Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Der gegen die klagenden Parteien als Verpflichtete erlassene Strafvollzugsbeschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 19.März 1990, 3 E 16487/89-13, wird für unzulässig erklärt."
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 77.550,32 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 12.516,72 Umsatzsteuer und S 2.450 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit einstweiliger Verfügung vom 15.November 1989, 17 Cg 128/89-4, untersagte das Handelsgericht Wien auf Antrag der Beklagten (als Klägerin) den klagenden Parteien (als Beklagten), Veröffentlichungen in der N*****-Zeitung" anzukündigen oder vorzunehmen, wenn diese Veröffentlichungen nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" angekündigt bzw gekennzeichnet sind und für die Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, es sei denn, daß Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können.
Mit Beschluß vom 6.12.1989, 3 E 16487/89-1, bewilligte das Erstgericht der Beklagten als betreibender Partei auf Grund dieser einstweiligen Verfügung die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte über die Beklagten als Verpflichtete eine Geldstrafe von S 40.000. Auf Grund von der Beklagten behaupteter neuerlicher Verstöße gegen den Exekutionstitel verhängte das Erstgericht über die Klägerinnen in der Folge weitere Geldstrafen (Beschlüsse vom 18.1.1990, ON 3, und vom 31.1.1990, ON 5).
Mit der Behauptung, daß die Klägerinnen dem Exekutionstitel und der Exekutionsbewilligung durch die Veröffentlichung des Beitrages unter dem Titel "Haben Sie den idealen Job?" in der "N*****-Zeitung" vom 16.3.1990 abermals zuwidergehandelt hätten, erwirkte die Beklagte die Verhängung von Geldstrafen in der Höhe von je S 80.000 über die Klägerinnen (Beschluß vom 19.3.1990, 3 E 16487/89-13).
Der von der Beklagten beanstandete Beitrag hatte folgenden Wortlaut:
Abbildung nicht darstellbar!
Für diese Einschaltung hatten die Klägerinnen ein Entgelt erhalten.
Gegen den Strafvollzugsbeschluß des Exekutionsgerichtes Wien, 3 E 16487/89-13, erheben die Klägerinnen Einwendungen gemäß § 36 EO mit dem Antrag, diese "Exekutionsbewilligung" für unzulässig zu erklären. Da schon aus der äußeren Aufmachung der Einschaltung klar zu erkennen sei, daß es sich dabei nicht um einen redaktionellen Beitrag, sondern um ein Inserat handle, hätten sie nicht gegen § 26 MedienG und damit auch nicht gegen den Exekutionstitel verstoßen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Redaktionelle Artikel könnten in vielfältiger Form gestaltet sein. Zweifel über die Entgeltlichkeit der beanstandeten Veröffentlichung seien hier weder durch deren Gestaltung noch durch deren Anordnung ausgeschlossen.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Für einen Durchschnittsbetrachter ergebe sich bei flüchtiger Betrachtung keineswegs zweifelsfrei, daß die beanstandete Veröffentlichung kein redaktioneller Bericht, sondern eine bezahlte Einschaltung sei, zumal sie im redaktionellen Teil aufscheine. Die Klägerinnen hätten demnach dem Exekutionstitel und der Exekutionsbewilligung zuwidergehandelt.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragt, dieses Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil eine Zeitungseinschaltung nach Art der beanstandeten Veröffentlichung noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war und sich die konkrete Lösung des hier zu entscheidenden Falles auch nicht aus den bisher zu § 26 MedienG von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Leitsätzen ergibt. Der Oberste Gerichtshof kann aber im Wettbewerbsrecht seiner Leitfunktion nur dann gerecht werden, wenn er nicht nur die richtige Wiedergabe von Leitsätzen der Judikatur, sondern überall dort, wo es nach der Lage des Falles die Rechtssicherheit, die Rechtseinheit oder die Rechtsentwicklung erfordert, auch die richtige Konkretisierung der in Betracht kommenden unbestimmten Gesetzesbegriffe prüft (ÖBl 1984, 48; ÖBl 1988, 75 uva).
Die Revision ist aber auch berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung darf die Exekution nur dann bewilligt werden, wenn das behauptete konkrete Verhalten titelwidrig ist (ÖBl 1982, 51; ÖBl 1983, 149 uva); ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung ist als bejahende Bedingung für den Eintritt der materiellen Vollstreckbarkeit im Sinne des § 7 Abs 2 Satz 2 EO am Inhalt des Exekutionstitels zu messen. Behauptet der Verpflichtete, daß die Voraussetzungen für die Exekutionsbewilligung nicht zuträfen, dann kann er - auch anstelle eines allenfalls möglichen Rekurses - Klage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (EvBl 1973/184 uva). Im vorliegenden Fall behaupten die Klägerinnen nicht, daß die Exekution zu Unrecht bewilligt worden sei, sondern nur, daß die Voraussetzungen für einen bestimmten auf Grund der Exekutionsbewilligung erlassenen Vollzugsbeschluß nicht vorhanden gewesen seien; auch in diesem Fall kann eine Impugnationsklage erhoben werden (Heller-Berger-Stix 434; SZ 45/84 ua).
