Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 2.590,69 EUR (darin 431,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die M***** (MEL) ist eine Aktiengesellschaft nach dem Recht der Kanalinsel Jersey, mit Sitz auf Jersey; Aktienemissionen haben daher nach dem Recht der Insel Jersey zu erfolgen. Nach diesem Recht können nur Namensaktien emittiert werden. Eigentum an diesen Namensaktien erwirbt man nach dem Recht von Jersey, indem man als Eigentümer in das dortige „Company Register“ (= Firmen- bzw Aktienbuch) eingetragen wird. Derartige Namensaktien sind nicht an den internationalen Börsen handelbar. Daher hat sich im vorliegenden Fall die österreichische Kontrollbank als Eigentümerin der MEL-Aktien ins Company Register von Jersey eintragen lassen und für alle diese Aktien ein Globalzertifikat ausgestellt. Zu diesem Zweck wurde am 11. November 2002 ein Vertrag zwischen der MEL, der Beklagten als Depotbank und der Österreichischen Kontrollbank AG (OeKB) geschlossen. Die OeKB als Eigentümerin der genannten Namensaktien gab sodann Einzelzertifikate - „Austrian Depositary Certificates“ (ADCs) - aus, die börsenhandelsfähig sind. Im Zuge der Vermarktung dieser Zertifikate wurden diese in den Werbeunterlagen bzw Marketingmaßnahmen immer nur als „Aktien“ bezeichnet, ohne dass die Endverbraucher im Speziellen darüber informiert wurden, dass es sich „nur“ um Aktien vertretende Zertifikate handle. In den Werbeunterlagen wird lediglich auf den Kapitalmarktprospekt zur MEL verwiesen.
Die Kläger gaben der Beklagten zwischen Oktober 2006 und Jänner 2007 den Auftrag zum Kauf von 9.655 Stück „Aktien“ der MEL und erhielten dafür die beschriebenen ADCs zu einem Gesamtpreis von 182.167,61 EUR.
Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Rückzahlung dieses Kaufpreises. Die Beklagte hätte die Wertpapiere als „Aktien“ angeboten, tatsächlich jedoch keine Aktien, sondern lediglich aktienvertretende Zertifikate geliefert. Dies stelle gegenüber Aktien ein Aliud dar - die Kläger hätten etwas anderes erhalten als in Auftrag gegeben. Sie hätten daher berechtigterweise ihren Rücktritt vom Vertrag erklärt und es stünden ihnen die Nichterfüllungsansprüche gemäß § 918 ABGB zu. Zunächst stützten die Kläger ihr Begehren auch auf Schadenersatz und Irrtum - sie seien durch die Beklagte durch Vorspiegelung falscher Tatsachen über Art und Beschaffenheit des Produkts in Irrtum geführt und dadurch zum Vertragsabschluss bestimmt worden. In der Folge erklärten die Kläger jedoch, das Klagebegehren nicht mehr auf Irrtum oder Schadenersatz, sondern nur mehr auf die Lieferung eines Aliud und damit auf Nichterfüllung zu stützen.
Die Beklagte wendete ein, mit Erwerb eines MEL-Zertifikats sei die Ausübung aller Aktienverbands- und Vermögensrechte möglich. Die Kläger hätten wunschgemäß eine Beteiligung am Eigenkapital der MEL erworben. Die Namensaktien würden von den Zertifikaten repräsentiert. Diese erfüllten die mitgliedschaftliche Funktion der Aktien und stellten gleichzeitig ein den Handel ermöglichendes und sicherstellendes Instrument dar. Gemäß § 81a Z 5 BörseG sei ein Zertifikatsinhaber einem Aktieninhaber nach börserechtlichen Gesichtspunkten gleichgestellt. Eine Aliudlieferung liege daher nicht vor.
Das Erstgericht schloss sich der Sichtweise der Beklagten an und wies die Klage ab. Es stellte folgende Parallelen sowie Unterschiede zwischen der MEL Namensaktie und dem MEL Zertifikat fest:
MEL Namenaktie MEL Zertifikat
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unterliegt Jersey Recht; unterliegt Jersey Recht;
Anspruch auf Auszahlung Anspruch auf Auszahlung
einer Dividende; einer Dividende,
Stimmrecht nach Jerseyrecht; Stimmrecht nach Jerseyrecht,
wobei die Ausübung des
Stimmrechtes nur durch eine
Bevollmächtigung durch die
OeKB möglich ist, was mit
Zusatzkosten verbunden ist;
erschwert handelbar; leicht handelbar;
illiquid; liquid;
Namenspapier, bei Inhaberpapier, Globalurkunde;
Eigentumswechsel Eintragung
im Register erforderlich;
Direktinvestment; indirektes Investment unter
Zwischenschaltung der OeKB.
