European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00054.75.1118.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Der Revision der Beklagten wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
II. Hingegen wird der Revision des Klägers Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung – unter Einbeziehung des rechtskräftigen Teilzuspruches durch das Erstgericht sowie des bestätigten Teiles des Berufungsurteils – zu lauten hat:
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von 16.247,06 S samt 4 % Zinsen seit 1. 9. 1971 zu zahlen sowie 5/6 der mit 17.560,78 S (darin 925,‑‑ S Barauslagen und 1.232,28 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, das sind 14.634,‑‑ S, zu ersetzen, all dies binnen 14 Tagen bei Exekution.
Die Beklagte ist ferner schuldig, dem Kläger die mit 7.955,14 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 288,‑‑ S Barauslagen und 567,94 S Umsatzsteuer) sowie die mit 1.359,74 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 240,‑‑ S Barauslagen und 82,94 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war in der Zeit vom 1. 3. 1970 bis 31. 8. 1971 bei der Beklagten als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Ärzteberater) angestellt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug bis 31. 12. 1970 8.500,‑‑ S und ab 1. 1. 1971 9.265,‑‑ S. Der Kläger hatte die Aufgabe, von seinem Wohnsitz K* aus Ärzte und Privatpraxen und Spitälern der Bundesländer Tirol und Vorarlberg zu besuchen, sie mit den Erzeugnissen der Beklagten bekannt zu machen und ihnen diese Präparate zu erklären und zur Verfügung zu stellen. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs; es wurde zum 31. 8. 1971 durch Kündigung der Dienstgeberin beendet.
Mit seiner am 19. 1. 1972 beim Erstgericht überreichten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten neben einer Urlaubsentschädigung von 3.928,16 S – welche nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist – die Zahlung einer restlichen Überstundenentlohnung von 13.774,50 S. Er habe an zahlreichen, in der Klage einzeln angeführten Samstagen, Sonntagen und Feiertagen für die Beklagte Ärztebesuche durchgeführt und Ärztekongresse besucht, ohne hiefür bisher ein Überstundenentgelt erhalten zu haben. Die Beklagte habe diese Dienstleistungen dadurch akzeptiert und anerkannt, daß sie die betreffenden Wochenberichte und Reisekostenabrechnungen immer anstandslos entgegengenommen und honoriert habe.
Demgegenüber behauptet die Beklagte, daß sie den Kläger niemals zu Arbeitsleistungen an Wochenenden oder gesetzlichen Feiertagen aufgefordert habe; dem Kläger sei vielmehr bekannt gewesen, daß die Beklagte von allen ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern die Einhaltung der Wochenend- und Feiertagsruhe zu Erholungszwecken verlangt habe. Da der Kläger zu wiederholten Malen mündlich und schriftlich auf diesen Umstand hingewiesen worden sei, könne aus der Zahlung seiner Spesenrechnung keine Zustimmung der Beklagten zu einer solchen Tätigkeit des Klägers abgeleitet werden. Soweit der Kläger in insgesamt sieben Fällen im Auftrag der Beklagten an Wochenenden wissenschaftliche Ärztekongresse besucht habe, sei ihm ein 50 %iger Zuschlag zu seinen Diäten und darüber hinaus auch ein Zeitausgleich zwischen Weihnachten 1970 und dem 6. 1. 1971 gewährt worden. Der Kläger habe während der Dauer seines Dienstverhältnisses auf den von ihm selbst wöchentlich geschriebenen Abrechnungen niemals die Zahlung eines Überstundenentgelts verlangt und auch gegen die Höhe der von der Beklagten veranlaßten Überweisung in keinem einzigen Fall protestiert, die freiwillige Zahlung zusätzlicher Spesen bedeute daher kein Anerkenntnis irgendwelcher Ansprüche aus dem jetzt geltend gemachten Rechtsgrund. Die Klageforderung sei nach den Vorschriften des hier maßgebenden Kollektivvertrages wegen verspäteter Geltendmachung verwirkt, darüberhinaus aber auch deshalb erloschen, weil die Geltendmachung von Überstundenansprüchen die zwei Jahre lang gehortet wurden, einen sittenwidrigen Rechtsmißbrauch bedeute.
