitgeteilt bekommen hatte, trat sie diesen Urlaub Anfang Februar 1979 an. Sie teilte dies telefonisch auch Dr. K*** mit. Dieser nahm die Mitteilung zustimmend zur Kenntnis und fragte, ob die Klägerin damit einverstanden sei, daß während der Zeit ihrer Abwensenheit ihre Tätigkeit von einer Ersatzkraft übernommen werde. In der Folge führte die Klägerin diese Ersatzkraft in ihren Tätigkeitsbereich ein. Eine Ersatzkraft wurde deshalb eingestellt, weil damals noch nicht klar war, ob die Klägerin nach der Geburt ihres Kindes ihre Tätigkeit wieder aufnehmen werde. Mit Beginn des Mutterschaftsurlaubes wurde die Auszahlung von Remunerationen aus dem noch bestehenden Lehrauftrag eingestellt. Die Klägerin ha am 5.4.1979 ein Kind geboren.

Nach Einholung von Auskünften entschloß sich die Klägerin, das Karenzjahr in Anspruch zu nehmen. Sie teilte dies auch Dr. K*** mit, welcher damit einverstanden war und erklärte, sie solle sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Die Klägerin erhielt sodann vom Personalbüro der HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** eine Bestätigung ausgefolgt, nach deren Vorlage beim Arbeitsamt ihr das Karenzgeld ausgezahlt wurde. Einige Wochen vor der Beendigung des Karenzurlaubes rief die Klägerin Dr. K*** an und teilte ihm mit, daß sie am 6.4.1980 nach Beendigung der Karenzzeit ihren Dienst wieder antreten werde. Dr. K*** erwiderte, daß dies nicht gehen werde, weil die für die Klägerin eingestellte Ersatzkraft auf jeden Fall noch bis zum Herbst bleiben werde. Am 13.3.1980 erklärte die Klägerin bei einer Aussprache mit dem Rektor Dr. K*** und dem Rektoratsdirektor Dr. B***, daß sie nach dem Ende des Karenzurlaubes am 6.4.1980 wieder ihre frühere Beschäftigung auf Grund des Lehrauftrages aufnehmen wolle. Dr. B*** antwortete, daß die Klägerin auf Grund eines Lehrauftrages tätig gewesen sei, der am 30.9.1979 geendet habe. Selbst wenn sie einen Anspruch auf Karenzurlaub gehabt hätte, könne dieser nicht über die Dauer des Lehrauftrages hinausreichen. Das Ergebnis der Aussprache war, daß vorerst keine Möglichkeit für eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bestehe. Mit Schreiben vom 14.3.1980 teilte die HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz der Klägerin unter Hinweis darauf, daß ein Lehrauftrag kein Dienstverhältnis begründe, aus welchem sich ein Anspruch auf einen regulären Karenzurlaub ergebe, mit, daß ihr für die Zeit vom 6.4. bis 30.9.1980 ein Lehrauftrag im Ausmaß von 10 Wochenstunden erteilt werden könnte. Auf Anraten der Kammer für Arbeiter und Angestellte für die Steiermark antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 18.3.1980, daß sie nunmehr ihre Tätigkeit nach Inanspruchnahme der Schutzfrist und des Karenzurlaubes fortsetzen werde und grundsätzlich bereit sei, in die von der Hochschule gewählte Form im Sinne des Schreibens vom 14.3.1980 einzutreten und das - ihres Erachtens bereits seit 2.11.1967 bestehende - Dienstverhältnis fortzusetzen. Mit Schreiben vom 25.3.1980 nahm die HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz zur Kenntnis, daß die Klägerin ihren Dienst nach Ostern antreten werde, und hielt fest, daß es sich bei dem für die Zeit vom 6.4. bis 30.9.1980 erteilten Lehrauftrag um kein Dienstverhältnis handle. Das Fach wurde in diesem Lehrauftrag als "Mitarbeit am Institut für Wertungsforschung" bezeichnet. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit arbeitete die Klägerin 20 Wochenstunden. Am Inhalt ihres Aufgabenbereiches änderte sich nichts; sie war weder vorher noch nachher mit irgendeiner Lehrtätigkeit befaßt.