Die Kläger hätten - wenn auch über Zwischenschaltung der OeKB als tatsächliche Inhaberin der Namensaktien - dieselbe Rechtsstellung erlangt wie ein „direkter“ Aktionär der MEL. Es sei zwar richtig, dass die ADCs als weiteres Wertpapier neben die ausländischen MEL-Aktien getreten seien und dem Inhaber der Zertifikate „nur“ Forderungsrechte gegenüber dem tatsächlichen Anteilsinhaber der ausländischen Gesellschaft (hier der OeKB) verbrieften, nämlich solche auf Herausgabe der durch die Zertifikate vertretenen Aktien, auf Weiterleitung allfälliger Bardividenden, auf Einräumung von Vollmachten für die Stimmrechtsausübung und für die Teilnahme an Hauptversammlungen. Dies ändere aber nichts daran, dass der Zertifikatsinhaber durch die Zertifikate grundsätzlich dieselben Rechte eingeräumt erhalte, wie der Inhaber der Namensaktien. Es liege daher keine Aliud-Lieferung vor.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob Zertifikate ein Aliud zu Aktien darstellten, fehle. Bei einem - hier nicht vorliegenden - beiderseitigen Handelsgeschäft könne von einem nicht genehmigungsfähigen Aliud nur dann gesprochen werden, wenn die gelieferte Ware mit der bestellten gar nichts gemein habe und für den Zweck des Käufers offensichtlich ohne Bedeutung sei. Die Verschiedenheit der bestellten von der gelieferten Ware müsse nach ihrer Beschaffenheit so erheblich sein, dass bei vernünftiger Auffassung der Sachlage ein Kaufmann nicht versuchen würde, den Vertrag zu erfüllen, und vom Käufer ein Behalten der Ware als Vertragserfüllung nicht erwartet werden könne. Diese für das beiderseitige Handelsgeschäft getroffenen Abgrenzungskriterien zwischen einer Aliud-Lieferung und einer mangelhaften Lieferung seien auch hier anzuwenden. Die Ausgabe von namensaktienersetzenden Zertifikaten (ADCs) durch die OeKB sichere die Handelbarkeit der von ausländischen Gesellschaften ausgegebenen, bloß in Registern geführten Namensaktien in Österreich. Aktienzertifikate würden daher Namensaktien vertreten, um die mangelnde Zugänglichkeit zur Börse und beschränkte Handelbarkeit zu substituieren. Der Inhaber eines MEL-Zertifikats sei gegenüber dem Inhaber einer MEL-Namensaktie nur im Bereich der Ausübung des Stimmrechts schlechter gestellt; demgegenüber sei die MEL-Namensaktie erschwert handelbar und illiquid. Bei lebensnaher Betrachtungsweise könne nicht davon ausgegangen werden, die Kläger hätten erschwert handelbare, illiquide Namensaktien erwerben wollen. Unter Heranziehung der oben genannten Abgrenzungskriterien zwischen einer Aliud-Lieferung und einer mangelhaften Vertragserfüllung könne unter Berücksichtigung der redlichen Verkehrssitte in der „Lieferung“ von MEL-ADCs durch die Beklagte keine Aliud-Leistung erblickt werden. Dass die Ausübung des Stimmrechts mit Zusatzkosten - wesentliche Zusatzkosten habe das Erstgericht nicht festgestellt - verbunden sei, vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern, weil mangels eines entsprechenden klägerischen Vorbringens in erster Instanz nicht davon ausgegangen werden könne, dass die ohne Zusatzkosten verbundene Ausübung des Stimmrechts wesentliches Kriterium für die von den Klägern gewünschte Anlageform gewesen wäre. Im Übrigen sei mit dem Erstgericht auf § 81a Abs 1 Z 5 lit c BörseG zu verweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die Kläger machen geltend, das tatsächlich gelieferte Wertpapier weiche wesentlich vom vertraglich Geschuldeten ab, die Beklagte habe ein Aliud geliefert. Bei einem dem KSchG unterliegenden Rechtsgeschäft sei zur Abgrenzung zwischen mangelhafter Leistung und Anderslieferung nicht derselbe strenge Maßstab wie bei beiderseitigen Handelsgeschäften anzuwenden. Das Berufungsgericht habe die Unterschiede zwischen Aktien und Zertifikaten verharmlost. Bei strenger rechtlicher Auslegung seien die von der Beklagten verkauften Zertifikate keine Aktien. Der kapitalmarktrechtliche Ansatz sei zu vernachlässigen, weil Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung keine kapitalmarktrechtlichen Erwägungen anstellten. Es mache einen wesentlichen Unterschied, ob man mittelbar oder unmittelbar Anteile an einem Unternehmen erwerbe. Die uneingeschränkte Ausübung des Stimmrechts sei ein wesentliches mit dem Kauf von Aktien erworbenes Recht, sodass ein diesbezügliches ausdrückliches Vorbringen im Prozess nicht erforderlich sei. Bei der vorliegenden Konstruktion bestünde im Gegensatz zu Aktien das Risiko eines vereinbarungswidrigen Agierens der Hinterlegungsstelle.
