Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.766,25 S (darin enthalten 978,75 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Aus Anlaß der Begründung des Dienstverhältnisses zwischen den Streitteilen zahlte die Linzer Glasspinnerei Franz H*** AG - die Muttergesellschaft der Klägerin - zur Finanzierung eines Zwangsausgleiches in dem über das Vermögen des Beklagten anhängig gewesenen Konkursverfahren an den Masseverwalter (nach Abzug eines rücküberwiesenen Betrages) 953.263,37 S. Zwischen der Linzer Glasspinnerei Franz H*** AG und dem Beklagten wurde vereinbart, daß der Beklagte der Klägerin, die zur Fortführung des Unternehmens des Beklagten gegründet worden war, diesen Betrag als Darlehen schulde. Während der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Beklagten sollte sich die Darlehensschuld jährlich um 5 % verringern. Im Fall des Ausscheidens des Beklagten aus den Diensten der Klägerin sollte das noch ausständige Darlehen in drei gleichen Jahresraten jeweils am 1.Jänner der darauffolgenden Jahre fällig werden. Der von der Linzer Glasspinnerei Franz H*** AG gezahlte Betrag wurde in der Folge zur Erfüllung des gerichtlich bestätigten Zwangsausgleiches verwendet.
Der Beklagte war vom 1.April 1983 - zunächst als Obermonteur, dann als Angestellter im Außendienst - bis zum 7.August 1984 bei der Klägerin beschäftigt. Beim Eingehen des Beschäftigungsverhältnisses wurde keine besondere Vereinbarung über eine Kündigung getroffen; die Klägerin verzichtete insbesondere auch nicht für einen bestimmten Zeitraum auf die Geltendmachung des Kündigungsrechtes. Am 7. August 1984 entließ die Klägerin den Beklagten wegen diverser Manipulationen, insbesondere der Durchführung von Schwarzarbeiten, Verrechnung solcher Arbeitsstunden durch Belastung anderer Baustellen und wegen Verdachtes des Diebstahles.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der nach ihrer Behauptung am 1.Jänner 1985 fällig gewordenen ersten Darlehensrate in der Höhe von 317.754,46 S samt 4 % Zinsen seit 1. Jänner 1985. Die Fälligkeit sei durch das Ausscheiden des Beklagten aus dem Betrieb der Klägerin eingetreten; dabei sei es belanglos, wer das Dienstverhältnis beendet habe, aus wessen Verschulden es beendet worden sei oder ob überhaupt ein Verschulden daran vorliege. Die Entlassung des Beklagten sei aber auch gerechtfertigt gewesen: Der Beklagte habe auf den Baustellen K***, B*** (Kössen) und M*** (Achensee) in Konkurrenz zur Klägerin Schwarzarbeiten durchgeführt und andere Baustellen der Klägerin mit den bei diesen Schwarzbaustellen aufgelaufenen Arbeitsstunden belastet. Hilfsweise stützt die Klägerin ihr Begehren auch auf den Titel ungerechtfertigter Bereicherung. Die Klägerin habe die eingeklagte Forderung aber auch durch Abtretung erworben.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Klägerin habe zur Finanzierung des Zwangsausgleiches 953.263,40 S zur Verfügung gestellt; die Parteien hätten darüber auch einen Darlehensvertrag geschlossen. Nach den zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen hätte das Darlehen im Wege einer jährlichen Verminderung um 5 % während der Dauer der Beschäftigung des Beklagten bei der Klägerin getilgt werden sollen. Der Beklagte sei zur Erfüllung seiner Dienstpflichten bereit gewesen; ein Entlassungsgrund habe nicht bestanden. Die vereinbarte Fälligkeit liege nicht vor, weil der Beklagte auf sein Ausscheiden als Dienstnehmer keinen Einfluß gehabt habe. Beim Abschluß des Angestelltenvertrages sei vereinbart worden, daß die Klägerin den Beklagten nicht nach freiem Ermessen, sondern nur dann kündigen könne, wenn sich der Kläger etwas hätte zuschulden kommen lassen. Im Zuge des Verfahrens widerrief der Beklagte die Außerstreitstellung der Darlehensgewährung und bestritt auch die Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung, daß die Linzer Glasspinnerei Franz H*** AG, nicht aber die Klägerin Geldmittel zur Finanzierung seines Zwangsausgleiches zur Verfügung gestellt habe.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und traf zu den behaupteten Entlassungsgründen die weiteren Feststellungen, daß ein Fehlverhalten des Beklagten im Zusammenhang mit den Baustellen Kössen und Achensee nicht habe festgestellt werden können. Im Geschäftsfall K*** aber habe der Beklagte den Auftrag des Bauherrn entgegengenommen, 3 Monteure der Klägerin die Arbeiten verrichten lassen und eine andere Baustelle der Klägerin mit diesen Arbeitsstunden belastet, während er diese Baustelle überhaupt nicht in die Geschäftsunterlagen der Klägerin aufgenommen habe. Der Beklagte habe zwar beabsichtigt, dies nach zwei Monaten rückgängig zu machen und die Baustelle K*** offiziell im Rahmen des Geschäftsbetriebes der Klägerin abzurechnen; er sei aber wegen der zwischenzeitig ausgesprochenen Entlassung nicht mehr dazu gekommen. Der Beklagte habe damit erreichen wollen, daß der Bauherr K*** durch die spätere Ausstellung der Rechnung in den Genuß eines längeren, üblicherweise von der Klägerin nicht gewährten Zahlungszieles kommt. Bei dem üblicherweise gewährten Zahlungsziel von 4 Wochen hätte K*** der Klägerin keinen Auftrag erteilt. In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht einen Entlassungsgrund wegen der Falschbuchungen der Baustelle K***; die Rückzahlung des Darlehens sei demnach nicht fällig geworden. Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:
Das Vorgehen des Beklagten bei der Baustelle K*** sei als Entlassungsgrund im Sinne des § 27 Z 1 AngG zu werten. Die Führung einer Baustelle "hinter dem Rücken des Dienstgebers" ohne Anlegung irgendwelcher Aufzeichnungen unter Falschbuchung der entsprechenden Arbeitsstunden und Materialien zu Lasten anderer Baustellen des Dienstgebers sei als untreues Verhalten zu qualifizieren und auch geeignet gewesen, den Beklagten des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig erscheinen zu lassen; daß der Beklagte die unrichtigen Eintragungen wieder habe rückgängig machen wollen, sei unerheblich. Da somit die Entlassung zu Recht ausgesprochen worden sei, sei auch die im Darlehensvertrag für den Eintritt der Fälligkeit der Rückzahlung vereinbarte Bedingung eingetreten. Es sei somit nicht mehr zu prüfen gewesen, ob die Klägerin auch berechtigt gewesen wäre, diese Wirkung durch eine ordentliche Kündigung herbeizuführen. Die Klägerin sei aus dem zwischen der Linzer Glasspinnerei Franz H*** AG und dem Beklagten geschlossenen Vertrag unmittelbar berechtigt; ihre Aktivlegitimation ergebe sich aber auch aus der vom Erstgericht festgestellten Abtretungsvereinbarung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte vertritt in der Revision die Auffassung, sein Verhalten in bezug auf die Baustelle K*** sei bloß als eine auf Eigenmächtigung beruhende Ordnungswidrigkeit zu beurteilen, verwirkliche jedoch keinen Entlassungsgrund; daher sei auch das Darlehen nicht fällig geworden.
Vorauszuschicken ist, daß die Sache nach § 1 Abs 1 Z 1 des zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage (7.Februar 1985) noch geltenden ArbGG vor das Arbeitsgericht gehört hätte, weil eine Rechtsstreitigkeit aus den Nachwirkungen eines Arbeitsverhältnisses vorliegt. Gemäß § 4 ArbGG (idF des Art. IX Z 1 ZVN 1983) galten die Bestimmungen über die Heilung der Unzuständigkeit (§ 104 Abs 3 JN) auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren; eine Heilung der Unzuständigkeit trat auch im Verhältnis zwischen ordentlichen und Arbeitsgerichten ein (Stohanzl, ZPO4, Anm. zu § 4 ArbGG). Diese Heilung wurde im vorliegenden Fall bereits dadurch bewirkt, daß der anwaltlich vertretene Beklagte in der ersten mündlichen Streitverhandlung (17.April 1985) ausschließlich zur Sache vorbrachte, ohne die Unzuständigkeit des Erstgerichtes einzuwenden. Der Beklagte übersieht bei seinen Revisionsausführungen, daß die Rückzahlung des Darlehens - anders als in dem der Entscheidung Arb. 9323 zugrunde liegenden Fall - nach den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen in drei Jahresraten nach seinem Ausscheiden aus den Diensten der Klägerin fällig werden sollte. Nach ständiger Rechtsprechung wird aber das Arbeitsverhältnis auch durch eine unbegründete Entlassung mit sofortiger Wirkung beendet (Spielbüchler-Floretta, Arbeitsrecht3 I 310; SZ 13/79; Arb. 10.061 uva). Nun ist es wohl kaum zu bezweifeln, daß das Darlehen im Fall einer gerechtfertigten Entlassung, einer (ordentlichen) Kündigung durch die Klägerin, aber auch im Fall einer Kündigung durch den Beklagten oder dessen unberechtigten vorzeitigen Austrittes wegen der in jedem einzelnen Fall eintretenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden wäre; zweifelhaft könnte nur sein, ob auch die Endigungsgründe der unberechtigten Entlassung oder des berechtigten vorzeitigen Austrittes die Fälligkeit der Rückzahlungspflicht herbeigeführt hätten und ob der Inhalt der vertraglichen Regelung diesfalls, wenn die Parteien auf diese Endigungsgründe beim Abschluß der Rückzahlungsvereinbarung nicht Bedacht genommen haben sollten - Feststellungen über das entsprechende Vorbringen der Klägerin hat das Erstgericht nicht getroffen - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden müßte. Auf diese Frage braucht aber im gegenständlichen Fall nicht weiter eingegangen zu werden, weil die Entlassung des Beklagten wegen Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt war:
Den in § 27 Z 1 AngG enthaltenen Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht jedes - auch fahrlässig begangene (SZ 25/122; Arb. 10.662 uva) - Verhalten des Arbeitnehmers, das bei objektiver Würdigung die korrekte Pflichterfüllung gefährdet erscheinen läßt, so daß dem Arbeitgeber die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Schädigungsabsicht oder der Eintritt eines Schadens werden nicht vorausgesetzt (Spielbüchler-Floretta aaO 305 f; SZ 32/39; Arb. 8.653; Arb. 10.001). Ein Entlassungsgrund nach § 27 Z 1 AngG ist aber auch die "Untreue im Dienst", also die vorsätzliche Verletzung der Treuepflicht des Arbeitnehmers (Spielbüchler-Floretta aaO; Arb. 10.146 uva).
Die Führung einer Baustelle durch einen Angestellten ohne Kenntnis des Dienstgebers, ohne Anlegung entsprechender Geschäftsunterlagen unter gleichzeitiger Eintragung der dafür aufgewendeten Arbeitsstunden und Materialien zu Lasten einer anderen, regulär behandelten, vom Dienstgeber für einen anderen Kunden geführten Baustelle war aber in jedem Fall geeignet, den Beklagten des dienstlichen Vertrauens der Klägerin unwürdig erscheinen zu lassen. Der Beklagte hat dadurch - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - dienstliche Kontrollen zu umgehen versucht, einen Kunden der Klägerin ungerechtfertigt belastet und die Klägerin im Falle des Hervorkommens dieser Manipulationen dem Vorwurf unreeller Geschäftspraktiken ausgesetzt. Unter diesen Umständen konnte der Klägerin die Weiterbeschäftigung des Beklagten auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden. Es kann auch keine Rede davon sein, daß dieses Verhalten bloß eine Ordnungswidrigkeit begründe und der Beklagte vor dem Ausspruch der Entlassung erfolglos ermahnt und zur korrekten Erfüllung seiner Pflichten hätte aufgefordert werden müssen. Beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit ist vielmehr ein strenger Maßstab anzulegen, wenn ein Angestellter im Außendienst falsche Eintragungen in den Geschäftsunterlagen über seine Tätigkeit vornimmt, weil diese regelmäßig die wesentliche Grundlage für die Verrechnung der erbrachten Leistungen sind (vgl. Arb. 10.636). Der Beklagte hat daher nicht bloß ordnungswidrig gehandelt, sondern Tatsachen vorgetäuscht und dem Dienstgeber dadurch das Risiko der Zahlung des Werklohnes durch den namentlich nicht erfaßten Kunden und - im Falle dessen Weigerung, den Werklohn zu zahlen - des Nachweises des Abschlusses eines Werkvertrages zwischen ihm und diesem Kunden aufgebürdet.
Die richtige Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin aus dem zwischen dem Beklagten und der Linzer Glasspinnerei Franz H*** AG geschlossenen Vertrag direkt berechtigt worden ist, bekämpft die Revision nicht mehr. Dem Rechtsmittel war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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