European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00068.24I.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Zwischen dem klagenden Pächter und der beklagten Verpächterin besteht ein Pachtvertrag über mehrere Liegenschaften.
[2] Ihre Rechtsvorgänger hatten ihn zunächst für die Zeit von 1. 11. 1983 bis 31. 10. 1995 geschlossen. Sie hatten vereinbart, dass er sich um sechs Jahre verlängere, wenn keine der Parteien spätestens ein Jahr vor Vertragsende mit eingeschriebenem Brief die Vertragsbeendigung begehre. Für die Zeit nach Ablauf von jeweils weiteren sechs Jahren hatten sie die gleiche Vorgangsweise vereinbart.
[3] Die Vertragskündigung war demnach (bis 2025) zum 31. 10. der Jahre 1995, 2001, 2007, 2013, 2019 und 2025 möglich (nicht aber zum 31. 10. 2024).
[4] Nachdem der Pachtvertrag stillschweigend über den 31. 10. 1995 hinaus verlängert worden war, erklärte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger am 26. 1. 1996, bis zum 31. 10. 2013 auf das Kündigungsrecht zu verzichten. Sie ergänzte, dass alle anderen vertraglichen Bestimmungen unverändert aufrecht und für die gesamte Pachtdauer in Geltung blieben.
[5] Am 18. 12. 2000 erklärte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger wörtlich, den Kündigungsverzicht „bis zum 31. 10. 2024“ zu erweitern. Sie ergänzte, dass die übrigen vertraglichen Bestimmungen und die Ergänzungen vom 26. 1. 1996 unverändert aufrecht blieben. Der Kläger nahm die Erklärung zur Kenntnis und bewirtschaftete die verpachteten Liegenschaften weiter.
[6] Beide Parteien verstanden die Erklärung vom 18. 12. 2000 übereinstimmend so, dass die Beklagte den Pachtvertrag zum 31. 10. 2025 kündigen kann, wenn sie dem Kläger die Beendigungserklärung spätestens ein Jahr davor eingeschrieben übermittelt.
[7] Am 1. 9. 2021 kündigte die Beklagte den Vertrag – offenbar in der vereinbarten Form, zumindest behauptet der Kläger nicht die Formungültigkeit der Kündigung – wörtlich mit Ablauf des „31. 10. 2024“. Tatsächlich meinte sie eine Kündigung zum 31. 10. 2025.
[8] Am 3. 2. 2023 erklärte die Beklagte dem Kläger (nunmehr entsprechend ihrem bereits ursprünglichen Willen), den Vertrag zum 31. 10. 2025 zu kündigen.
[9] Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Kündigung zum 31. 10. 2025 und hilfsweise zum 31. 10. 2024 unwirksam sei und der Pachtvertrag über den 31. 10. 2025 und hilfsweise über den 31. 10. 2024 hinaus aufrecht sei. Er meinte, die Beklagte habe bis 31. 10. 2024 darauf verzichtet, die Kündigung zu erklären. Sie könne eine Kündigung daher frühestens am 1. 11. 2024 erklären. Aufgrund der einjährigen Kündigungsfrist sei eine Kündigung nicht zum 31. 10. 2025, sondern erst zum 31. 10. 2031 möglich.
[10] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, die Kündigung des Vertrags zum 31. 10. 2025 entspreche den vertraglichen Bestimmungen und den Verzichtserklärungen.
[11] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, das Klagebegehren abzuweisen. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass der Pachtvertrag frühestens zum 31. 10. 2025 beendet werden könne, und zwar dann, wenn die Kündigungserklärung dem Kläger zumindest ein Jahr zuvor zukomme; das sei die Absicht der Parteien (§ 914 ABGB) gewesen. Im Übrigen könne eine Kündigung zu einem Termin, der nicht mehr in den Zeitraum eines vertraglichen Kündigungsverzichts falle, im Zweifel bereits während des Verzichtszeitraums erhoben werden. Zum Eventualbegehren bestehe kein Feststellungsinteresse, weil die Beklagte bereits vor der Klageeinbringung klargestellt habe, den Pachtvertrag nicht mit Ablauf des 31. 10. 2024, sondern erst mit Ablauf des 31. 10. 2025 zu kündigen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[13] 1. Der Kläger meint, mit der Feststellung zum übereinstimmenden Verständnis der Parteien vom Inhalt der Erklärung vom 18. 12. 2000 über den Kündigungsverzicht habe das Berufungsgericht unvertretbar eine „überschießende Feststellung“ verwertet.
[14] 1.1. Bei der Beurteilung, ob eine Feststellung überschießend ist, ist nicht zu prüfen, ob sie sich wörtlich mit dem Parteienvorbringen deckt, sondern nur, ob sie sich im Rahmen des Klagegrundes oder der Einwendungen des Beklagten hält (4 Ob 25/16d; 9 ObA 139/16f; 4 Ob 143/18k; vgl auch RS0040318 [T1, T6]; RS0037972 [T1, T9]). Ob eine überschießende Feststellung vorliegt, ist – sofern dem Berufungsgericht keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufenist – eine Frage des Einzelfalls, die über den einzelnen Rechtsstreit hinaus nicht bedeutsam ist (vgl RS0040318 [T3]; RS0037972 [T15]).
[15] 1.2. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Klagebegehrenentgegengehalten, sie sei – auch aufgrund der Erklärung vom 18. 12. 2000 – dazu berechtigt gewesen, den Pachtvertrag am 1. 9. 2021/3. 2. 2023 zum 31. 10. 2025 zu kündigen. Das Berufungsgericht ist vor diesem Hintergrund vertretbar davon ausgegangen, die Feststellung, dass beide Parteien die Erklärung vom 18. 12. 2000 im Sinne des Beklagtenvorbringens verstanden haben, als sich im Rahmen der Einwendungen der Beklagten haltend verwerten und daraus auf einen „natürlichen Konsens“ schließen zu können.
[16] 2. Auf das weitere Vorbringen des Klägers, dem Berufungsgericht sei bei der Auslegung der Erklärung vom 18. 12. 2000 anhand ihres objektiven Erklärungswerts eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen – auch im Zusammenhalt mit dem Pachtvertrag –, ist nicht mehr einzugehen, weil der „natürliche Konsens“ dem objektiven Erklärungswert nach der einhelligen Rechtsprechung stets vorgeht (vgl RS0014005; RS0014160 [T18, T22]; RS0017741).
[17] 3. Mit dem – vom Berufungsgericht verneinten – rechtlichen Interesse (§ 228 ZPO) an der hilfsweise begehrten Feststellung, der Pachtvertrag sei über den 31. 10. 2024 hinaus aufrecht, setzt sich der Kläger nicht mehr auseinander.
[18] 4. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.
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