2. Die in der Revision aufgeworfene Frage einer Aliud-Lieferung war Gegenstand berufungsgerichtlicher Entscheidungen. 5 R 106/10k OLG Wien verneinte eine Aliud-Lieferung mit Rücksicht auf den Zweck der Kommissions-(Kauf)verträge, an der Wiener Börse notierte und handelbare Wertpapiere zu verschaffen, die eine Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in Jersey verbriefen. Demgegenüber beurteilte die Entscheidung 2 R 269/10h OLG Wien die Lieferung von MEL-Zertifikaten anstelle von MEL-Aktien als Aliud. Zertifikate und Aktien seien unterschiedliche Wertpapiergattungen. Wille des Klägers sei es gewesen, Aktien und nicht irgendeine auf dem Kapitalmarkt angebotene, fungible und an der Börse handelbare Beteiligungsform zu erwerben.
In der Literatur finden sich Stellungnahmen von Schauer (Zertifikate statt Aktien: Das Aliud als Ausweg?, RdW 2011, 3) und Riedler (Zertifikate statt Aktien - Neue Aspekte in den Anlegerprozessen! ÖJZ 2011/79). Schauer stellt auf den Vertragsinhalt ab, danach seien die auf dem Kapitalmarkt tatsächlich vorhandenen Papiere, nämlich MEL-Zertifikate, zu liefern gewesen und auch geliefert worden. Soweit die Beteiligten die Papiere - offenbar wegen der weitgehenden Übereinstimmung der durch sie vermittelten Rechte - als „Aktien“ bezeichneten, läge eine falsa demonstratio vor. Ein Geschäftsirrtum wegen unrichtiger Vorstellungen der Käufer von bestimmten Eigenschaften - und damit eine Irrtumsanfechtung - sei aber nicht ausgeschlossen.
Riedler hingegen vertritt die Auffassung, übereinstimmender Wille der Vertragsteile und objektiver Erklärungswert der Erklärungen bei Vertragsabschluss seien darauf gerichtet gewesen, Aktien im Sinn des allgemeinen und gängigen Sprachgebrauchs als gesellschaftsrechtliche und direkte Beteiligung an einer Aktiengesellschaft im Sinn des AktG zu erwerben und nicht einen bloß schuldrechtlichen Anspruch auf Übergabe von Aktien zu begründen. Dass diese Aktien im Inland nicht gehandelt würden, sei irrelevant, weil dies die Vertragserfüllung und nicht den Vertragsinhalt betreffe. Ein Zertifikat verschaffe dem Inhaber nicht die gesellschaftsrechtliche Stellung und direkte Beteiligung eines Aktionärs. Die durch Zwischenschaltung der OeKB erforderlichen Bevollmächtigungs-/Übertragungsakte zeigten, dass sich die Rechtsstellung des bloßen Zertifikatsinhabers ganz wesentlich von jener der Aktionärin selbst (OeKB) unterscheide.
