OGH 4Ob552/75

OGH4Ob552/7524.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Ö*, vertreten durch Dr. Alexander Kubicek, Rechtsanwalt in Wien, wider ihren Gegner H*, vertreten durch Dr. Ivo Greiter, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 25. April 1975, GZ. 2 R 253/75‑9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 21. März 1975, GZ. 6 C 1138/75-2, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00552.75.0624.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Eine Kostenentscheidung entfällt.

 

Begründung:

Die Antragstellerin begehrt eine einstweilige Verfügung, wonach der H*, vertreten durch ihren Vorsitzenden G* K*, verboten werden soll, über „das Konto Nr. *“ zu verfügen, und dem Drittschuldner Landeshypothekenanstalt Tirol „befohlen werde, bis auf weiteres gerichtliche Anordnung der H* aus dem Konto Nr. * Zahlungen zu leisten oder sonst etwas zu unternehmen, was die Exekutionsführung auf die Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren könnte“. Die Antragstellerin begründete ihr Begehren damit, daß sie zur Einhebung der Hochschülerschaftsbeiträge verpflichtet sei und zu diesem Zweck Erlagscheine habe drucken lassen. Die Antragsgegnerin habe durch ihren Vorsitzenden G* K* „bewirkt“, daß anstelle der für alle österreichischen Hochschulen gültigen Erlagscheine an die Studenten in * Erlagscheine der Antragsgegnerin ausgegeben werden. Danach erfolge die Einzahlung der Hochschülerschaftsbeiträge auf das angeführte Konto, obgleich die Zahlung richtigerweise nur auf ein Konto der Antragstellerin zu erfolgen habe. Da die Antragstellerin über sämtliche Mittel der Hochschülerschaft verfügungsberechtigt und dafür verantwortlich sei, werde sie die nötigen Klagen zur Herstellung des gesetzlichen Zustandes einbringen.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung und setzte der Antragstellerin eine Frist von 4 Wochen für die Einbringung der Klage. Es war der Auffassung, daß der von der Antragstellerin behauptete Anspruch ihr nach den Bestimmungen des Hochschülerschaftsgesetzes zustehe. Die Eröffnung eines eigenen Kontos durch die Antragsgegnerin reiche zur Bescheinigung einer Gefährdung des Anspruches der Antragstellerin aus.

Das Rekursgericht hob anläßlich eines Rekurses der Antragsgegnerin die Entscheidung des Erstgerichtes und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies den gestellten Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es ging davon aus, daß eine einstweilige Verfügung nur zulässig sei, wenn der zu sichernde Anspruch zur Geltendmachung in einem gerichtlichen Verfahren geeignet und in einem gerichtlichen Exekutionsverfahren durchsetzbar sei. Im vorliegenden Fall seien beide Parteien Körperschaften öffentlichen Rechtes, die mit Aufgaben betraut seien, die zum Teil der Privatwirtschaftsverwaltung zum anderen Teil dem Bereich der staatlichen Verwaltung angehörten. Die österreichische Hochschülerschaft und die Hochschülerschaften an den Hochschulen seien somit zur Mitwirkung an der öffentlichen Verwaltung berufen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sei ihnen unter anderem die Einhebung von Zwangsbeiträgen von ihren Mitgliedern vorgeschrieben. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sei zur Überwachung der Rechtsmäßigkeit der Beschlüsse der Organe dieser Körperschaften bestellt und zur Beseitigung rechtswidriger Beschlüsse, sowie zur Untersagung ihrer Ausführung berufen. Zur Einhebung des Hochschülerschaftsbeitrages sei nur die österreichische Hochschülerschaft – nicht die Hochschülerschaft an der betreffenden Hochschule – berufen. Die österreichische Hochschülerschaft habe auch die zur Verfügung stehenden Geldmittel nach im Gesetz festgelegten Richtlinien zu verwalten. Trotz der Selbstverwaltungsfähigkeit der Hochschülerschaften an den Hochschulen bestehe eine gewisse Abhängigkeit von der österreichischen Hochschülerschaft in finanzieller Hinsicht. Auch die Regelung des Instanzenzuges im Hochschülerschaftsgesetz drücke ein Verhältnis von Über- und Unterordnung in den Beziehungen zwischen der österreichischen Hochschülerschaft und den Hochschülerschaften an den Hochschulen aus. Beim Streit über die Festsetzung und Einhebung der Hochschülerschaftsbeiträge handle es sich um eine Streitigkeit aus dem Verbandverhältnis, welche der Zuständigkeit der Gerichte entzogen sei. Über die Frage, ob die Antragsgegnerin berechtigt sei, den Hochschülerschaftsbeitrag selbständig einzuheben und über das von ihr eröffnete Konto zu verfügen, sei nach den Bestimmungen des Gesetzes von der Aufsichtsbehörde, nämlich dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, zu entscheiden. Über den von der Antragstellerin behaupteten Anspruch könnten daher die Gerichte nicht entscheiden, sodaß eine gerichtliche einstweilige Verfügung zu seiner Sicherung nicht erlassen werden könne. Im übrigen sei der Anspruch auch nicht ausreichend individualisiert und seine Gefährdung nicht einmal behauptet worden.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich die „Revision“ der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin hat dazu eine „Gegenäußerung“ erstattet.

