Spruch:
Kein Anspruch eines - in einem Dienstverhältnis stehenden - Dirigenten auf ein Entgelt für die Rundfunksendung von mit seiner Zustimmung aufgenommenen Tonbändern.
Entscheidung vom 28. Jänner 1969, 4 Ob 66/68.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger war auf Grund eines dem Angestelltengesetz unterliegenden Dienstverhältnisses Dirigent des Vorarlberger Rundfunkorchesters. Sein Vertragspartner war zunächst die französische Besatzungsmacht, dann die Vorarlberger Landesregierung, anschließend die öffentliche Verwaltung des Österreichischen Rundfunks und schließlich die beklagte Partei (Österreichischer Rundfunk, Gesellschaft m. b. H.). Das Dienstverhältnis wurde durch Kündigung mit 30. September 1959 ordnungsgemäß aufgelöst. Nach dem Ausscheiden des Klägers wurden Bandaufnahmen von Aufführungen des vom Kläger dirigierten Vorarlberger Rundfunkorchesters durch die beklagte Partei weiterhin gesendet. Eine (vom Kläger behauptete) Vereinbarung, wonach zwischen den Streitteilen vereinbart worden sei, daß die Bandaufnahmen mit vom Kläger geleiteten Aufführungen des Vorarlberger Rundfunkorchesters nach dem Ausscheiden des Klägers oder nach der gleichzeitig erfolgten Auflösung dieses Orchesters nicht mehr gesendet werden dürfen oder gelöscht werden müssen, hat das Erstgericht als nicht erwiesen angenommen.
Das Erstgericht wies die Klage auf Rechnungslegung seit 1. Oktober 1962 über die Sendung aller Bandaufnahmen von Aufführungen, die von ihm dirigiert wurden, ab.
Ein Rechnungslegungsanspruch des Klägers bestehe deshalb nicht zu Recht, weil der Kläger keine Vereinbarung nachzuweisen vermochte, aus der sich ein Anspruch auf Abgeltung der Wiederholungssendungen ergebe. Die beklagte Partei habe das unbeschränkte Recht auf Weiterverwendung der Bänder, wobei das Entgelt für die Wiederholungssendungen im ehemaligen Gehalt des Klägers liege, sodaß auch ein Bereicherungsanspruch nicht bestehe.
Die Berufung des Klägers gegen das Ersturteil blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hat das Beweisverfahren neu durchgeführt und ist zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht gekommen. Der Kläger könne daher seinen Anspruch nicht auf die behauptete Vereinbarung stützen. Er könne seinen Anspruch aber auch nicht auf Grund des Urheberrechtsgesetzes geltend machen. § 66 UrhRG. gebe dem ausübenden Künstler (künstlerischen Leiter) das Recht, die Aufführung auf einem Bild- oder Schallträger festzuhalten. Dieses Recht habe der Kläger der beklagten Partei eingeräumt, sodaß diese schon nach dem Vorbringen des Klägers selbst berechtigt war, seine Leistungen festzuhalten und zu senden. Gemäß § 70 (2) UrhRG. bedürfe es keiner Einwilligung des Berechtigten mehr, diese auf Schallträger festgehaltene Leistung durch Sendungen zu verwerten. Ein Recht des Klägers auf Vergütung für Wiederholungen einer einmal festgehaltenen Leistung würde nur dann entstehen, wenn dies obligatorisch vereinbart worden wäre. Der Kläger habe seine Zustimmung zur Übertragung der von ihm geleiteten Aufführungen doppelt gegeben. Durch den Abschluß des Dienstvertrages habe er stillschweigend seine Zustimmung gegeben, daß die von ihm dirigierten Musikstücke von der beklagten Partei aufgezeichnet und später gesendet werden dürften. Wenn der Kläger und sein Orchester sich zu Bandaufnahmen zur Verfügung stellten, dann wäre er konkludent damit einverstanden gewesen, diese Aufnahme zu senden, weil es anderenfalls ja zu gar keiner Bandaufnahme gekommen wäre. Die Bezahlung eines Gehaltes sei das Honorar für die Aufnahme- und Sendeerlaubnis. Mangels einer einschränkenden Vereinbarung habe der Kläger der beklagten Partei als Veranstalter das unbefristete Recht eingeräumt, die Tonbänder zu senden. Die ursprüngliche Vereinbarung wirke über das beendete Dienstverhältnis hinaus.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Begehren des Klägers auf Rechnungslegung dient, wie er selbst ausführt, der Vorbereitung der Geltendmachung eines Anspruches auf ein angemessenes Entgelt im Sinne des Urheberrechtsgesetzes, welcher Anspruch ein besonders geregelter Bereicherungsanspruch ist (so auch Peter, Urheberrechtsgesetz, § 90, Anm. 1). Ein angemessenes Entgelt hat gemäß § 86 (1) Z, 3 UrhRG. u. a. derjenige zu bezahlen, der ... die Aufführung eines Werkes ... der Tonkunst den § 66 (5), § 69 (3), § 70 oder § 71 zuwider durch Rundfunk sendet. Es ist daher zu prüfen, ob die beklagte Partei durch die Wiederholungssendungen einer dieser vier Gesetzesstellen zuwidergehandelt hat.
