Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Abweisung wie folgt zu lauten hat:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, das Befahren der über die Grundstücke Nr 593/1 und 593/2, EZ 13 KG D***** des Klägers führenden Weganlage zu unterlassen, wenn dabei dritte Personen zwecks Ausübung der Jagd befördert werden, wird abgewiesen. Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 2.587,56 EUR (darin 343,76 EUR USt und 525 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer zweier Grundstücke, über die ein Forstweg führt. Wegehalterin ist eine Bringungsgenossenschaft. Der Beklagte benützt die über die Grundstücke des Klägers führende Weganlage seit Jahren sowohl als Zufahrt zu einer gemieteten Hütte als auch zu Zwecken der Jagd. Er ist Jagdbevollmächtigter im Sinn des § 2 Abs 3 Kärntner Jagdgesetz (K-JG) und damit Jagdausübungsberechtigter in einem über diese Weganlage erreichbaren Eigenjagdgebiet. Der Beklagte wurde in den vorangehenden, zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren 1 C 1447/03d und 1 C 15/04t des Bezirksgerichts Spittal/Drau vom Kläger (dort Erstkläger) und einem weiteren Grundeigentümer (dort Zweitkläger) auf Unterlassung des Befahrens der über die Grundstücke der beiden Kläger führenden Weganlage, in eventu zu jagdlichen Zwecken (erstes Eventualbegehren) und/oder zu jagdlichen Zwecken mit geladener oder ungeladener Waffe oder mit erlegtem Wild (zweites Eventualbegehren) in Anspruch genommen. In seiner Entscheidung vom 13. 7. 2004 wies das Bezirksgericht Spittal/Drau das Haupt- und die Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge (3 R 335/04f LG Klagenfurt). Für die Abweisung war die Feststellung entscheidend, dass beide Kläger dem Beklagten die Benutzung der Weganlage über ihre Grundstücke uneingeschränkt gestattet hatten. Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger, dem Beklagten das Befahren der über seine (namentlich genannten) Grundstücke führenden Weganlage zu untersagen, wenn dabei dritte Personen zwecks Ausübung der Jagd befördert werden. Der Beklagte missbrauche seine Berechtigung, auf dem Forstweg über die Grundstücke des Klägers zu fahren, indem er andere Personen, nämlich Jagdgäste quasi als „Jagdtaxi" befördere, wodurch ein gerichtliches, im Verfahren zu 23 Cg 17/99w des Landesgerichts Klagenfurt ausgesprochenes Verbot umgangen werde. Nach diesem Verbot dürfe nämlich der Eigenjagdberechtigte DI H***** selbst nicht über die Grundstücke des Klägers fahren und habe überdies auf seine Gäste entsprechend einzuwirken. Der Kläger habe weitere Unterlassungsgebote gegen Jagdgäste des Eigenjagdberechtigten rechtskräftig erwirkt. Deren Mitnahme durch den Beklagten umgehe seinen rechtskräftigen Titel. Der Beklagte wendete mangelnde Aktivlegitimation ein. Er benutze die Weganlage aufgrund eines Beschlusses der Bringungsgenossenschaft, die in einer außerordentlichen Vollversammlung vom 14. 3. 2002 den von ihm schon Jahre zuvor gestellten Antrag auf Erteilung einer uneingeschränkten Fahrbewilligung angenommen habe. Die Grundstücke des Klägers seien in die Verwaltung der Bringungsgenossenschaft übertragen worden, wodurch das Verfügungsrecht des Klägers über seine Grundstücke insoweit eingeschränkt worden sei, als es nach den Bestimmungen der Satzung durch die Bringungsgenossenschaft selbst ausgeübt werde. Im Übrigen liege entschiedene Rechtssache vor, weil das im vorliegenden Fall gestellte Begehren bereits Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung im vorangegangenen Verfahren 1 C 1447/03d des Bezirksgerichts Spittal/Drau gewesen sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es übernahm die Feststellungen des vorangegangenen Rechtsstreits zwischen den Streitteilen. Danach hatte der Kläger dem Beklagten im Jahr 1999 die unbefristete und unbeschränkte Befugnis eingeräumt, die über seine Grundstücke führende Forststraße zu befahren. Dementsprechend habe der Beklagte die Weganlage (und damit die Grundstücke des Klägers) nicht nur für private Zwecke, sondern auch zu Jagdzwecken benutzen dürfen und auch benutzt, ohne dass der Kläger ihm dies streitig gemacht hätte. Erst 2002 habe der Kläger erklärt, es sei ein Prozess (gegen DI H*****) wegen des Befahrens zu Zwecken der Jagd anhängig, er könne eine derartige Nutzung des Beklagten nicht mehr gestatten. Die außerordentliche Vollversammlung der Bringungsgemeinschaft vom 14. 3. 2002 habe den schon Jahre zuvor gestellten Antrag des Beklagten auf Fahrbewilligung auf dem Forstweg mehrheitlich gegen eine jährliche Gebühr von 50 EUR angenommen.
Das Erstgericht stellte noch ergänzend fest, der Beklagte sei Jagdbevollmächtigter der Ehegatten H*****. Er transportiere etwa 5 bis 7 Mal pro Jahr Jäger in seinem Auto und unter Verwendung des Forstwegs in deren Jagdgebiet. Der Kläger habe gegenüber mehrere namentlich angeführte Jagdgäste rechtskräftige Titel auf Unterlassung des Befahrens der über seine Grundstücke führenden Weganlage (sofern dies zu jagdlichen Zwecken und nicht zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken erfolge) erwirkt.
Rechtlich bejahte das Erstgericht die aktive Klagelegitimation. Das Benützungsrecht des Beklagten sei nicht aus der Satzung der Bringungsgemeinschaft, sondern aus einer Einzelvereinbarung mit dem Kläger abzuleiten. In dieser Vereinbarung habe der Kläger dem Beklagten eine Dienstbarkeit im Sinn des § 479 ABGB eingeräumt. Die Nutzung des Fahrrechts für jagdliche Zwecke bedeute keine Mehrbelastung für das Grundstück des Klägers im Sinn einer Ausdehnung der Dienstbarkeit. Eine unzulässige Ausweitung dieses Rechts bestehe aber darin, dass der Beklagte sein Fahrrecht auf den Transport von Jagdgästen ausgedehnt habe, um dadurch die gegen sie erlassenen rechtskräftigen Unterlassungsgebote zu umgehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und untersagte dem Beklagten das Befahren der über die Grundstücke des Klägers führenden Weganlage, wenn dabei dritte Personen, denen das Befahren der Weganlage zu jagdlichen Zwecken mit rechtskräftigem Urteil untersagt wurde, zwecks Ausübung der Jagd mitbefördert werden. Das Mehrbegehren, das Befördern dritter Personen zwecks Ausübung der Jagd im darüber hinausgehenden Umfang zu unterlassen, wies es ab. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und - auf Antrag des Beklagten nach § 508 Abs 1 ZPO - die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur aktiven Klagslegitimation eine gegenteilige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.
Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, der Einwand der entschiedenen Rechtssache sei nicht berechtigt. Es fehle nämlich an einer Identität des Streitgegenstands. Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens sei die Frage gewesen, ob der Beklagte den Forstweg über die Grundstücke des Klägers zu Jagdzwecken befahren darf. Dies sei mit Rücksicht auf die zwischen den Streitteilen 1999 getroffene Vereinbarung bejaht, und das Unterlassungsbegehren dementsprechend abgewiesen worden. Im vorliegenden Verfahren gehe es um die damals nicht behandelte Frage, ob der Beklagte auch dritte Personen, denen ein Befahren nicht gestattet sei, zur Ausübung der Jagd über die Grundstücke des Klägers befördern dürfe. Der Kläger sei zur Klageführung auch legitimiert, weil er seinen Anspruch auch auf die dritten (beförderten) Personen gegenüber erwirkten Unterlassungsgebote stütze. Das Verhalten des Beklagten bewirke zwar keine Ausweitung der ihm eingeräumten Dienstbarkeit, weil das Mitführen von Personen in einem Fahrzeug keine erhebliche Mehrbelastung für das Grundstück mit sich bringe. Allerdings sei seine Vorgangsweise geeignet, die vom Kläger gegenüber Dritten erwirkten Unterlassungsgebote zu umgehen. Diese Personen dürften die Weganlage auch nicht als Jagdgäste des Beklagten in seiner Eigenschaft als Jagdbevollmächtigter des Ehepaars H***** befahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
1. Der Revisionswerber vertritt die auf die Entscheidungen 1 Ob 2224/96g und 6 Ob 218/01d gestützte Auffassung, der Beklagte sei zur Klageführung nicht legitimiert. Der Beklagte habe nämlich das Recht, die Weganlage zu benützen, von der Bringungsgenossenschaft eingeräumt erhalten. Der Kläger habe seinerseits Teile der forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke der Bringungsgenossenschaft zur Errichtung, Erhaltung und zum Betrieb der Bringungsanlage übergeben. Er habe damit auch das Recht zur Verwaltung der Weganlage, soweit diese über in seinem Eigentum stehende Flächen führt, an die Bringungsgemeinschaft übertragen. Er könne gegen den Beklagten als Benutzer der Weganlage nicht mehr mit Eigentumsfreiheitsklage vorgehen.
Dieser Einwand berücksichtigt nicht, dass sich der Rechtsanspruch des Beklagten auf ein (unbeschränktes) Befahren der Grundstücke auch zu privaten Zwecken und zur Ausübung der Jagd auf eine 1999 zwischen den Streitteilen getroffene privatrechtliche Vereinbarung stützt und nicht aus der Satzung der Bringungsgemeinschaft abzuleiten ist. Grundlage der Befugnis des Klägers ist somit eine ihm eingeräumte persönliche Dienstbarkeit im Sinn des § 479 ABGB. Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenen, die den Entscheidungen 1 Ob 2224/96g und 6 Ob 218/01d zugrundelagen. Die Revision ist aber aus anderen Gründen berechtigt.
2. Der Kläger zieht das dem Beklagten auch zu privaten und jagdlichen Zwecken eingeräumte Fahrrecht über seine Grundstücke nicht in Zweifel. Sein Einwand besteht darin, dass der Beklagte sein Recht missbrauche, indem er durch den Transport von Personen, denen ein (eigenes) Benützungsrecht nicht zustehe und gegen die der Kläger Unterlassungstitel erwirkt habe, zur Umgehung dieser Titel beitrage. Er stützt seinen Anspruch auf § 523 ABGB.
Mit Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB kann gegen die Erweiterung einer Dienstbarkeit vorgegangen werden.
3. Von den Feststellungen der Vorinstanzen ausgehend ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger dem Beklagten durch privatrechtliche Vereinbarung Jahre vor Gestattung der Wegebenutzung durch die Bringungsgenossenschaft eine - auf keinen bestimmten Zweck beschränkte - persönliche Dienstbarkeit im Sinn des § 479 ABGB eingeräumt hat. Der Beklagte hat danach das Recht erworben, die Grundstücke des Klägers auch für jagdliche Zwecke und zu persönlichen Fahrten zu befahren.
§ 484 ABGB untersagt die Erweiterung von Dienstbarkeiten. Art und Umfang der dem Dienstbarkeitsberechtigten zustehenden Nutzungen der dienenden Sache richten sich - bei vertraglich vereinbarten Dienstbarkeiten - nach dieser Vereinbarung. Zu berücksichtigen sind Natur und Zweck der Dienstbarkeit zum Zeitpunkt ihrer Einräumung (RIS-Justiz RS0011720).
Einseitige Änderungen der Benutzungsart sind zulässig, wenn sie die Dienstbarkeit weder erweitern noch die dienende Sache oder ihren Eigentümer in größerem Ausmaß belasten (SZ 70/201; RIS-Justiz RS0097852; Koch in KBB, § 484 Rz 6 mwN). Die Ausübung des Gewerbes eines Taxiunternehmers wurde als Erweiterung einer Dienstbarkeit der Zu- und Abfahrt mit Fahrzeugen beurteilt (SZ 56/46).
4. Der gelegentliche (nach den Feststellungen fünf bis sieben Mal jährlich) stattfindende Transport von Jagdgästen über das Grundstück des Klägers ist mit einer Beanspruchung des dienenden Grundstücks durch ein gewerbliches Taxiunternehmen nicht vergleichbar. Die im vorliegenden Fall stattfindenden Transporte bewirken keine Änderung der vereinbarten Nutzungsart (Befahren der Grundstücke mit Fahrzeugen). Sie führen auch zu keiner unzulässigen Erweiterung der Dienstbarkeit. Zum einen darf der Beklagte die Grundstücke des Klägers zu jagdlichen Zwecken mit Fahrzeugen ohnehin befahren. Zum anderen kann es - betrachtet man die Auswirkungen auf die dienende Sache - nicht darauf ankommen, ob sein Fahrzeug nur mit ihm allein besetzt die Weganlage befährt oder ob der Beklagte noch weitere Jagdgäste mitnimmt. Die - den Verkehrsgepflogenheiten entsprechende - Mitnahme anderer Personen führt zu keiner erkennbaren, in irgendeiner Weise messbaren Mehrbelastung des dienenden Grundstücks, zumal anzunehmen ist, dass der Beklagte die Jagdgäste bei Fahrten mitgenommen hat, die er als Jagdbevollmächtigter ohnehin auch im eigenen Interesse unternommen hätte.
5. Der Kläger stützt sein Begehren auch auf eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Wegerechts zur Beförderung von Personen, gegen die er bereits rechtskräftige Unterlassungstitel erwirkt habe.
5.1. Rechtsmissbrauch liegt nicht nur vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet. Er wird auch dann bejaht, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt (stRsp RIS-Justiz RS0026265 [T13 und T14]) oder zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RS0026265 [T1, T4]). Das Verhalten des Beklagten erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Er ist - den Sachverhaltsannahmen der Vorinstanzen folgend - berechtigt, den Forstweg auch zu jagdlichen und sonstigen privaten Zwecken zu nutzen; die Mitnahme anderer Personen - aus welchen Gründen auch immer - ist ihm nicht untersagt. Dass der Beklagte diese Fahrten ohne jedes eigenes (berechtigtes) Interesse allein (oder vorrangig) nur deshalb unternommen hätte, um die Interessen des Klägers an der Durchsetzung erwirkter Unterlassungstitel zu beeinträchtigen, ist nach dem feststehenden Sachverhalt nicht anzunehmen. Als Jagdbevollmächtigter des DI H***** hatte er nämlich sowohl ein Eigeninteresse am Befahren des Wegs zu jagdlichen Zwecken als auch ein Interesse an der Beförderung der Jagdgäste ins Revier. Von einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der ihm eingeräumten persönlichen Dienstbarkeit kann demnach keine Rede sein.
6. Der Revision des Beklagten ist daher Folge zu geben und das Klagebegehren - über die bereits in Rechtskraft erwachsene Teilabweisung hinaus - zur Gänze abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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