OGH 4Ob559/87

OGH4Ob559/8730.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Stefan B***, geb. 8. Dezember 1982, infolge Revisionsrekurses der Mutter Helga B***, Angestellte, 4063 Hörsching, Aistentalerstraße 1, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 22. Mai 1987, GZ 18 R 214/87-51, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 23. Februar 1987, GZ 2 P 163/86-43, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht ordnete nach § 177 ABGB an, daß die sich aus § 144 ABGB ergebenden elterlichen Rechte betreffend den am 8. Dezember 1982 geborenen minderjährigen Stefan B*** künftig dem ehelichen Vater allein zustehen. Gleichzeitig schob es die Wirksamkeit dieser Anordnung bis zum Eintritt ihrer Rechtskraft auf. Auf Grund des psychologischen Gutachtens traf es unter anderem die Feststellung, daß die Mutter infolge der zwischen ihr und ihrem Ehemann bestehenden Konflikte emotional stark angegriffen und in psychischer Hinsicht nicht so stabil wie der Vater sei. Das Argument der Kontinuität der Erziehung rechtfertige nicht die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes, weil die Mutter der Entwicklung eines intensiven Kontaktes des Kindes zum Vater entgegenwirke, psychisch weniger als der Vater belastbar sei und zu Verzweiflungshandlungen neige. Es sei dringend notwendig, daß die unbegründete ablehnende Haltung des Kindes gegenüber seinem Vater ehestens korrigiert werde.

Das Rekursgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte weiters nocht fest, daß die Mutter nach der Androhung einer Geldstrafe durch das Erstgericht die Ausübung des Besuchsrechtes des Vaters nicht mehr behindere. Wegen der großen Sorgen, die sich die Mutter im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren gemacht habe, sei sie am 13. Mai 1986 plötzlich auf den Gedanken gekommen, daß sie sich mit ihrem Sohn gemeinsam das Leben nehmen werde. Gemeinsam mit dem Minderjährigen in der bloß bis 5 cm mit Wasser bedeckten Badewanne stehend habe sie sich überlegt, sich und ihrem Sohn durch Eintauchen des elektrischen Föns in das Wasser das Leben zu nehmen. Während des Spielens im Wasser mit dem Kind seien ihr die Selbstmord- bzw. Mordgedanken wieder verflogen. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die Abwägung aller bei beiden Elternteile bestehenden Umstände spreche dafür, daß die Übertragung der elterlichen Rechte auf den Vater dem Wohl des Minderjährigen entspreche. Ein wesentlicher Umstand für die Beurteilung liege darin, daß die Mutter in der im Zuge des Scheidungsverfahrens entstandenen schwierigen Situation nicht nur den Plan gefaßt habe, sich und das Kind zu töten, sondern auch konkrete und ausführungsnahe Handlungen gesetzt habe. Die Beziehungsschwierigkeiten zwischen dem Kind und dem Vater seien durch die negative Beeinflussung der Mutter und der mütterlichen Großmutter verursacht worden. Dem Argument der Kontinuität des Pflegeplatzes komme deshalb keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Es könne in Anbetracht des anhängigen Scheidungsverfahrens nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die psychisch offensichtlich äußerst labile Mutter abermals ähnliche Handlung gegen sich und das Kind setze, wie dies am 13. Mai 1986 der Fall gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes ist unzulässig.

Die vom Rekursgericht übernommene Feststellung des Erstgerichtes, daß sie infolge der Konflikte emotional stark angegriffen und in psychischer Hinsicht nicht so stark wie der Vater sei, bekämpft die Revisionsrekurswerberin als aktenwidrig. Aus dem psychologischen Gutachten gehe hervor, daß beide Elternteile zur Pflege und Erziehung des Kindes geeignet erscheinen. Homogener sei zwar das testmäßige Persönlichkeitsbild des Vaters, wogegen die Mutter durch die Beziehungskonflikte offensichtlich stärker betroffen und emotional angegriffen sei. Sie scheine auch psychisch etwas angegriffen. Die Feststellungen über ihren psychischen Zustand entsprechen daher nicht dem Akteninhalt.

Im Rahmen des § 16 AußStrG können nur offenbare Aktenwidrigkeiten der Rekursentscheidung wahrgenommen werden. Eine Aktenwidrigkeit ist jedoch nur dann gegeben, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt unrichtig wiedergegeben hat oder wenn für eine Tatsachenfeststellung überhaupt keine beweismäßige Grundlage vorhanden ist. Die übrigen getroffenen Feststellungen reichen im Zusammenhang mit der weiteren Feststellung, daß die Mutter emotional angegriffen ist aus, um die Sorgerechtsentscheidung der Vorinstanzen zu begründen. Daß es darüber hinaus darauf ankomme, daß die Mutter emotional stark angegriffen sei, haben die Vorinstanzen zu Recht nicht ausgeführt. Die behauptete Aktenwidrigkeit betrifft daher keinen wesentlichen Punkt der Entscheidung des Rekursgerichtes, sodaß nicht näher zu prüfen war, ob sie vorliegt.

Der auf keinen gesetzmäßigen Grund gestützte außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin war daher zurückzuweisen. Da das Revisionsrekursverfahren im Außerstreitverfahren nur in den vom Gesetz besonders genannten Fällen zweiseitig ist und für Sorgerechtsentscheidungen keine solche Anordnung besteht, war auch die Revisionsrekursbeantwortung zurückzuweisen.

Wien, am 30.Juli 1987.

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