Spruch:
Beiden Rekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, und es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Das Urteil des Erstgerichtes wird in der Hauptsache wiederhergestellt, in der Kostenentscheidung aber dahin abgeändert, daß die Klägerin schuldig erkannt wird, den Beklagten die mit S 1.540 bestimmten anteiligen Barauslagen zu ersetzen, und die Beklagten schuldig erkannt werden, der Klägerin die mit S 415 bestimmten anteiligen Barauslagen zu ersetzen.
Die Beklagten sind schuldig, der Klägerin die mit S 9.105,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.217,56 Umsatzsteuer und S 1.800 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Freistadt Rust ist grundbücherliche Eigentümerin des Grundstücks Nr. 4068/2 ***** Grundbuch Rust, einer zwischen der Seestraße (erster Hafen) und dem Neusiedlersee gelegenen Grünfläche. Die Klägerin ist auch Eigentümerin anderer, direkt am Neusiedlersee gelegener Grundstücke, wie des *****angrenzenden Grundstücks Nr. 4078/1, welches öffentliches Gut ist; sie hat überdies eine Reihe von Seegrundstücken von der Fürst Esterhazy'schen Güterdirektion gepachtet. Auf einem dieser Grundstücke befindet sich das "Seebad" der R*****gesellschaft mbH, deren Gesellschafterin die Klägerin ist. Im Bereich des Seebades betreibt die Klägerin eine Krananlage, mit der (ua) Segelboote in den Neusiedlersee gelassen werden. Für kleinere Boote ist keine besondere Vorrichtung notwendig; auch sie werden in diesem Bereich zu Wasser gelassen (geslipt).
Die Krananlage kann zu bestimmten Zeiten gegen Zahlung eines Entgelts von (derzeit) S 300 pro Boot von jedermann in Anspruch genommen werden. Für die Benützung außerhalb der feststehenden Zeiten (Montag bis Freitag 10.00 Uhr bis 11.00 Uhr und 13.00 Uhr bis 14.00 Uhr) ist eine besondere Vereinbarung erforderlich und ein Zuschlag von 10 % zu zahlen. Gewerbetreibenden gewährt die Klägerin eine Ermäßigung von 10 %. Die Benützung der Krananlage ist meist mit Wartezeiten bis zu 20 Minuten verbunden. Die Kran- und Slipanlage der Klägerin ist durch Schranken gesichert, welche nur während der Betriebszeit geöffnet sind; LKWs mit einem Gesamtgewicht über 5 t können nicht zufahren. Um zu der Anlage zu kommen, muß eine Eintrittskarte für das Seebad gelöst werden.
Für den Betrieb des Hafens wurden der Klägerin von der Schiffahrtsbehörde Auflagen erteilt, welche mit größeren Investitionen verbunden waren. Der gewerberechtliche Geschäftsführer der R*****gesellschaft mbH ist für die Einhaltung der schiffahrtspolizeilichen Auflagen verantwortlich, welche die im Hafen liegenden Boote betreffen. Die Klägerin wurde mit Bescheid verpflichtet, näher umschriebene Boote auf ihre Umweltverträglichkeit zu untersuchen; das geschieht dann, wenn die Schiffe durch den Kran ins Wasser befördert werden; geprüfte Schiffe werden von der Klägerin mit einem "Pickerl" versehen.
Der Zweitbeklagte hatte bis 1990 sechs Gewerbeberechtigungen, darunter die Berechtigung zur Segelbootvermietung und zur Kunststoffverarbeitung. Gegenstand des Gewerbes der Kunststoffverarbeitung ist die Ausbesserung von Kunststoffteilen von Booten. Mit Wirkung vom 30.11.1990 legte der Zweitbeklagte seine Gewerbeberechtigungen zurück. Der Erstbeklagte ist seit 4.2.1992 berechtigt, das Kunststoffverarbeitungsgewerbe auszuüben.
