OGH 4Ob82/12f

OGH4Ob82/12f10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** AG, *****, vertreten durch Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 20. Mai 2010, GZ 4 R 94/10m‑10, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 9. April 2010, GZ 32 Cg 26/10i‑5, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,50 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 326,80 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in Österreich. Sie produziert und vertreibt weltweit Schi- und Snowboardservicemaschinen samt Ersatzteilen und Zubehör. Sie ist Inhaberin der österreichischen Marke „Wintersteiger“ mit Priorität vom 25. Jänner 1993 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 6, 7, 8, 9, 12, 14, 16, 20, 25, 28, 37 und 42, unter anderem für Schi- und Snowboardservicemaschinen samt Zubehör sowie für die Reparatur und Wartung von Schibelägen und Schikanten und von entsprechenden Maschinen.

Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Auch sie entwickelt und vertreibt Schi- und Snowboardservicemaschinen. Darüber hinaus verkauft sie Zubehör für Maschinen anderer Hersteller, insbesondere für jene der Klägerin. Dieses Zubehör stammt weder von der Klägerin, noch ist es von ihr autorisiert. Dennoch bezeichnet es die Beklagte als „Wintersteiger-Zubehör“. Wie die Klägerin ist die Beklagte weltweit tätig, sie vertreibt ihre Waren insbesondere auch in Österreich.

Google betreibt eine Internet-Suchmaschine, die ‑ abgesehen von der weltweit verwendeten Domain google.com ‑ unter länderspezifischen Top-level-Domains angeboten wird (zB google.at, google.de, google.fr). Bei einem Aufruf der Internetseite mit der österreichischen Top‑level‑Domain google.at erscheint über dem Eingabefenster für die Suchbegriffe der mehrfarbige Schriftzug „Google“ und darunter, etwas nach rechts versetzt, der Zusatz „Österreich“. Auf der Internetseite mit der deutschen Top-level-Domain google.de findet sich unter dem Schriftzug „Google“ der Zusatz „Deutschland“. Google.de kann auch in Österreich aufgerufen werden.

Die Beklagte buchte am 1. Dezember 2008 auf google.de das Schlüsselwort „Wintersteiger“. Bei Eingabe dieses Suchbegriffs erschien am 11. Jänner 2010 als erstes natürliches Suchergebnis ein Link zur Website der Klägerin. Am rechten Seitenrand unmittelbar neben der Trefferliste erschien in einem mit der Überschrift „Anzeige“ versehenen Textblock eine Werbeeinschaltung der Beklagten. Der Anzeigentext war mit dem unterstrichenen und in blau gehaltenen Wort „Skiwerkstattzubehör“ überschrieben. Darunter standen in zwei Zeilen die Worte „Ski und Snowboardmaschinen“ sowie „Wartung und Reparatur“. In der letzten Zeile wurde in grünen Buchstaben die Internetadresse der Beklagten angegeben. Klickte man die Überschrift „Skiwerkstattzubehör“ an, gelangte man zum Angebot von „Wintersteiger‑Zubehör“ auf der Website der Beklagten. Die Anzeige auf google.de enthielt keinen Hinweis, dass zwischen der Beklagten und der Klägerin keine wirtschaftlichen Verbindungen bestehen.

Auf google.at schaltete die Beklagte keine mit dem Suchbegriff „Wintersteiger“ verknüpfte Anzeige.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

das Zeichen WINTERSTEIGER im Internet als Suchwort (Keyword) zum Auffinden der eigenen Website, insbesondere über Internet-Suchmaschinen wie beispielsweise GOOGLE, zu verwenden oder verwenden zu lassen.

