Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Lebensmittel, insbesondere Tiefkühlwaren, im Umherziehen und entgegen § 53a GewO feilzubieten, solange sie nicht in dem Verwaltungsbezirk, in dem sie das Feilbieten im Umherziehen ausübt oder in einer an diesen Verwaltungsbezirk angrenzenden Gemeinde das Lebensmittelhändlergewerbe in einer ortsfesten Betriebsstätte ausübt; in eventu, Privatpersonen entgegen § 57 Abs 1 GewO zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen auf Lebensmittel und/oder Verzehrprodukte, insbesondere Tiefkühlwaren, aufzusuchen;
der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den stattgebenden Teil des gesamten Urteilsspruchs und den Urteilskopf samt vorangehender Überschrift "Im Namen der Republik" auf Kosten der beklagten Partei in einer Ausgabe der Zeitung "Vorarlberger Nachrichten", ganzseitig, im Textteil, mit Normallettern, wie für redaktionelle Artikel verwendet, mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und fettgedruckten Prozessparteien veröffentlichen zu lassen;
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 28.804,80 S (darin 4.800,80 S USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 67.069,80 S (darin 7.203,30 S USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist ein Verband zur Wahrung wirtschaftlicher Unternehmerinteressen, deren Zweck es unter anderem ist, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Zu seinen Mitgliedern zählen mehr als 360 Fachgruppen, Gremien und Innungen so gut wie aller Wirtschaftsbranchen Österreichs; unter ihnen befindet sich das Landesgremium des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln der Wirtschaftskammer Vorarlberg und die Sektion Handel der Wirtschaftskammer Vorarlberg.
Die Beklagte betreibt das Handelsgewerbe gem § 124 Z 11 GewO idF BGBl 1994/194, beschränkt auf den Kleinhandel, und beschäftigt sich auch mit der Auslieferung von Tiefkühlwaren an Letztverbraucher. Ihr Hauptsitz befindet sich in H*****, Tirol, Zweigniederlassungen befinden sich in V*****, Tirol, und W*****, Vorarlberg. Die von der Beklagten verwendeten Fahrzeuge weisen die Aufschrift "Tiefkühl-Heimservice", "Eismann" sowie die Firmenbezeichnung der Beklagten auf. Die Fahrer der Beklagten verteilen entlang einer (in regelmäßigen Zeitabständen befahrenen) bestimmten Fahrtroute Kataloge mit den von der Beklagten geführten Tiefkühlwaren sowie Bestellformulare und fragen, ob Interesse am Erwerb von Tiefkühlprodukten besteht. Bestellungen können entweder schriftlich oder telefonisch über die Zentrale der Beklagten in H***** oder direkt bei den Fahrern erfolgen. Die Auslieferung erfolgt sodann im Zuge der nächsten Tour auf dieser Strecke. Die Lieferfahrzeuge sind aber auch mit einem festen Bestand an (nicht bestellter) Ware ausgestattet; aus diesem Warenvorrat erfolgen auch Direktverkäufe ohne vorangegangene Bestellungen. Eine derartige Fahrtroute betreibt die Beklagte auch in das S*****tal, Bezirkshauptmannschaft B*****, Vorarlberg. Weder W***** noch H***** oder V***** grenzen an den Verwaltungsbezirk B*****.
Der Kläger begehrt, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu untersagen, Lebensmittel, insbesondere Tiefkühlwaren, im Umherziehen und entgegen § 53a GewO feilzubieten, solange sie nicht in dem Verwaltungsbezirk, in dem sie das Feilbieten im Umherziehen ausübe oder in einer an diesen Verwaltungsbezirk angrenzenden Gemeinde das Lebensmittelhändlergewerbe in einer ortsfesten Betriebsstätte ausübe, in eventu, Privatpersonen entgegen § 57 Abs 1 GewO zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen auf Lebensmittel und/oder Verzehrprodukte, insbesondere Tiefkühlwaren, aufzusuchen; sie stellt weiters ein Veröffentlichungsbegehren für eine Ausgabe der Zeitung "Vorarlberger Nachrichten". Sie bringt dazu vor, die Beklagte umgehe sittenwidrig das gewerberechtliche Verbot des Feilbietens im Umherziehen und verschaffe sich dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern; darin liege ein Verstoß gegen § 1 UWG. Das Verhalten der Beklagten habe erhebliches Aufsehen nicht nur im Bereich der Mitbewerber bewirkt, sodass ein erhöhtes Veröffentlichungs- und Informationsinteresse gegeben sei.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Ein Verstoß gegen Bestimmungen der Gewerbeordnung liege deshalb nicht vor, weil keine Verkäufe ohne vorhergegangene Bestellung durchgeführt würden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es liege ein Verstoß der Beklagten gegen § 53a GewO vor, weshalb das auf die Bestimmungen des UWG gestützte Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren gerechtfertigt sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 260.000 S und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Gemeinschaftsrechts- und Verfassungswidrigkeit des § 53a GewO zulässig sei. § 53a GewO verstoße nicht gegen Gemeinschaftsrecht, weil es sich bei dieser Bestimmung nur um die Regelung einer bestimmten Verkaufsmodalität iS des Urteils "Keck/Mithouard" des EuGH handle, die Vorschrift somit keine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine Einfuhrbeschränkung iSd Art 30 EGV sei. Die Bestimmung sei auch nicht verfassungswidrig, verfolge sie doch das Ziel, die Nahversorgung sicherzustellen, was im öffentlichen Interesse und sachlich gerechtfertigt sei. Berechtigt sei auch das Veröffentlichungsbegehren, weil nicht angenommen werden könne, dass trotz eines immer wiederkehrenden Herumfahrens mit beschrifteten Lastfahrzeugen von Ort zu Ort die Tätigkeit der Beklagten unbemerkt geblieben sei; die Allgemeinheit habe deshalb ein Interesse an der Aufdeckung dieser unlauteren Wettbewerbshandlung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.