Dazu hat der Kläger ergänzend vorgebracht, daß die Beklagte Wochenendarbeit niemals verboten, sondern sie mit Schreiben vom 26. 5. 1971 sogar ausdrücklich erlaubt habe.
Das Erstgericht hat die Beklagte – insoweit rechtskräftig – zur Zahlung von 3.743,15 S s.A. (Überstundenentlohnung für den 18. 7. 1971 und Urlaubsentschädigung für neun Tage) verurteilt und das Mehrbegehren von 13.959,51 S s.A. (restliches Überstundenentgelt sowie Geldabfindung für sechs Tage Postensuche während der Kündigungsfrist) abgewiesen. Diese Entscheidung beruht hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Überstundenentgelt auf folgenden rechtlichen Erwägungen:
Aus den Reisekostenabrechnungen des Klägers (Beilagen 1–78) ergebe sich, daß sich der Kläger während der ganzen Beschäftigungsdauer vom 1. 3. 1970 bis 31. 8. 1971 für alle diese Tätigkeiten mit der Zuerkennung der Reisespesen, bei Kongressen mit dem erhöhten Diätensatz, begnügt und kein einziges Mal hiefür eine Überstundenentlohnung verlangt habe. Damit habe er aber nach Treu und Glauben und nach der allgemeinen Übung des redlichen Verkehrs bei seiner Dienstgeberin den Glauben erweckt, daß er sich mit dem angesprochenen Spesenersatz begnüge, wodurch die Beklagte auch der Notwendigkeit enthoben worden sei, strengere Überstundenverbote auszusprechen und die angeblich geleisteten Überstunden entsprechend zu überprüfen. Darüber hinaus habe die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26. 5. 1971 Ärztebesuche an Wochenenden ausdrücklich untersagt und darauf hingewiesen, daß sie in Hinkunft eine so unrationelle Besuchstätigkeit an Wochenenden nicht mehr honorieren werde. Die erstmals nach Erhalt der Kündigung erhobene Forderung nach Bezahlung angeblich geleisteter Überstunden sei somit verspätet und verstoße mit Rücksicht auf das lange Schweigen des Klägers gegen Treu und Glauben.
Der abweisende Teil dieses Urteils wurde vom Kläger mit Berufung angefochten. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 24. 6. 1975 (ON. 37 S. 167) schränkte der Kläger das noch offene Klagebegehren um 1.455,60 S (Geldabfindung für sechs Tage Postensuche) auf 12.503,91 S s.A. ein. Ferner wurden folgende Tatsachen außer Streit gestellt:
a) Für seine Tätigkeit bei Ärztekongressen bekam der Kläger einen Tagessatz von 115,‑‑ S und dazu für Samstage, Sonntage und Feiertage einen 50 %igen Zuschlag in der Höhe von 57,50 S, welcher für ihn ein echter Mehrverdienst war.
b) Das Nettoeinkommen des Klägers betrug bis 31. 12. 1970 monatlich 6.750,‑‑ S, ab 1. 1. 1971 monatlich 7.278,‑‑ S, jeweils vierzehn Mal jährlich.
c) Für jede Arbeitsstunde an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen hatte der Kläger – der Höhe nach – Anspruch auf 60,‑‑ S (einschließlich der Zuschläge).
d) Im Jahr 1970 betrug die Normalarbeitszeit 45 Wochenstunden, im Jahr 1971 43 Wochenstunden.
Der Kläger verwies ferner darauf, daß er seine Überstundentätigkeit in den regelmäßigen Wochenberichten verzeichnet habe, was von der Beklagten auch zur Kenntnis genommen worden sei.
Dem gegenüber behauptete die Beklagte, daß der Kläger keine Überstunden verzeichnet habe. Durch die von ihr in Durchschrift hergestellten Lohnstreifen habe sie der im Kollektivvertrag angeordneten Verpflichtung zur Aufzeichnung der Überstunden Genüge getan.
Nachdem das Berufungsgericht die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG von neuem durchgeführt hatte, gab es der Berufung des Klägers teilweise, und zwar dahin Folge, daß es dem Kläger – außer dem ihm schon vom Erstgericht zugesprochenen Betrag von 3.743,15 S s.A. – einen weiteren Betrag von 7.182,50 S s.A. zuerkannte; das Mehrbegehren von 5.321,41 S s.A. blieb abgewiesen. Dieser Entscheidung liegen folgende weitere Tatsachenfeststellungen zugrunde:
Der Kläger hatte sich auf Grund einer Zeitungsanzeige bei der Beklagten um die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters (Ärzteberaters) beworben und wurde am 1. 3. 1970 als solcher angestellt. Als Arbeitsbereich wurden ihm die Bundesländer Tirol und Vorarlberg zugewiesen, welche er von seinem Wohnsitz K* aus zu betreuen hatte. Seine Aufgabe bestand insbesondere darin, an Hand der ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Ärztelisten Ärzte in ihren Privatpraxen und in Spitälern aufzusuchen, ihnen die pharmazeutischen Produkte der Beklagten vorzuführen und ihnen Ärztemuster zu übergeben. In seinen regelmäßigen Wochenberichten hatte der Kläger der Beklagten eine Übersicht über seine Tätigkeit zu geben und besondere Vorkommnisse herauszustellen.
Der Kläger war von der Beklagten beauftragt, an wissenschaftlichen Ärztekongressen teilzunehmen, bei denen die Beklagte jeweils einen eigenen Stand hatte. Auch dort sollte der Kläger die Kongressteilnehmer vor allem mit den Produkten der Beklagten bekannt machen. Im Zuge dieser Tätigkeit besuchte der Kläger während seines Dienstverhältnisses zur Beklagten 10 – vom Berufungsgericht im einzelnen angeführte – Kongresse, wofür er insgesamt 21 Samstage, Sonntage und Feiertage mit jeweils achtstündiger Arbeitszeit aufzuwenden hatte. Für die Teilnahme an diesen Kongressen bekam der Kläger von der Beklagten eine Tagesgebühr von jeweils 115,‑‑ S, ferner eine Nächtigungsgebühr und überdies für Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage einen Zuschlag von 50 % der Tagesgebühr, das sind 57,50 S pro Tag; der letztgenannte Zuschlag war für ihn ein echter Mehrverdienst.
Mit Rundschreiben vom 5. 11. 1970 (Beilage 82) setzte die Beklagte ihre Mitarbeiter im Außendienst – darunter auch den Kläger – von der Regelung der „Weihnachtszeit 1970“ in Kenntnis, wobei sie anordnete, daß die normale Besuchstätigkeit am 18. 12. 1970 einzustellen sei, vom 21. 12.–24. 12. 1970 die restlichen Weihnachtsgeschenke abzugeben seien und diese Tage zu persönlichen Gratulationen verwendet werden sollten; die normale Besuchstätigkeit sollte am 7. 1. 1971 wieder aufgenommen werden. Die Beklagte bot damit ihren Mitarbeitern im Außendienst für den genannten Zeitraum, soweit er nicht ohnehin Samstage, Sonntage und Feiertage betraf, einen Zeitausgleich für die Mehrdienstleistungen des abgelaufenen Jahres. Der Kläger arbeitete vom 28. 12. bis zum 31. 12. 1970 nicht. Er nahm seine Besuchstätigkeit dann freilich schon am 4. 1. 1971 wieder auf und besuchte an diesem wie am folgenden Tag eine Anzahl von Ärzten in Tirol.
Vom Besuch der Ärztekongresse abgesehen, war es dem Kläger von der Beklagten freigestellt worden, seine Normalarbeitswoche (Montag bis Freitag) so rationell wie möglich einzuteilen. Die Ärzteberater der Beklagten führen üblicherweise 8 bis 9 Ärztebesuche pro Tag durch; eine größere Zahl von Besuchen hat die Beklagte vom Kläger nicht verlangt. Die Beklagte hat insbesondere niemals Ärztebesuche an Samstagen, Sonntagen oder Feiertagen angeordnet, vielmehr schon in ihrem Schreiben vom 11. 11. 1970 (Beil. O) ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger auch an Samstagen Ärzte besuche; das Wochenende sei dazu da, daß sich der Kläger von seiner anstrengenden Tätigkeit erholen könne.
Mit Schreiben vom 26. 5. 1971 (Beil. P) wurde neuerlich die unrationelle Toureneinteilung des Klägers beanstandet und eine bessere Einteilung der Reisen verlangt. Gleichzeitig kündigte die Beklagte an, daß sie „in Hinkunft ... bei einer ähnlichen unrationellen Besuchsarbeit die Wochenendkosten nicht honorieren“ werde.
Dessenungeachtet legte der Kläger zwischen dem 7. 3. 1970 und dem 18. 7. 1971 der Beklagten für eine große Anzahl von – im Urteil des Berufungsgerichtes einzeln angeführten – Samstagen, Sonntagen und Feiertagen Reiseabrechnungen vor, welche ihm von der Beklagten auch tatsächlich honoriert wurden.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger eine Überstundenentlohnung für seine Tätigkeit bei den Ärztekongressen zwar während seines Dienstverhältnsses nicht begehrt, darauf aber auch niemals ausdrücklich oder konkludent verzichtet habe. Die Beklagte sei der in Punkt VII des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs normierten Verpflichtung, „laufend ordentliche Aufzeichnungen“ über die Überstunden ihrer Dienstnehmer zu führen, nicht nachgekommen, weshalb hier nicht die dreimonatige Verfallsfrist nach lit. c, sondern die zweijährige Verfallsfrist nach lit. d der genannten Kollektivvertragsbestimmung gelte. Da der zeitlich erste Überstundenanspruch des Klägers einen Kongress vom 21. 3. 1970 betreffe, die Klage aber am 19. 1. 1972 eingebracht worden sei, seien die Überstundenansprüche des Klägers noch nicht verfallen. Die Forderung des Klägers verstoße aber auch nicht gegen Treu und Glauben, weil der Kläger seine Ansprüche nicht sittenwidrig „gehortet“, sondern vielmehr die Absicht gehabt habe, sich vorerst entsprechend einzuarbeiten und dann beim ersten Urlaub die Überstundenfrage zu regeln. Dazu sei es dann aber infolge der Kündigung nicht mehr gekommen. Da der Kläger insgesamt 21 Samstage, Sonntage und Feiertage für Kongressbesuche aufgewendet, hiefür aber nur 4 Tage Zeitausgleich (28. 12. bis 31. 12. 1970) in Anspruch genommen habe, stehe ihm ein Anspruch für Überstundenentlohnung für 17 Kongresstage (zu je 8 Stunden Arbeitszeit) zu. Daraus ergebe sich folgende Rechnung:
17 Tage á S 480,-- (8 Stunden
zu S 60,-) = S 8.160,--
17 Tage á S 57,50 (50 %iger
Zuschlag zum Tagessatz) .... S 977,50
S 7.182,50.
Der Abzug von 977,50 S sei deshalb gerechtfertigt, weil es sich dabei um einen echten Mehrverdienst des Klägers gehandelt habe, um den sich sein Überstundenentgeltanspruch vermindere.
Bei der Abweisung des Mehrbegehrens von 5.321,41 S s.A. für Ärztebesuche und sonstige Dienstreisen an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen ging das Berufungsgericht von der Rechtsansicht aus, daß nur solche Überstunden zu entlohnen seien, die der Dienstgeber entweder ausdrücklich angeordnet habe oder von denen er zumindest wissen mußte, daß der Dienstnehmer die ihm erteilten Aufträge in der Normalarbeitszeit gar nicht bewältigen könne. Das treffe aber hier nicht zu, weil die vom Kläger an Samstagen vorgenommenen Ärztebesuche von der Beklagten nicht angeordnet, sondern im Gegenteil als unerwünscht bezeichnet worden seien. Daß der Kläger aber mit der normalen Arbeitswoche von Montag bis Freitag nicht das Auslangen gefunden hätte, habe er nicht einmal behauptet.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in seinem abändernden Teil von der Beklagten, in seinem bestätigenden Teil vom Kläger mit Revision angefochten. Die Beklagte macht die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens (zu ergänzen: soweit ihm nicht schon vom Erstgericht rechtskräftig stattgegeben wurde). Auch der Kläger stützt sein Rechtsmittel auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung; er beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde, allenfalls es aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben. Der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Nur die Revision des Klägers, nicht aber auch die der Beklagten ist berechtigt.
I. Zur Revision der Beklagten:
Aus dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit rügt die Beklagte zunächst die Feststellung des Berufungsgerichtes, daß der Kläger „bis zur Kündigung seines Dienstverhältnisses durch die Beklagte nie einen Urlaub beansprucht“ habe (S. 187); das Gegenteil ergebe sich schon aus der Klage, wo der Kläger selbst vorbringe, vom 17. bis 19. 5. 1971 drei Urlaubstage konsumiert zu haben. Die dem angefochtenen Urteil hier unterlaufene Aktenwidrigkeit sei deshalb von entscheidender Bedeutung, weil das Berufungsgericht aus der bekämpften Feststellung den Schluß gezogen habe, daß der Kläger weder auf die Geltendmachung von Überstunden verzichtet noch durch unzulässiges Horten solcher Überstunden und deren nachträgliche Geltendmachung das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien mißbraucht habe.
Diese Rüge ist verfehlt: Die beanstandete Feststellung darf nicht aus dem Zusammenhang mit der weiteren Feststellung des angefochtenen Urteils gerissen werden, der Kläger habe beabsichtigt, sich vorerst bei der Beklagten entsprechend einzuarbeiten und erst „anläßlich des ersten Urlaubes“ die Überstundenfrage aufzurollen; die für den Kläger überraschend gekommene Kündigung habe dieses Vorhaben dann allerdings vereitelt. Damit hat das Berufungsgericht die Parteiaussage des Klägers übernommen, daß es ihm während der für seine Tätigkeit unbedingt notwendigen Einarbeitungs- und Bewährungszeit, deren Auswirkungen sich erst im zweiten Dienstjahr abgezeichnet hätten, praktisch unmöglich gewesen sei, seine – bis zum Sommer 1971 dann schon auf 33 Tage angewachsenen – Urlaubsansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen (ON. 22 S. 72 f). Mit seiner Feststellung, der Kläger habe bis zur Kündigung seines Dienstverhältnisses „nie einen Urlaub beansprucht“, nimmt das angefochtene Urteil, wie sich aus dem Zusammenhang klar ergibt, nur auf dieses Zuwarten des Klägers mit der Geltendmachung seiner rückständigen Urlaubsansprüche Bezug, nicht aber auf die drei vorweggenommenen, vom Kläger selbst mehrfach erwähnten Urlaubstage im Mai 1971. Diese Feststellung ist daher entgegen der Meinung der Beklagten durch den Akteninhalt gedeckt.
Eine weitere Aktenwidrigkeit des angefochtenen Urteils sieht die Beklagte darin, daß das Berufungsgericht von einer kollektivvertraglich festgelegten Verpflichtung des Dienstgebers ausgehe, „eigene“ Aufzeichnungen über die von seinen Dienstnehmern geleisteten Überstunden zu führen, während in Punkt VII des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs ausdrücklich von „ordentlichen“ Aufzeichnungen die Rede sei. Dieses Vorbringen geht jedoch schon deshalb fehl, weil das Berufungsgericht den Wortlaut der betreffenden Kollektivvertragsbestimmung zunächst vollkommen richtig wiedergibt („... verpflichtet, laufend ordentliche Aufzeichnungen ... zu führen“) und erst im Anschluß daran die Auffassung vertritt, daß es sich „nach dem Sinn der genannten Bestimmung des Kollektivvertrages ... zweifellos um eigene Aufzeichnungen handeln“ müsse (S. 187). Da diese Ausführungen des Urteils aber schon zur rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht gehören, ist auf die Frage nach der Richtigkeit einer solchen Auslegung des Kollektivvertrages erst bei Behandlung der Rechtsrüge einzugehen.
In Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung weist die Beklagte zunächst darauf hin, daß keiner ihrer übrigen Außendienstmitarbeiter, aber auch kein anderer Außendienstmitarbeiter der gesamten pharmazeutischen Branche jemals für eine Tätigkeit bei Kongressen Überstundenentgelt angesprochen habe. Da der Kläger über diese Gepflogenheiten unterrichtet gewesen sei, hätte er eine allfällige Absicht, für seine Kongresstätigkeit dennoch Überstunden zu verrechnen, nach Treu und Glauben schon bei seiner Einstellung, spätestens aber in seinen periodischen Abrechnungen gegenüber der Beklagten zum Ausdruck bringen müssen. Die nachträgliche Geltendmachung solcher Ansprüche sei ein typischer Fall unzulässigen Hortens von Überstunden und zugleich ein gegen Treu und Glauben verstoßender Mißbrauch des zwischen den Parteien bestehenden Vertrauensverhältnisses. Darüber hinaus sei aber auch ein schlüssiger Verzicht auf diese Ansprüche anzunehmen, weil der Kläger gegen die auf seinen Gehaltsstreifen aufscheinende Feststellung, daß keine entgeltpflichtigen Überstunden geleistet wurden, niemals remonstriert, vielmehr die Zuerkennung des – von ihm selbst ausdrücklich begehrten – 50 %igen Kongresszuschlages widerspruchslos akzeptiert habe. Da die Beklagte im übrigen durch die Verwendung solcher Gehaltsstreifen auch ihrer kollektivvertraglichen Verpflichtung, ordentliche Überstundenaufzeichnungen zu führen, nachgekommen, die dreimonatige Verfallsfrist des Kollektivvertrages aber im Zeitpunkt der Klageeinbringung (19. 1. 1972) bereits verstrichen gewesen sei, seien alle vom Kläger aus seiner Kongresstätigkeit abgeleiteten Ansprüche längst verfallen und das Klagebegehren auch aus diesem Grunde abzuweisen.
Diesen Ausführungen vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen: Was zunächst den von der Beklagten behaupteten Verfall der Ansprüche des Klägers anlangt, so ist hier von der in Punkt VII des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs enthaltenen Verpflichtung des Dienstgebers auszugehen, „laufend ordentliche Aufzeichnungen über die von seinen Dienstnehmern geleisteten Überstunden zu führen, die vom Dienstgeber am Ende der betreffenden Gehaltsperiode“ – in welcher die Ansprüche auf Überstundenentlohnung entstanden sind – „dem Dienstnehmer zur Bestätigung vorzulegen sind“ (lit. a). Verweigert der Dienstnehmer die Unterschrift mit begründetem Hinweis auf eine höhere Überstundenentlohnung, so gilt dies als Geltendmachung des höheren Anspruches des Dienstnehmers; für die solcherart geltend gemachten Überstundenansprüche gelten dann die Verjährungsfristen des ABGB (lit. b). Vom Dienstnehmer im Verfahren nach lit. b nicht geltend gemachte Überstunden verfallen nach Ablauf von drei Monaten (lit. c). Werden aber vom Dienstgeber entgegen diesen Bestimmungen die vorgeschriebenen laufenden Überstundenaufzeichnungen nicht geführt, dann verfallen allfällige Überstundenentgeltansprüche erst nach Ablauf von zwei Jähren (lit. d). Diese Regelung kann, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach betont hat (Arb 7519; Arb 9207 = SozM I C 868 = ZAS 1974, 229), nur dahin verstanden werden, daß der Dienstnehmer von sich aus Überstunden nicht zu beanspruchen braucht; es ist vielmehr Sache des Dienstgebers, laufend „ordentliche Aufzeichnungen“ über die von seinen Dienstnehmern geleisteten Überstunden zu führen. Wie sich der Dienstgeber die Kenntnis solcher Umstände beschafft, ist im Kollektivvertrag nicht geregelt. Ist ihm das Ausmaß der Mehrarbeit des Dienstnehmers im Einzelfall nicht bekannt, dann kann er in die von ihm zu führenden Aufzeichnungen zunächst die ihm richtig erscheinende Überstundenanzahl – welche unter Umständen auch Null betragen kann – einsetzen und es dem Dienstnehmer überlassen, zugleich mit der Verweigerung seiner Unterschrift eine höhere Überstundenleistung zu begründen.
