OGH 4Ob79/10m

OGH4Ob79/10m8.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Brand Lang Wiederkehr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. N***** GmbH, *****, 2. T*****gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Feststellung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 44.003 EUR), im Verfahren über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 22. März 2010, GZ 5 R 31/10f-29, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 5. November 2009, GZ 10 Cg 55/09g-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag übermittelt, seinen Bewertungsausspruch zu ergänzen und gegebenenfalls eine Entscheidung nach § 528 Abs 2a ZPO zu treffen.

Text

Begründung

Die Klägerin entwickelt und vertreibt die Notariatssoftware *****t, die Erstbeklagte entwickelt und vertreibt die Notariatssoftware *****e. Die Zweitbeklagte erbringt für die Erstbeklagte Programmierleistungen.

Zur Sicherung ihres Unterlassungsbegehrens beantragt die Klägerin, ab sofort

1. beide Beklagte zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, die rechtswidrig erlangten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin, insbesondere die öffentlich nicht zugängliche Dokumentation (Vorlagen und Vorschriften technischer Art) der Software *****t, für eigene Zwecke zu verwenden oder anderen zugänglich zu machen, insbesondere für die Programmierung einer Notariatssoftware der Erstbeklagten wie *****e 6,

2. die Erstbeklagte zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, anzukündigen, dass die Entwicklung einer neuen Software der Erstbeklagten, insbesondere *****e 6, die Endphase erreicht habe und/oder die öffentliche Produktpräsentation bevorstehe, wenn und solange diese Behauptung nicht den Tatsachen entspreche, und/oder sinngleiche Behauptungen aufzustellen, und

3. die Erstbeklagte zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, auf Dauer ihrer marktbeherrschenden Stellung einzelne ihrer Kunden und/oder potentiellen Kunden durch Anwendung unterschiedlicher Vertragsbedingungen, insbesondere durch Vereinbarung unterschiedlicher Preise bei gleichwertigen Leistungen, zu benachteiligen.

Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung im Sinn von Punkt 2 (Irreführung) und wies das Mehrbegehren (Geheimnisverrat, Missbrauch der Marktmacht) ab.

Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung zu Punkt 2 (Irreführung), erließ ein Verbot im Sinn von Punkt 3 (Missbrauch der Marktmacht) und bestätigte die Abweisung zu Punkt 1 (Geheimnisverrat). Weiters sprach es aus, dass der Wert „des Entscheidungsgegenstands“ 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen den dem Sicherungsantrag gegen die Erstbeklagte stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich ein außerordentlicher Revisionsrekurs beider Beklagten. Das Erstgericht legte die Akten dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Akten sind dem Rekursgericht zur Ergänzung seines Bewertungsausspruchs und zur allfälligen Entscheidung nach § 528 Abs 2a ZPO zu übermitteln.

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand - und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts -, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; sonst sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096; RS0037838; RS0042349).

2. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, nicht aber wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (RIS-Justiz RS0037838 [T43] = 8 Ob 118/08y; vgl RS0037899). Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung vorliegen, ist nach den Klagebehauptungen (Antragsbehauptungen) zu beurteilen (RIS-Justiz RS0042741).

3. Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin auf drei Wettbewerbsverstöße der Beklagten. Punkt 1 ihres Begehrens bezieht sich auf einen angeblichen Geheimnisverrat, der beiden Beklagten zur Last falle, Punkt 2 hat eine angeblich irreführende Werbung der Erstbeklagten zum Gegenstand, Punkt 3 den angeblichen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ebenfalls (nur) durch die Erstbeklagte. Daraus leitet die Klägerin Unterlassungsansprüche ab. Diese Ansprüche sind auf unterschiedliche Sachverhalte gestützt; ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang ist nicht erkennbar. Daher sind die Ansprüche nach § 55 Abs 1 JN nicht zusammenzurechnen. Damit hat aber auch das Rekursgericht über drei von einander getrennte Gegenstände entschieden, die es gesondert zu bewerten hat. Zu diesem Zweck sind ihm die Akten zu übermitteln.

Sollte das Rekursgericht zum Ergebnis kommen, dass der Wert eines seiner Entscheidungsgegenstände zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, wird es weiters zu prüfen haben, ob es die diesbezüglichen Ausführungen der Zulassungsbeschwerde als Antrag nach § 528 Abs 2a ZPO deutet. In diesem Fall wird es über die nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses zu entscheiden haben, sonst wird insofern ein Verbesserungsverfahren einzuleiten sein.

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