Spruch:
Eine kurzfristige Kündigung während des Urlaubes ist, da hiedurch der Urlaubszweck vereitelt werden würde, unzulässig. Die Kündigungsfrist beginnt in einem solchen Fall erst nach Beendigung des Urlaubes zu laufen.
Entscheidung vom 5. Februar 1952, 4 Ob 6/52.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Klägerinnen waren bei der Beklagten als Strickerinnen beschäftigt. Sie haben einverständlich am 30. April 1951 ihren Urlaub angetreten. Dieser endete am 16. Mai 1951. Während des Urlaubes wurden sie am 4. Mai 1951 auf zwei Tage nach dem Ende der Urlaubszeit gekundigt. Sie haben nach Wiedereinrücken vom Urlaub noch einen halben Tag gearbeitet, doch bezahlte ihnen die Beklagte den Lohn für weitere 1/2 Tage als Entschädigung für die Postensuche aus. Die Klägerinnen begehren den Lohn für weitere 14 Tage, indem sie sich auf den Standpunkt stellen, daß eine Kündigung während des Urlaubes erst ab Ende des Urlaubes laufe.
Das Erstgericht wies die Begehren der Klägerinnen auf Bezahlung der Kündigungsfrist von 14 Tagen ab. Die Klägerinnen seien auf Wunsch der Beklagten, bei der sie als Strickerinnen beschäftigt gewesen seien, am 30. April 1951 auf Urlaub gegangen, der bis 16. Mai 1951 dauern sollte. Am 4. Mai 1951 seien sie von der Beklagten vierzehntägig gekundigt worden. Die Klägerinnen hätten nach Ablauf des Urlaubes von der Beklagten den Lohn für zwei Tage, von denen sie einen halben gearbeitet hätten, erhalten. Abgesehen davon, daß der Betriebsrat den Kündigungen zugestimmt habe und diese daher nicht mehr angefochten werden könnten, bestehe keine gesetzliche Vorschrift, die eine Kündigung während des Urlaubs verbiete. Durch eine solche Kündigung könnte den Klägerinnen nur insoweit ein Schaden entstanden sein, als ihnen die während der Kündigungsfrist zu gewährende Freizeit nicht eingeräumt worden sei. Hiefür seien sie aber durch die Bezahlung von eineinhalb Tagen angemessen entschädigt worden.
Infolge Berufung der Klägerinnen änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß den Klagen stattgegeben wurde. Nach dem Arbeiterurlaubsgesetz gebühre dem Arbeitnehmer ein Urlaub. Ein einseitiger Widerruf des Urlaubes durch den Arbeitgeber sei nicht möglich. Der Zweck des Urlaubes sei die Erholung des Arbeitnehmers. So wie einem Arbeitnehmer der Verbrauch des Urlaubes während der Kündigungsfrist nur dann zugemutet werden könne, wenn dadurch der Erholungszweck nicht beeinträchtigt werde, dürfe während des Urlaubes nur dann gekundigt werden, wenn dieser Zweck nicht vereitelt werde. Im vorliegenden Fall handle es sich um Arbeiterinnen mit zweiwöchiger Kündigungsfrist, deren Dauer den Urlaub nur um zwei Tage übersteige. In einem solchen Fall werde der Zweck des Urlaubes - die Erholung des Arbeitnehmers - durch die Kündigung zunichte gemacht. Deshalb hätte die Beklagte nach Ansicht des Berufungsgerichtes erst nach Ablauf des Urlaubes kundigen können und sie sei verpflichtet, den Klägerinnen die begehrten Kündigungsentschädigungen zu bezahlen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin glaubt eine im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochene Nichtigkeit des berufungsgerichtlichen Urteils darin zu erblicken, daß entgegen dem Klagebegehren auf Zuerkennung einer Kündigungsentschädigung eine Entschädigung für den Urlaub den Klägerinnen zuerkannt worden sei. Das Berufungsgericht habe diesen etwas zugesprochen, was nicht beantragt worden sei (§ 405 ZPO.). Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß das Berufungsgericht allerdings von der Ansicht ausging, im vorliegenden Falle sei der Urlaubszweck durch die Kündigung vereitelt worden. Der Schluß, den das Berufungsgericht aus dieser Tatsache zog, war aber nicht der, daß nunmehr der Urlaub zu entschädigen sei, sondern vielmehr, daß die Kündigung während des Urlaubes nicht zulässig gewesen sei und erst nach dessen Ablauf hätte vorgenommen werden dürfen. Die Kündigungsfrist habe erst von da ab zu laufen begonnen und die Klägerinnen hätten daher Anspruch auf die Kündigungsentschädigung für 14 Tage. Das Berufungsgericht ist über die Klagebegehren nicht hinausgegangen. Der Revisionsgrund der Nichtigkeit ist daher nicht gegeben.
Auch der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung liegt nicht vor.
Die Frage, ob ein Arbeiter während des Urlaubes gekundigt werden darf, ist bisher vom Obersten Gerichtshof nicht entschieden worden. Es liegt nur eine Entscheidung des Gewerbegerichtes Wien vom 15. Juli 1920, ArbSlg. 3215, vor, die diese Frage bejaht, weil das ArbUG. (1919) keine Bestimmung enthalte, daß die Kündigungsfrist nicht in die Urlaubsfrist fallen dürfe. Aber auch dann, wenn aus dem Zwecke des Urlaubes, der der Erholung und nicht der Arbeitssuche gewidmet sein soll, geschlossen würde, daß die Klägerinnen während des ihnen nach dem Gesetze gebührenden Urlaubes nicht in die Zwangslage versetzt werden dürften, den gesetzlichen Urlaub zur Arbeitssuche zu verwenden, könnten die Klägerinnen in ihren Urlaubsansprüchen nicht als verkürzt gelten, denn nach dem ArbUG. hätten sie nur Anspruch auf eine Woche bezahlten Urlaubes gehabt, dieser Anspruch sei ihnen unverkürzt zugewendet worden, denn die beklagte Firma habe ihnen freiwillig einen weiteren bezahlten Urlaub von zwei Wochen bewilligt und in diese Urlaubszeit einen Teil der Kündigungsfrist hineinfallen lassen. Gegen diesen Vorgang sei auch bei der rigorosesten Auslegung des Sinnes des ArbUG. nichts einzuwenden.
Die Entscheidung Slg. 3215 übersieht, daß es nicht darauf ankommt, ob ein Urlaub freiwillig gewährt wurde, oder ob der Arbeiter ein Recht auf Urlaubserteilung hatte. Denn sobald einmal der Urlaub bewilligt worden ist, hat der Arbeiter auch das Recht erworben, diesen Urlaub zu einer ungestörten Erholung zu verwenden. Das ist aber nicht der Fall, Wenn der Urlaub dadurch gestört wird, daß dem Arbeiter während des Urlaubes kurzfristig das Dienstverhältnis auf das Ende des Urlaubes oder wenige Tage nachher aufgekundigt wird. Es kann daher aus den Gründen der Entscheidung Slg. 3215 kein entscheidendes Argument zugunsten der Auffassung des Erstgerichtes gewonnen werden, zumal da die Entscheidung selbst gar nicht versucht, die Einwendung zu widerlegen, daß eine kurzfristige Kündigung während des Urlaubes dem Zwecke des Urlaubes widerspräche, daß der Urlaub der Erholung und nicht der Arbeitssuche gewidmet sein soll.
Der umgekehrte Fall, daß die Kündigung der Urlaubsgewährung voran geht und der Dienstgeber die Kündigungsfrist dem Arbeiter einseitig zur Urlaubszeit bestimmt, ist wiederholt in der Rechtsprechung entschieden worden, u. zw. überwiegend zugunsten des Arbeiters. Die älteste Entscheidung (Gew.G. Wien vom 19. September 1911, Arb.Slg. 1994) hatte das Recht des Dienstgebers, den Urlaub in der Kündigungsfrist zu gewähren, bedenkenlos bejaht; dem hat sich die Judikatur des Gewerbegerichtes der nächstfolgenden Jahre angeschlossen. Den gegenteiligen Standpunkt nimmt erstmalig das Einigungsamt Linz im Schiedsspruch vom 28. Dezember 1922, Arb.Slg. 3133, ein, wo der Rechtssatz ausgesprochen wird, daß man einen Angestellten, der Anspruch auf zwei Wochen Urlaub hat, nicht verhalten könne, diesen Urlaub gerade während der sechswöchigen Kündigungsfrist zu absolvieren; denn der Urlaub solle der Erholung des Angestellten dienen, könne also nicht in eine Zeit verlegt werden, die dem Angestellten hiezu nicht genehm sei. Dieser für das Angestelltengesetz in Arb.Slg. 3133 erstmalig ausgesprochene Grundsatz ist dann im Schiedsspruch vom Einigungsamt Dornbirn vom 4. Oktober 1923, Arb.Slg. 3217, auch auf die dem ArbUG. (1919) unterliegenden Dienstverhältnisse ausgedehnt worden.
Der Oberste Gerichtshof hat sich dieser Praxis in der grundlegenden Entscheidung vom 25. März 1925, Arb.Slg. 3521, angeschlossen.
Eine ausdrückliche Bestimmung, welche der Urlaubsgewährung während der Kündigungsfrist entgegenstehe, bestehe allerdings nicht. Man werde aber, solle nicht eine Umgehung des Gesetzes begünstigt werden, eine derartige Urlaubsgewährung nur dann billigen können, wenn dadurch nicht der Zweck des Urlaubes vereitelt werde, der vornehmlich darin bestehe, daß sich der Arbeiter - es handelt sich um einen dem Arbeiterurlaubsgesetz unterliegenden Fall - unbekümmert um Existenzsorgen, ausschließlich seiner Erholung widmen könne. Entscheidend sei, daß der Kläger durch die Kündigung seine Stelle verloren habe und daß er daher, wollte er nicht einer Notlage gegenüberstehen, sich genötigt sah, einen neuen Posten zu suchen. Dies sei mit dem vom Gesetz gewollten Zweck eines Urlaubes unvereinbar, und daher verstoße die Gewährung eines Urlaubes unter solchen Umständen geradezu gegen das Gesetz.
An diesen Grundsatz haben sich die Untergerichte seither ausnahmslos gehalten. Es kann seither als feststehende Praxis angesehen werden, daß es bei kurzen Kündigungsfristen dem Arbeiter (Angestellten) nicht zugemutet werden kann, den Urlaub in der Kündigungsfrist zu nehmen. Bemerkenswert ist, daß auch die deutsche Praxis nach der Okkupation Österreichs sich der Judikatur unserer Gewerbegerichte in diesem Punkt angeschlossen hat. Das Reichsarbeitsgericht führte in Abänderung einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Breslau in dem Urteil vom 12. Juli 1939, RArb.G. 21, 241, ganz im Sinne der österreichischen Judikatur aus, daß grundsätzlich einem gekundigten Bauarbeiter die verhältnismäßig nur kurze Kündigungsfrist zur Suche einer anderen Arbeitsstelle zur Verfügung bleiben müsse. Die Fürsorgepflicht des Unternehmers gebiete es deshalb, den Wünschen eines gekundigten Arbeiters, den Urlaub nicht in die Kündigungsfrist zu legen, Rechnung zu tragen.
Geht man nun mit der Entscheidung Arb.Slg. 3521 davon aus, daß es mit dem vom Gesetz gewollten Zweck unvereinbar sei, den Arbeitnehmer zu zwingen, seinen kurzfristigen Urlaub in der Kündigungsfrist zu nehmen, weil dadurch der Urlaubszweck vereitelt wird, so muß man folgerichtig dem Dienstgeber auch das Recht absprechen, während des Urlaubes kurzfristig zu kundigen, weil dadurch der Urlaubszweck vereitelt wird; der Arbeitnehmer wird dadurch genötigt, seinen Urlaub abzubrechen, um sich sofort auf die Stellensuche zu begeben, was mit noch größeren Unannehmlichkeiten und Kosten verbunden ist, als wenn er anläßlich der Kündigung gezwungen wird, sofort auf Urlaub zu gehen. Ein Dienstgeber, der bei kurzfristigen Kündigungsfristen während des Urlaubes kundigt, verletzt damit die mit dem Dienstnehmer getroffene Vereinbarung, daß er sich während der ihm als Urlaub bewilligten Zeit erholen soll. Denn wenn der Urlaubsantritt mit einem bestimmten Tag einmal einverständlich festgelegt worden ist, so ist auch der Dienstgeber an diese Abmachung gebunden und darf ihr daher nicht zuwiderhandeln. Das tut er aber, wenn er durch die nachfolgende Kündigung den Erholungszweck zunichte macht.
Der Oberste Gerichtshof kommt daher mit dem Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß eine Kündigung mit kurzer Kündigungsfrist während des Urlaubes die Kündigungsfrist nicht in Lauf setzt, sondern erst nach Beendigung des Urlaubes wirksam wird. Die Kündigungsfrist beginnt daher erst mit dem Ablauf des Urlaubes. In der Rechtsprechung ist es unbestritten, daß die Angabe eines zu kurzen Kündigungstermins die Kündigung nicht unwirksam macht, sondern nur die Wirkung hat, daß die Kündigung erst in dem Termin wirksam wird, auf den frühestens hätte gekundigt werden können. Das muß umgekehrt auch dann gelten, wenn nicht sofort, sondern erst frühestens nach Ablauf einer bestimmten Frist, hier nach Beendigung des Urlaubes, hätte gekundigt werden können. Übrigens wäre für die Beklagte nichts gewonnen, wenn man die während des Urlaubes abgegebene Kündigungserklärung für absolut unwirksam ansehen wollte; denn dann wären die Klägerinnen überhaupt nicht gekundigt und könnten ihren Lohn sogar über den von ihnen anerkannten Kündigungstermin hinaus verlangen. Da ihr Dienstverhältnis erst mit Ablauf der Kündigungsfrist, die vom Urlaubsende an läuft, endete, steht ihnen der Lohnanspruch und nicht bloß eine Urlaubsentschädigung zu.
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