Da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen im Rekursverfahren ergangenen Beschluß handelt, ist die Anfechtung richtigerweise mit Revisionsrekurs und nicht mit Revision möglich. Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels hindert aber nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (5 Ob 91/73 u.a.). Aus der richtigen Beurteilung der Natur des erhobenen Rechtsmittels folgt aber schon, daß dem von der Antragstellerin darin gestellten Antrag auf Anordnung einer mündlichen Verhandlung vor dem „Revisionsgericht“ nicht näher getreten werden kann und daß auf die von der Antragsgegnerin zu diesem Rechtsmittel überreichten „Gegenäußerung“ nicht Bedacht zu nehmen ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Richtigerweise ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß gerichtliche einstweilige Verfügungen nur zur Sicherung von Ansprüchen, die auf den Rechtsweg gehören, nicht aber hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Ansprüche zulässig sind (Neumann-Lichtblau EO3 II 1180 f., EvBl 1961/308, 1954/378). Die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Verfügung soll das nach ihrer Darstellung ihr allein zustehende Recht auf Einhebung der Hochschülerschaftsbeiträge und der Verfügung über diese sichern, da die Antragstellerin behauptet, daß die Antragsgegnerin die Einzahlung der Hochschülerschaftsbeiträge für den Bereich der Universität * auf das angeführte Konto „bewirkt“ habe, obgleich zur Einhebung von Hochschülerschaftsbeiträgen nur die Antragstellerin berechtigt sei und nur die von ihr ausgegebenen Erlagscheine gültig seien. Maßgeblich ist somit, ob über die von der Antragstellerin behauptete Berechtigung und den angeblichen Eingriff der Antragsgegnerin in dieses Recht die Gerichte oder die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben.

Ob der Rechtsweg zulässig ist, hängt davon ab, daß es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und, falls ein bürgerlich rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wurde. Bürgerliche Rechtssachen sind jene, denen Privatrechtsverhältnisse zugrundeliegen. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, nicht aber wie der Kläger den erhobenen Anspruch rechtlich formt (Fasching ZP I 61, Holzhammer Zivilprozeßrecht 13, SZ 45/95, 44/165, EvBl 1972/204, 4 Ob 590/73 u.a.). Privatrechtliche Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, daß sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist. Zum öffentlichen Recht gehören aber auch Ansprüche, denen zwar das Charakteristikum der einseitigen Rechtsunterworfenheit fehlt, die aber mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in so untrennbarem Zusammenhang stehen, daß auch sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssen. Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des Privatrechtes oder des öffentlichen Rechtes in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder die Gerichte zum Ausdruck bringen (Fasching ZP I 48, 61 f., SZ 45/134 u.a.).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß sowohl die österreichische Hochschülerschaft als auch die Hochschülerschaften an den Hochschulen Körperschaften öffentlichen Rechtes sind (§ 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Hochschülerschaftsgesetz 1973, BGBl 309), denen Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung und solche der Hoheitsverwaltung übertragen sind (siehe § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 dieses Gesetzes). Zur Bedeckung des Aufwandes, welcher der österreichischen Hochschülerschaft und den Hochschülerschaften an den Hochschulen aus ihrer Tätigkeit erwächst, sind unter anderem die Hochschülerschaftsbeiträge (§ 20 Abs. 1 lit. a dieses Gesetzes), zu deren Einhebung die österreichische Hochschülerschaft verpflichtet ist und dessen Höhe der Zentralausschuß „festsetzt“ (§ 20 Abs. 2 dieses Gesetzes), bestimmt. Die Entrichtung des Hochschülerschaftsbeitrages (und eines allfälligen besonderen Beitrages) bildet die Voraussetzung für die gültige Inskription des jeweiligen Semesters (§ 20 Abs. 5 dieses Gesetzes). Der Hochschülerschaftsbeitrag ist somit wegen seiner einseitigen „Festsetzung“ durch ein Organ der österreichischen Hochschülerschaft und des Zwanges zu seiner Entrichtung, der dadurch besteht, daß diese eine Voraussetzung für die Gültigkeit der Inskription des jeweiligen Semesters ist, nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur. Er ist durchaus mit den Beiträgen zu den Berufsvertretungen vergleichbar, für deren Eintreibung wegen ihres Charakters als öffentliche Abgabe der Rechtsweg unzulässig ist (Fasching ZP I 106 f., vgl. auch SZ 24/209), wenn auch die österreichische Hochschülerschaft nicht als „berufliche Vertretung“ im Sinne der Art. 10 Abs. 1 Z 8, 11 Abs. 1 Z 2, 141 Abs. 1 lit. a) B-VG anerkannt wird, weil darunter nur Vertretungen von Personen zu verstehen sind, die selbständig oder unselbständig eine auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit ausüben (VfGH vom 20. Juni 1972, W I-8/75-5 bei Otruba-Drischel, Handbuch der Hochschulreform VI 2.1 c 7). Zu verweisen ist auch darauf, daß über einen Antrag auf Ermäßigung des Hochschülerschaftsbeitrages oder auf Befreiung von dessen Entrichtung (§ 20 Abs. 3 dieses Gesetzes) der Hauptausschuß „durch Bescheid“ zu entscheiden hat, gegen den die Berufung an den Zentralausschuß der österreichischen Hochschülerschaft zulässig ist, dessen Entscheidung wieder mit Berufung an das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung angefochten werden kann, wobei auf das Verfahren das AVG anzuwenden ist (§ 22 Abs. 2 und 4 dieses Gesetzes). Damit nimmt das angeführte Gesetz eindeutig eine Verweisung der Entscheidung über mit der Einhebung von Hochschülerschaftsbeiträgen verbundenen Streitigkeiten zwischen Organen der Hochschülerschaft und ihren Mitgliedern in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden vor.

