OGH 4Ob57/98f

OGH4Ob57/98f14.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 22.Oktober 1988 geborenen Katrin S***** infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Krems/Donau, Jugendamt, ***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems/Donau als Rekursgericht vom 30.Dezember 1997, GZ 2 R 191/97v-49, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems/Donau vom 27.Juni 1997, GZ 2 P 1428/95h-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Eltern der Minderjährigen vereinbarten anläßlich der einvernehmlichen Scheidung am 8.1.1991 zunächst, daß die Obsorge über die Minderjährige nach der Ehescheidung der Mutter zustehen solle. Späterhin (am 11.7.1995, siehe ON 17) vereinbarten sie vor dem Erstgericht einen Obsorgewechsel, dem das Gericht auch letztlich mit dem Beschluß vom 3.10.1995, ON 19, entsprach. Während die Obsorge dem Vater zukommt, werden die Pflege und Erziehung der Minderjährigen aber nicht von ihm ausgeübt, sondern von seinen Eltern, also den väterlichen Großeltern.

Die Minderjährige beantragte durch ihren Amtsvertreter am 20.9.1996, die Mutter zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.000 ab 1.9.1996 zu verpflichten. Diese verdiene als Stubenmädchen in einem Hotelbetrieb in Krems monatlich durchschnittlich S 12.000 netto und habe eine weitere Sorgepflicht für ein am 26.2.1992 geborenes Mädchen.

Die Mutter sprach sich gegen den Unterhaltsfestsetzungsantrag aus und brachte im wesentlichen vor, sie verdiene einerseits nicht so viel, habe für Wohnung und Kreditrückzahlungen Aufwendungen in Höhe von S

6.600 monatlich und müsse überdies für die Zwecke der Berufsausübung einen eigenen PKW benützen, für dessen Erhaltung und Betrieb durchschnittlich monatlich etwa S 1.200 anfielen. Weiters wies sie darauf hin, daß infolge Drittpflege der Minderjährigen bei den väterlichen Großeltern beide Elternteile geldunterhaltspflichtig seien und der Vater über ein ausreichendes Einkommen verfüge, um den Geldunterhalt der Minderjährigen abzudecken.

Das Erstgericht verpflichtete die Mutter ab 1.9.1996 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 1.100, das Unterhaltsmehrbegehren von monatlich S 900 wies es ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß der Vater in der Zeit vom 1.3.1996 bis 28.2.1997 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 21.500 erzielt habe, während die Mutter in der Zeit vom 1.9.1996 bis 31.1.1997 monatlich durchschnittlich S 11.689 verdient habe. Die monatlichen Rückzahlungsraten für einen von der Mutter für Wohnungseinrichtung und Küche aufgenommenen Kredit betrügen S 3.000.

In rechtlicher Beurteilung erörterte das Erstgericht, daß dann, wenn kein Elternteil Unterhalt durch Betreuungsleistungen erbringe, beide unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit zum Geldunterhalt beitragen müßten. Dabei seien nach der Rechtsprechung vor der Aufteilung der den Eltern aufzuerlegenden Beiträge die jeweils für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen. Der Gesamtunterhaltsbedarf eines Kindes bei Fremdpflege betrage bei durchschnittlichen Lebensverhältnissen das Doppelte des für Kinder im Alter der Minderjährigen anzusetzenden Regelbedarfs von monatlich S 3.100 (1996) bzw S 3.150 (1997). Vom Nettoeinkommen jedes Elternteils sei zunächst das Unterhaltsexistenzminimum von rund S 7.000 im Sinne des § 291 a Abs 3 EO idF der Existenzminimumverordnung (ExminV) 1996 abzuziehen, der Gesamtunterhaltsbedarf sei sodann im Verhältnis der Resteinkommen aufzuteilen, wobei die üblichen Prozentquoten vom Nettoeinkommen nicht überschritten werden dürften. Die Kosten für den PKW seien nicht abzugsfähig, jene für die Kreditrückzahlungen wegen des Zusammenhangs mit der neuen Hausstandsgründung nach der Ehescheidung zur Hälfte mit S 1.500, so daß sich bei der Mutter eine Bemessungsgrundlage von S 10.200, beim Vater eine von S 21.500 ergebe. Nach Abzug der Existenzminimumbeträge von je S 7.000 verbleibe sohin der Mutter monatlich S 3.200, dem Vater monatlich S

14.500. Der Gesamtunterhaltsbedarf des Kindes von S 6.200 sei sohin im Verhältnis dieser Resteinkommen aufzuteilen. Dabei entfalle auf die Mutter S 1.100 (und auf den Vater S 5.100).

