Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.079,40 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 2.679,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Begründung
Mit Gesellschaftsvertrag vom 9. Juni 1980 hatten sich die Streitteile mit anderen Personen zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma "T*** Treuhand und Revisionsgesellschaft mbH" mit dem Sitz in Linz zusammengeschlossen; Gegenstand des Unternehmens war die Ausübung der Berufsbefugnisse einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft. Am 23. September 1986 einigten sich die Gesellschafter dahin, die Gesellschaft mbH in eine Kommanditgesellschaft umzuwandeln. Komplementär der Nachfolge-KG sollte der Beklagte, Kommanditisten der Kläger und zwei weitere Personen werden. In einer am selben Tag abgeschlossenen "Grundsatzvereinbarung" wurde festgelegt, daß das Vermögen der Gesellschaft mbH zwischen dem Beklagten einerseits sowie dem Kläger und seiner Gattin andererseits geteilt werde. Dabei wurde insbesondere der Klientenstock der "T***" aufgeteilt. Zugleich wurde zwischen den Streitteilen ein Konkurrenzierungsverbot in der Form vereinbart, daß jede direkte oder indirekte wirtschaftstreuhänderische Tätigkeit für die näher angeführten Klienten des einen Vertragspartners dem jeweils anderen untersagt wurde; für den Fall einer Verletzung dieses Verbotes vereinbarten die Parteien eine Konventionalstrafe.
Mit der Behauptung, daß der Beklagte dieses Konkurrenzierungsverbot verletzt habe, verlangt der Kläger eine Konventionalstrafe von S 450.000,- sA.
Der Beklagte begehrt unter Hinweis auf das in § 25 Abs 2, § 28 a Abs 4 WTBO vorgesehene Schlichtungsverfahren die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens.
Der Kläger ist der Prozeßeinrede des Beklagten entgegengetreten. Der Streit rühre aus der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses her und habe nichts mit der Ausübung des Wirtschaftstreuhänderberufes zu tun. Schlichtungsregelungen in Berufsausübungsgesetzen bewirkten im übrigen keine Unzulässigkeit des Rechtsweges. Mittlerweile habe der Kläger vorsichtshalber die Schlichtungsstelle angerufen.
Das Erstgericht sprach aus, daß es zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache sachlich unzuständig sei, und wies die Klage zurück. § 28 a WTBO bestimme in Verbindung mit § 25 WTBO, daß vor dem Beschreiten des Rechtsweges das Schlichtungsverfahren bei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder einzuleiten sei. Ein Verstoß gegen die zwingend vorgeschriebene Anrufung eines vom Gesetz vorgesehenen Schiedsgerichtes bewirke jedoch nicht die Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern eine prorogable Unzuständigkeit. Mit seiner Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges habe der Beklagte zu erkennen gegeben, daß er sich nicht in den Streit einlassen wolle und die Zurückweisung der Klage begehre; von dieser Einrede sei daher auch jene der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes umfaßt. Die Klage sei somit wegen sachlicher Unzuständigkeit des Erstgerichtes zurückzuweisen gewesen. Das Gericht zweiter Instanz wies den Antrag des Beklagten auf Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges und sachlicher Unzuständigkeit ab. Die in § 25 Abs 2 WTBO vorgeschriebene Streitschlichtungsregelung bewirke jedenfalls nicht die Unzulässigkeit des Rechtsweges; der diesbezügliche Ausspruch des Erstgerichtes sei unangefochten geblieben und habe zahlreiche Argumente für sich: Mit § 25 Abs 2, § 28 a WTBO sollte eine Rechtslage geschaffen werden, wie sie für Ärzte, Dentisten und Zivilingenieure bestehe. Hier stimmten aber Lehre und Rechtsprechung überein, daß die Umgehung des Schlichtungsverfahrens für die Zulässigkeit des Rechtsweges ohne Bedeutung sei. Auch im vorliegenden Fall sei dem Gesetzeswortlaut nicht zwingend zu entnehmen, daß mit dem Verbot des Rechtsweges vor der Einleitung oder dem Ablauf des Schlichtungsverfahrens bei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ein Prozeßhindernis aufgerichtet werden sollte. Von einem völlig unmißverständlichen Ausschluß des Rechtsweges könne keine Rede sein.
