European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00007.75.0408.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung von S 89.127,95 samt Anhang (ON 33 S 182). Aus der Tätigkeit des Beklagten als Provisionsvertreter der Klägerin habe sich zum Jahresende 1970 ein einverständlich festgestellter Saldo von S 15.052,75 zugunsten der Klägerin ergeben; Ende 1971 habe dann das Guthaben die Höhe des eingeklagten Betrages erreicht. Der Beklagte habe diesen Saldo am 17. Jänner 1972 bei einer Aussprache im Büro der Klägerin ausdrücklich anerkannt und lediglich darauf verwiesen, daß er infolge seiner wirtschaftlichen Lage nicht zahlen könne.
Der Beklagte hat das behauptete Anerkenntnis bestritten und mangelnde Fälligkeit der Klageforderung eingewendet, weil ihm seit Beendigung seiner Tätigkeit für die Klägerin noch keine Abrechnung zugekommen sei. Unter Zugrundelegung der vereinbarten 25 %igen Provision ergebe sich kein Saldo zugunsten der Klägerin, sondern ein Guthaben des Beklagten von S 51.005,45. Darüber hinaus habe die Klägerin den Beklagten aber auch zu Unrecht mit Storni im Betrag von S 24.545,– belastet, welche er gar nicht zu vertreten habe. Im Übrigen stünden dem Beklagten gegen die Klägerin verschiedene Gegenforderungen im Gesamtbetrag von S 227.337,40 zu, welche er bis zur Höhe der Klageforderung aufrechnungsweise einwende.
Nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens über die Höhe der von beiden Seiten geltend gemachten Ansprüche und Gegenansprüche erkannte das Erstgericht im Sinne des Klagebegehrens, ohne über die Gegenforderungen des Beklagten zu entscheiden. Seinem Urteil liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Der Beklagte hatte bis zum 31. Dezember 1971 als Provisionsvertreter für die Klägerin gearbeitet. Gegenstand seiner Tätigkeit war es gewesen, Gemeinden zum Aufstellen sogenannten Chroniken zu veranlassen, welche neben einer Schilderung der Geschichte des jeweiligen Ortes auch verschiedene Werbetexte ortsansässiger Betriebe trugen; dem Beklagten oblagen der Verkauf und das Aufstellen der Werbetafeln, aber auch die dazu notwendigen Verhandlungen mit der jeweiligen Gemeindevertretung.
Bei Beginn der Tätigkeit des Beklagten war für ihn ein eigenes Konto eröffnet worden. Er wurde laufend durch a-conto-Zahlungen auf seine Provisionen entlohnt, worauf dann meist zum Jahresende abgerechnet wurde. Der Beklagte informierte sich wöchentlich bei H* G*, welche sein Konto führte und auch die Abrechnungen mit ihr vornahm, über die Bewegungen auf seinem Konto. Er wurde dabei mehrmals auf die ungünstige Entwicklung aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, daß die gewohnten Acontierungen reduziert werden müssten, um ein Anwachsen der Schuldenlast zu verhindern. Der Beklagte, welcher für verschiedene Rückzahlungen immer grössere Geldbeträge benötigte, wies aber darauf hin, daß er seine Umsätze nach Anlaufen des Geschäftes erhöhen werde.
Da das Konto des Beklagten bis zu seinem Ausscheiden einen Debet-Saldo in der Höhe des eingeklagten Betrages aufwies, bat der Geschäftsführer der Klägerin, P* G*, den Beklagten für den 17. Jänner 1972 in das Büro der Klägerin. Der Beklagte ging dort zunächst mit H* G* die einzelnen Positionen auf seinem Konto durch, wobei es sich insbesondere um die Klärung verschiedener Storni handelte; der Beklagte brachte bei diesem Gespräch keine Einwendungen gegen den ausgewiesenen Saldo vor. Auch bei dem unmittelbar anschließenden Gespräch mit P* G* und dem Inhaber der Klägerin, F* B*, bei welchem von diesem Saldo ausgegangen wurde, erhob der Beklagte dagegen keine Einwendungen; er brachte lediglich vor, daß ihm die Rückzahlung dieser relativ hohen Summe naturgemäß nicht auf einmal möglich sein werde. Da sich der Beklagte aber ohne seine Unterlagen nicht auf konkrete Rückzahlungsvorschläge einlassen wollte, setzte ihm der Inhaber der Klägerin eine Frist, innerhalb deren er bestimmte Angebote machen sollte. Der Beklagte ließ aber in der Folge nichts mehr von sich hören.
