OGH 4Ob66/13d

OGH4Ob66/13d23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache des ehemals mj M***** N*****, als Antragsgegner, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des Vaters D***** N*****, als Antragsteller, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Februar 2013, GZ 44 R 644/12z‑117, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 26. September 2012, GZ 45 PU 116/10z‑109, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00066.13D.0523.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Der Vater war mit Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 21. 5. 2003, GZ 23 P 38/00x‑7, ab 1. 7. 2002 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 330 EUR an den damals Minderjährigen verpflichtet.

Der Sohn beantragte am 4. 9. 2007 ‑ nach Modifikation (ON 22 und 70) ‑ die Erhöhung dieser Unterhaltsverpflichtung.

Der Vater stellte den Antrag auf Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung ab 1. 10. 2010 (ON 57 und 71) bzw ab 1. 4. 2011 (ON 71). In einem weiteren Schriftsatz vom 19. 7. 2011 (ON 76) begehrte der Vater, ihn von seiner Unterhaltsverpflichtung „jedenfalls mit dem 8. 7. 2011“ zu entheben, weil sein Sohn ihn erpresst habe und sich die Unterhaltsverpflichtung daher auf den notwendigen Unterhalt verringere, den die Mutter leiste.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 10. 8. 2011 (ON 79) wurde die Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seinem Sohn ua ab 1. 1. 2011 um 225 EUR auf insgesamt 555 EUR monatlich erhöht; die Anträge des Vaters ON 57 und 71 auf Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung wies das Erstgericht mit Beschlüssen vom 13. 7. 2011 (ON 73) und vom 10. 8. 2011 (ON 78) zurück bzw ab. Der Antrag des Vaters ON 76 war von diesen Entscheidungen nicht berührt.

Gestützt auf den Unterhaltstitel vom 21. 5. 2003 brachte der Sohn einen Exekutionsantrag gegen seinen Vater zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 660 EUR für die Zeit vom 1. 7. 2011 bis 31. 8. 2011 sowie des laufenden Unterhalts ab 1. 9. 2011 von 330 EUR monatlich ein (19 E 3399/11d des Erstgerichts).

Am 13. 9. 2011 machte daraufhin der Vater mit Oppositionsklage zu AZ 45 C 23/11v des Erstgerichts geltend, sein Sohn sei seit 1. 7. 2011 selbsterhaltungsfähig. Er stützte sich dabei sowohl auf die den Klagsbehauptungen zufolge eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit seines Sohnes (infolge mangelhaft betriebener Ausbildung) als auch auf das im Schriftsatz vom 19. 7. 2011 (ON 76) erstattete Vorbringen.

Das Erstgericht verkündete in der zweiten mündlichen Streitverhandlung am 30. 11. 2011 ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil (45 C 23/11v‑10). Darin stellte es fest, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Vaters gegenüber seinem Sohn laut Unterhaltstitel vom 21. 5. 2003 ab dem 1. 7. 2011 infolge Selbsterhaltungsfähigkeit und Verwirkung erloschen sind. Am 19. 3. 2012 bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit dieses Urteils.

Mit Schriftsatz vom 11. 4. 2012 (ON 93b) gab der Vater im gegenständlichen Außerstreitverfahren bekannt, dass er im Oppositionsprozess gegen seinen Sohn obsiegt habe, er berief sich auf die Rechtskraft, die Vollstreckbarkeit sowie die Präjudizialität des dort ergangenen Urteils und beantragte, ihn infolge Selbsterhaltungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten von seiner Unterhaltsverpflichtung ab dem 1. 7. 2011 zu entheben.

Das Erstgericht wies die Anträge vom 19. 7. 2011 (ON 76) auf Unterhaltsenthebung ab dem 8. 7. 2011 und vom 11. 4. 2012 (ON 93b) auf Unterhaltsenthebung ab dem 1. 7. 2011 zurück. Die Unterhaltsverpflichtungen des Vaters gegenüber seinem volljährigen Sohn seien aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils vom 30. 11. 2011 ab 1. 7. 2011 erloschen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zur Streitanhängigkeit „in der hier vorliegenden Konstellation“ zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig; entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab.