Am 19.8.1980 wurde der Klägerin ein weiterer Lehrauftrag für die Zeit vom 1.10.1980 bis 30.9.1981 für das Fach "Administrative Mitarbeit am Institut für Wertungsforschung" mit 8 Wochenstunden erteilt. Die Klägerin leistete daher in der Folge 16 Wochenstunden. Die HOCHSCHULE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz war seit langem bestrebt gewesen, einen Dienstposten für eine Sekretärin zu erhalten, weil die Tätigkeit der Klgerin durch einen Lehrauftrag nicht im Sinne des Gesetzes gedeckt war. Mit Beginn des Studienjahres 1981/82 stand dem Institut für Wertungsforschung nach dem Stellenplan erstmals ein Vertragsbedienstetenposten der Entlohnungsgruppe d für 20 Wochenstunden zur Verfügung; dieser Posten wurde der Klägerin angeboten. Die Klägerin erkundigte sich im Lohnbüro und erhielt die Auskunft, daß sie dann um etwa S 1.000 weniger verdienen würde als auf Grund ihres letzten Lehrauftrages. Sie teilte daraufhin dem Rektor mit, daß sie damit nicht einverstanden sei. Sie erklärte, ihre Tätigkeit auf Grund eines neuen Lehrauftrages ausüben zu wollen, und wies darauf hin, daß sie mit dem Urlaub, den sie als Vertragsbedienstete erhalte, nicht auskomme. Es wurde nichts davon gesprochen, daß die Klägerin in Hinkunft keinen Lehrauftrag erhalten werde. An der Hochschule gab es Sekretärinnen, die einen Vertragsbedienstetenposten innehatten. Wenn sie Überstunden leisteten, erhielten sie dafür entweder eine Entlohnung oder Zeitausgleich. Während der Sommermonate arbeiteten diese Vertragsbediensteten täglich eine Stunde weniger, die Klägerin eine halbe Stunde.

Am 30.9.1981 teilte Dr. K*** der Klägerin mit, daß er für sie keine Verwendung mehr habe.

Rechtlich meinte das Berufungsgericht, daß die der Klägerin alljährlich erteilten Lehraufträge schon deshalb keine "Scheinakte" gewesen seien, weil die beklagte Partei das Rechtsverhältnis zur Klägerin bewußt durch einseitige Verwaltungsakte gestaltet habe und die Klägerin - nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Vorteile - mit dieser Vorgangsweise einverstanden gewesen sei. Richtig sei, daß die von der Klägerin geleisteten Dienste mit dem Wesen eines Lehrauftrages nicht in Einklang gebracht werden könnten, sei doch die Klägerin nie mit der Abhaltung von Lehrveranstaltungen oder einzelnen Vorträgen betraut gewesen. Für die Abgrenzung zwischen einem öffentlich-rechtlichen und einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis komme es aber nicht auf die zu leistenden Dienste, sondern nur darauf an, ob das Arbeitsverhältnis durch einen Hoheitsakt oder durch einen Vertrag begründet wurde. Da die Wahl der Art der Anstellung der Verwaltungsbehörde anheimgestellt sei, könne die beklagte Partei entsprechende privatrechtliche Ansprüche ausschließen. Das Anstellungsverhältnis der Klägerin sei zunächst nach der Verordnung BGBl.1959/144 und dann nach dem Kunsthochschul-Organisationsgesetz BGBl.1970/54 durch einen einseitigen Hoheitsakt - nämlich die Erteilung eines Lehrauftrages - begründet worden. Damit sei aber die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses ebenso ausgeschlossen wie die eines privatrechtlichen, dem VertragsbedienstetenG unterliegenden Dienstverhältnisses. Da die einzelnen Lehraufträge auf einer einwandfreien gesetzlichen Grundlage erteilt worden seien und die beklagte Partei bewußt nach diesen Bestimmungen vorgegangen sei, könne auch von absolut nichtigen Verwaltungsakten, an welche die Gerichte nicht gebunden wären, keine Rede sein. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Umfang nach von der Klägerin mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft. Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Richtig ist, daß gemäß § 9 Abs 1 Z 4 des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes BGBl 1970/54 idF des Art I Z 4 des BG vom 18.1.1978 BGBl 85 durch die Erteilung eines Lehrauftrages kein Dienstverhältnis begründet wird (ebenso bis zum 31.7.1970 § 10 Abs2 lita des Kunstakademiegesetzes BGBl 1948/168 idF der Nov. BGBl 1958/160 sowie § 9 Satz 2 der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung vom 4.6.1959 BGBl. 144). Damit ist aber entgegen der Meinung des angefochtenen Urteils noch nicht gesagt, daß nicht im Einzelfall neben einem derartigen Lehrauftrag auch ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis bestehen könnte; die