Für die gemäß dieser Regelung zu führenden Überstundenaufzeichnungen ist im Kollektivvertrag keine bestimmte Form vor geschrieben. Es wird daher, wie die Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft, Sektion Handel, in ihrem Schreiben vom 20. 6. 1975 (Beilage 83) insoweit zutreffend ausführt, grundsätzlich dem Dienstgeber überlassen bleiben, die Art dieser Aufzeichnungen den jeweiligen Gegebenheiten und Erfordernissen seines Betriebes anzupassen. Aus der Verpflichtung des Dienstgebers, die Aufzeichnungen jeweils am Ende einer Gehaltsperiode dem Dienstnehmer „zur Bestätigung vorzulegen“, vor allem aber aus dem klar erkennbaren Zweck dieser kollektivvertraglichen Regelung, das Ausmaß allfälliger Überstundenforderungen der Dienstnehmer nach Möglichkeit schon am Ende der jeweiligen Gehaltsperiode festzulegen, bei Meinungsverschiedenheiten aber innerhalb kurzer Zeit zu klären, ob und in welcher Höhe der Dienstgeber noch mit entsprechenden Forderungen seiner Dienstnehmer zu rechnen hat, ist aber jedenfalls abzuleiten, daß es sich dabei immer um eine solche Aufstellung handeln muß, welche die in der abgelaufenen Gehaltsperiode geleisteten Überstunden – oder deren Nichtvorhandensein –übersichtlich und klar verzeichnet und so dem Dienstnehmer unmißverständlich vor Augen führt, ob und welche Überstunden sein Dienstgeber für den betreffenden Zeitraum honorieren will. Nur in diesem Fall erscheint es nämlich auch gerechtfertigt, an die widerspruchslose Unterfertigung einer solchen Aufstellung durch den Dienstnehmer eine so einschneidende Rechtsfolge zu knüpfen, wie es der Verfall aller nicht „geltend gemachten“ Ansprüche innerhalb von nur 3 Monaten ist. Die bloße Verwendung von Gehalts- oder Lohnstreifen, die eine eigene Spalte zur Eintragung allfälliger Überstunden aufweisen, konnte diesen (Mindest-) Erfordernissen „ordentlicher Aufzeichnungen“ im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entsprechen, weil die Beklagte nicht einmal behauptet hat, daß sie diese Gehaltsstreifen dem Kläger jemals zur „Bestätigung“ im Sinne der angeführten Kollektivvertragsbestimmung vor gelegt hatte. Damit erweist sich aber der Verfallseinwand der Beklagten als unbegründet, weil die Ansprüche des Klägers nach lit. d der zitierten Bestimmung erst nach Ablauf von zwei Jahren verfallen wären, der Kläger aber seine bis zum 7. 3. 1970 zurückreichenden Ansprüche schon am 19. 1. 1972 und damit innerhalb der genannten Frist gerichtlich geltend gemacht hat.
