OGH 4Ob78/00z

OGH4Ob78/00z21.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arnold P*****, vertreten durch Dr. Franz Grauf und Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wider die beklagte Partei Ludmilla T*****, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung, Wiederherstellung, Unterlassung und Einverleibung (Gesamtstreitwert 120.000 S), infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 10. Dezember 1999, GZ 1 R 228/99w-14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom 10. September 1999, GZ C 399/99 h-8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 8.112 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 1.352 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs uneinheitlich sei. Nach überwiegender Rechtsprechung erlösche eine Wegdienstbarkeit nicht schon dann, wenn der Berechtigte sein Grundstück auch auf einem anderen Weg bequemer erreichen kann; in der Entscheidung ImmZ 1963, 137 werde eine gegenteilige Auffassung vertreten.

Gegenstand der Entscheidung ImmZ 1963, 137 war die Frage, ob eine (ersessene) Dienstbarkeit erlischt, wenn die Liegenschaft auch über einen öffentlichen Weg erreicht werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat die Auffassung der zweiten Instanz geteilt, wonach die Dienstbarkeit nur endet, wenn die öffentliche Straße einen vollwertigen Ersatz für den bisher benützten Weg bietet. Dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss wurde nicht Folge gegeben; das Berufungsgericht hatte dem Erstgericht darin ergänzende Feststellungen aufgetragen, um beurteilen zu können, ob die Benützung der öffentlichen Straße einen vollwertigen Ersatz für die Nutzung des ersessenen Fahrtrechts bildet.

Im vorliegenden Fall meint das Berufungsgericht, sich dieser Rechtsprechung nicht anschließen zu können. Maßgebend sei, ob die Dienstbarkeit völlig zwecklos geworden ist; dies sei hier schon deshalb zu verneinen, weil zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz zwischen dem öffentlichen Weg und dem Grundstück ein nicht unerheblicher Niveauunterschied bestanden habe, durch den die Zufahrt zum Grundstück des Klägers erschwert worden sei. Der Servitutsweg sei aber auch unabhängig davon nicht zwecklos. Durch den Servitutsweg bestehe eine zweite Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeit, die für aus Osten kommende Fußgänger und (zumindest für) einspurige Fahrzeuge wegen der damit verbundenen Wegverkürzung von Vorteil sei. Für Fußgänger und einspurige Fahrzeuge sei die Benützung des Servitutswegs ganz allgemein sicherer, weil dieser zweifellos von weniger Fahrzeugen befahren werde als die öffentliche Straße.

Das Berufungsgericht nennt damit (jedenfalls auch) Umstände, deren Vorliegen es ausschließt, die öffentliche Straße als vollwertigen Ersatz für den Servitutsweg zu werten. Ob der Niveauunterschied mittlerweile eingeebnet wurde und ohne Probleme von der öffentlichen Straße auf die Liegenschaft des Klägers zugefahren kann, ist unerheblich, weil die Lage bei Schluss der Verhandlung erster Instanz ausschlaggebend ist. Im Übrigen war der Niveauunterschied nicht der einzige Umstand, der das Berufungsgericht bewogen hat, die Zwecklosigkeit des Servitutswegs zu verneinen.

Die beiden, vom Berufungsgericht als einander widersprechend aufgefassten Voraussetzungen für das Erlöschen einer Wegdienstbarkeit - Zwecklosigkeit der Wegdienstbarkeit und vollwertiger Ersatz durch eine andere Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeit - sind in Wahrheit deckungsgleich. Eine Wegeservitut ist nur dann völlig zwecklos geworden, wenn eine vom Servitutsweg verschiedene Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeit einen vollwertigen Ersatz bietet (so ausdrücklich 6 Ob 83/98v). Die Zwecklosigkeit wurde daher in Fällen verneint, in denen die Benützung des Servitutswegs bequemer und schneller (SZ 41/86) oder mit einer geringeren Belästigung durch Fahrzeugverkehr verbunden war (JBl 1979, 90). Ob ein vollwertiger Ersatz schon deshalb auszuschließen und die Zwecklosigkeit zu verneinen ist, weil zwei Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeiten besser sind als eine einzige (so offenbar 6 Ob 32/99w), hängt von den im Einzelfall gegebenen Umständen ab und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage.

Die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nicht nur mit der vom Berufungsgericht zu Unrecht angenommenen Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung; sie macht auch geltend, dass die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung, und zwar der oben zitierten Entscheidung 6 Ob 83/98v, widerspreche. Der behauptete Widerspruch liegt aber nicht vor, weil auch das Berufungsgericht das Erlöschen der Wegdienstbarkeit aus Gründen verneint, die es ausschließen, den öffentlichen Weg als vollwertigen Ersatz für den Servitutsweg zu werten. Die angefochtene Entscheidung steht demnach im Einklang mit der Rechtsprechung.

Inwiefern die von der Beklagten in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision erwähnte wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung des Straßenverkehrs und dessen Erfordernisse es rechtfertigen sollen, strengere Anforderungen an den Nutzen eines Servitutswegs zu stellen, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, dass die Wegeservitut einer Enteignung gleichkommen soll. Dass der Kläger die Dienstbarkeit in unzulässiger Weise erweitert hätte, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen.

Die Revision war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung des Klägers war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil er auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat.

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