a) Nach § 66 (5) UrhRG. dürfen Schallträger, die den Abs. 1 bis 3 zuwider hergestellt wurden, zu einer Rundfunksendung nicht benutzt werden. Nach § 66 (1) UrhRG. hat derjenige, der ein Werk ... der Tonkunst vorträgt oder aufführt, das ausschließliche Recht, den Vortrag oder die Aufführung - auch im Falle der Sendung durch Rundfunk - auf einem Bild- oder Schallträger festzuhalten, diesen zu vervielfältigen und zu verbreiten. Der Kläger hatte daher das ausschließliche Recht zu bestimmen, ob die von ihm geleiteten Aufführungen auf einem Schallträger, so auch auf einem Tonband, festgehalten werden durften. Im vorliegenden Fall hat aber der Kläger seine Zustimmung gegeben, daß die von ihm geleiteten Orchesteraufführungen auf Tonbändern aufgenommen wurden. Hat der Kläger aber der Aufnahme der von ihm geleiteten Aufführungen auf einem Schallträger zugestimmt, so liegt keine den Abs. 1 bis 3 des § 66 UrhRG. zuwider vorgenommene Aufzeichnung vor; die mit Zustimmung des Klägers von der beklagten Partei aufgenommenen Tonbänder seiner Orchesteraufführungen durften daher von der beklagten Partei gesendet werden, ihre Sendung verstieß nicht gegen § 66 (5) UrhRG. (so auch ausdrücklich Rintelen, Urheber- und Urhebervertragsrecht, S. 184).
b) § 69 (3) UrhRG. betrifft die Herstellung von Schallträgern zum eigenen Gebrauch und ist daher für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung.
c) Nach § 70 (1) UrhRG. darf ... die Aufführung eines Werkes ... der Tonkunst nur mit Einwilligung der Personen, deren Einwilligung nach § 66 (1) bis (3) UrhRG. durch Festhaltung auf Bild- oder Schallträgern erforderlich ist, durch Rundfunk gesendet werden, wobei §§ 33 (1) und 66 (4 UrhRG) . entsprechend gelten.
Nach § 70 (2) UrhRG. bedarf es der nach Abs. 1 erforderlichen Einwilligung nicht, wenn die Rundfunksendung mit Hilfe von Bild- oder Schallträgern vorgenommen wird, es sei denn, daß diese nach § 66 (5) oder § 69 (3 UrhRG) . zu einer Rundfunksendung nicht benutzt werden dürfen. Da die strittigen Bandaufnahmen zufolge der unter a) genannten Bestimmungen zu einer Rundfunksendung benutzt werden durften, bedurfte es daher auch keiner gesonderten Zustimmung des Klägers zu solchen Sendungen (so auch Rintelen a. a. O.).
d) § 71 UrhRG. betrifft die Verwertung durch anderweitige öffentliche Wiedergabe als durch Rundfunk und ist daher für diesen Rechtsstreit ohne Bedeutung.
Zusammenfassend muß daher gesagt werden, daß keiner der vier Fälle des § 86 (1) Z. 3 UrhRG. vorliegt, der dem Kläger einen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt gäbe. Überdies bestimmt § 66 (4) UrhRG., daß sich nach den das Rechtsverhältnis der Mitwirkenden zum Veranstalter regelnden Vorschriften und Vereinbarungen richtet, ob gegenüber dem Veranstalter von Aufführungen, die auf die im § 66 (1) UrhRG. bezeichnete Art verwendet werden sollen, die Verpflichtung besteht, an den Aufführungen mitzuwirken und eine Verwertung der Sendung durch Rundfunk zu gestatten. Nach diesen Vorschriften und Vereinbarungen richtet sich auch, ob einem Mitwirkenden ein Anspruch auf ein besonderes Entgelt gegen den Veranstalter zusteht. Daß der Kläger kraft seines Dienstverhältnisses verpflichtet war, an der Erstellung von Bandaufnahmen der Orchesteraufführungen mitzuwirken, gibt er selbst zu. Ob ihm ein gesonderter Honoraranspruch für die Mitwirkung an solchen Tonbandaufnahmen zusteht, richtet sich nach § 66 (4) UrhRG., somit gleichfalls nach seinem Dienstvertrag. Daß dieser Dienstvertrag ein besonderes Entgelt für die Mitwirkung an den Tonbandaufnahmen vorgesehen hätte, behauptet er nicht.
Der Anspruch auf Sonderentgelt kann auch nicht auf "Bereicherung" schlechthin gestützt werden, weil allfällige Bereicherungsansprüche des Klägers im § 86 UrhRG. besonders geregelt sind und dem Kläger, wie oben ausgeführt, nach dieser Gesetzesstelle ein solcher Bereicherungsanspruch nicht zusteht.
Wenn der Kläger weiter ausführt, daß es unmöglich gewesen sei, die Zustimmung zur honorarlosen Wiederholung der Sendung der Bandaufnahmen zu geben, weil sich der ausübende Künstler dadurch selbst die Existenzmöglichkeit nehmen würde, so ist damit keine rechtliche Unmöglichkeit aufgezeigt, sondern nur eine für ihn ungünstige wirtschaftliche Regelung, die aber die einmal erteilte Zustimmung zur Bandaufnahme und damit zur Sendung dieser Aufnahmen durch Rundfunk ohne gesondertes Honorar nicht nichtig macht.
Auch der Hinweis des Klägers darauf, daß ursprünglich nur Live-Sendungen vorgenommen wurden, vermag der Revision nicht zu einem Erfolg zu verhelfen. Als in der Folge Tonbandaufnahmen erfolgten, hat der Kläger jedenfalls davon gewußt, der Tonbandaufnahme zugestimmt und damit sein Recht als ausübender Künstler im Sinne der oben angeführten Gesetzesstellen in bezug auf Rundfunksendungen erschöpft.
Wenn der Kläger schließlich auf deutsche Entscheidungen und Literaturstellen hinweist, so besagen diese Hinweise nichts, weil sich das deutsche Urheberrecht wesentlich vom österreichischen unterscheidet.
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