Rechtlich wertete das Erstgericht das festgestellte Verhalten des Beklagten als konstitutives Schuldanerkenntnis durch welches alle Einwendungen des Beklagten gegen den von der Klägerin errechneten Saldo abgeschnitten worden seien. Auch die Frage, wie es zur Feststellung dieses Saldos gekommen sei, könne nicht mehr überprüft werden.
Infolge Berufung des Beklagten hob das Landesgericht Salzburg dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Ein konstitutives Anerkenntnis des Beklagten sei zu verneinen, weil keinesfalls feststehe, daß der Beklagte am 17. Jänner 1972 zur Bereinigung eines konkreten Streites oder Zweifels über das Bestehen einer Forderung der Klägerin eine Willenserklärung abgeben wollte, die rechtsgeschäftliche Folge auslöse; es sei vielmehr erwiesen, daß es über die Höhe des vom Beklagten an die Klägerin zurückzuzahlenden Betrages keine Diskussionen gegeben und der Beklagte gegen den ausgewiesenen Saldo keine Einwendungen vorgebracht habe. Das Erstgericht werde sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem umfangreichen Vorbringen beider Parteien zur Höhe des eingeklagten Saldos auseinanderzusetzen und erforderlichenfalls auch Feststellungen zu den vom Beklagten aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen zu treffen haben.
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, diesen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Klägerin hält den angefochtenen Aufhebungsbeschluß schon deshalb für formell verfehlt, weil der Beklagte in seiner Berufung gegen das Ersturteil nur einen Abänderungsantrag gestellt habe, welcher entgegen der Meinung der zweiten Instanz nicht ohne weiteres auch das Begehren auf Aufhebung der bekämpften Entscheidung in sich schließe. Die Rekurswerberin muss aber selbst einräumen, daß ein Abänderungsantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung jedenfalls immer dann deckt, wenn nach dem Inhalt der Prozessakten dem Berufungsgericht erheblich scheinende Tatsachen in erster Instanz gar nicht erörtert wurden (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO), die Aufhebung also der Behebung von Feststellungsmängeln dient, die ihre Ursache in einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Erstgericht haben (2 Ob 159/70; 5 Ob 209/74 ua, zuletzt etwa 7 Ob 297/74; vgl. auch Fasching IV 63 § 467 ZPO Anm 8). Gerade dieser Fall liegt aber hier vor, hat doch das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz allein deshalb aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, weil es aus rechtlichen Erwägungen die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses ablehnte und infolgedessen ein Eingehen auf das übrige Sach- und Beweisvorbringen der Parteien für erforderlich hielt. Gegen die dieser Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes hat aber auch der Oberste Gerichtshof keine Bedenken:
Das konstitutive Anerkenntnis ist eine Willenserklärung, nämlich die – nicht widerlegbare, aber unter Umständen anfechtbare – Entscheidung eine Streites. Es gehört zu den Feststellungsverträgen und schafft unabhängig vom Bestehen des in der Vergangenheit liegenden Rechtsgrundes eine neue, selbständige Verpflichtung. Die feststellende, streitausschließende Wirkung des konstitutiven Anerkenntnisses beruht darauf, daß es das anerkannte Rechtsverhältnis für den Fall, daß es nicht schon bestanden haben sollte, ins Leben ruft; es hat also hilfsweise rechtsgestaltende (konstitutive) Wirkung und kann insbesondere auch Schuldverhältnisse begründen (SZ 35/103; SZ 36/24; SZ 41/122; SZ 44/84; ÖBl 1972,121 ua; Ehrenzweig 2 I/1, 360 f; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts3 I 211 f). Wesentlich ist nur, daß das anerkannte Recht ernstlich behauptet worden ist, mag diese Behauptung auch objektiv nicht begründet gewesen sein. Wenn der Anerkennende die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechtes dadurch beseitigt, daß er das Recht zugibt, dann sind die Voraussetzungen eines konstitutiven Anerkenntnisses erfüllt (SZ 36/24; SZ 41/122; JBl 1958,44; EvBl 1974/4 ua; Koziol-Welser aaO). Als Verpflichtungsgrund gilt dabei der Grund der behaupteten Schuld (SZ 24/162; ÖBl 1972, 121; Ehrenzweig 2 I/1, 361).
Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht als erwiesen angenommen, daß der Beklagte am 17. Jänner 1972 bei seinem Gespräch mit H* G*, an welchem sich später auch der Inhaber der Klägerin und P* G* beteiligten, gegen den von der Klägerin errechneten Saldo „keine Einwendungen erhob“, sondern sich lediglich außerstande erklärte, eine so große Summe auf einmal zurückzuzahlen. Aus dieser Feststellung allein läßt sich aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, noch keineswegs zwingend auf eine Absicht des Beklagten schließen, sich damit selbständig und unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage zur Zahlung zu verpflichten (vgl. SZ 25/279, Ehrenzweig 2 I/1, 363). Umstände, die unter Ausschluss jedes Zweifels (§ 863 ABGB) eine derartige Annahme rechtfertigen könnten, sind weder im Verfahren hervorgekommen noch vom Erstgericht festgestellt worden. Das Schweigen des Beklagten auf den ihm von H* G* bekanntgegebenen Kontostand konnte daher ebenso wie sein Hinweis auf die Unmöglichkeit, eine solche Summe auf einmal zurückzuzahlen (vgl dazu auch EvBl 1966/157 = HS 5446), nur als bloßes Rechtsgeständnis (auch „unechtes“ oder „deklaratives“ Anerkenntnis genannt) im Sinne einer – schlüssigen –Erklärung des Beklagten verstanden werden, daß die von der Klägerin behauptete Forderung seines Wissens zu Recht bestehe. Anders als das konstitutive Anerkenntnis ist aber ein solches Rechtsgeständnis kein neuer Verpflichtungsgrund im Sinne eines selbständigen Leistungsversprechens, sondern nur ein – durch andere Beweise widerlegbares – Beweismittel für das Bestehen des von der Gegenseite behaupteten Anspruches (EvBl 1960/365; ÖBl 1972, 121; Ehrenzweig 2 I/1, 359 f; Koziol-Welser aaO). Daß sich der Beklagte nach den Feststellungen des Erstgerichtes schon während der Zeit seiner Tätigkeit für die Klägerin laufend über den Stand seines Provisionskontos informiert hatte und dabei wiederholt auf die ungünstige Entwicklung hingewiesen worden war, vermag entgegen der Meinung der Rekurswerberin an dieser Beurteilung seines Verhaltens vom 17. Jänner 1972 nichts zu ändern; das weitere Rekursvorbringen, wonach der Beklagte dabei zu wiederholten Malen die Abrechnung der Klägerin im Sinne der Bestätigung ihrer Richtigkeit „anerkannt“ habe, findet aber ebenso wie die Behauptung der Klägerin, daß die Parteien „verschiedene Rechtsgeschäfte einvernehmlich wechselseitig bestätigt und den daraus entstehenden Saldo als richtig qualifiziert“ hätten, in den Feststellungen des Ersturteils keine Deckung.
Kann aber die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des von der Klägerin begehrten Betrages nicht auf den selbständigen Verpflichtungsgrund eines konstitutiven Anerkenntnisses gestützt werden, dann erweist es sich im Sinne der Ausführungen des angefochtenen Beschlusses als notwendig, auf das übrige Sach- und Beweisvorbringen der Parteien zum Grund und zur Höhe des Klageanspruches und – für den Fall, daß dieser wenigstens teilweise als zu Recht bestehend erkannt werden sollte – auch der vom Beklagten zur Aufrechnung eingewendeten Gegenforderungen einzugehen. Dem Rekurs der Klägerin gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf §§ 40, 50, 52 ZPO.
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