Mit dem Exekutionstitel und der damit übereinstimmenden Exekutionsbewilligung wurde den Klägerinnen als Verpflichteten - in Übereinstimmung mit § 26 MedienG - verboten, in der "N*****-Zeitung" gegen Entgelt Veröffentlichungen anzukündigen oder vorzunehmen, wenn diese nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" angekündigt bzw gekennzeichnet sind, es sei denn, daß Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können. Daß die Beklagte für die beanstandete Einschaltung ein Entgelt bekommen hat, steht außer Streit. Da ein aufklärender Zusatz über die Entgeltlichkeit in Form einer der drei im Exekutionstitel (und in § 26 MedienG) aufgezählten Ausdrücke fehlt, hängt die Entscheidung nur davon ab, ob durch die Gestaltung oder Anordnung des Textes "Haben Sie den idealen Job?" Zweifel über dessen Entgeltlichkeit ausgeschlossen werden können. Maßstab für diese Beurteilung ist das angesprochene Publikum, an dessen Aufmerksamkeit, Erfahrung und Sachkunde ein Durchschnittsmaßstab anzulegen ist (Schuhmacher, Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung 224; Wünsch, Das Gebot der Trennung von redaktionellem Text und Werbung,
Schönherr - GedS 91 ff (94); MR 1991, 75). Erweckt die Überschrift "Haben Sie den idealen Job?" das Interesse eines Zeitungslesers, so daß er die zwölf gestellten Fragen beantwortet, dann wird er - spätestens nach dem Ausfüllen der für "Ja" oder "Nein" vorgesehenen Felder - auch sein Augenmerk darauf lenken, was aus seinen Antworten geschlossen wird. Dabei muß ihm bewußt werden, daß es sich bei dem Fragenkatalog nicht etwa um einen der in Medien durchaus üblichen Tests (zum Zweck der Selbsterkenntnis) handelt, sondern um die Personalsuchanzeige eines Unternehmens; ausdrücklich wird ja darauf hingewiesen, daß "wir" junge Leute zum gemeinsamen Erfolg suchen, daß sich gute Leute "bei uns" sehr gut entwickeln könnten. Der Name des Unternehmens wird zwar nicht angeführt, wohl aber eine Telefonnummer und der Name der darunter zu erreichenden Person. Auch wenn man in die Aufmerksamkeit und Intelligenz des durchschnittlichen Lesers keine allzu hohen Erwartungen setzt, kann doch der Beklagten angesichts des Wortlautes der Einschaltung nicht dahin gefolgt werden, der Durchschnitsleser (der "N*****-Zeitung") werde glauben, ein redaktionell gestaltetes Quiz vor sich zu haben, das er lösen solle, um Aufklärung darüber zu erhalten, ob er den idealen Job hat. Dem Leser der Fragen kann aber auch nicht der Gedanke kommen, die Zeitung selbst (also die Zeitungsunternehmer) suchten Mitarbeiter, wird doch nach dem Interesse an einem Ganztagsjob im Handel (Frage 5) und einer bisherigen Tätigkeit als Verkäufer (Frage 6) gefragt.
Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat (MR 1990, 237; MR 1991, 75), bedarf § 26 MedienG im Hinblick auf seinen offenkundigen Zweck einer teleologischen Reduktion dahin, daß unter "Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstigen Beiträgen und Berichten" nur solche zu verstehen sind, die ihrem Inhalt nach als redaktionelle Beiträge verstanden werden können, wurde doch § 26 MedienG aus der Erwägung eingeführt, daß redaktionellen Beiträgen vom Leserpublikum ein größeres Vertrauen entgegengebracht wird, als Anzeigen, weil letztere offensichtlich den Interessen derer dienen, die dafür zahlen (RV 39 in Hartmann-Rieder, Kommentar zum Mediengesetz 162). Für einen redaktionellen Beitrag, dem der Zeitungsleser im allgemeinen wesentlich mehr Glaubwürdigkeit zumißt als einer Werbemitteilung, kann aber der durchschnittliche Leser die beanstandete Veröffentlichung nicht halten.
Daß manche Leser erst nach dem Lesen des gesamten Textes dessen Charakter als Werbung (um Personal) erkannt haben, schadet nichts. Zweck des § 26 MedienG ist es ja nicht, Leute vor dem Lesen bezahlter Einschaltungen zu bewahren, sondern nur, eine Täuschung über die Interessenlage der Verfasser zu vermeiden. Auch die in § 26 MedienG angeführten Begriffe werden mitunter erst nach dem Lesen des Beitrages wahrgenommen.
Sofern ein Leser nur die Überschrift "Haben Sie den idealen Job?" liest, den übrigen Text aber nur interesselos überfliegt, dann mag ihm zwar der Werbezweck entgehen; er kann aber auch nicht in seinem Vertrauen auf die Objektivität einer von der Redaktion verantworteten Berichterstattung getäuscht werden. Für ihn ist der beanstandete Beitrag nicht als Werbung wirksam; es besteht demnach auch keinerlei Notwendigkeit, ihn darüber aufzuklären, daß es sich um eine entgeltliche Werbeeinschaltung handle (vgl MR 1991, 75).
Da die Klägerinnen sohin mit der beanstandeten Einschaltung nicht gegen § 26 MedienG und damit auch nicht gegen den Exekutionstitel und die Exekutionsbewilligung verstoßen haben, wurde der bekämpfte Strafvollzugsbeschluß zu Unrecht erlassen. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird. Der Spruch war gegenüber dem Klageantrag insoweit zu verdeutlichen, als nicht die "Exekutionsbewilligung", sondern der - ausdrücklich in der Klage angegriffene - Strafvollzugsbeschluß vom 19.3.1990 für unzulässig erklärt wird.
Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf dieselbe Gesetzesstelle in Verbindung mit § 50 ZPO.
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