Sie stützt sich dafür auf Marken- und Lauterkeitsrecht. Durch die Verwendung des identischen Zeichens als Keyword greife die Beklagte in die Markenrechte der Klägerin ein. Weiters beute sie damit deren guten Ruf aus, betreibe unlauteren Kundenfang und führe die angesprochenen Kreise darüber in die Irre, dass eine wirtschaftliche Beziehung zwischen den Streitteilen bestehe. Sowohl für die Zuständigkeit als auch für die Zeichenverletzung als solche genüge es, dass die Website google.de in Österreich abgerufen werden könne und der Inhalt für das relevante Publikum verständlich sei.

Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte, da die Werbung auf google.de nicht auf Österreich ausgerichtet gewesen sei. Auch in der Sache bestehe kein Unterlassungsanspruch. Sie habe die Bezeichnung „Wintersteiger“ auf ihrer Website nur verwendet, um auf die Bestimmung ihrer Produkte (Ersatzteile) hinzuweisen. Dies habe die Klägerin auch nicht beanstandet. Das Verwenden dieses Begriffs als Keyword auf google.de sei unbedenklich, weil durch das Aufscheinen der Anzeige in einem getrennten Block deutlich werde, dass es sich um die bezahlte Einschaltung eines Drittunternehmens handle. In der Anzeige selbst werde der Begriff nicht genannt, vielmehr werde dort nur auf „Skiwerkstattzubehör“ verwiesen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück. Es fehle die internationale Zuständigkeit. Die Website google.de könne zwar von einem Internetzugang in Österreich aufgerufen werden. Da Google seine Dienste aber unter länderspezifischen Top‑level‑Domains anbiete, sei anzunehmen, dass die Website google.de nur auf Deutschland ausgerichtet sei. Ein ausreichender Bezug zu Österreich liege daher nicht vor.

Das Rekursgericht bestätigte den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe, dass es den Sicherungsantrag nicht zurück-, sondern in der Sache abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs wegen des Fehlens inländischer höchstgerichtlicher Judikatur zulässig sei.

Der Umstand, dass Google seinen Suchdienst unter länderspezifischen Top‑level‑Domains anbiete, bedeute noch nicht, dass die Website google.de nur auf Internetnutzer in Deutschland ausgerichtet sei. Diese Website sei auch in Österreich abrufbar und in deutscher Sprache gehalten; sie richte sich (daher) auch an österreichische Nutzer. Es sei nicht abwegig, dass österreichische Nutzer, zumal im grenznahen Bereich oder wegen des Interesses an Waren aus Deutschland, Produkte oder Unternehmen von vornherein über google.de suchten. Die internationale Zuständigkeit sei daher zu bejahen. In der Sache habe die Beklagte aber nicht in das Markenrecht der Klägerin eingegriffen. Die Marke scheine in der Anzeige der Beklagten nicht auf; die Anzeige erwecke auch nicht den Eindruck, dass zwischen den Unternehmen der Klägerin und der Beklagten ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie weiterhin die Erlassung der einstweiligen Verfügung anstrebt. Die Beklagte hielt in der Rechtsmittelbeantwortung die Einrede der Unzuständigkeit aufrecht und beantragt in der Sache die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Zur internationalen Zuständigkeit

1.1. Die Beklagte ist in Deutschland ansässig, sodass nach der Grundregel des Art 2 EuGVVO in erster Linie die deutschen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen sind. Zur Begründung der österreichischen Zuständigkeit stützt sich die Klägerin auf den Gerichtsstand der Schadenszufügung nach Art 5 Nr 3 EuGVVO. Der Oberste Gerichtshof richtete dazu ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof, in dem er unter anderem die Auffassung vertrat, dass die bloße Abrufbarkeit einer Website für die Begründung der Zuständigkeit wohl nicht ausreiche (17 Ob 8/10s = jusIT 2010, 205 [Thiele] = MR 2010, 411 [Kusznier] = ecolex 2011, 345 [Schumacher]). Der EuGH teilte diese Ansicht nicht, sondern beantwortete die ihm gestellten Fragen mit Urteil vom 19. April 2012, C‑523/10, wie folgt:

Art 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit über die Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Marke eingetragen ist, oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Werbende niedergelassen ist, angerufen werden können.