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es billigte grundsätzlich die vom Erstgericht für die Unterhaltsbemessung angewandte, der Rechtsprechung seit der Entscheidung EvBl 1991/166 entsprechende Methode, hielt jedoch für unklar, ob nun vorweg das Existenzminimum nach § 291 a Abs 3 EO in der jeweiligen Fassung der entsprechenden ExminV abzuziehen sei, oder gemäß § 291 b Abs 2 EO lediglich 75 % dieses Betrages. Da im vorliegenden Fall kein Exekutionsverfahren zur Hereinbringung von Unterhaltsbeträgen, sondern ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren betroffen sei, erachtete es den Abzug des im § 291 a Abs 3 EO festgesetzten Betrages als zutreffend. Es billigte auch die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, daß der Anspruch eines Kindes bei Drittpflege, soweit nicht Besonderes vorgebracht oder im Verfahren hervorgekommen sei, etwa in der Höhe des doppelten Regelbedarfssatzes anzunehmen sei. Es hielt jedoch dafür, daß bei der Ermittlung der auf die jeweiligen Elternteile entfallenden Unterhaltsbeiträge nicht die Schranken der Prozentjudikatur anzuwenden seien, weil sonst die angewandte Methode ab absurdum geführt würde. Selbst wenn daher das gesamte Nettoeinkommen der Mutter als Bemessungsgrundlage angenommen würde, sei der ermittelte Betrag in dem vom Erstgericht unbekämpft festgesetzten Unterhaltsbeitrag gedeckt.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei der Unterhaltspflicht beider Elternteile als Existenzminimum jenes nach § 291 a Abs 3 EO oder das nach § 291 b Abs 2 iVm § 291 a Abs 3 EO idF der jeweils geltenden ExminV als Richtschnur heranzuziehen sei, ebensowenig vorliege wie zur Frage, ob bei der jeweiligen Ausmessung der Unterhaltsverpflichtung die sonst bei der Unterhaltsbemessung übliche Prozentmethode als Grenze der relativen Leistungsfähigkeit herangezogen werden solle oder nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Minderjährigen ist im Ergebnis nicht gerechtfertigt.

Die Vorinstanzen haben in ihren Entscheidungen die in der

grundlegenden Entscheidung 1 Ob 564/91 (= EvBl 1991/166 = ÖA 1992, 21

= EFSlg 65.006) festgelegte Methode, die im Falle der Geldunterhaltsverpflichtung beider Elternteile nunmehr ständiger Rechtsprechung (zuletzt EFSlg 79.950; 79.951; 59.952 uva) entspricht, zwar im Grunde zutreffend angewendet, dabei jedoch eine Komponente - nämlich die des Geldunterhaltsbedarfs der Minderjährigen - nach der Aktenlage unzutreffend ermittelt: Seit der "Obsorgeänderungsvereinbarung" vom 11.7.1995 (ON 17, ON 19) wird die Minderjährige im Einvernehmen der Eltern ausschließlich von den väterlichen Großeltern betreut, während die Eltern jeweils ein ausgedehntes Besuchsrecht ausüben. Die väterlichen Großeltern und der Vater haben der Behauptung der Mutter, die Pflege und Betreuung der Minderjährigen durch die Großeltern erfolge (gleichsam als Grundlage dieser Vereinbarung) kostenlos, nur entgegengesetzt, daß der Vater (wohl zur Bestreitung der übrigen geldwerten Unterhaltsbedürfnisse der Minderjährigen) regelmäßig monatlich S 2.300 zahle und noch Naturalien im Wert von S 500 bis 1.000 leiste, und auf eine entsprechende Geldunterhaltsleistung der Mutter nicht verzichtet worden sei (ON 31, 32, 33). Damit steht aber im vorliegenden Fall fest, daß der Gesamtunterhaltsbedarf der Minderjährigen neben der - hier unentgeltlichen - Drittpflege nur noch aus den zusätzlichen Kindesunterhaltsbedürfnissen (wie etwa Kleidung, Ferienkosten, Kosten für kulturelle und sportliche Bedürfnisse, Taschengeld etc) besteht (EFSlg 79.951 ua). Bei den hier vorliegenden, bei beiden Elternteilen, jedenfalls aber bei der Mutter, anzunehmenden durchschnittlichen Lebensverhältnissen sind diese zusätzlichen, in die Geldunterhaltspflicht beider Elternteile fallenden Bedürfnisse der Minderjährigen mit dem Regelbedarf (wie vom Erstgericht festgestellt S 3.100 [1996] bzw S 3.150 [1997]) abzugelten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist somit von den Eltern nicht der doppelte Regelbedarf aufzubringen. Die vom Rekursgericht zur Begründung der Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses angeführten Rechtsfragen (1. Ermittlung der jeweiligen Resteinkommen unter Abzug des Existenzminimums nach § 291 a Abs 3 EO oder zusätzlich nach § 291 b Abs 2 EO iVm der jeweiligen ExminV? 2. Kann bei der danach vorzunehmenden Ausmessung der einzelnen Unterhaltsanteile die sonst bei den üblichen Prozentsätzen gezogene Grenze überschritten werden oder nicht?) und die weiters im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der Anrechenbarkeit (der Hälfte) der Kreditrückzahlungsraten können im vorliegenden Fall schon deshalb dahingestellt bleiben, weil die Mutter mit dem ihr unangefochten auferlegten Unterhaltsbeitrag von monatlich S 1.100 nach jeder dieser Methoden selbst bei Zugrundelegung ihres gesamten Durchschnittsnettoeinkommens als Bemessungsgrundlage keinen höheren Unterhaltsbetrag leisten müßte. Zusammen mit dem vom Vater festgestelltermaßen geleisteten Geldunterhalt werden damit die Geldunterhaltsedürfnisse der Minderjährigen angemessen gedeckt. Diese Beiträge der Elternteile stehen zueinander auch in einer dem § 140 Abs 1 ABGB entsprechenden Verhältnismäßigkeit (zu ihren Kräften/Einkommen). Die "sonst üblichen" Obergrenzen der Prozentjudikatur sind damit bei beiden Elternteilen auch nicht annähernd erreicht.

Diese Erwägungen führen im Ergebnis zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

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