gegenteilige, vom Obersten Gerichtshof in Arb 8650 = EvBl 1970/116 =

JBl 1969,674 = RdA 1971, 169 = SozM I D 788 vertretene Auffassung,

wonach die Erteilung eines Lehrauftrages ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis schlechthin ausschließe, kann in dieser allgemeinen Form nicht aufrecht erhalten werden:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren die Klägerin und der damalige Präsident der AKADEMIE FÜR M*** UND DARSTELLENDE K*** in Graz, Prof. M***, im Jahr 1967 übereingekommen, daß die Klägerin in dem damals von Prof. K*** übernommenen Institut für Wertungsforschung halbtägig als Sekretärin arbeiten sollte. Daß ihr dabei an Stelle eines Vertragsbedienstetenverhältnisses die Erteilung von Lehraufträgen angeboten wurde, war allein auf das Fehlen einer freien Vertragsbedienstetenstelle zurückzuführen; alle unmittelbar Beteiligten waren sich aber von Anfang an darüber im klaren, daß die Klägerin nicht etwa, wie es dem gesetzlichen Inhalt eines Lehrauftrages entsprochen hätte, irgendwelche Lehrveranstaltungen durchführen oder Vorträge halten, sondern ausschließlich als halbtägig beschäftigte Sekretärin tätig sein sollte. Dieser Vereinbarung entsprachen auch die von der Klägerin ab 15.11.1967 an den Instituten für Wertungsforschung und für Werkpraxis tatsächlich erbrachten Dienstleistungen. Sie hatte dort vor allem das Telefon zu bedienen, die ein- und ausgehende Post zu erledigen, Diktate und wissenschaftliche Vorträge vom Band zu schreiben, bei abendlichen Vorträgen mitzustenografieren, Symposien zu organisieren sowie ein vom Institut herausgegebenes Buch zu vertreiben und die damit zusammenhängenden Abrechnungen zu erledigen; dazu kamen später noch das Führen einer Institutsbibliothek, das Bestellen der notwendigen Bücher, das Überprüfen der einschlägigen Rechnungen sowie das Führen von Posteingangs- und -ausgangsbüchern.

