OGH 4Ob629/88

OGH4Ob629/8810.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude H***, Pensionistin, Linz, Mariahilfgasse 50, vertreten durch Dr. Arno Figl, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Sibylle K***, Angestellte, Linz, Scharitzerstraße 22, vertreten durch Dr. Bernhard Aschauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufhebung eines Kaufvertrags und Zahlung (Gesamtstreitwert S 31.814,--, Streitwert im Revisionsverfahren S 25.500,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15. September 1988, GZ 6 R 125/88-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 15. Jänner 1988, GZ 8 Cg 43/85-34, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte am 25. August 1984 von der Beklagten einen gebrauchten PKW Audi 50 LS, Baujahr 1975, um S 24.500,-- gekauft. Mit der Behauptung, daß das Fahrzeug wegen der bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhandenen Mängel - insbesondere eines Lagerschadens am Motor - nur einen Verkehrswert von S 5.000,-- gehabt habe, begehrt die Klägerin mit der vorliegenden, unter anderem auch auf § 934 ABGB gestützten Klage die Aufhebung des Kaufvertrages, sowie - Zug-um-Zug gegen Rückstellung des Fahrzeuges - die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises von S 24.500,-- und den Ersatz ihrer Aufwendungen auf das Fahrzeug von S 7.314,--, insgesamt daher S 31.814,-- s.A.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der vereinbarte Kaufpreis habe im wesentlichen dem Zeitwert des Fahrzeuges entsprochen. Die vorhandenen - geringfügigen - Mängel hätten die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht beeinflußt. Der behauptete Lagerschaden am Motor sei erst nach der Übergabe des Fahrzeuges entstanden, weil die Klägerin kein Motoröl nachgefüllt habe. Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang der Klage zur Gänze statt. Auf Grund seiner wesentlichen Feststellungen, daß der Lagerschaden am Motor bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeuges an die Klägerin vorhanden gewesen sei und der Verkehrswert des Fahrzeuges daher nur S 10.000,-- betragen habe, bejahte es das Recht der Klägerin zur Aufhebung des Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil wegen verschiedener Verfahrensmängel auf und verwies die Sache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Erstgericht werde vor allem die von der Beklagten zum Eintritt des Lagerschadens am Motor angebotenen Beweise aufzunehmen haben. Im Ergebnis könnte dann der Klägerin ohnehin der Grundsatz zustatten kommen, daß derjenige, der einen Kausalzusammenhang mit hoher Wahrscheinlichkeit dargelegt hat, sich darauf zurückziehen kann, zu warten, ob der Gegner einen anderen möglichen ursächlichen Zusammenhang gleichen Gewichts zu beweisen in der Lage ist. Da die Beklagte offenbar nicht bereit sei, von sich aus den erforderlichen Verbesserungsaufwand von S 10.000,-- zu erbringen (§ 934 Satz 2 ABGB), müsse nicht beurteilt werden, ob die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte dann ausgeschlossen ist, wenn daneben auch Gewährleistungsansprüche bestehen. Der Anspruch aus § 934 ABGB begründe jedoch keinen Anspruch auf Ersatz der auf den Kaufgegenstand gemachten Aufwendungen. Nur insoweit, als das Fahrzeug durch die Aufwendungen der Klägerin eine erhebliche Wertsteigerung erfahren hat, wäre ein solcher Ersatzanspruch gegeben. Auch im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht der Klage zur Gänze statt. Es kam nach Ergänzung des Beweisverfahrens im wesentlichen zu denselben Feststellungen wie im ersten Rechtsgang und vertrat rechtlich neuerlich die Ansicht, daß die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte gegeben seien und die Beklagte der Klägerin sämtliche Aufwendungen zu ersetzen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes über die Aufhebung des Kaufvertrages sowie die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises von S 24.500,-- und zum Ersatz eines Aufwandes von S 1.000,--; das Mehrbegehren auf Ersatz eines weiteren Aufwandes von S 6.314,-- wies es jedoch ab. Zugleich sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Es übernahm nunmehr die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Die Rechtsrüge betreffend den Verkürzungsanspruch sei nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Marktwert des Fahrzeuges (bezogen auf den Zeitpunkt des Verkaufes) von S 10.000,-- ausgehe. Bei der Beurteilung des Aufwandsersatzanspruches hätte sich aber das Erstgericht an die im Aufhebungsbeschluß enthaltenen Rechtsausführungen halten müssen und nur jene Aufwendungen berücksichtigen dürfen, die zu einem eindeutigen Vorteil der Beklagten geführt haben; das sei nur im Umfang von S 1.000,-- der Fall. Obwohl eine Anwendung des § 500 Abs 3 (Satz 2) ZPO kaum in Betracht komme, sei der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO aufgenommen worden, weil einer allfälligen Auffassung, dem Erstgericht sei im Aufhebungsbeschluß doch eine Rechtsansicht überbunden worden, nicht von vorneherein der Boden entzogen werden dürfe.

Gegen den bestätigenden Teil des Urteils richtet sich die - unrichtig als "außerordentliche Revision"

bezeichnete - Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Gleichschrift der Revision wurde den Vertretern der Klägerin am 24. November 1988 zugestellt. Die - direkt beim Obersten Gerichtshof überreichte - Revisionsbeantwortung langte am 22. Dezember 1988 - sohin am letzten Tag der Frist gemäß § 507 Abs 2 ZPO - ein. Dadurch wurde die gesetzliche Frist jedoch nicht gewahrt, weil die Revisionsbeantwortung nach der genannten Bestimmung beim Prozeßgericht erster Instanz zu überreichen gewesen wäre. Eine Übersendung der unrichtigerweise beim Obersten Gerichtshof überreichten Revisionsbeantwortung an das Erstgericht mußte überbleiben, weil damit das - allein

maßgebliche - rechtzeitige Einlangen beim Erstgericht nicht hätte erzielt werden können. Die Revisionsbeantwortung war daher als verspätet zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Vorauszuschicken ist zunächst, daß sich der Streitwert in einem Verfahren über einen Rechtsgestaltungsanspruch auf Aufhebung eines Kaufvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte und über das damit verbundene Leistungsbegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises allein nach dem Leistungsbegehren bestimmt, weil die Entscheidung über den Rechtsgestaltungsanspruch in einem solchen Fall keine über das betreffende Verfahren hinausgehende Bedeutung hat; er ist dann nicht anders zu beurteilen, wie der und mit einem Zahlungsbegehren verbundene auf relative Unwirkungserklärung einer Rechtshandlung gegenüber den Konkursgläubigern gerichtete Anfechtungsanspruch eines Masseverwalters gemäß §§ 27 ff KO, der ebenfalls keiner gesonderten Bewertung bedarf (5 Ob 575/81; 1 Ob 635/84). Zu Recht ist daher im bisherigen Verfahren eine Bewertung des Rechtsgestaltungsanspruches (gemäß § 56 Abs 2 JN durch die Klägerin und gemäß § 500 Abs 2 ZPO durch das Berufungsgericht) unterblieben. Der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes übersteigt also im vorliegenden Fall nicht S 60.000,--. Gemäß § 502 Abs 3 Satz 1 ZPO ist die Revision gegen ein Urteil des Berufungsgerichtes, soweit es das angefochtene Urteil bestätigt, unzulässig, wenn der davon betroffene Streitgegenstand oder Teil des Streitgegenstandes an Geld oder Geldeswert S 60.000,-- nicht übersteigt. Das Berufungsurteil gilt aber gemäß § 500 Abs 3 Satz 2 ZPO nicht als bestätigend, wenn das Urteil der ersten Instanz vor Rechtskraft des Beschlusses des Berufungsgerichtes, das ein früheres Urteil der ersten Instanz gemäß § 496 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO aufgehoben hatte, gefällt worden ist (§ 519 Abs 1 Z 3 ZPO) und wegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, von der das Berufungsgericht in jenem Beschluß ausgegangen ist (§ 499 Abs 2 ZPO), angefochten wird. Die zur Zulässigkeit der Revision gegen bestätigende Urteile im Sinne des § 502 Abs 5 ZPO idF vor der ZVN 1983 vertretenen grundsätzlichen Erwägungen sind jetzt auch auf den bestätigenden Teil "teilbestätigender" Berufungsurteile anwendbar (EvBl 1986/128). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach § 502 Abs 3 Satz 2 ZPO ist, daß das Berufungsgericht in seinem vorangegangenen Aufhebungsbeschluß eine das Erstgericht bindende, von dessen Auffassung abweichende Rechtsansicht ausgesprochen hat (JBl 1957, 135; EvBl 1953/15; Fasching IV 289; Fasching ErgBd 107) und das Prozeßgericht nur wegen der vom Berufungsgericht auferlegten rechtlichen Bindung zu seinem neuerlichen Urteil gelangt ist (JBl 1962, 273 ua; Fasching IV 290; Fasching ErgBd 108). Dieses Urteil muß demnach anders als das zunächst gefällte sein; es darf sachlich mit dem ersten, aufgehobenen nicht übereinstimmen (MietSlg 30.763; JBl 1957, 324; SZ 24/259; 1 Ob 769/82; 8 Ob 615/86; Fasching ErgBd 108).

Im vorliegenden Fall fehlt es an den Voraussetzungen für die in § 502 Abs 3 Satz 2 geregelte Ausnahme von der Unanfechtbarkeit (teil-)bestätigender Entscheidungen des Berufungsgerichtes über einen S 60.000,-- nicht übersteigenden Streitgegenstand. Das Erstgericht war bereits im ersten Rechtsgang zur Stattgebung der Klage gelangt; seine im zweiten Rechtsgang nach Verfahrensergänzung gefällte Entscheidung stimmt mit dem aufgehobenen Urteil inhaltlich überein. Die vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluß geäußerten Rechtsansichten waren daher für diese zweite Entscheidung nicht kausal.

Die gemäß § 500 Abs 3 Satz 1 ZPO unzulässige, unrichtig als "außerordentliche Revision" bezeichnete Revision war daher zurückzuweisen.

Die Zurückweisung einer Rechtsmittelschrift enthält auch die des darin gestellten Kostenantrages.

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