1.2. Die Zuständigkeit des Registerstaats hängt somit bei (behaupteten) Markenrechtseingriffen im Internet nicht davon ab, ob die Eingriffshandlung oder die sonstige Geschäftstätigkeit des belangten Unternehmens einen besonderen (ausreichenden) Bezug zu diesem Staat aufweist; vielmehr genügt die ‑ regelmäßig gegebene ‑ Abrufbarkeit der Website und die Behauptung des Klägers, dass dadurch Markenrechte verletzt worden seien. Die Zuständigkeit ist daher im konkreten Fall jedenfalls soweit zu bejahen, als die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren auf die Verletzung ihrer österreichischen Marke stützt. Ob die Beklagte tatsächlich in die daran bestehenden Rechte der Klägerin eingegriffen hat, ist erst bei der Sachentscheidung zu prüfen.

1.3. Die Zuständigkeit erstreckt sich auch auf die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche.

(a) Grundlage für die Bejahung der Zuständigkeit sind hier jene Erwägungen, die den Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache C‑68/93 (Shevill, Slg 1995, I‑415) und den verbundenen Rechtssachen C‑509/09 und C‑161/10e (eDate Advertising, MR 2011, 365 [Pichler]) zugrunde liegen. Dort nahm der EuGH für Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Printmedien (Shevill) und im Internet (eDate Advertising) an, dass es für die Begründung der Zuständigkeit ausreiche, wenn rechtsverletzende Inhalte in einem bestimmten Staat verbreitet wurden oder im Internet zugänglich waren und das Ansehen des Klägers nach seinem Vorbringen (auch) in diesem Staat beeinträchtigt wurde; die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staats ist auf die dort eingetretenen Schäden beschränkt (Shevill Rz 33; eDate Advertising Rz 51). Eine umfassende Zuständigkeit besteht demgegenüber an der Niederlassung des Urhebers der Inhalte (Shevill Rz 33; eDate Advertising Rz 43) und bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet auch am ‑ regelmäßig mit dem gewöhnlichen Aufenthalt zusammenfallenden ‑ Mittelpunkt der Interessen des Geschädigten (eDate Advertising Rz 48 ff).

(b) Jedenfalls die Erwägungen zur ‑ auf den jeweiligen Schaden beschränkten ‑ Zuständigkeit der Gerichte an den Verbreitungsorten können auf das Lauterkeitsrecht übertragen werden. Denn insofern ist kein Grund erkennbar, den Eingriff in wirtschaftliche Interessen anders zu behandeln als jenen in Persönlichkeitsrechte. Es muss daher für die Begründung der Zuständigkeit auch hier genügen, dass ein bestimmter Inhalt im Staat des angerufenen Gerichts im Internet zugänglich war oder auf andere Weise verbreitet wurde und der Kläger behauptet, dass diese Zugänglichkeit oder Verbreitung eine (lauterkeitsrechtlich relevante) Auswirkung auf dem Markt dieses Staats hatte. Ob die behauptete Rechtsverletzung auch tatsächlich vorliegt, ist wie bei behaupteten Kennzeichenverstößen erst im Rahmen der Sachentscheidung zu prüfen.

1.4. Die so begründete Zuständigkeit erstreckt sich auf die in Österreich eingetretenen Rechtsverletzungen. Ob und auf welcher Grundlage österreichische Gerichte auch über Rechtsverletzungen in anderen Staaten ‑ also über den Eingriff in ausländische Marken oder die Auswirkungen eines unlauteren Verhaltens auch auf anderen Märkten ‑ entscheiden könnten, ist hier nicht weiter zu prüfen. Denn im Sicherungsverfahren ist im Zweifel anzunehmen, dass das Begehren auf Rechtsverletzungen im Inland beschränkt ist (17 Ob 6/11y = jusIT 2011, 171 [Thiele] = ÖBl 2012, 75 [Gamerith] ‑ alcom-international.at): Wenn der Kläger eine Auswirkung eines im Ausland gesetzten Verhaltens (zumindest auch) auf dem inländischen Markt behauptet und auf dieser Grundlage die Zuständigkeit nach Art 5 Abs 3 EuGVVO in Anspruch nimmt, müsste er deutlich zum Ausdruck bringen, dass er auch Auswirkungen desselben Verhaltens in anderen Staaten geltend machen will; in diesem Fall müsste er zudem ein konkretes Vorbringen erstatten, weshalb auch dafür eine Zuständigkeit bestehen soll. Soweit sein Vorbringen insofern unklar bleibt, besteht im Sicherungsverfahren keine Erörterungspflicht, vielmehr fallen solche Unklarheiten dem Kläger zur Last (17 Ob 6/11y ‑ alcom-international.at mwN; vgl zum Hauptverfahren 4 Ob 12/11k = wbl 2011, 680 ‑ HOBAS‑Rohre).

2. In der Sache ist keine in Österreich eingetretene Rechtsverletzung bescheinigt.

2.1. Die Vorinstanzen und die Parteien gehen davon aus, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten nach österreichischem Recht zu beurteilen ist. Das trifft für die hier strittigen Eingriffe in die österreichische Marke der Klägerin und für unlauteres Handeln, das sich nach den Behauptungen des Klägers auf dem österreichischen Markt auswirkt, uneingeschränkt zu (vgl 4 Ob 12/11k = wbl 2011, 680 ‑ HOBAS-Rohre mwN).

2.2. Das Vorliegen einer Markenverletzung durch Werbung im Internet setzt einen über die bloße Abrufbarkeit einer Website hinausgehenden Inlandsbezug voraus.

(a) Zwar hat der Senat in 4 Ob 81/01t (= ÖBl 2001, 269 ‑ Ciclon) ausgesprochen, dass ein Eingriff in Rechte an einer österreichischen Marke schon dann vorliege, wenn im Internet eine Website aufgesucht werden könne, auf der für rechtsverletzende Waren geworben werde. Schon in 4 Ob 110/01g (= ÖBl 2002, 145 ‑ Boss-Zigaretten) hat er aber die Frage, ob dies tatsächlich zutreffe oder ob die Website nicht vielmehr auf den österreichischen Markt ausgerichtet sein müsse, ausdrücklich offen gelassen. In 17 Ob 6/11y (‑ alcom-international.at) hat der Oberste Gerichtshof einen Revisionsrekurs gegen die Abweisung eines Sicherungsantrags zurückgewiesen, weil die Verletzung inländischer Kennzeichenrechte durch die Aufnahme des Zeichens in eine Domain mit einer anderen länderspezifischen Top-level-Domain nicht offenkundig sei und die Klägerin dazu kein Vorbringen erstattet habe. Dem lag erkennbar die Auffassung zugrunde, dass eine Zeichenrechtsverletzung nur bei einem über die bloße Aufrufbarkeit hinausgehenden Inlandsbezug der Website vorliegen könne.