Mit Beschluss vom 30. 6. 1998 legte der Oberste Gerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 177 EGV (nunmehr Art 234 EG) folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Ist Art 30 EGV so auszulegen, dass er einer Regelung entgegensteht, wonach Bäcker, Fleischer und Lebensmittelhändler Waren, zu deren Feilhaltung sie auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung berechtigt sind, nur dann im Umherziehen von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus feilbieten dürfen, wenn sie in dem Verwaltungsbezirk, in dem sie den Vertrieb in der genannten Form ausüben, oder in einer an diesen Verwaltungsbezirk angrenzenden Gemeinde das betreffende Gewerbe auch in einer ortsfesten Betriebsstätte ausüben, wobei auch nur solche Waren im Umherziehen von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus feilgeboten werden dürfen, die auch in dieser ortsfesten Betriebsstätte feilgehalten werden?
Mit Urteil vom 13. 1. 2000, C-254/98 , erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Art 30 EG-Vertrag (nunmehr Art 28 EG) stehe nationalen Vorschriften entgegen, nach denen Bäcker, Fleischer und Lebensmittelhändler nur dann in einem bestimmten Verwaltungsgebiet, wie etwa einem österreichischen Verwaltungsbezirk, Waren im Umherziehen feilbieten dürfen, wenn sie das betreffende Gewerbe auch in einer in diesem Verwaltungsgebiet oder einer angrenzenden Gemeinde gelegenen ortsfesten Betriebsstätte ausüben, in der sie die im Umherziehen feilgebotenen Waren ebenfalls feilhalten.
Mit Beschluss vom 1. 2. 2000 stellte der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 53a Abs 2 GewO als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmung wurde mit BG BGBl I 88/200 ohne Anordnung von Übergangsfristen aufgehoben. Mit Beschluss vom 14. 3. 2001 wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag mangels Präjudizialität der zur Aufhebung beantragten Norm als unzulässig zurück.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Für die Beurteilung, ob die Rechtsänderung in diesem Verfahren zu berücksichtigen ist, ist maßgebend, dass sich der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch gegen eine künftige sittenwidrige Wettbewerbshandlung richtet, deren Begehung ernstlich zu befürchten ist. Fällt die Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr weg, sei es, dass ein wettbewerbswidriges Verhalten aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist, sei es, dass es aus rechtlichen Gründen zu keinem Verstoß kommen kann (zB durch Wegfall der Verbotsnorm), dann besteht kein Unterlassungsanspruch. Während für die Beurteilung, ob aus tatsächlichen Gründen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr besteht, der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz maßgebend ist (§ 406 ZPO), hat das Gericht auf eine Änderung der Rechtslage in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Es ist daher grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (SZ 68/6 mwN).
§ 53a Abs 2 GewO wurde ohne Bestimmung einer Übergangsfrist aufgehoben. Demnach ist es der Beklagten nunmehr gestattet, sich so zu verhalten, wie es in der Klage noch als gesetzwidrig beanstandet wurde. Auch ein - mittels Eventualbegehrens geltend gemachter - Verstoß gegen § 57 Abs 1 GewO liegt nicht vor, weil sich diese Bestimmung seit ihrer Neufassung durch BGBl I 63/1997 zwar auf Verzehrprodukte (das sind gemäß § 3 LMG Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genußzwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein), nicht mehr aber auf Lebensmittel wie Tiefkühlwaren bezieht.
Gegen die Beklagte kann daher auf Grund des schon ergangenen Unterlassungstitels unter den derzeitigen Umständen auch nicht mehr Exekution geführt werden. Dennoch ist die Beklagte durch die angefochtene Entscheidung schon deshalb beschwert, weil sie den Kläger zu einer Veröffentlichung auf Kosten der Beklagten berechtigt. Die Beklagte hat daher ein berechtigtes Interesse daran, dass der gegen sie bestehende und nicht mehr der Rechtslage entsprechende Exekutionstitel beseitigt wird. Der Revision ist daher Folge zu geben und das Klagebgehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)