European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00072.15I.0616.000
Spruch:
Das Verfahren über die Revision der beklagten Partei bleibt bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Parteien sind Rauchfangkehrer. Der Kläger begehrt vom Beklagten Unterlassung und Schadenersatz, weil dieser gegen die in der Gewerbeordnung vorgesehene Beschränkung seiner Gewerbeberechtigung auf ein bestimmtes Kehrgebiet verstoßen habe. Der Beklagte wendet ein, dass diese Beschränkung gegen die RL 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoße und daher nicht anwendbar sei. Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.
Mit Vorabentscheidungsersuchen vom 20. Mai 2014, 4 Ob 31/14h, hat der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union um Auslegung verschiedener Bestimmungen der RL 2006/123/EG ersucht. Dieses Ersuchen war erforderlich, um die Unionsrechtskonformität der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bestimmungen der Gewerbeordnung beurteilen zu können. Diese Bestimmungen wurden jedoch mit dem BG BGBl I 2015/48 mit Wirkung ab 30. Juni 2015 geändert. Nunmehr gilt die Beschränkung auf ein bestimmtes Kehrgebiet nur mehr für „sicherheitsrelevante Tätigkeiten“, zu denen Rauchfangkehrer aufgrund landesgesetzlicher Bestimmungen verpflichtet sind.
Aufgrund dieser Rechtsänderung erwog der Senat die Rücknahme des Vorabentscheidungsersuchens. Er stellte den Parteien frei, sich dazu und zu den Folgen der Neuregelung für das vorliegende Verfahren zu äußern.
Der Kläger sprach sich „nicht gegen“ die Rücknahme des Vorabentscheidungsersuchens aus. Die Neuregelung habe keine Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren, weil der Beklagte auch in Zukunft für die Vornahme „sicherheitsrelevanter Tätigkeiten“ iSv § 120 Abs 1 Satz 2 GewO idF BG BGBl I 2015/48 auf sein Kehrgebiet beschränkt sei. Dazu gehöre insbesondere das landesrechtlich in bestimmten zeitlichen Abständen vorgeschriebene Kehren von Rauchfängen.
Der Beklagte wandte sich gegen die Rücknahme des Vorabentscheidungsersuchens. Der Entscheidung sei die Rechtslage bei Schluss der Verhandlung erster Instanz zugrunde zu legen. Zudem sei auch die Neuregelung nicht mit der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar, weil der Gebietsschutz im Bereich sicherheitsrelevanter Tätigkeiten gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße.
Der Senat hat Folgendes erwogen:
1. Es kann dahinstehen, ob das Unterlassungsbegehren noch von der Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen abhängt.
2. Jedenfalls das Schadenersatzbegehren ist nach jenem Recht zu beurteilen, das zum Zeitpunkt des schadensverursachenden Verhaltens galt (17 Ob 34/08m mwN; RIS-Justiz RS0116364). Zumindest insofern bleibt daher relevant, ob die Bestimmungen der Gewerbeordnung zur Beschränkung der Gewerbeberechtigung auf bestimmte Kehrgebiete vor deren Novellierung unionsrechtskonform waren oder nicht. Aus diesem Grund ist von der Rücknahme des Vorabentscheidungsersuchens abzusehen.
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