(b) Bei grundsätzlich gleicher (harmonisierter) Rechtslage hat der deutsche Bundesgerichtshof in I ZR 163/02 (= GRUR 2005, 431 = JZ 2005, 736 [Ohly] ‑ Hotel Maritime) ausgesprochen, dass eine Markenrechtsverletzung bei Werbung im Internet nur dann angenommen werden könne, wenn das Angebot einen wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweise. Diese Auffassung wird in der Lehre allgemein geteilt (ausführlich Ohly, JZ 2005, 738 ff; aus der Standardliteratur etwa Bettinger in Bettinger [Hrsg], Handbuch des Domainrechts [2008] Teil 4 Rz 57 ff; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz12 [2012] § 14 Rz 57 ff; Ingerl/Rohnke, Markengesetz3 [2010] Einl Rz 58 ff; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht [2006] Rz 1880). Sie stimmt auch mit den (primär rechtspolitischen) Vorschlägen in der von der WIPO und der Pariser Union herausgegebenen „Joint Recommendation Concerning Provisions on the Protection of Marks, and Other Industrial Property Rights in Signs, on the Internet“ überein (zugänglich auf www.wipo.int ; vgl dazu Kur, Die WIPO-Empfehlungen zur Benutzung von Marken im Internet, GRUR Int 2001, 961, sowie Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz12 [2012] § 14 Rz 59). Danach setzt eine Markenrechtsverletzung im Internet einen „commercial effect“ im Schutzstaat voraus (Art 2). Für die Prüfung der Frage, ob eine solche „wirtschaftliche Auswirkung“ vorliegt, nennt die Recommendation mehrere Kriterien; eines davon ist die länderspezifische Top-level-Domain jener Website, auf der die Markenrechtsverletzung angeblich begangen wurde (Art 3 Abs 1 lit d sublit iii).

(c) Auch der EuGH hat zuletzt ausgesprochen, dass die bloße Zugänglichkeit einer Website im Internet für die Annahme einer Markenrechtsverletzung noch nicht ausreiche; vielmehr müsse sich die Website an im Schutzstaat ansässige Verbraucher „richten“ (Rs C-234/09 , L'Oréal/eBay, GRUR 2011, 1025, Rz 64 f). Ob das zutreffe, sei von den nationalen Gerichten im Einzelfall anhand der „relevanten Indizien“ zu beurteilen (Rz 65). Im konkreten Fall hatte die Klägerin ihr Begehren vor einem britischen Gericht auf britische und Gemeinschaftsmarken gestützt, die durch ein Angebot auf www.eBay.co.uk verletzt worden seien. Der EuGH leitete aus der auf Großbritannien weisenden Top‑level‑Domain .uk ab, dass sich die strittigen Angebote an britische Verbraucher gerichtet hätten (Rz 66).

(d) Auf dieser Grundlage kann der Senat seine ältere Rechtsprechung, wonach allein die Zugänglichkeit einer Website, auf der für rechtsverletzende Waren geworben werde, eine Markenrechtsverletzung begründe (oben a.), nicht aufrecht erhalten. Vielmehr ist im Sinn von L'Oréal/eBay (oben c.) zu verlangen, dass sich die Website zumindest auch an inländische Nutzer richtet. Diese Frage ist objektiv zu beurteilen. Sie wird nur dann zu bejahen sein, wenn ein wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug, also eine nicht bloß unerhebliche Auswirkung der Werbung auf den inländischen Markt (ein „commercial effect“) vorliegt oder wenigstens realistischerweise zu erwarten ist. Die neue Rechtsprechung des EuGH stimmt daher in der Sache mit der bisherigen deutschen Rechtsprechung und der Joint Recommendation der WIPO und der Pariser Union (oben b.) überein.

(e) Im konkreten Fall beanstandet die Klägerin ausschließlich die Nutzung ihrer Marke als Keyword auf google.de. Daher ist zu fragen, ob sich die dort geschaltete Werbung (auch) an potentielle österreichische Abnehmer richtet, ob sich die Werbung also (auch) auf dem österreichischen Markt nicht bloß unerheblich auswirkt oder zumindest ‑ bei realistischer Betrachtung ‑ auswirken kann. Dass die Beklagte ihre Tätigkeit grundsätzlich (auch) auf Österreich ausrichtet, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil aufgrund des allein darauf gerichteten Begehrens nur die Wirkung der Keyword-Werbung auf google.de zu beurteilen ist.

(f) Gegen die Annahme einer relevanten Wirkung der Werbung im Inland spricht die nicht auf Österreich weisende länderspezifische Top-level-Domain .de. In Österreich werden vor allem google.at und google.com genutzt. Die Annahme der Klägerin und des Rekursgerichts, dass die angesprochenen Kreise in einem relevanten Ausmaß auch auf google.de zugreifen, ist zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber durch keinen dem Senat bekannten Erfahrungssatz gedeckt. Daher hätte die Klägerin diesen Umstand nicht nur behaupten, sondern auch ‑ etwa durch die Ergebnisse einer Nutzerbefragung ‑ bescheinigen müssen. Damit muss ihr markenrechtlicher Anspruch im Sicherungsverfahren scheitern. Im Hauptverfahren wird der diesbezügliche Beweis nur durch ein Sachverständigengutachten geführt werden können (17 Ob 15/11x = jusIT 2011, 218 [Thiele] = ÖBl 2012, 29 ‑ wagrain.at; vgl zur Problematik des Beweises von Erfahrungssätzen zuletzt 17 Ob 27/11m).

(g) Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass sich die besondere Relevanz der Top-level-Domain .de hier vor allem daraus ergibt, dass die Suchmaschine Google auch unter der österreichischen Top-level-Domain .at verfügbar ist. Daher ist im Zweifel anzunehmen, dass österreichische Nutzer eher auf die österreichische Ausgabe (oder allenfalls auf google.com) zugreifen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass dies ganz allgemein für Internetauftritte von deutschen Unternehmen gelte, die für ihre Website die Top‑level‑Domain .de nutzen. Hier ist aufgrund derselben Sprache die Ausrichtung (auch) auf Österreich nicht von vornherein ausgeschlossen. Ob sie tatsächlich vorliegt, wäre nach dem Inhalt der Website und nach der Ausrichtung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens zu prüfen.

2.3. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Lauterkeitsrecht stützt, ist die Rechtslage im Ergebnis gleich.

Im vorliegenden Sicherungsverfahren sind nur Lauterkeitsverstöße mit Auswirkungen auf dem österreichischen Markt zu beurteilen (oben 1.4.). Hier gelten grundsätzlich die gleichen Erwägungen wie im Markenrecht: Die nicht bloß unerhebliche Beeinflussung des Wettbewerbs zum Nachteil von Mitbewerbern (§ 1 Abs 1 lit a UWG) oder die Eignung zur wesentlichen Beeinflussung eines durchschnittlichen Angehörigen der Marktgegenseite (§ 1 Abs 1 lit b UWG), insbesondere eine zu dessen Irreführung geeignete Geschäftspraktik (§ 2 UWG), setzt ebenfalls voraus, dass sich das beanstandete Verhalten auf dem österreichischen Markt nicht bloß unerheblich auswirkt. Die bloße Zugänglichkeit von google.de reicht daher auch hier nicht aus. Vielmehr hätte die Klägerin konkret (behaupten und) bescheinigen müssen, dass das Buchen des Keywords auf dieser Website auch am österreichischen Markt nicht bloß unerhebliche Auswirkungen hatte oder zumindest haben konnte.

4. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Klägerin schon mangels eines relevanten (bescheinigten) Inlandsbezugs des beanstandeten Verhaltens scheitern. Auf die vom Rekursgericht verneinte Frage, ob das Verhalten der Beklagten bei Bejahung dieses Inlandsbezugs Unterlassungsansprüche begründete, kommt es unter diesen Umständen nicht an (vgl dazu 17 Ob 3/10f = ÖBl 2011, 29 [Büchele] = jusIT 2010, 174 [Thiele] ‑ Bergspechte III, sowie das Vorabentscheidungsersuchen 17 Ob 8/10s; vgl aber auch BGH I ZR 125/07 = GRUR 2011, 828 ‑ Bananabay II; zu den darin zum Ausdruck kommenden Unterschieden im Schutzniveau Ohly, Anmerkung zu C-323/09 , Interflora, GRUR 2011, 1131 [1132]; Schubert, BGH: Keyword Advertising mit fremden Marken ist zulässig, MR 2011, 212 ff; Wukoschitz, Keyword Advertising - „Bergspechte“ nun vom OGH entschieden, ecolex 2010, 972 [973]).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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