European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00075.14D.0520.000
Spruch:
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung
Die Klägerin erhebt eine Räumungsklage wegen titelloser Benutzung einer Liegenschaft, an der ihr testamentarisch ein lebenslanges Nutzungsrecht eingeräumt worden ist.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten mit seinem nach dem 30. 6. 2009 gefassten Urteil (Art 16 Abs 4 Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr 52/2009) nicht Folge; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei.
Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche Revision“ des Beklagten an den Obersten Gerichtshof, worin der Antrag gestellt wird, der Oberste Gerichtshof möge das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abändern, hilfsweise aufheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz rückverweisen, legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:
Rechtliche Beurteilung
Nach dem Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR, und die ordentliche Revision ist nicht zulässig. Unter diesen Umständen wäre die außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof nach § 505 Abs 4 ZPO nur dann zulässig, wenn es sich um eine Streitigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO handelte.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausnahme von der wertgrenzenmäßigen Beschränkung der Revisionszulässigkeit nur dann anwendbar, wenn über das Bestandverhältnis selbst und seine wirksame Beendigung zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0043261), wenn also die Klage aus der Beendigung eines Bestandverhältnisses resultiert und dieses Verhältnis auch bereits in der Klage behauptet wurde (RIS‑Justiz RS0122891). Klagen auf Räumung gehören, wenn sie die Benützung des Objekts ohne Rechtsgrund geltend machen, nicht zu den Streitigkeiten, die ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands gemäß § 49 Abs 2 Z 5 JN den Bezirksgerichten zugewiesen sind (vgl RIS‑Justiz RS0046865).
Für die Frage, ob der in § 502 Abs 3 Z 2 ZPO angeführte Ausnahmefall einer streitwertunabhängigen Revisionszulässigkeit vorliegt, ist von den Behauptungen des Klägers auszugehen. Ein Rückgriff auf die Einwendungen des Beklagten ist nur dann zulässig, wenn dadurch ein auslegungsbedürftiges Vorbringen des Klägers verdeutlicht werden kann (RIS-Justiz RS0043003, vgl RS0046236).
Hier stützt die Klägerin ihr Räumungsbegehren darauf, dass der Beklagte das zu räumende Objekt eigenmächtig und titellos benütze; dass der Beklagte jemals Bestandnehmer gewesen sei, behauptet sie nicht.
Da somit eine Ausnahme von der wertmäßigen Beschränkung der Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht vorliegt, ist eine Revision nach § 502 Abs 3 ZPO ‑ außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO ‑ jedenfalls unzulässig, wenn ‑ wie hier ‑ der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat.
Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.
Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde. Dieser Mangel ist jedoch nach § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig (RIS-Justiz RS0109623).
Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109501, RS0109623).
Das Rechtsmittel wäre demnach ‑ auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird ‑ dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).
Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
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