Bei dieser Sachlage kommt dem Umstand, daß die Klägerin während der gesamten Zeit ihrer Beschäftigung an der GRAZER M***HOCHSCHULE formell im Rahmen befristeter, alljährlich erneuerter Lehraufträge - also einseitiger Verwaltungsakte der beklagten Partei - tätig war, nicht jene entscheidende Bedeutung zu, die ihm das Berufungsgericht zugemessen hat. Dadurch, daß die Klägerin jahrelang die im einzelnen festgestellten Arbeitsleistungen für die beklagte Partei in organisatorischer Gebundenheit und persönlicher Abhängigkeit erbracht und die beklagte Partei diese Arbeitsleistungen ebensolange von ihr entgegengenommen hat, ist auf schlüssige Weise (§ 863 ABGB) ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 1151 ABGB und § 1 VertragsbedienstetenG begründet worden. Wenn sich die beklagte Partei hiefür - offenkundig allein aus budgetären Gründen, um auf diese Weise das Fehlen einer entsprechenden Vertragsbediensteten-Planstelle zu umgehen und eine gesetzliche Deckung für die Beschäftigung der Klägerin zu schaffen - der dem öffentlichen Recht angehörenden Einrichtung des Lehrauftrages bedient hat, kann dies entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nichts daran ändern, daß durch die einvernehmliche besondere Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien tatsächlich ein privatrechtliches, dem Vertragsbedienstetengesetz unterliegendes Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Dieser rechtlichen Beurteilung stehen auch die in Arb 8650 zitierten Entscheidungen des VwGH (SlgNF 4495 A) und des VfGH (Slg 5366) nicht entgegen. Daß es sich bei den der Klägerin erteilten Lehraufträgen tatsächlich nur um eine "Formsache" gehandelt hatte, welche den privatrechtlichen Charakter der zwischen den Parteien begründeten Rechtsbeziehungen nicht berühren konnte, geht im übrigen auch daraus klar hervor, daß Prof. M*** der Klägerin - welcher es in erster Linie um eine sichere Anstellung gegangen war - wiederholt erklärte, sie brauche sich wegen der nur befristet erteilten Lehraufträge keine Sorgen zu machen, das sei "gleich wie ein fixes Angestelltenverhältnis". Dem Berufungsgericht ist ohne weiteres zuzugeben, daß die Klägerin durch ihre Stellung als "Lehrbeauftrage" in mehrfachen Belangen - vor allem durch die Höhe ihrer Entlohnung und das Ausmaß ihres Urlaubs - besser gestellt war als eine "gewöhnliche" Vertragsbedienstete; das ändert aber nichts daran, daß für die rechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses allein die tatsächliche Gestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebend bleiben muß.

Ob das zuständige Bundesministerium von der wahren Sachlage Kenntnis hatte oder nicht, braucht hier entgegen der Meinung der beklagten Partei nicht weiter geprüft zu werden.

Da Willenserklärungen grundsätzlich nach ihrem objektiven Erklärungswert zu beurteilen sind (Koziol-Welser 7 I 83 ff), kommt es nicht auf den (subjektiven) Vertragswillen der beklagten Partei, sondern darauf an, ob die Klägerin nach den Umständen davon ausgehen durfte, daß auch die beklagte Partei mit ihrer Anstellung als Vertragsbedienstete einverstanden war. Diese Frage muß aber angesichts des Wortlautes der der Klägerin erteilten "Lehraufträge" - nach welchem von einer "Abhaltung bestimmter Lehrveranstaltungen...oder einzelner Vorträge" iS des § 9 Abs 1 Z 4 Kunsthochschul-OrganisationsG 1970 keine Rede sein konnte - bejaht werden.

Geht man aber im Sinne dieser Erwägungen davon aus, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes, den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes unterliegendes Arbeitsverhältnis begründet worden ist, dann ist die Rechtssache noch nicht spruchreif. Die beklagte Partei hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 30.9.1981 mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Daß diese unter den gegebenen Umständen als Entlassung zu wertende Erklärung durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt gewesen wäre, hat sie nicht behauptet. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stand es der Klägerin in einem solchen Fall frei, auf den Bestandschutz des Vertragsbedienstetengesetzes zu verzichten und statt dessen die aus einer ungerechtfertigten Auflösung des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüche auf Kündigungsentschädigung, Abfertigung usw. geltend zu machen. Da das Berufungsgericht - von seiner unrichtigen Rechtsansicht über das Nichtzustandekommen eines Vertragsbedienstetenverhältnisses ausgehend - über die von der beklagten Partei bestrittene Höhe dieser Ansprüche keine Feststellungen getroffen hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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