Auch die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten sei verfehlt: Die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit für die Entscheidung eines Rechtsstreites könne sich nur zwischen Gerichten stellen, die den gleichen Rechtsschutz gewährten. Darum schließe zwar die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes - dessen Aufgabe die Entscheidung eines Rechtsstreites ist - die sachliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aus, nicht jedoch die Vereinbarung, den Rechtsweg erst nach dem Mißlingen einer Schlichtung des Streites durch eine Schiedsinstanz zu beschreiten. Da dem Beschreiten des Rechtsweges hier nur ein Schlichtungsversuch durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder vorangehen solle, liege keine Konkurrenz zweier Gerichte vor; die Entscheidungsbefugnis komme vielmehr nur den ordentlichen Gerichten zu.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der "Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs) des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges und sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückgewiesen werde. Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, obwohl er nur die von beiden Vorinstanzen übereinstimmend bejahte Zulässigkeit des Rechtsweges in Zweifel zieht, die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß von sachlicher Unzuständigkeit hier nicht die Rede sein könne, aber gar nicht bekämpft. Gegenstand des erst- und des rekursgerichtlichen Beschlusses war die auf § 25 Abs 2, § 28 a Abs 4 WTBO gestützte Prozeßeinrede des Beklagten, welche der Erstrichter - wenn auch mit einer anderen als der vom Beklagten vorgenommenen
Qualifikation - für berechtigt, die zweite Instanz hingegen für nicht berechtigt erachtet hat. Von übereinstimmenden und daher für den Obersten Gerichtshof bindenden (§ 42 Abs 3 JN) Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtsweges kann somit nicht gesprochen werden. Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstrichters über die Prozeßeinrede abgeändert hat, wäre es dem Obersten Gerichtshof nicht verwehrt, gegebenenfalls - entgegen der übereinstimmenden Ansicht der Vorinstanzen - die Zulässigkeit des Rechtsweges zu verneinen.
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Nach § 25 Abs 2 WTBO idF der WTBO-Novelle 1986 BGBl 380 sind Streitigkeiten zwischen Wirtschaftstreuhändern untereinander oder mit Berufsanwärtern hinsichtlich Berufsausübung oder Tätigkeit in der Standesvertretung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vor Beschreiten des Rechtsweges zur Schlichtung vorzulegen. Zu einer solchen Schlichtung ist gemäß § 28 a Abs 1 WTBO der am Sitz jeder Landesstelle einzurichtende Schlichtungsausschuß berufen, der in Senaten zu drei Mitgliedern innerhalb von drei Monaten nach Anrufung zu entscheiden hat. Unter einem solchen "Entscheiden" ist hier - wie sich schon aus dem Begriff der "Schlichtung" ergibt - nicht etwa eine für die Parteien bindende Sachentscheidung des Streitfalles, sondern nur die Entscheidung über die allfällige Erstattung eines Schlichtungsvorschlages - wie dies in §§ 6 ff der auf Grund § 28 a Abs 1, letzter Satz, WTBO vom Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder beschlossenen Schlichtungsordnung dieser Kammer vorgesehen ist - zu verstehen. Die Zeit, während deren die Kammer mit der Sache befaßt ist, wird in die Verjährungsfrist sowie in andere Fristen für die Geltendmachung des Anspruches bis zur Dauer von drei Monaten nicht eingerechnet (§ 28 a Abs 3 WTBO). Nach § 28 a Abs 4 WTBO darf der Rechtsweg erst beschritten werden, sobald entweder die in Abs 3 genannte Zeit verstrichen oder noch vor Ablauf dieser Zeit das Schlichtungsverfahren beendet ist. Damit sollte im Interesse des Standesansehens der Wirtschaftstreuhänder eine obligatorische "Kammerschiedsgerichtsbarkeit" eingeführt werden, wie sie sich schon in den Berufsgesetzen anderer freier Berufe finde (1017 BlgNR 16.GP 2). Welche Folgen das vorschriftswidrige sofortige Beschreiten des Rechtsweges hat, ist aber den Erläuterungen zur WTBO-Nov 1986 nicht zu entnehmen.
Zu § 33 Abs 1 DentistenG, wonach die selbständigen Dentisten verpflichtet sind, alle sich zwischen ihnen bei Ausübung des Dentistenberufes ergebenden Streitigkeiten vor Einbringung einer gerichtlichen Klage der Dentistenkammer vorzulegen, hat der Oberste Gerichtshof in SZ 27/174 ausgesprochen, daß einer dennoch eingebrachten Klage nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegengehalten werden könne; eine so einschneidende Maßnahme müßte der Gesetzgeber in klarer, unmißverständlicher Weise ausdrücklich anordnen. Im gleichen Sinne hat der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des Rechtsweges für eine Klage bejaht, die ein Mitglied einer Ingenieurkammer entgegen § 20 Abs 2 der V 25. April 1947, BGBl 107, über das Kammerstatut der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland - welche Bestimmung im wesentlichen dem § 33 Abs 1 DentistenG entspricht - eingebracht hatte (RZ 1960, 124).
Auch der Wortlaut der § 25 Abs 2, § 28 a Abs 4 WTBO läßt entgegen der Meinung des Beklagten keineswegs deutlich erkennen, daß für Klagen, die ohne vorangegangenes Schlichtungsverfahren eingebracht werden, der Rechtsweg unzulässig sein sollte. Zwar wird dort angeordnet, daß der Rechtsweg erst nach einem Schlichtungsversuch beschritten werden darf; damit ist aber noch nicht gesagt, daß eine dennoch eingebrachte Klage für die Zeit bis zum Ablauf der Frist des § 28 a Abs 3 WTBO den ordentlichen Gerichten entzogen wäre (§ 42 Abs 1 JN), die Sache also nicht auf den Rechtsweg gehörte (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO). Nur dort, wo das Gesetz die Durchführung eines Güte- oder Schlichtungsverfahrens zwingend vorschreibt und die Zurückweisung einer vorher erhobenen Klage ausdrücklich anordnet - wie etwa in Art. 105 des Vertrages zwischen der R*** Ö*** und der B*** D*** zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen, BGBl 1958/119 - ist der Rechtsweg unzulässig (Fasching III 168). Da dies auf § 25 Abs 2, § 28 a Abs 4 WTBO nicht zutrifft, muß hier die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht werden (Mayr, Schlichtungsverfahren zwischen Wirtschaftstreuhändern als Prozeßvoraussetzung, RdW 1988, 159 f). Ob eine Verletzung der § 25 Abs 2, § 28 a Abs 4 WTBO - wie Mayr aaO meint - nur disziplinäre Folgen für den klagenden Wirtschaftstreuhänder hat oder ob sie dem Beklagten auch den materiellrechtlichen Einwand der mangelnden Klagbarkeit eröffnet (vgl. Kuderna, Schlichtungsstellen für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, DRdA 1978, 9; 9 Ob A 263/88), ist hier nicht zu erörtern.
Da somit die Zulässigkeit des Rechtsweges für die hier vorliegende Klage eines Wirtschaftstreuhänders gegen einen anderen, die zweifellos mit der Berufsausübung dieser Personen im Zusammenhang steht, zu bejahen ist, liegt auch der geltend gemachte Feststellungsmangel nicht vor.
Schon das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Anordnung, vor der Klageerhebung eine Schlichtungsstelle anzurufen, keinesfalls die sachliche Unzuständigkeit eines Gerichtes begründen kann; einer Ergänzung dieser Ausführungen bedarf es nicht. Dem Revisionsrekurs war ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50, 52 ZPO.
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