3. Der Senat hat dazu erwogen:
3.1. Zunächst ist zu klären, welchen konkreten Inhalt der von den Streitteilen geschlossene Vertrag hatte.
3.1.1. Die Parteien haben außer Streit gestellt, dass die Kläger der Beklagten den Auftrag zum Kauf von 9.655 Stück „Aktien“ der MEL erteilten. Aus den unstrittigen Urkunden geht hervor, dass die Kläger im Vorzugsangebot der Beklagten zur Zeichnung einer Kapitalerhöhung der MEL als „Aktionäre“ bezeichnet und darüber informiert wurden, dass MEL seit 2002 an der Wiener Börse notiert, und dass sich im Depot der Kläger eine bestimmte Anzahl Aktien der MEL befinden. In den „Konto- und Depoteröffnungsanträgen“ ist jeweils von „M*****“ und einem „Auftrag zum Ankauf von Wertpapieren“ die Rede. Die Bezeichnung „ADC“ scheint erst in den Depotauszügen auf.
3.1.2. Für die Frage, was Vertragsinhalt wurde, sind zunächst die Vertragserklärungen der Parteien iSd § 914 ABGB auszulegen. Unerheblich ist, was eine Partei wollte, solange die andere Partei das nicht erkennen kann. Der Vertrauenstheorie entsprechend ist der Empfängerhorizont maßgeblich: Die Erklärung gilt so, wie sie ein redlicher Empfänger verstehen durfte. Es kommt demnach auf den objektiven Erklärungswert und nicht auf den Willen des Erklärenden oder das tatsächliche Verständnis des Empfängers an (Bollenberger in KBB3 § 863 Rz 3; Rummel in Rummel 3 ABGB § 863 Rz 8; Apathy/Riedler in Schwimann 3 § 863 ABGB Rz 1f).
3.1.3. Im gegenständlichen Fall ist daher zu fragen, wie die Beklagte bei objektiver Betrachtungsweise (§ 914 ABGB: „Übung des redlichen Verkehrs“) die Kaufaufträge der Kläger - in denen nicht von „Aktien“ die Rede ist - und wie (daher) in weiterer Folge die Kläger deren Annahme durch die Beklagte verstehen mussten. Dafür sind die Werbematerialien der Beklagten von Bedeutung, da sie typischerweise solchen Kaufaufträgen zugrunde liegen. Dort werden die Wertpapiere zwar „Aktien“ genannt, es wird aber gleichzeitig auf den Börsenkurs abgestellt, indem mit den in den vorangegangenen Jahren stets erzielten Kurssteigerungen geworben wird. Damit war klar, dass es sich um die auf dem Kapitalmarkt tatsächlich vorhandenen Papiere handelte. Die Beklagte musste daher annehmen, dass sich die Kaufaufträge auf die in den Werbeunterlagen dargestellten und auf dem Kapitalmarkt tatsächlich gehandelten Papiere bezogen. Das waren offenkundig nicht die (eigentlichen) Namensaktien, sondern die ADC. Die Beklagte konnte daher die Erklärung der Kläger objektiv nur so verstehen, dass sie das von der Beklagten tatsächlich angebotene, auf dem österreichischen Kapitalmarkt handelbare Wertpapier kaufen wollten. Dem hat sie zugestimmt. Damit besteht kein Zweifel, dass - unabhängig von der in den Verkaufsprospekten aufscheinenden Bezeichnung „Aktie“ - liquide und börsefähige Wertpapiere, nämlich die ADC (und nicht Namensaktien der MEL) Vertragsgegenstand wurden.
3.2. Die Kläger haben jene Wertpapiere, die nach Auslegung ihrer Ankaufsvereinbarung Vertragsgegenstand wurden, auch tatsächlich erhalten. Ihr Einwand, die Beklagte habe ein Aliud geliefert und den Vertrag deshalb nicht erfüllt, ist nicht berechtigt.
3.3. Es mag fraglich sein, ob der Vertrag allenfalls wegen eines Willensmangels aufzuheben oder anzupassen wäre. Sollten sich die Kläger im Irrtum über den Vertragsgegenstand befunden haben, wäre der Kaufvertrag nach § 871 ABGB anzufechten gewesen. Die Kläger haben sich ausdrücklich nicht auf eine Irreführung über den Vertragsinhalt gestützt bzw die zunächst erhobene Irrtumsanfechtung ausdrücklich zurückgezogen, sodass nähere Ausführungen dazu unterbleiben können.
4. Der Revision der Kläger musste ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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