Der Zweitbeklagte besaß zwischen 1939 und 1945 sein erstes privates Ruderboot, welches er, wie andere Bewohner von Rust auch, auf dem Grundstück Nr. 4068/2 zu Wasser ließ und (im Winter) lagerte. In den Jahren danach kaufte der Zweitbeklagte kleine Segel- und Ruderboote, welche er ebenfalls auf dem Grundstück Nr. 4068/2 zu Wasser ließ. Am 10.7.1957 meldete der Zweitbeklagte das Gewerbe der Bootsvermietung an. In den Jahren 1960/61 kaufte er ein Robinson-Segelboot; im Zusammenhang damit erwarb er eine Konzession für Rundfahrten. Dieses Boot wurde am Beginn des Kanals, der vom ersten Bootshafen in Richtung Land führte, auf einer dort errichteten Betonschräge (Slipanlage) zu Wasser gelassen. Die leichteren Boote wurden weiterhin auf dem Grundstück Nr. 4068/2 zu Wasser gelassen und auch dort wieder herausgezogen. In den darauffolgenden Jahren vergrößerte sich der Betrieb des Zweitbeklagten; die großen Boote wurden auf der Slipanlage, die kleineren zwischen dem ersten und dem zweiten Bootshafen auf dem Grundstück Nr. 4068/2 zu Wasser gelassen. Der Zweitbeklagte befuhr das Grundstück Nr. 4068/2 nur sehr selten mit seinem PKW; meist wurden die Boote händisch aus dem Wasser gezogen. Nach Errichtung der gemeindeeigenen Slipanlage (im Seebad) ließ die Klägerin vor der alten Slipanlage Schotter anschütten, um die Bootsbesitzer zu zwingen, die gemeindeeigene Anlage zu benützen. Die Schotterhaufen wurden von den Bootsbesitzern niedergeführt; der Zweitbeklagte konnte seine Boote daher weiterhin, wenn auch unter schwierigeren Bedingungen, an der Betonschräge zu Wasser lassen.
1978 wurde die landwärts gelegene Fortsetzung des Kanals bis zum ersten Bootshafen zugeschüttet. Mit seinem 1980 angeschafften Kranwagen ließ der Zweitbeklagte entweder am ersten Bootshafen bei der zugeschütteten Schräge oder auf dem Grundstück Nr. 4078/1, fallweise auch auf dem Grundstück Nr. 4068/2 zwischen dem ersten und dem zweite Bootshafen - je nachdem, wo er genug Platz für den Kranwagen fand -, die Boote zu Wasser und hob sie wieder heraus. In der Folge ließ die Klägerin Piloten im Kanal anbringen, um das Slipen an der alten Anlage zu verhindern. Das führte zu einer Besitzstörungsklage des Zweitbeklagten und in weiterer Folge zu einer Eigentumsfreiheitsklage der Klägerin. Das Verfahren über die Besitzstörungsklage endete mit einem Anerkenntnisendbeschluß, das Verfahren über die Eigentumsfreiheitsklage mit einem Anerkenntnisurteil. In der Folge wurden die Piloten wieder entfernt. Etwa 1987/1988 wurde zwischen dem ersten und dem zweiten Bootshafen ein Steg errichtet, worauf der Zweitbeklagte seine Boote auf dem Grundstück Nr. 4068/2 und auf dem Grundstück Nr. 4078/1 weiter seewärts zu Wasser ließ. Am 21.4.1991 fuhren die Beklagten mit ihrem Kranwagen auf das Grundstück Nr. 4068/2 und ließen drei ihnen zur Ausbesserung übergebene Boote zu Wasser. 1992 ließen die Beklagten insgesamt ca. 60 Kajütboote auf dem Grundstück Nr. 4068/2 an Stellen zu Wasser, die an den ersten und den zweiten Bootshafen angrenzen und nicht befestigte Fahrbahn sind.
Der erste und der zweite Bootshafen liegen ca. 70 bis 100 m auseinander. An die befestigte, zum See führende Straße schließt ein etwa 25 cm breiter Schotterstreifen an, der niveaugleich in eine Wiese übergeht; diese Wiese ist in Abständen von etwa 10 m mit Bäumen bepflanzt.
Auf dem Grundstück Nr. 4068/2 parken manchmal Leute ihre Autos. In der Vergangenheit haben dort auch andere Personen als die Beklagten ihre Boote zu Wasser gelassen. Es kam jedoch zu Schwierigkeiten mit der Klägerin, worauf einige Bootsbesitzer es unterließen, ihre Boote weiter auf diesem Grundstück zu Wasser zu lassen. Die Klägerin hat nie allgemein angeboten, es zu gestatten, daß auf dem Grundstück Nr. 4068/2 Boote zu Wasser gelassen werden.
Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks Nr. 4068/2 *****, soweit es an den ersten und den zweiten Bootshafen grenzt und nicht befestigte Fahrbahn ist, ebenso wie das Slipen (Ins-Wasser-Lassen) und Herausheben von Kajütbooten in und vom Neusiedlersee von diesem Grundstück aus, beides zu gewerblichen Zwecken und mit Fahrzeugen aller Art, insbesondere auch mit Kranfahrzeugen, ab sofort zu unterlassen.
Die Beklagten verfügten nicht über die erforderliche Gewerbeberechtigung. Der Zweitbeklagte sei wiederholt gegen den erklärten Willen der Klägerin über deren Grundstück gefahren und habe von dort aus Boote zu Wasser gelassen. Die Beklagten hätten kein Recht ersessen. LKWs mit einem Gesamtgewicht über 5 t seien von der Zufahrt zur gemeindeeigenen Kran- und Slipanlage ausgeschlossen, weil die Straße aufgeschüttet sei und sonst ruiniert würde. Die Klägerin sei beauftragt worden, Boote auf die Einhaltung der maßgeblichen Auflagen zu überprüfen, wenn sie sie zu Wasser lasse.
Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Sie ließen seit 1957 auf dem Grundstück Nr. 4068/2 Boote zu Wasser; sie hätten das Recht dazu sowie zum Befahren des Grundstücks ersessen. Außerdem habe die Klägerin das Verhalten der Beklagten genehmigt; die Beklagten seien daher Servitutsberechtigte. Die Klägerin erlaube auch anderen Unternehmen und Personen, das genannte Grundstück zu befahren und auf dem Grundstück Boote zu Wasser zu lassen; es sei grob sittenwidrig, gerade die Beklagten davon auszuschließen.
Die Beklagten hätten am 21.4.1991 über das Grundstück Nr. 4068/2 fahren müssen; sie hätten keine andere Möglichkeit gehabt, zum öffentlichen Gewässer zu kommen. Anders als andere Personen, die auf dem Grundstück nur ihre Autos abstellten, seien die Beklagte für Zwecke ihres Gewerbebetriebes darauf angewiesen, über die Parzelle zu fahren. Ein Verbot, diese Parzelle oder auch andere an den Kanal angrenzende Parzellen zu befahren, träfe "den Lebensnerv des Unternehmens". Die Klägerin habe das Verbot, das Grundstück zu benützen, zum Schutz eines Mitbewerbers der Beklagten ausgesprochen; es sei demnach wettbewerbswidrig.
Der Zweitbeklagte bringe seit Jahrzehnten Boote in den Neusiedlersee. Dazu habe er zunächst keine Grünflächen der Klägerin benützen müssen; er habe die Boote über den Kanal (EZ 4073 KG Rust) zu Wasser gelassen, der als öffentliches Gewässer gelte. Zugang zum Kanal habe der Zweitbeklagte über seine eigenen Grundstücke gehabt. 1986 und 1987 habe die Klägerin im Bereich des ersten Hafens die Parzelle Nr. 4073/2 zuschütten lassen und einen Parkplatz errichtet; dadurch sei die Verbindung des Kanals zu der im Eigentum des Zweitbeklagten stehenden Parzelle unterbrochen worden. Ab diesem Zeitpunkt habe der Zweitbeklagte auf den Parkplatz der Klägerin fahren müssen, um von dort aus Boote zu Wasser zu lassen; die Klägerin habe dies nicht untersagt. Wieder ein oder zwei Jahre später habe die Klägerin im Bereich der Parzelle Nr. 4073/2 einen Steg errichtet. Der Zweitbeklagte müsse nunmehr die Boote auf näher zum Neusiedlersee hin gelegenen Grundflächen zu Wasser lassen; dazu sei es für ihn unbedingt erforderlich, Grundflächen der Klägerin zu befahren. Die Klägerin habe daher ein Monpol; nur sie könne es den Beklagten ermöglichen, die öffentlichen Gewässer zu erreichen, um am Gemeingebrauch teilnehmen zu können. Der Zweitbeklagte habe wiederholt im Bereich der Seebadanlage Boote zu Wasser gelassen, aber auch auf Grundflächen, die an den Kanal angrenzen. Das sei schon allein deshalb immer wieder erforderlich, weil die Anlagen im Seebad nicht immer benützt werden können. Den Beklagten sei es auch nicht zumutbar, die Dienste des den Kran betreibenden Unternehmens in Anspruch zu nehmen, weil sie selbst über die gleiche Berechtigung verfügten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und hob die Kosten gegeneinander auf. Die Beklagten hätten allenfalls das Recht ersessen, kleine Boote auf dem Grundstück Nr. 4068/2 zu Wasser zu lassen, nicht jedoch das Recht, Kajütboote zu Wasser zu lassen und das Grundstück mit dem erst 1980 erworbenen Kranwagen zu befahren. Die Klägerin habe der Nutzung des Grundstücks durch die Beklagten auch nicht stillschweigend zugestimmt. Durch den Bau der Kran- und Slipanlage seien ihr hohe Kosten entstanden, welche sie durch das Benützungsentgelt wieder hereinbekommen wolle. Gerade deshalb sei ihr daran gelegen, daß auch die Beklagten die Anlage nutzen.
Das Begehren der Klägerin sei auch nicht sittenwidrig: Die Klägerin treffe kein Kontrahierungszwang. Sie biete nicht allgemein und öffentlich an, auf diesem Grundstück Boote zu Wasser zu lassen, und schließe die Beklagten von keinem allgemeinen Anbot aus. Selbst krasse "faktische Übermacht" könne für sich allein keinen
Kontrahierungszwang rechtfertigen: Rechtsinstitute wie Enteignung, Notwegerecht oder die Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum wären sonst überflüssig. Auch eine weitere Voraussetzung für die Annahme eines Kontrahierungszwanges fehle, stehe doch den Beklagten mit der Anlage im Seebad eine zumutbare Ausweichmöglichkeit offen.
Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Erstgericht habe das Vorliegen einer ersessenen Dienstbarkeit zutreffend verneint. Der Zweitbeklagte habe die Liegenschaft erst ab 1957 gewerblich nutzen können; die Ersitzungszeit sei daher noch nicht abgelaufen. Daß der Zweitbeklagte bereits vor 1957 einen Gewerbebetrieb sowie den Ersitzungswillen gehabt und die Ersitzungshandlungen vorgenommen hätte, hätten die Beklagten nicht behauptet.
Die Beklagten machten auch Rechtsmißbrauch geltend. Dieser Einwand sei schon dann berechtigt, wenn der Schädigungszweck so sehr im Vordergrund stehe, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten; das treffe schon dann zu, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht.
Die Beklagten behaupteten, daß die Klägerin ihr Monopol mißbrauche, den Zugang zum Neusiedlersee in Rust zu ermöglichen. Die Rechtsprechung habe in mehreren vergleichbaren Fällen die Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflußnahme etwa zugunsten eines Dritten infolge einer Monopolstellung als sittenwidrig angesehen. Dieser Rechtsprechung könne zumindest so weit gefolgt werden, als die Rechtsausübung eines Monopolisten dann sittenwidrig sein könne, wenn dadurch die Existenz seines Gegenübers gefährdet wird. Das Verfolgen eigener wirtschaftlicher Ziele oder die Begünstigung eines Dritten mache ein solches Vorgehen ohne Existenzgefährdung oder zumindest ernsthafte Beeinträchtigung noch nicht unlauter, soweit nicht unangemessene Preise erzwungen werden sollten oder dem Monopolunternehmen Gegenüberstehende ungleich behandelt würden (vgl § 35 Z 1 und 3 KartG). Im vorliegenden Fall würden weder unangemessen hohe Preise noch eine ungleiche Behandlung behauptet, noch seien sie bewiesen worden. Es seien aber noch weitere Feststellungen zum Vorliegen einer Monopolstellung wie auch zur wirtschaftlichen Beeinträchtigung oder Gefährdung der Beklagten notwendig.
Nach den Feststellungen hätten die Beklagten auch auf dem Grundstück Nr. 4078/1, welches öffentliches Gut sei, Boote zu Wasser gelassen. Die Klägerin hätte nur dann ein Monopol, wenn sie tatsächlich den gesamten geeigneten Zugang zum See beherrsche und auch verhindere, daß über öffentliches Gut Boote zu Wasser gelassen werden. Das Erstgericht werde zu den insoweit widersprüchlichen Feststellungen Stellung zu nehmen haben.
Sollte sich danach ergeben, daß die Klägerin den Zugang zum See beherrscht und ihn den Beklagten verwehrt, wäre die wirtschaftliche Beeinträchtigung oder Gefährdung des Betriebes der Beklagten zu prüfen. Diese hätten dazu nichts Konkretes vorgebracht und auch keine Beweise angeboten. Eine Gefährdung sei aber nicht offenkundig; die eigentliche Tätigkeit der Beklagten sei die Kunststoffverarbeitung und allenfalls noch die Bootsvermietung. Das Erstgericht werde daher die Beklagten im Sinne des § 182 ZPO aufzufordern haben, näher darzulegen, welcher wirtschaftliche Schaden dem Unternehmen entstünde, wenn dieses auf die Nutzung der strittigen Liegenschaft verzichten müßte, und wie weit dieser wirtschaftliche Schaden das gesamte Unternehmen gefährde. Dabei werde die Möglichkeit zu berücksichtigen sein, sich des Krans der Klägerin zu bedienen. Auch werde zu prüfen sein, wie weit die Beklagten von ihnen zu entrichtende Beträge auf ihre Kunden überwälzen können. Sollte sich danach eine Gefährdung der Existenz des gesamten Unternehmens ergeben, dann werde noch zu prüfen sein, ob die Klägerin ein Interesse als Hafenbetreiberin ins Treffen führen könne, das durch die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften gegeben sei. Liege ein solches Interesse vor, dann bedürfe es einer nicht nur wahrscheinlichen, sondern sicheren Existenzgefährdung des Unternehmens der Beklagten und einer zumutbaren anderen Möglichkeit zur Beachtung der Vorschriften durch die Klägerin, um dieser einen Mißbrauch ihrer Stellung vorhalten zu können.
Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht mit den Parteien auch zu erörtern habe, ob hinsichtlich des Zweitbeklagten Wiederholungsgefahr gegeben sei. Der Zweitbeklagte habe seine Gewerbeberechtigung zurückgelegt; Hinweise auf eine dennoch ausgeübte eigene gewerbliche Tätigkeit des Zweitbeklagten fehlten. Auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse sei daher insoweit keine Wiederholungsgefahr anzunehmen. Da jedoch diese Frage im Verfahren erster Instanz nicht erörtert worden und auch nicht Gegenstand der rechtlichen Überlegungen des Erstgerichtes gewesen sei, würde das Berufungsgericht mit einer Sachentscheidung ohne Erörterung und allfällige Möglichkeit zur Antragstellung die Parteien mit seiner Rechtsansicht unzulässigerweise überraschen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs beider Teile. Klägerin und Beklagte beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden; hilfsweise stellt die Klägerin den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund aufzutragen.
Die Klägerin beantragt, den Rekurs der Beklagten zu verwerfen, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wird; im übrigen sei dem Rechtsmittel nur insoweit Folge zu geben, als die angefochtene Entscheidung aufgehoben wird, in der Sache selbst aber das Ersturteil zu bestätigen. Die Beklagten beantragen, dem Rekurs der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wird; im übrigen sind beide Rekurse im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt, der Rekurs der Klägerin aber auch in der Sache selbst.
1. Zum Nichtigkeitseinwand der Beklagten:
Die Beklagten behaupten, das Verfahren sei nichtig, weil zumindest teilweise über eine nicht auf den Rechtsweg gehörende Sache erkannt worden sei. Der streitgegenständliche Bereich des Grundstücks Nr. 4068/2 sei Teil einer öffentlichen Straße, und zwar der unbefestigte Teil der zum Seebad führenden Landesstraße.
Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes schließt an die befestigte, zum See führende Straße ein etwa 25 cm breiter Schotterstreifen an, welcher niveaugleich in eine mit Bäumen bepflanzte Wiese übergeht. Das ist, wie aus dem Lageplan ./A ersichtlich, das Grundstück Nr. 4068/2. Dabei handelt es sich somit keinesfalls um einen Teil der Landesstraße, sondern um ein, wie ebenfalls unbekämpft festgestellt wurde, im Privateigentum der Klägerin stehendes Grundstück. Daß sich das Begehren gegen ein Befahren jenes Grundstücksteiles richtet, der an den ersten und zweiten Bootshafen grenzt und nicht befestigte Fahrbahn ist, bedeutet nicht, daß diese Fahrbahn Teil der Landesstraße sein müßte. Den gesamten Verfahrensergebnissen ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen; die Beklagten haben weder in erster noch in zweiter Instanz behauptet, nicht das Privatgrundstück der Klägerin, sondern nur die öffentliche Straße zu befahren.
2. Zu den Rekursausführungen in der Sache selbst:
Die vorliegende Klage richtet sich gegen die Anmaßung einer Servitut; sie ist eine Eigentumsfreiheitsklage im Sinne des § 523 ABGB. Die Eigentumsfreiheitsklage steht gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht zu (Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 9 ff zu § 523).
Die Beklagten behaupten einerseits, eine Dienstbarkeit ersessen zu haben; andererseits machen sie geltend, daß die Klägerin ihr Recht schikanös ausübe. Zur behaupteten Ersitzung verweisen die Beklagten auf die Rechtsprechung zu Ski-Dienstbarkeiten. In vergleichbaren Fällen sei ausgesprochen worden, daß Weiterungen der Dienstbarkeit zu dulden sind, die durch die Entwicklung des Fremdenverkehrs verursacht werden.
Nach § 484 ABGB dürfen Servituten nicht erweitert werden; sie sind vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten, einzuschränken (ua SZ 37/62). Skiservituten werden durch bloße Vermehrung der Zahl der Skifahrer auf einem schmalen, zum Aufstieg und zur Schußabfahrt benützten Weg nicht erweitert (SZ 50/53), wohl aber durch räumliche Ausdehnung oder höhere Intensität der mechanischen Benützung (EvBl 1978/165; s. auch SZ 45/39; Petrasch in Rummel aaO § 484 Rz 2). Eine solche Weiterung braucht der Grundeigentümer nicht hinzunehmen, wenn er dadurch fühlbar belastet wird (SZ 45/39). Die Behauptung, daß jede Erweiterung einer Ski-Dienstbarkeit zu dulden sei, wenn sie durch die Entwicklung des Fremdenverkehrs verursacht wird, trifft daher nicht zu.
Das Ausmaß der Dienstbarkeit richtet sich nach dem Titel, auf dem sie beruht (SZ 41/55). Der Umfang einer ersessenen Dienstbarkeit bestimmt sich daher nach der Nutzung, welche die gesamte Ersitzungszeit hindurch und damit auch schon zu deren Beginn bestanden hat. War dies eine private Nutzung, dann besteht die Dienstbarkeit nur in diesem Umfang und nicht auch für eine erst während der Ersitzungszeit begonnene gewerbliche Nutzung (s. SZ 56/46; dazu auch Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung bei der Wegeservitut, JBl 1983, 4 [9]). Die Beklagten können sich daher, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, nicht auf die ersessene Dienstbarkeit einer gewerblichen Nutzung des Grundstücks der Klägerin berufen.
Zur behaupteten schikanösen Rechtsausübung hat das Berufungsgericht zutreffend auf die nunmehrige Rechtsprechung verwiesen, wonach Rechtsmißbrauch schon dann vorliegt, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht oder der Schädigungszweck so augenscheinlich im Vordergrund steht, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (SZ 63/49 mwN; s. auch Reischauer in Rummel, ABGB2, § 1295 Rz 59). Die Weigerung der Klägerin, ihr Grundstück von den Beklagten durch Befahren und Zu-Wasser-Lassen von Booten nutzen zu lassen, ist Rechtsausübung; sie findet ihre Grenze nur im Rechtsmißbrauch. Anders als in den den E SZ 27/78 und MR 1991, 121 zugrunde liegenden Fällen schließt die Klägerin die Beklagten nicht von einer Nutzung aus, die sie anderen (einem anderen) gestattet; daher ist nicht zu prüfen, ob die Klägerin verpflichtet ist, mit den Beklagten zu kontrahieren. Somit ist auch nicht entscheidend, ob die Möglichkeit, die gemeindeeigene Kran- und Slipanlage zu benützen, eine - wegen des behaupteten Fehlens der notwendigen Gewerbeberechtigung - in rechtlicher und - wegen der eingeschränkten Betriebszeiten und der Kosten - in tatsächlicher Hinsicht zumutbare Alternative ist. Maßgebend ist allein, ob die Klägerin schikanös im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung handelt, wenn sie den Beklagten die Ausübung der von ihnen in Anspruch genommenen Dienstbarkeit auf dem Grundstück Nr. 4068/2 untersagt. Dazu ist zu erwägen:
Als Grundeigentümerin muß der Klägerin ein Interesse zugestanden werden, die Ersitzung einer Dienstbarkeit zu verhindern (MietSlg 30.060; s. auch SZ 34/49). Ein Interesse als Hafenbetreiberin an der Prüfung, ob öffentlich-rechtliche Vorschriften eingehalten werden, hat die Klägerin zwar behauptet, aber nicht bewiesen. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes bezieht sich die Verpflichtung der R*****gesellschaft mbH, die Einhaltung schiffahrtspolizeilicher Auflagen zu überwachen, auf die im Hafen liegenden Boote; sie gilt daher nicht für Boote, die in Rust bloß zu Wasser gelassen werden. Ein auf die Überwachungsaufgabe des Hafenbetreibers gegründetes Interesse der Klägerin, Boote nur im Hafenbereich zu Wasser zu lassen, ist daher zu verneinen.
Dem Interesse der Klägerin steht das Interesse der Beklagten gegenüber, Kajütboote - und zwar vor allem die von ihnen reparierten oder zu reparierenden Boote - ohne Bindung an die Betriebszeiten der gemeindeeigenen Kran- und Slipanlage und ohne Zahlung der Krangebühr von S 300 je Boot unter Verwendung ihres Kranwagens zu Wasser zu lassen und wieder herauszuheben. Dieses Interesse ist ein wirtschaftliches Interesse; es reicht selbst dann nicht aus, ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Interesse der Klägerin und dem der Beklagten zu begründen, wenn das Verbot der Klägerin die wirtschaftliche Existenz der Beklagten gefährdet. Auch dann muß das Interesse der Klägerin, als Grundeigentümerin das Entstehen einer Dienstbarkeit zu verhindern, höher als das Interesse der Beklagten bewertet werden. Rechtsinstitute wie Enteignung, Notwegerecht und Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum zu Notzeiten wären, wie das Erstgericht unter Hinweis auf Bydlinski (Zum Kontrahierungszwang der öffentlichen Hand, FS Klecatsky (1980) 129 [38 f]) zutreffend ausführt, überflüssig, wenn die bloße Berufung auf das Schikaneverbot zu einer Einschränkung des Eigentumsrechtes führen könnte, welche die wirtschaftliche Betätigung eines anderen ermöglicht (hier: des Kranens und Slipens von Booten) oder sogar nur erleichtert (hier:
Reparieren der Kunststoffteile von Booten; Segelbootvermietung).
Daß der Zweitbeklagte das Grundstück der Klägerin seit 1957 für gewerbliche Zwecke nutzt, ist bei der Interessengegenüberstellung nicht zu berücksichtigen. Die Nutzungsdauer kann der Rechtsausübung der Klägerin nur dann entgegengehalten werden, wenn sie die gesetzliche Ersitzungszeit erreicht; eine Berücksichtigung kürzerer Zeiträume würde die im Gesetz festgelegten Ersitzungszeiten unterlaufen.
Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn der Erstbeklagte nunmehr über eine Gewerbeberechtigung für das Kranen und Slipen verfügt. Auch der Erwerb einer solchen Gewerbeberechtigung kann nicht dazu führen, die Klägerin für verpflichtet zu halten, die Ausübung des Gewerbes auf ihrem Grundstück zu dulden. Es wäre Sache des Erstbeklagten gewesen, vor dem Erwerb der Gewerbeberechtigung sicherzustellen, daß er das Gewerbe auf einem geeigneten Grundstück ausüben kann; daß die Klägerin die notwendige Rechtseinräumung verweigert, ist nicht schikanös. Der Grundeigentümer muß - jedenfalls unter den hier festgestellten Umständen - nicht dulden, daß andere sein Grundstück, sei es zu gewerblichen oder zu anderen Zwecken, nutzen; er ist nicht verpflichtet, die dafür notwendige Zustimmung zu erteilen.
Die Klägerin verfolgt nach dem hier maßgeblichen Sachverhalt mit ihrem Unterlassungsbegehren berechtigte Interessen. Ihr kann nicht vorgeworfen werden, so augenscheinlich eine Schädigung der Beklagten zu bezwecken, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Der behauptete Rechtsmißbrauch liegt nicht vor.
Ist das Unterlassungsbegehren der Klägerin mangels Schikane berechtigt, dann ist es unerheblich, ob die Beklagten die Boote auch auf dem Grundstück Nr. 4078/2 zu Wasser lassen können. Bemerkt sei nur, daß aus der Widmung als öffentliches Gut allein noch nicht auf das Bestehen der (rechtlichen) Möglichkeit geschlossen werden kann, die Boote auch auf diesem Grundstück zu Wasser zu lassen. Die Teilnahme am Gemeingebrauch gestattet nicht jede Nutzung; Gemeingebrauch ist vielmehr die jedem zustehende Freiheit, die Sache ihrer Zweckbestimmung gemäß oder, wo diese Zweckbestimmung fehlt oder zweifelhaft ist, in der üblichen Weise zu gebrauchen (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, § 287 Rz 4; s. auch SZ 34/49). Nach den Verfahrensergebnissen gestattet die Klägerin nur, Boote in der gemeindeeigenen Kran- und Slipanlage zu Wasser zu lassen; das Grundstück Nr. 4078/1 ist weder diesem Zweck gewidmet, noch ist eine solche Nutzung üblich. Selbst wenn daher die Beklagten trotz des zwischen dem ersten und dem zweiten Bootshafen errichteten Steges Kajütboote auch auf dem Grundstück Nr. 4078/1 zu Wasser lassen können, müssen sie damit rechnen, daß ihnen die Klägerin dies untersagt, will sie doch erreichen, daß nur die gemeindeeigene Kran- und Slipanlage genutzt wird.
Die Beklagten behaupten, der Anregung des Berufungsgerichtes folgend, daß hinsichtlich des Zweitbeklagten die Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Der Wegfall der Wiederholungsgefahr ist aber nicht von Amts wegen wahrzunehmen; einen entsprechenden Einwand haben die Beklagten in erster Instanz (ebensowenig wie im Berufungsverfahren) nicht erhoben. Dazu kommt, daß die Beklagten und damit auch der Zweitbeklagte an ihrer Auffassung festgehalten haben und festhalten, zur Nutzung des Grundstücks der Klägerin berechtigt zu sein. Selbst wenn sie daher eingewendet hätten, daß hinsichtlich des Zweitbeklagten die Wiederholungsgefahr weggefallen sei, wäre im Sinne der ständigen Rechtsprechung (ÖBl 1983, 106; ÖBl 1982, 24 uva) ein Wegfall der Wiederholungsgefahr zu verneinen.
Da das Ersturteil in der Hauptsache wiederherzustellen war, hatte der Oberste Gerichtshof auch den vom Berufungsgericht unerledigt gelassenen Kostenrekurs der Klägerin zu erledigen; dieser ist teilweise berechtigt: Die Klägerin hat in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ihr Begehren eingeschränkt. Sie hatte ursprünglich begehrt, den Beklagten das Befahren des Grundstücks Nr. 4068/2 mit Fahrzeugen jeder Art, ebenso wie das Slipen (Ins-Wasser-Lassen) von Booten in den Neusiedlersee von diesem Grundstück aus ab sofort zu untersagen. In seiner endgültigen Fassung erfaßt das Begehren der Klägerin das Befahren des Grundstücks Nr. 4068/2, soweit es an den ersten und den zweiten Bootshafen grenzt und nicht befestigte Fahrbahn ist, ebenso wie das Slipen (Ins-Wasser-Lassen) von Kajütbooten in und vom Neusiedlersee von diesem Grundstück aus, beides zu gewerblichen Zwecken und mit Fahrzeugen aller Art, insbesondere mit Kranfahrzeugen. Die Klägerin hat das Begehren demnach in dreifacher Hinsicht eingeschränkt:
hinsichtlich der Fläche, die nicht befahren werden darf, hinsichtlich der Boote, die zu Wasser gelassen und herausgehoben werden, und hinsichtlich des Zwecks, zu dem das geschieht. Das Erstgericht hat diese Einschränkung zu Recht als wesentlich und, weil nicht näher bestimmbar, als der Hälfte des Streitwertes entsprechend gewertet; es hat die Kosten daher gemäß § 43 Abs 1 ZPO gegeneinander aufgehoben. Entgegen dem letzten Satz dieser Bestimmung hat das Erstgericht aber, wie die Klägerin in ihrem Kostenrekurs zu Recht beanstandet, die Barauslagen nicht verhältnismäßig mit dem Teil zugesprochen, der dem Ausmaß des Obsiegens jeder Partei entspricht. Die angefochtene Kostenentscheidung war daher dahin abzuändern, daß beiden Parteien die Barauslagen je zur Hälfte zugesprochen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Klägerin stehen die Kosten der Berufungsbeantwortung und des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zu, nicht aber die ihres Kostenrekurses, weil der ersiegte Betrag unter S 1.000 liegt und der Klägerin weder Barauslagen erwachsen sind noch von ihr verzeichnet wurden (§ 11 RatG).
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