Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde am 11.12.1984 im Einvernehmen geschieden. Im pflegschaftsbehördlich genehmigten Scheidungsvergleich vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge über den Minderjährigen der Mutter zusteht; der Vater verpflichtete sich zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 1.500 an den Minderjährigen. Er war damals Taxiunternehmer und zuletzt als Taxilenker beschäftigt; als solcher wäre er jetzt in der Lage, monatlich netto durchschnittlich S 14.500 zu verdienen. Im Jahr 1986 war der Vater in Polizeihaft; im Jahr 1988 verbüßte er eine gerichtliche Freiheitsstrafe. Von diesen Vollzugsanstalten wurde er jeweils unbekannt wohin abgemeldet. Der Aufenthalt des Vaters ist nicht bekannt. Als Taxiunternehmer unterliegt er der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG. Da er im Jahr 1987 nicht zur Einkommensteuer veranlagt wurde, wurde der Sozialversicherungsbeitrag nach der gesetzlichen Mindestbeitragsgrundlage berechnet. Der Vater hat jedoch seit Juli 1984 keine Beiträge an die Sozialversicherung entrichtet, weshalb der Antrag auf Entziehung seiner Taxikonzession gestellt wurde; er geht auch keiner anderen gemeldeten Tätigkeit nach.
Am 27.12.1990 beantragte das Amt für Jugend und Familie für den
17. und 18. Bezirk in Wien, den Unterhalt für den Minderjährigen ab 1.1.1991 auf S 2.600 zu erhöhen. Der Vater gehe zwar keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nach; er könnte jedoch als Taxilenker monatlich netto durchschnittlich S 14.500 verdienen. Der geforderte Unterhalt entspreche den (nunmehrigen) Bedürfnissen des Kindes.
Der Abwesenheitskurator sprach sich gegen den Erhöhungsantrag aus. In dem festgelegten Unterhalt fänden die Bedürfnisse des Kindes noch Deckung. Da der Vater unbekannten Aufenthaltes sei, dürfe nicht von einer Verbesserung seiner Lebensverhältnisse ausgegangen werden. Wegen seiner Haftstrafen müsse auch angenommen werden, daß er nur schwer einen entsprechenden Arbeitsplatz finden könne.
Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag statt. Da der Vater seit Jahren keiner geregelten Beschäftigung nachgehe und unbekannten Aufenthaltes sei, müsse bei der Bemessung von einem fiktiven, von ihm erzielbaren Einkommen ausgegangen werden.
Das Rekursgericht wies den Erhöhungsantrag ab und sprach aus, daß der ordentlichen Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auch im außerstreitigen Unterhaltsbemessungsverfahren gelte der allgemeine Grundsatz über die Beweislastverteilung, wonach der Unterhaltsberechtigte alle anspruchsbegründenden Tatsachen, der Unterhaltspflichtige aber alle den Anspruch aufhebenden oder mindernden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen habe. Abgesehen davon, daß im Scheidungsvergleich keine Unterhaltsbemessungsgrundlage genannt worden sei, könne bei der Bemessung auch nicht auf das damals vom Vater bezogene Einkommen zurückgegriffen und dieses valorisiert werden, weil sich die Verhältnisse durch die Verbüßung von Haftstrafen geändert hätten. Es sei nicht nachgewiesen worden, daß der Vater wieder als Taxiunternehmer oder Taxilenker tätig ist; auch konkrete Anhaltspunkte, daß er nunmehr in der Lage wäre, im Monat durchschnittlich S 14.500 zu verdienen, lägen nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Unterhaltserhöhung seien daher nicht erwiesen worden.
Der dagegen vom Unterhaltssachwalter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Beweislast im außerstreitigen Unterhaltsbemessungsverfahren und über die Anspannung Unterhaltspflichtiger mit unbekanntem Aufenthalt abgewichen ist; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wird der Unterhaltserhöhungsantrag eines Minderjährigen gegen einen Unterhaltspflichtigen, der unbekannten Aufenthaltes ist, auf die allgemeine Veränderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse sowie den erhöhten Bedarf des älter gewordenen Kindes gestützt, dann trifft die Beweislast, zur Zahlung des entsprechend erhöhten Unterhaltsbetrages nicht in der Lage zu sein, den Unterhaltspflichtigen (SZ 53/54; 2 Ob 554/82; ÖAV 1990, 109; 7 Ob 620, 621/90). Der Oberste Gerichtshof hat in SZ 53/54 ausgesprochen, daß eine Unterhaltserhöhung bei unbekanntem Aufenthalt des Unterhaltsschuldners auch nach den Grundsätzen der Anspannungstheorie möglich ist. In der in ÖAV 1990, 109 veröffentlichten Entscheidung wurde darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, daß die Anwendung dieser Beweislastregeln zur Anspannung des mit unbekanntem Aufenthalt abwesenden Unterhaltspflichtigen auch dann möglich ist, wenn die Unterhaltsverpflichtung noch nicht durch einen noch unter seiner Beteiligung geschaffenen Titel individuell konkretisiert wurde; liege zwar noch kein Titel vor, könnten jedoch die dafür zur Zeit seines letzten bekannten Aufenthaltes maßgebenden Tatsachen noch festgestellt werden, dann könne auf dieser Grundlage auch gegen einen Unterhaltspflichtigen mit unbekanntem Aufenthalt unter Anwendung der Anspannungstheorie entschieden werden, wenn entlastende Veränderungen der Verhältnisse von ihm nicht bewiesen werden können. Auch einem abwesenden Unterhaltspflichtigen falle das Mißlingen des ihm obliegenden Beweises zur Last.
Im vorliegenden Fall geht der angefochtenen Entscheidung eine Unterhaltsregelung im Vergleich vom 11.2.1984 voraus. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes trifft es nicht zu, daß damit keine Bemesssungsgrundlagen festgelegt worden seien. Da der Unterhaltsbetrag für den damals 2jährigen Minderjährigen mit einem den Regelbedarf geringfügig übersteigenden Betrag festgelegt wurde, steht fest, daß die Eltern von einer geringfügig überdurchschnittlichen Leistungsfähigkeit des Vaters ausgegangen sind. Zutreffend verweist der Revisionsrekurs darauf, daß der Erhöhungsantrag auf einen dem nunmehrigen Regelbedarf des jetzt im 9.Lebensjahr stehenden Minderjährigen entsprechenden Betrag gerichtet, also im wesentlichen mit der Änderung der allgemeinen Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse sowie dem erhöhten Bedarf des älter gewordenen Kindes begründet wurde. Eine überdurchschnittliche Steigerung der Lebensverhältnisse des Vaters wurde dabei nicht vorausgesetzt; der begehrte Unterhalt entspricht vielmehr der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit eines Taxilenkers im Alter des Unterhaltspflichtigen.
Es trifft aber auch nicht zu, daß sich die Verhältnisse wesentlich verändert hätten. Eine verbüßte Polizeihaftstrafe schmälert erfahrungsgemäß die Fortkommensmöglichkeiten des Betroffenen kaum; auch nach der Verbüßung einer gerichtlichen Vorstrafe im Jahr 1988 muß der Vater mittlerweile wieder in der Lage sein, im Erwerbsleben Fuß zu fassen. Daß er das nicht auch als Taxilenker könnte, wurde von ihm, obwohl er dafür beweispflichtig gewesen wäre, nicht nachgewiesen.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
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