Dasselbe gilt aber auch – umsomehr – hinsichtlich der Abgrenzung der Befugnisse und der Zuständigkeiten in Angelegenheiten der Einhebung des Hochschülerschaftsbeitrages zwischen dem Zentralausschuß der österreichischen Hochschülerschaft gegenüber Organen der Hochschülerschaften an den Hochschulen. Nach § 2 Abs. 5 des angeführten Gesetzes verwaltet die österreichische Hochschülerschaft ihre Angelegenheiten nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes selbst. Nach § 5 Abs. 9 dieses Gesetzes sind die Organe aller Hochschülerschaften an den Hochschulen zur ungesäumten Durchführung eines Beschlusses des Zentralausschusses, der eine gemeinsame Durchführung erfordert, verpflichtet. Sowohl die österreichische Hochschülerschaft als auch die Hochschülerschaften an den Hochschulen unterstehen der Aufsicht des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, der in Ausübung seines Aufsichtsrechtes insbesondere Beschlüsse eines Organes aufheben oder dessen Durchführung untersagen kann, u.a. wenn der Beschluß von einem unzuständigen Organ beschlossen wurde, in Widerspruch zu bestehenden Gesetzen oder Verordnungen steht oder wegen seiner finanziellen Auswirkungen nicht durchführbar ist (§ 23 dieses Gesetzes). Die Befugnis der Aufsichtsbehörden, Akte der beaufsichtigten Organe aufheben zu können, liegt im Wesen der Aufsicht (vgl. VfGHSlg. 5850, 5852 z. Hochschülerschaftsgesetz 1950). Aus dieser Regelung ergibt sich eindeutig, daß bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit und die Befugnisse der einzelnen Organe die Aufsichtsbehörde, und nicht die Gerichte, anzurufen sind. Derartige Streitigkeiten sind durch diese Regelung einer Verwaltungsbehörde zugewiesen, sodaß dafür der Rechtsweg unzulässig ist. Darauf, ob und wieweit die Hochschülerschaften an den Hochschulen von der österreichischen Hochschülerschaft finanziell abhängig sind, kommt es schon deswegen nicht an, weil für die Abgrenzung des Bereiches der Hoheitsverwaltung von dem der Privatwirtschaftsverwaltung nicht die finanzielle, sondern die rechtliche Gleichstellung oder Unterordnung maßgeblich ist. Überdies ist im Verhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nicht zu entscheiden, ob die Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung oder der Hoheitsverwaltung gehört, sondern wer zur Durchführung einer Aufgabe, die, wie bereits dargelegt, dem Bereich der Hoheitsverwaltung angehört, zuständig ist. Das begehrte Verbot über das angeführte Konto zu verfügen, bedeutet nämlich eine Entscheidung darüber, welches Organ zur Einhebung und Verfügung über Hochschülerschaftsbeiträge berufen ist. Zur Entscheidung darüber ist aber die gemeinsame Aufsichtsbehörde der konkurrierenden Körperschaften und nicht das Gericht bestimmt. Da somit der zu sichernde Anspruch nicht auf den Rechtsweg gehört, ist auch für das Begehren, zu seiner Sicherung eine einstweilige Verfügung zu erlassen, der Rechtsweg unzulässig.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Eine Kostenentscheidung entfiel, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte