European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00058.08W.0520.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 494,24 EUR (darin 82,37 EUR USt und 3,20 EUR ERV‑Kosten) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 1. 4. und 15. 6. 2005 war jeweils ein von der Beklagten gehaltener, auf sie zugelassener Autobus teilweise auf der Liegenschaft der Kläger abgestellt und blockierte so deren Hauszufahrt.
Die Kläger begehrten, die Beklagte schuldig zu erkennen, das Abstellen von Reisebussen oder sonstigen Fahrzeugen auf ihrem - näher bezeichneten - Grundstück zu unterlassen. Die Beklagte als Fahrzeughalterin sei verpflichtet, die jeweiligen Busfahrer zur Beachtung fremden Eigentums anzuhalten. Der Grundnachbar der Kläger habe behauptet, die Busse teilweise auf deren Grundstück abgestellt zu haben. Die Beklagte habe vorprozessual zunächst einen Anderen als Buslenker bezeichnet. Später habe sie vorprozessual und während des Verfahrens behauptet, der bei ihr beschäftigte Grundnachbar der Kläger habe die Autobusse am 1. 4. und 15. 6. 2005 gelenkt. Letztlich habe sie aber vorgebracht, sie habe dem Grundnachbarn der Kläger, der nie bei ihr beschäftigt gewesen sei, einen Autobus jeweils bloß vermietet. Auch daraus folge die Passivlegitimation der Beklagten.
Die Beklagte wendete ein, sie sei nicht passivlegitimiert. Sie habe den Klägern in der vorprozessualen Korrespondenz zunächst „aufgrund eines Kommunikationsfehlers" eine Person als Buslenker genannt, die am 1. 4. und 15. 6. 2005 tatsächlich nicht Lenker eines ihrer Busse gewesen sei. Später teilte sie den Klägern bereits vorprozessual den tatsächlichen Lenker mit und behauptete, es handle sich um einen bei ihr beschäftigen „Buschauffeur". Letzteres brachte sie vorerst auch im Prozess vor. Dieser Lenker sei den Klägern als deren Grundnachbar und von ihnen beobachteter unmittelbarer Störer aber ohnehin bekannt gewesen. Erst am 18. 11. 2005 im zweiten Verhandlungstermin des ersten Rechtsgangs behauptete die Beklagte, der Lenker ihrer Autobusse am 1. 4. und 15. 6. 2005 sei in Wahrheit nie bei ihr beschäftigt gewesen, sondern habe einen Bus jeweils „entgeltlich entlehnt und mit diesem Leihfahrzeug Fahr(t)en auf eigene Rechnung durchgeführt". Diese Person sei „nicht einmal" ihr „Besorgungsgehilfe" gewesen.
Noch vor dieser Änderung des Sachvorbringens hatte die Beklagte im Prozess im Übrigen eingewendet, der unmittelbare Störer habe das jeweilige Fahrzeug größtenteils auf seinem eigenen Grundstück abgestellt. Es hätten - wenn überhaupt - „nur kleinste Teile des Busses auf das Grundstück" der Kläger „geragt". Die Abstellvorgänge hätten überdies nur wenige Minuten gedauert, sie seien zur Verladung und Entladung von Getränkekisten notwendig und aufgrund einer zugunsten des verantwortlichen Lenkers bestehenden Dienstbarkeit an der Liegenschaft der Kläger gerechtfertigt gewesen. Das Klagebegehren sei im Fall einer - nicht vom Dienstbarkeitsrecht gedeckten - geringfügigen Inanspruchnahme der Liegenschaft der Kläger schikanös.
Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es stellte folgende Tatsachen fest:
Der für die - im Einzelnen beschriebenen - Abstellvorgänge unmittelbar verantwortliche Buslenker, der Grundnachbar der Kläger, war nie bei der Beklagten angestellt, sondern er lieh sich bei ihr wiederholt einen Autobus gegen Zahlung von Pauschalbeträgen aus, die von den jeweils gefahrenen Kilometern abhängig waren, um so Ausflugsfahrten für Vereine abwickeln zu können. Diese Beträge kassierte er von den Teilnehmern an den Ausflugsfahrten und übergab sie der Geschäftsführerin der Beklagten. Die Fahrzeuge wurden nach Beendigung der Fahrten gereinigt zurückgestellt. Neben „der Preispauschale" wurde nur noch vereinbart, wann der jeweilige Bus abgeholt werden kann und wann er zurückzustellen ist. Die Geschäftsführerin der Beklagten kannte nicht den Wohnort ihres Vertragspartners. Wegen des Gerichtsverfahrens vermietet die Beklagte dem Grundnachbarn der Kläger zur Problemvermeidung keine Fahrzeuge mehr.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Passivlegitimation der Beklagten, die keine rechtliche und tatsächliche Möglichkeit gehabt habe, die - nach den getroffenen Feststellungen an sich zu bejahenden - Eigentumseingriffe zu verhindern. Die Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass ihr Vertragspartner durch ein bestimmtes Abstellen der gemieteten Fahrzeuge in fremdes Eigentum eingreifen werde. Sie habe auch keine Berechtigung zum Eingriff behauptet oder eine Fahrzeugentfernung über Aufforderung abgelehnt. Die Beklagte sei nur Vermieterin gewesen, ohne die Verwendung der Fahrzeuge durch den Mieter beeinflusst zu haben. Deren Geschäftsführerin habe überdies den Wohnort ihres Vertragspartners nicht gekannt.
Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt; es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision auf Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO letztlich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Passivlegitimation des Vermieters einer beweglichen Sache im Fall eines vom Mieter damit begangenen Eigentumseingriffs fehle und überdies „nicht ersichtlich sei, ob eine gefestigte Rechtsprechung bestehe, wonach auch ein mittelbarer Störer auf Unterlassung der Störung geklagt werden könne". Die Passivlegitimation der Beklagten sei zu bejahen, wenn sie das Verhalten des Mieters rechtlich und faktisch steuern und gegebenenfalls Eingriffe in fremdes Eigentum hätte verhindern können. Eine solche Möglichkeit werde etwa bei Dienstgebern, Eltern, Auftraggebern, Vermietern oder Verleihern angenommen. Die Beklagte müsste daher die rechtliche Möglichkeit oder gar Pflicht gehabt haben, einen Eingriff durch Verbote oder Anweisungen gegenüber dem Mieter zu vermeiden oder Verletzungshandlungen abzustellen. Nach einer Ansicht könne zwar bei mangelnder Beteiligung am Verhalten eines Dritten nur eine „Einwirkung auf diesen" begehrt werden, es sei jedoch bei der Eigentumsfreiheitsklage nicht nur der unmittelbare Störer passiv legitimiert, sondern jeder, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit habe, eine Störungshandlung zu verhindern. Daher könne auch derjenige geklagt werden, der durch das Einräumen von Rechten an Dritte deren rechtsverletzendes Verhalten verursacht oder gefördert habe. Die Beklagte habe insofern als Vermieterin von Autobussen die faktische und rechtliche Möglichkeit gehabt, auf ein korrektes Verhalten des Mieters - etwa durch Anweisungen - einzuwirken.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Passivlegitimation des Fahrzeughalters mit unzutreffenden Gründen bejahte; das Rechtsmittel ist aber dennoch nicht berechtigt.
Die Beklagte macht geltend, weder unmittelbar das Eigentum der Kläger gestört zu haben, noch an der Störung beteiligt gewesen zu sein oder daran ein Eigeninteresse gehabt zu haben; sie sei deshalb jedenfalls in Ansehung des erhobenen Unterlassungsbegehrens nicht passivlegitimiert. Überdies könne nicht schon „die Übergabe eines Fahrzeugs zur Benutzung" an einen Dritten eine „Durchgriffshaftung" des Halters auslösen. Sie habe keine rechtliche Möglichkeit zur Vermeidung eines Eingriffs in fremdes Eigentum durch den Mieter gehabt. Die bloß faktische Möglichkeit, ein Fahrzeug nicht zu vermieten, genüge für eine Haftung nicht.
1.1. Passiv klagslegitimiert ist bei der Eigentumsfreiheitsklage nicht nur der unmittelbare Störer, sondern jeder, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hat, eine Störung zu verhindern (RIS‑Justiz RS0103058, RS0011737). Auf Unterlassung - und nicht bloß auf Einwirkung auf den unmittelbaren Störer - in Anspruch genommen werden kann auch derjenige, der durch Einräumung von Rechten an Dritte deren rechtsverletzendes Verhalten herbeiführt oder fördert, damit er seiner Pflicht, dieses zu verhindern, entsprechend nachkommt (4 Ob 250/06b mwN).
1.2. Der Oberste Gerichtshof sprach im Übrigen bereits aus, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs allein dadurch, sein Fahrzeug von Dritten benützen zu lassen, die dabei eine Störung fremden Eigentums bewirken, noch keine Handlung setzt, die als unmittelbare Veranlassung einer solchen Störung anzusehen wäre und eine Eigentumsfreiheitsklage gegen ihn rechtfertigen könnte. Lehnt der Fahrzeughalter indes die Benennung des Störers ab und behauptet er auch sonst, nichts zur Hintanhaltung weiterer Störungen unternehmen zu können (oder zu wollen), obgleich ihm dies leicht möglich wäre, so kann die Eigentumsfreiheitsklage auch gegen ihn erhoben werden (1 Ob 680/81 = EvBl 1982/93 = MietSlg 33.048; RIS‑Justiz RS0012142). Der Gestörte hat dann gar keine andere Möglichkeit, als den allein ausfindig zu machenden Fahrzeughalter in Anspruch zu nehmen. Somit kann nach besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf das Verhalten des beklagten Fahrzeughalters vor und während des Prozesses, dessen Haftung für Eingriffe in fremdes Eigentum durch einen befugten Fahrzeugbenützer - soll der Eigentümer nicht schutzlos sein - bejaht werden.
1.3. Die Beklagte benannte zunächst in der - ihrem Wortlaut nach nicht strittigen - vorprozessualen Korrespondenz jemanden als Buslenker, der die betroffenen Busse am 1. 4. und 15. 6. 2005 nicht gelenkt hatte. Sie machte dafür - nach ihrem Vorbringen - einen „Kommunikationsfehler" verantwortlich. Später teilte sie den Klägern bereits vorprozessual den tatsächlichen Lenker mit und behauptete, es handle sich um einen bei ihr beschäftigten „Buschauffeur". Letzteres brachte sie vorerst auch im Prozess vor. Dieser Lenker sei den Klägern als deren Grundnachbar und von ihnen beobachteter unmittelbarer Störer aber ohnehin bekannt gewesen. Erst am 18. 11. 2005 im zweiten Verhandlungstermin des ersten Rechtsgangs behauptete die Beklagte, der Lenker ihrer Autobusse am 1. 4. und 15. 6. 2005 sei in Wahrheit nie bei ihr beschäftigt gewesen, sondern habe einen Bus jeweils „entgeltlich entlehnt und mit diesem Leihfahrzeug Fahr(t)en auf eigene Rechnung durchgeführt".
Noch vor dieser Änderung des Sachvorbringens hatte die Beklagte im Prozess ferner eingewendet, der unmittelbare Störer habe das jeweilige Fahrzeug größtenteils auf seinem eigenen Grundstück abgestellt. Es hätten - wenn überhaupt - „nur kleinste Teile des Busses auf das Grundstück" der Kläger „geragt". Die Abstellvorgänge hätten ferner nur wenige Minuten gedauert, sie seien zur Verladung und Entladung von Getränkekisten notwendig und aufgrund einer zugunsten des verantwortlichen Lenkers bestehenden Dienstbarkeit an der Liegenschaft der Kläger gerechtfertigt gewesen. Das Klagebegehren sei im Fall einer - nicht vom Dienstbarkeitsrecht gedeckten - geringfügigen Inanspruchnahme der Liegenschaft der Kläger schikanös. Vorerst wurde demnach ein Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger auf dem Boden einer wahrheitswidrigen Behauptung, der unmittelbare Störer sei ein bei der Beklagten beschäftigter Buschauffeur, überhaupt in Abrede gestellt, ohne dass somit die Beklagte etwa die Ergreifung von Maßnahmen angekündigt hätte, um künftige weitere Störungen des Eigentums der Kläger hintanzuhalten, was ihr, wäre der unmittelbar verantwortliche Lenker bei ihr beschäftigt gewesen, durch eine dienstliche Weisung leicht möglich gewesen wäre. Wenn daher der Fahrzeughalter vorprozessual und im Prozess zunächst wahrheitswidrig vorbringt, der unmittelbare Störer sei sein Dienstnehmer und es bilde das diesem - offenbar in Ausübung seines Dienstes in Verfolgung von Interessen des Dienstgebers und Fahrzeughalters - vorgeworfene Verhalten keinen Eingriff in fremdes Eigentum, so liegt darin ein besonderer Zurechnungsgrund analog der unter 1.2. erläuterten Rechtslage, die eine Bejahung der Passivlegitimation des Fahrzeughalters im Eigentumsfreiheitsprozess rechtfertigt, ohne dass sich daran durch eine spätere - nunmehr der Wahrheit entsprechende - Änderung des Prozessvorbringens etwas ändern könnte, hat doch die Beklagte keine Tatsachen behauptet, aus denen ableitbar wäre, sie sei an einem wahren Prozessvorbringen - siehe zur Wahrheitspflicht § 178 ZPO - aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen.
2. Wegen der voranstehend erörterten besonderen Sachlage rechnete das Berufungsgericht das Verhalten des unmittelbaren Störers im Ergebnis richtig der Beklagten zu.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
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