Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1159
AngG §20
AngG §20
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1159
AngG §20
AngG §20
Spruch:
Die Dauer der Kündigungsfrist richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Kündigung, die Wirkungen der Kündigung nach dem Termin, auf den gekundigt worden ist.
Entscheidung vom 21. April 1953, 4 Ob 81/53.
I. Instanz: Arbeitsgericht Judenburg; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Klägerin ist am 5. Juni 1950 als Angestellte in die Dienste des Beklagten getreten. Am 17. Mai 1952 hat Beklagter das Dienstverhältnis der Klägerin auf den 30. Juni 1952 aufgekundigt. Klägerin begehrt die Bezüge für Juli 1952, da sie den Standpunkt vertritt, daß ihr mit Rücksicht auf ihre mehr als zweijährige Dienstzeit im Zeitpunkt des Ablaufes der Kündigungsfrist gemäß § 20 Abs. 2 AngG. nur mit einer zweimonatigen Kündigungsfrist gekundigt werden konnte. Da eine Vereinbarung im Sinne des § 20 Abs. 2 AngG. getroffen worden sei, sei das Dienstverhältnis erst mit 30. Juli 1952 und nicht mit 30. Juni 1952 aufgelöst worden. Demgegenüber vertritt Beklagter die Rechtsauffassung, daß für die Länge der Kündigungsfrist die Dauer der Beschäftigung im Zeitpunkt der Kündigung und nicht im Zeitpunkt, auf den gekundigt worden ist, maßgebend sei.
Das Erstgericht hat sich dem Rechtsstandpunkt des Beklagten angeschlossen, das Berufungsgericht dem der Klägerin.
Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die allein auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Beklagten ist begrundet.
Die Frage, welcher Zeitpunkt für die Anwendbarkeit der längeren Frist maßgebend sei, ist in der Judikatur der Untergerichte strittig. Der Oberste Gerichtshof hat bisher zu diesem Problem noch nicht Stellung genommen.
Die Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 12. März 1926, Arb. 3565, hat den Zeitpunkt der Kündigung für maßgebend erachtet. Die gesetzliche Minimalfrist könne nicht aus dem Endpunkt der Kündigungsfrist und der hieraus errechneten Dauer des Dienstverhältnisses berechnet werden, es könne vielmehr nur der Zeitpunkt des Ablaufes des Dienstverhältnisses aus dem Zeitpunkt der Kündigung und der hieraus sich ergebenden Kündigungsfrist bestimmt werden, wobei eine vorzeitige Kündigung allerdings außer Betracht bleiben müßte. (Derselben Auffassung die Entscheidung bei Willms, Gerichtsentscheidungen aus dem Angestelltengesetz L 198 und eine in der Industrie 1952, Folge 3/4, S. 5, angeführte Entscheidung des Landesgerichtes Linz vom 14. Juni 1930.) Demgegenüber hielt die Entscheidung des Landesgerichtes Wien vom 4. Dezember 1947, Arb. 4935, den Zeitpunkt für maßgebend, für den gekundigt worden sei, weil im Zeitpunkt, da die Kündigung ausgesprochen wurde, das Dienstverhältnis noch nicht gelöst oder beendet sei, es werde nur durch den Anspruch der Kündigung festgestellt, an welchem Tag in der Zukunft das Dienstverhältnis beendet sein werde. Im gleichen Sinne die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Wien vom 20. Juni 1952, Soz. Mitt. I A, S. 80, weil sonst der Arbeitgeber durch vorzeitige Kündigung die längere Kündigungsfrist umgehen könnte. Ebenso die in der Industrie 1952, Folge 3/4, S. 5, angeführte Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS. Wien, 44 Cr 320/51 (ohne Datum).
Der Oberste Gerichtshof hat folgendes erwogen: Das Dienstverhältnis endet nicht mit der Kündigung, sondern erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Daher sind alle Wirkungen, die sich an die Beendigung des Dienstverhältnisses knüpfen, nach dem Termin zu beurteilen, auf den gekundigt wurde, und sind für die Höhe der Abfertigung die Dienstverhältnisse am Ablauf der Kündigungsfrist maßgebend (vgl. die Entscheidungen bei Willms, M 70 - 72 und 106). Damit ist aber die Frage noch nicht gelöst, welcher Zeitpunkt für die Dauer der Beschäftigung im Sinne des § 20 Abs. 2 AngG. maßgebend ist. Diese Frage kann nur aus der ratio des Gesetzes gelöst werden. Die Abstufung der Kündigungsfristen bezweckt, einem Dienstnehmer mit einer längeren Dienstzeit eine längere Frist zu gewähren, um sich einen anderen Posten zu suchen. Dieses Recht wird durch den Ablauf der längeren Dienstzeit erworben. Es muß also bereits in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem spätestens gekundigt werden konnte; war damals die längere Dienstzeit noch nicht beendet, die Anspruch auf eine längere Kündigungsfrist gewährt, so war auch das Recht auf die längere Kündigungsfrist noch nicht existent geworden. Der Gekundigte kann daher nicht deshalb, wenn er während der Kündigungsfrist die Dienstzeit vollstreckt hat, die Anspruch auf eine längere Kündigungsfrist geben würde, verlangen, daß diese Frist bereits in einem Zeitpunkt eingehalten wird, da er dieses Recht noch nicht erworben hat.
Der Oberste Gerichtshof hält daher den Standpunkt der ersten Instanz fürzutreffend. Das Argument der Entscheidung des Arbeitsgerichtes Wien vom 20. Juni 1952, die vom Revisionsgericht vertretene Auffassung lasse Umgehungsmöglichkeiten Raum, ist verfehlt, weil es nicht auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung ankommt, sondern auf den Zeitpunkt, von dem an die Kündigungsfrist zu rechnen ist, das ist dem letztmöglichen Kündigungszeitpunkt.
Es mußte demnach das erstrichterliche Urteil wieder hergestellt werden.
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