OGH 4Ob93/15b

OGH4Ob93/15b11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Tiroler Schilehrerverband, *****, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei n*****, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revison der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Februar 2015, GZ 2 R 217/14z‑30, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Oktober 2014, GZ 59 Cg 72/13h‑26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00093.15B.0811.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der Beklagte ist Inhaber einer Gewerbeberechtigung für Lebens‑ und Sozialberatung gemäß § 94 Z 46 GewO 1994, eingeschränkt auf sportwissenschaftliche Beratung, daneben betreibt er das freie Gewerbe einer Event‑Agentur und ein Handelsgewerbe. Der Beklagte verfügt über keine Schischulbewilligung im Sinn des Tiroler Schischulgesetzes (§ 5 TirSSG).

Der Beklagte beschränkt sich bei den von ihm angebotenen Tätigkeiten im Bereich Langlauf nicht bloß auf Training, er unterweist Einheimische und Touristen vielmehr gegen Entgelt in den Fertigkeiten des Schilanglaufs, und zwar in einer für Langlaufschulen ganz typischen Weise. Am 30. Oktober 2012 wurde er mit Straferkenntnis rechtskräftig wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 57 Abs 1 lit a TirSSG iVm § 5 Abs 1 TirSSG bestraft. Von der Tiroler Wirtschaftskammer erhielt der Beklagte die Auskunft, dass er zwar Training, nicht aber Langlaufunterricht durchführen dürfe.

Die Vorinstanzen verboten dem Beklagten über Klage des Tiroler Schilehrerverbands, der gesetzlichen Interessenvertretung der Schischulinhaber und der dort tätigen Lehrkräfte und Betreuungspersonen, in Tirol ohne Bewilligung nach § 5 TirSSG selbstständigen erwerbsmäßigen Unterricht im Schilaufen, insbesondere Langlaufen (Betrieb einer Spartenschischule), zu erteilen oder diese Tätigkeiten anzubieten. Nach den getroffenen Feststellungen biete der Beklagte nicht entsprechend seiner Gewerbeberechtigung eine sportwissenschaftliche Beratung, eine wissenschaftliche Erfassung eines Leistungsniveaus oder die Durchführung methodischer Übungen zum Erreichen eines Trainingsziels im Leistungssport oder im Rahmen von Gesundheits‑ oder Rehabilitationsmaßnahmen an, sondern entfalte typische Tätigkeiten, die unter das Erteilen von Schiunterricht im Sinn des § 1 Abs 1 TirSSG fielen. Darin sei kein sportwissenschaftlicher Ansatz zu erblicken, ebenso wenig ein Trainingsprogramm im Zusammenhang mit Leistungs‑, Gesundheits‑ und Rehabilitationssport oder eine Leistungssteigerung zum Zweck der Gesundheitserhaltung, sondern das, was allgemein ‑ überdies auch vom Beklagten selbst ‑ als Langlaufunterricht verstanden werde. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits ausgesprochen, dass ein Schischulvorbehalt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen die Erwerbsausübungsfreiheit verstoße. Die Regelung liege im öffentlichen Interesse (Gewährleistung der Sicherheit bei Ausübung des Schisports, Hintanhaltung der damit verbundenen Gefahren und Geringhaltung der Anzahl der Unfälle und deren Folgen). Dies gelte gleichermaßen auch für das Langlaufen. Aus parallelen Überlegungen sei auch ein allfälliger Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit unionsrechtlich gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte vermag in seinem außerordentlichen Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer anderen Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (RIS‑Justiz RS0123239). Die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Klärung der Frage, ob die der beanstandeten Verhaltensweise des Beklagten zugrunde liegende Auslegung gesetzlicher Bestimmungen als mit guten Gründen vertretbar beurteilt werden kann, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall grundsätzlich nicht hinaus (RIS‑Justiz RS0123321 [T3]).

Unstrittig ist, dass der Beklagte nicht über eine Schilschulbewilligung nach § 5 Abs 1 TirSSG verfügt. Die vom Beklagten auch noch in dritter Instanz vertretene Auffassung, er überschreite den von seiner Gewerbeberechtigung für die Lebens‑ und Sozialberatung gesteckten Rahmen nicht, ist im Hinblick auf die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen, wonach sich die Tätigkeiten des Beklagten nicht bloß auf Training beschränken, sondern er Langlaufunterricht in verschiedenen Techniken sowohl für Einheimische als auch für Touristen in einer für Langlaufschulen typischen Weise gebe, unzutreffend. Gegen die Vertretbarkeit der Rechtsansicht des Beklagten, er führe lediglich Trainings im Rahmen der ihm erteilten Gewerbeberechtigung durch, spricht insbesondere der Umstand, dass über den Beklagten mit rechtskräftigem Straferkenntnis wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Tiroler Schischulgesetz (Betreiben einer Schischule ohne Bewilligung oder Ausübung einer Tätigkeit als Schilehrer ohne Berechtigung) eine Verwaltungsstrafe verhängt wurde. Dass das Berufungsgericht seinem Urteil zugrunde legte, dass die für die Handlungsweise des Beklagten von ihm vertretene Rechtsauffassung nicht mit guten Gründen vertretbar sei, ist daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

2. Das Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur, die ausdrücklich zur Verfassungsmäßigkeit bestimmter gesetzlicher Bestimmungen Stellung nimmt, begründet nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0122865). Es liegt keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Rechtsfrage vor, wenn der Oberste Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsmittelwerbers nicht teilt (RIS‑Justiz RS0116943).

Das auch in dritter Instanz erstattete Vorbringen des Beklagten, der Tiroler Schischulvorbehalt sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie ungerechtfertigten Eingriffs in die Freiheit der Erwerbsbetätigung verfassungswidrig, vermag beim erkennenden Senat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen landesgesetzlichen Bestimmungen zu erwecken.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits mit den Schischulgesetzen der Länder, insbesondere dem Schischulvorbehalt, beschäftigt und gegen deren Verfassungsmäßigkeit vorgetragene Bedenken nicht geteilt. Er nahm dabei insbesondere auf die Gefahren des Schilaufs Bezug, welche es rechtfertigen, diese Tätigkeit den Regelungen für den Schiunterricht und damit dem Schischulgesetz zu unterwerfen (B 1350/10). Er bejahte ausdrücklich ein öffentliches Interesse an gesetzlichen Regelungen, die geeignet sind, mit der Abhaltung des Schiunterrichts und der Ausübung des Schisports verbundene Gefährdungen und Gefahren hintanzuhalten (G 154/87).

Das Argument des Beklagten, die den Überlegungen zum öffentlichen Interesse zugrunde liegenden Wertungen ließen sich nicht einfach vom alpinen Schisport auf den Langlaufsport übertragen, vielmehr seien diese beiden Sportarten im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz wegen erheblicher sachlicher Differenz verschieden zu behandeln, überzeugt nicht. Es mag schon sein, dass Unfallzahlen und Unfallfolgen unterschiedlich sind; dass der Langlaufsport grundsätzlich ungefährlich ist oder ausschließlich in einem Gelände frei jeglicher alpiner Gefahren stattfindet, trifft aber nicht zu. Bei unsachgemäßer oder leichtsinniger Sportausübung bestehen auch im Bereich des Langlaufsports Gesundheitsgefahren, die ein öffentliches Interesse an einer Reglementierung nachvollziehbar erscheinen lassen.

3. Unionsrechtliche Bedenken vermag der Revisionswerber auch im Hinblick auf die von ihm als beeinträchtigt angesehene unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit nicht zu begründen. Ob im vorliegenden Fall ein grenzüberschreitender Sachverhalt im Sinn der passiven Dienstleistungsfreiheit anzunehmen ist, braucht nicht näher erörtert zu werden. Ein die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigendes Allgemeininteresse ist im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Sicherheit beim Schifahren jedenfalls gerechtfertigt (vgl VwGH 2011/10/0178). Die auch in diesem Zusammenhang vom Beklagten gewünschte grundsätzliche Differenzierung zwischen dem alpinen Schilauf und dem Langlaufen ist nicht angebracht, mag es auch quantitative Differenzen im Gefährdungspotenzial geben. Die mit der Bewilligungspflicht verbundene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist zur Erreichung des angestrebten Ziels der Vermeidung von Gefahren beim Schilaufen (alpin oder nordisch) geeignet und nicht über dieses Ziel hinausschießend, weshalb die mit der Bewilligungspflicht verbundene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch unionsrechtlich als verhältnismäßig anzusehen und daher zulässig ist (so auch VwGH 2011/10/0178).

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte