Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 21.375 S (darin 3.562,50 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.807,40 S (darin 2.967,90 S USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Streitteile errichten und warten Sicherheitsanlagen. Ing. Martin P*****, der Geschäftsführer der 1996 gegründeten Beklagten, war von August 1994 bis Oktober 1995 bei der Klägerin angestellt und für die Abwicklung von Bauaufträgen sowie die technische Betreuung von Wartungskunden zuständig. In der zweiten Jahreshälfte 1996 schlossen die Streitteile zur Beendigung von Meinungsverschiedenheiten eine schriftliche Vereinbarung, deren Punkt V. wie folgt lautet:
"Ing. Martin P***** und S***** (= Beklagte) bestätigt das Wissen über
bestehende und laufende i***** (= Klägerin)-Wartungsvertragskunden
und verpflichtet sich, diese Kunden nicht für sich, S***** (=
Beklagte) oder ein ihm nahestehendes Unternehmen abzuwerben."
Die B***** AG hat die Klägerin mit Vertrag vom 24. 8. 1993 mit der Wartung ihrer Brandmeldeanlage betraut. Mit Schreiben vom 22. 4. 1999 ersuchte dieser Kunde der Klägerin um einvernehmliche Beendigung des Vertrags per 30. 4. 1999, der Kunde hatte nämlich seine Brandmeldeanlage durch ein anderes System ersetzt und beabsichtigte, diesbezüglich einen Wartungsvertrag mit der Beklagten abzuschließen. In einem nachfolgenden Gespräch über dieses Thema erklärte der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber der Klägerin, er habe die B***** AG nicht aktiv angesprochen und sich bisher immer daran gehalten, keine Kunden der Klägerin anzusprechen oder abzuwerben. Der Geschäftsführer der Klägerin drohte daraufhin mit gerichtlichen Schritten, worauf der Geschäftsführer der Beklagten erwiderte, wenn dem so sei, werde sich das ändern. Dann fühle er sich hiemit nicht mehr daran gebunden. Die Klägerin würde ja sehen.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, namentlich aufgezählte Kunden der Klägerin abzuwerben, für die am 30. 10. 1996 Wartungsverträge mit der Klägerin bestanden haben. Die Beklagte habe durch Abwerbung der B***** AG gegen die Vereinbarung vom 30. 10. 1996 verstoßen und weitere Verstöße angekündigt.
Die Beklagte beantragt Abweisung des Sicherungsantrags. Sie sei an keine Kunden der Klägerin herangetreten, um Wartungsverträge mit ihnen abzuschließen. Die B***** AG habe sich ohne Initiative der Beklagten zur Kündigung ihres Wartungsvertrags mit der Klägerin entschlossen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe nur erklärt, nahezu vier Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin keine Kenntnis über deren Kundenstock mehr zu besitzen. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Einen Verstoß der Beklagten gegen die mit der Klägerin geschlossene Vereinbarung hielt es für nicht bescheinigt und folgerte rechtlich, die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage lägen nicht vor, weil keine konkrete Besorgnis einer unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzung bestehe.
Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die von ihm zitierte Judikatur nicht zulässig sei. Erkläre ein Vertragsteil, sich nicht mehr an eine getroffene Vereinbarung gebunden zu fühlen, bestehe nach objektivem Verständnis Grund zur Besorgnis, er werde in absehbarer Zukunft vereinbarungswidrig handeln, womit die Verletzungsgefahr hinlänglich bescheinigt sei. Ob schon bisher ein Verstoß erfolgt sei, spiele für die Rechtfertigung des Unterlassungsanspruchs keine Rolle mehr. Mit der Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten, sich nicht mehr an das vereinbarte Abwerbeverbot gebunden zu fühlen, sei die Gefahr der Verletzung dieser Vertragsbestimmung bescheinigt. Der Verstoß gegen ein vertragliches Abwerbeverbot bedeute keine Verletzung der guten Sitten iSd § 1 UWG. Der Klägerin drohe ein im Kundenverlust bestehender unwiederbringlicher Schaden (§ 381 EO).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht die Voraussetzungen der Erstbegehungsgefahr in einer die Rechtssicherheit gefährdenden Weise unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, aus dem bescheinigten Sachverhalt seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür ableitbar, dass ein Verstoß der Beklagten gegen die mit der Klägerin abgeschlossene Vereinbarung unmittelbar bevorstehe. Dem ist zuzustimmen.
Die Klägerin macht einen Unterlassungsanspruch geltend. Der Unterlassungsanspruch dient der Abwehr künftiger Beeinträchtigungen. Seine Entstehung setzt die drohende Gefahr einer Beeinträchtigung voraus; die Beeinträchtigung braucht noch nicht eingetreten zu sein. Es genügt Erstbegehungsgefahr (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht21 EinlUWG Rz 256). Der Unterlassungsanspruch ist nach hA ein materiellrechtlicher Anspruch (Böhm aaO 10 ff mwN, 68; Rummel aaO; JBl 1975, 484; SZ 56/63 ua).
Der Unterlassungsanspruch wird demnach durch zwei Elemente konkretisiert: Eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird. Fehlt eines dieser Elemente, dann besteht kein Unterlassungsanspruch. Bei der Gefahr des Zuwiderhandelns ist zu unterscheiden, ob der zu einer bestimmten Unterlassung Verpflichtete bereits einmal zuwidergehandelt oder sich bisher rechtmäßig verhalten hat. Im ersten Fall wird vermutet, dass er wieder zuwiderhandeln werde (Wiederholungsgefahr); im zweiten Fall muss das Zuwiderhandeln unmittelbar drohend bevorstehen (Erstbegehungsgefahr), nur dann ist eine (vorbeugende) Unterlassungklage gerechtfertigt (Hohenecker/Friedl, Wettbewerbsrecht 85 f; Rechberger in Rechberger, ZPOý § 407 Rz 16; zur vorbeugenden Unterlassungsklage ua SZ 33/130; ÖBl 1978, 102 - kulinarisches Mosaik; MR 1988, 205 = ÖBl 1989, 56 - Bioren; SZ 67/161 = ÖBl 1995, 128 - Verführerschein II; WBl 1999, 331 = ÖBl 1999, 229 -
ERINASOLUM).
Der wettbewerbsrechtliche Unterlassunganspruch richtet sich demnach gegen eine künftige sittenwidrige Wettbewerbshandlung. Der Kläger muss dann, wenn noch kein Verstoß begangen wurde, die tatsächlichen Umstände, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung begründen, im Einzelnen darlegen und im Bestreitungsfall beweisen. Die bloße theoretische Möglichkeit der Begehung genügt nicht; gegen sie schützt kein Gesetz. Es müssen greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein wettbewerbswidriges Verhalten der bezeichneten Art in naher Zukunft bevorsteht (Baumbach/Hefermehl aaO EinlUWG Rz 300).
Das Erstgericht hat (auf Grund eines Gedächtnisprotokolls des Geschäftsführers der Klägerin Beilage ./F) nur für bescheinigt erachtet, dass der Geschäftsführer der Klägerin jenen der Beklagten auf die (nicht bescheinigte) Abwerbung eines Kunden angesprochen und ihm mit gerichtlichen Schritten gedroht hat. Der Geschäftsführer der Beklagten hat darauf erwidert, er habe sich an das vereinbarte Abwerbeverbot bisher immer gehalten; wenn "dem so sei" (gemeint: wenn gegen ihn gerichtlich vorgegangen werde), werde sich das ändern; dann fühle er sich hiermit nicht mehr daran gebunden; die Klägerin würde ja sehen. Das Rekursgericht zieht aus diesem Sachverhalt zu Unrecht den rechtlichen Schluss, es bestehe allein auf Grund der Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten Grund zur Besorgnis, die Beklagte werde in absehbarer Zukunft vereinbarungswidrig handeln und gegen das vereinbarte Abwerbeverbot verstoßen.
Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen von Erstbegehungsgefahr vorliegen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die bloße Erklärung, sich an eine bestimmte Vertragsklausel nicht mehr gebunden zu erachten, indiziert noch nicht ohne weiteres einen unmittelbar bevorstehenden Verstoß des Erklärenden gegen die Vertragsklausel. Die - in einer offenbar emotionell geführten verbalen Auseinandersetzung gefallene - Äußerung des (zu Unrecht eines Vertragsbruchs beschuldigten) Geschäftsführers der Beklagten rechtfertigt für sich allein noch keine vorbeugende Unterlassungsklage. Abgesehen von der festgestellten Erklärung sind sonstige objektive Umstände einer ernstlich drohenden und unmittelbar bevorstehenden Gefahr eines Bruchs der vertraglichen Abrede zwischen den Streitteilen nicht erkennbar. Mangels Erstbegehungsgefahr ist schon der Anspruch der Klägerin zu verneinen; auf die vom Rekursgericht und der Klägerin behandelte Frage der Gefährdung iSd § 381 EO kommt es daher nicht an. Es war deshalb dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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