OGH 4Ob83/63

OGH4Ob83/6324.9.1963

SZ 36/118

Normen

AngG §19 (2)
AngG §19 (2)

 

Spruch:

Wenn sich der Dienstnehmer absichtlich der Empfangnahme einer Auflösungserklärung entzogen hat, so gilt die Erklärung als dem Dienstnehmer zugegangen.

Entscheidung vom 24. September 1963, 4 Ob 83/63.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger begehrt vom Beklagten eine Kündigungsentschädigung in dem zuletzt im Berufungsverfahren auf 12.969 S 71 g eingeschränkten Betrag, weil nach seiner Meinung keine Probezeit vereinbart war, so daß die Erklärung des Beklagten, das Dienstverhältnis aufzulösen, nur als Kündigung aufgefaßt werden könne. Der Beklagte dagegen behauptet Vereinbarung eines Probemonates und rechtzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses während der Probezeit, auf jeden Fall aber begrundete Entlassung des Klägers.

Das Erstgericht hat dem Kläger einen Betrag von 8659 S 71 g s. A. zugesprochen und das Mehrbegehren von 15.565 S 85 g abgewiesen. Es hat im wesentlichen festgestellt und rechtlich ausgeführt:

Das Dienstverhältnis des Klägers als Vertreters (Autoverkäufers) habe am 6. August 1962 begonnen. Der schriftliche Dienstvertrag trage das Datum 7. August 1962. Ein Probemonat sei nicht vereinbart gewesen. Am 9. August 1962 habe der Kläger von der beklagten Partei einen PKW. Steyr-Fiat mit einem Listenpreis von 52.000 S gekauft. Bei diesem Kauf sei dem Kläger ein Rabatt von 15% zugestanden, die Hälfte sofort, die andere Hälfte, wenn er ein Jahr im Betrieb des Beklagten gearbeitet gehabt hätte. Am 1. September 1962 habe der Beklagte der Gattin des Klägers mitgeteilt, daß eine weitere Beschäftigung des Klägers nur in Frage komme, wenn sie für Schäden und Ansprüche, die aus dem Dienstverhältnis des Klägers entstehen könnten, die uneingeschränkte Haftung übernehme. Die Gattin des Klägers habe am 4. September 1962 jede Haftungsübernahme abgelehnt. Am 5. September 1962 habe der Beklagte dem Kläger im Betrieb durch zwei Angestellte sagen lassen, er möge in das Büro des Beklagten kommen. Der Kläger habe dieser Aufforderung mit dem Hinweis, daß er keine Zeit habe, nicht Folge geleistet. Der Beklagte habe daher seine Absicht, das Dienstverhältnis mit dem Kläger aufzulösen, dem Kläger schriftlich mitteilen müssen. Sein Brief sei mit dem Vermerk "Empfänger verreist" zurückgekommen. Der Kläger sei erst am 7. September 1962 im Büro des Beklagten erschienen. Bei diesem Anlaß sei ihm das Schreiben vom 5. September 1962 übergeben worden. Der Kläger habe erklärt, ein Probemonat sei nicht vereinbart gewesen. Nach einer Auseinandersetzung habe der Kläger das Büro verlassen. Nunmehr habe sich der Beklagte entschlossen, den Kläger fristlos zu entlassen. Diese Entlassung sei mit Schreiben vom 7. September 1962 ausgesprochen worden, jedoch nur für den Fall, daß der Kläger mit seiner Behauptung, es sei kein Probemonat vereinbart gewesen, durchdringen sollte. Selbst wenn man den Standpunkt der beklagten Partei vertreten wollte, daß ein Probemonat vereinbart gewesen sei, wäre das Schreiben des Beklagten vom 5. September 1962 nicht geeignet gewesen, das Probedienstverhältnis aufzulösen, weil es dem Kläger erst nach Ablauf des Probemonates zugekommen sei. Das Schreiben könne daher nur als Kündigung zum nächsten Termin angesehen werden ...

Das Berufungsgericht traf, abweichend vom Erstgericht, folgende Feststellungen und kam dementsprechend zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Sache:

Zwischen den Streitteilen sei ein Probemonat vereinbart worden. Bei der Besprechung am 4. September 1962 mit der Gattin des Klägers habe der Beklagte erklärt, daß das Dienstverhältnis mit dem Kläger mit Ablauf des Probemonates gelöst werde, sie solle dem Kläger sagen, er solle am 5. September 1962 in das Büro kommen. Der Kläger habe auf Grund der Mitteilung seiner Gattin gewußt, daß er am 5. September 1962 in das Büro des Beklagten zu kommen habe, weil das Dienstverhältnis mit ihm nicht mehr fortgesetzt werde. Der Kläger habe am 5. September 1962 trotz dieser Kenntnis und trotz weiterer zweimaliger Aufforderung, im Büro des Prokuristen zu erscheinen, dort nicht vorgesprochen. Er habe sich an diesem Tag bewußt der Übernahme des Schreibens vom 5. September 1962 entzogen. Am 6. September 1962 sei er nicht im Betrieb erschienen und nicht anzutreffen gewesen, um sich sicherheitshalber auch an diesem Tag der Übergabe einer Lösungserklärung zu entziehen. Da das Dienstverhältnis des Klägers am 6. August 1962 begonnen habe, habe der Probemonat am 5. September 1962 geendet. Da sich der Kläger der Empfangnahme der Erklärung des Beklagten, das Probedienstverhältnis aufzulösen, bewußt entzogen habe, könne er sich nicht darauf berufen, daß die Abgabe der Erklärung am 7. September 1962 verspätet erfolgt sei. Das Dienstverhältnis sei somit rechtswirksam am 5. September 1962 beendet worden ...

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Für die Feststellung, ob ein Probemonat vereinbart wurde oder nicht, ist entgegen der Annahme des Klägers nicht nur der schriftliche Dienstvertrag maßgebend. Das Berufungsgericht hat zu diesem Punkt sämtliche Beweise gewürdigt. Es handelt sich also nicht um die bloße Auslegung einer Urkunde, sondern um die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, deren Überprüfung im Revisionsverfahren nicht möglich ist. An die Feststellung der Vereinbarung eines Probemonates ist daher der Oberste Gerichtshof gebunden.

Festgestellt ist, daß der Kläger von dem ihm gewährten 15%igen Rabatt für seinen PKW. die zweite Hälfte vergütet erhalten sollte, wenn er am 8. August 1963, also nach Ablauf eines Jahres, noch beim Beklagten bedienstet ist. Der eindeutige Wortlaut dieser Vereinbarung läßt den vom Kläger gewünschten Schluß nicht zu, daß er den Anspruch auf den vollen Rabatt auf jeden Fall gehabt habe. Bei Vereinbarung eines Probemonates wäre die vom Kläger gewollte Auslegung dieser Vereinbarung geradezu unsinnig. Der Abzug des Betrages von 3900 S von dem dem Kläger zustehenden Anspruch erfolgte daher ohne Rechtsirrtum.

Der Kläger bekämpft weiter die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Auflösung des Probedienstverhältnisses rechtzeitig erfolgt sei. Er führt dazu aus: Der Beklagte hätte am 5. September 1962 die Möglichkeit gehabt, ihm die Auflösung des Dienstverhältnisses zur Kenntnis zu bringen, da er an diesem Tag im Betrieb anwesend gewesen sei. Diese Anwesenheit im Betrieb widerlege auch die Annahme, daß sich der Kläger der rechtzeitigen Bekanntgabe der Auflösungserklärung absichtlich entzogen habe. Schließlich hätte der Beklagte das Dienstverhältnis auch schon früher auflösen können.

Es ist festgestellt, daß sich der Kläger absichtlich der Empfangnahme einer Auflösungserklärung entzogen hat. Diese Feststellung kann der Kläger im Revisionsverfahren nicht mit Erfolg bekämpfen. Mit seiner Annahme, der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, ihm während seiner Anwesenheit im Betrieb die Auflösungserklärung auf irgendeine Art zukommen zu lassen, hat der Kläger nur grundsätzlich recht, weil der Beklagte als der erklärende Teil die Gefahr des Zugehens der Erklärung zu tragen hatte. Der Beklagte ist aber seiner Verpflichtung dadurch nachgekommen, daß er den Kläger wiederholt auffordern ließ, in das Büro zu kommen. Er mußte nicht sofort, nachdem er von der Anwesenheit des Klägers im Betrieb erfahren hatte, selbst oder durch einen Boten diesem mit der Auflösungserklärung nachgehen, durfte vielmehr erwarten, daß der Kläger seiner Aufforderung auch nachkommt. Da der Kläger dieser seiner Verpflichtung wider Treu und Glauben absichtlich nicht nachkam, gilt die Erklärung des Beklagten als am 5. September 1962 dem Kläger zugegangen (Adler - Höller, in Klang[2] V S. 312; Nikisch, Arbeitsrecht[3] I S. 689; Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts[6] I 491). Darauf, daß die schriftliche Erklärung am 5. September 1962 noch abgesendet wurde und dem Kläger erst am 7. September 1962 zur Kenntnis gelangte, kommt es also nicht mehr an. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem die Zustellung der Erklärung versucht wurde, aber wegen des Verhaltens des anderen Teiles nicht möglich war.

Das Berufungsgericht hat daher auch in diesem Punkt die Sache rechtlich zutreffend beurteilt: Das zunächst auf Probe eingegangene Dienstverhältnis wurde noch rechtzeitig aufgelöst.

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