1.1. Der Senat hat zuletzt zu 4 Ob 17/11w ‑ ständiger Rechtsprechung folgend ‑ ausgesprochen, dass sich Einwendungen nach § 35 EO unmittelbar gegen den betriebenen Anspruch richten. Das der Oppositionsklage stattgebende Urteil spricht über den materiellrechtlichen Anspruch unmittelbar ab. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass mit der Oppositionsklage alles erreicht wird, was auch mit einer (negativen) Feststellungsklage erreichbar ist. Sobald ein Exekutionsverfahren anhängig ist, ist nur mehr die Oppositionsklage zulässig (RIS‑Justiz RS0001715). Ein über die Oppositionsklage ergehendes Urteil, wonach ein bestimmter Anspruch erloschen ist, hat die gleiche Wirkung ‑ insbesondere auch Rechtskraftwirkung ‑ wie ein (negatives) Feststellungsurteil (RIS‑Justiz RS0001652). Die Oppositionsklage entfaltet Streitanhängigkeit gegenüber einer später eingebrachten Feststellungsklage. Letztere ist aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

1.2. § 12 Abs 2 AußStrG 2005 sieht für das Außerstreitverfahren nunmehr vor, dass bei Anhängigkeit desselben Verfahrensgegenstands bei mehreren Gerichten die Sache an jenes der an sich zuständigen Gerichte zu überweisen ist, bei dem sie zuerst anhängig wurde. Diese Bestimmung dient (wie § 233 ZPO oder Art 27 EuGVVO) dazu, parallele Verfahren und damit einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern. Innerhalb des Außerstreitverfahrens wird dies durch Verbindung der Verfahren beim zuerst angerufenen Gericht bewirkt; eine rechtswegübergreifende Verbindung kommt aber ebenso wenig in Betracht wie eine grenzüberschreitende. In Konstellationen wie der hier zu beurteilenden (gleiches Rechtsschutzziel von Oppositionsklage und späterem Enthebungsantrag) ist daher mit Zurückweisung des später eingebrachten Enthebungsantrags vorzugehen. Dieses Ergebnis legt auch der Grundsatz der Prozessökonomie nahe, demzufolge „Verfahrenswiederholungen“ (die im Falle der Zulassung des Antrags auf Unterhaltsenthebung bei gleichzeitig anhängigem Oppositionsverfahren gegeben wären) möglichst zu vermeiden sind (4 Ob 17/11w; vgl RIS‑Justiz RS0126868).

2.1. Von diesen Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist das Rekursgericht mit Zurückweisung des Enthebungsantrags vom 11. 4. 2012 (gegen die allein sich das Rechtsmittel inhaltlich wendet) nicht abgewichen.

2.2. Der Rechtsmittelwerber lässt bei seiner Argumentation außer Acht, dass er den Antrag vom 11. 4. 2012 erst nach Rechtskraft des Urteils im Oppositionsprozess eingebracht hat, mit dem er das idente Rechtsschutzziel bereits erreicht hat. Das Urteil im Oppositionsprozess wirkt nämlich über den Rahmen der einzelnen Exekution hinaus (vgl RIS‑Justiz RS0001660) und entscheidet über den Bestand des Anspruchs mit Rechtskraftwirkung (vgl RIS‑Justiz RS0001699). Der Rechtsmittelwerber hat daher bereits im Oppsitionsprozess nicht nur die konkrete Exekutionsführung, sondern den Anspruch als solchen erfolgreich bekämpft. Dass der Unterhaltstitel vom 10. 8. 2011 betragsmäßig jenen vom 21. 5. 2003 übersteigt, ist unter diesen Umständen ohne Bedeutung. Im Übrigen entsprechen die im späteren Enthebungsantrag geltend gemachten Enthebungsgründe den im Oppositionsurteil genannten Gründen für das Erlöschen der Unterhaltspflicht.

3. Das in § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG 2005 enthaltene Erfolgsprinzip rechtfertigt einen Kostenzuspruch dann, wenn in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen wurde (2 Ob 143/07d = RIS‑Justiz RS0122774). Solches hat der Antragsgegner hier unterlassen.

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