Unbegründet ist die Revision der Beklagten aber auch insoweit, als sie dem Kläger neuerlich sittenwidrigen Rechtsmißbrauch vorwirft und dabei sein Stillschweigen während der Dauer des Dienstverhältnisses als schlüssigen Verzicht auf seine Überstundenansprüche gewertet wissen will. Nach der Rechtsprechung kann ein stillschweigender Verzicht des Dienstnehmers (§ 863 ABGB) auf unabdingbare Ansprüche aus dem Dienstverhältnis nicht schon bei bloßem Unterlassen der Geltendmachung während eines längeren Zeitraums, sondern immer erst dann angenommen werden, wenn die verspätete Geltendmachung der Ansprüche im konkreten Fall mit Rücksicht auf besondere Umstände gegen Treu und Glauben verstößt (Arb 6137; Arb 6909 = SozM I C 291; Arb 8788; SozM I A e 891 ua, zuletzt etwa 4 Ob 8/75). Auch die Frage eines stillschweigenden Verzichtes auf Überstundenentlohnung durch nicht sofortige Geltendmachung ist nach diesen Grundsätzen zu beurteilen (SZ 23/324; Arb 8666 ua). Von einem, solchen Verstoß gegen Treu und Glauben durch sittenwidrigen Mißbrauch eines Vertrauensverhältnisses kann aber dann keine Rede sein, wenn der Dienstgeber, wie hier, einerseits die ihm durch den Kollektivvertrag auferlegte Verpflichtung, „ordentliche Aufzeichnungen“ über die Überstundenleistungen seiner Dienstnehmer zu führen, mißachtet, andererseits aber von der Tatsache solcher Überstundenleistungen durch die wöchentlichen Berichte und Reisekostenabrechnungen des Klägers laufend Kenntnis erlangt. Unter diesen Umständen muß der Dienstgeber – welcher es ja in der Hand gehabt hätte, durch Einhaltung des im Kollektivvertrag vorgesehenen Verfahrens eine rasche Klarstellung dieser Ansprüche herbeizuführen – während der zweijährigen Verfallsfrist jederzeit mit der Geltendmachung entsprechender Forderungen durch den Dienstnehmer rechnen; er kann dann dem Dienstnehmer umso weniger den Vorwurf sittenwidrigen „Hortens“ von Überstunden machen, als ja, wie schon betont, nach dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs der Dienstnehmer gar nicht verpflichtet ist, von sich aus Überstunden zu melden und auf ihre Bezahlung durch den Dienstgeber zu dringen. Abweichende „Gepflogenheiten des Betriebes und der pharmazeutischen Branche“, wie sie die Beklagte in der Revision abermals behauptet, können an dieser Rechtslage ebensowenig etwas ändern wie der Umstand, daß der Kläger für seine Kongresstätigkeit gelegentlich selbst den um 50 % erhöhten Diätensatz angesprochen hatte, letzteres schon deshalb nicht, weil ein solches Begehren nach Zahlung von Reisespesen (Tages- und Nächtigungsgebühren) keinerlei Schlüsse auf andere, ihrem Wesen nach nicht in die wöchentlichen Reisekostenabrechnungen aufzunehmende Entlohnungsansprüche des Klägers zuläßt. Das Berufungsgericht hat also einen schlüssigen Verzicht des Klägers auf das jetzt eingeklagte Überstundenentgelt ebenso zutreffend verneint wie einen Rechtsverlust des Klägers wegen sittenwidrigen Mißbrauches eines Vertrauensverhältnisses.
Geht man von dem für jede Mehrarbeitsstunde außer Streit gestellten Entgeltbetrag von 60,‑‑ S sowie von einer – im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen – täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden aus, dann gebührt dem Kläger für jeden außerhalb der normalen Arbeitszeit absolvierten „Kongresstag“ nach Abzug des 50 %igen Diätenzuschlages ein Überstundenentgelt von (480,-- S minus 57,50 S =) 422,50 S. Das Berufungsgericht hat insgesamt 21 solcher „Kongresstage“ festgestellt, davon aber 4 Tage Zeitausgleich (28. bis 31. 12. 1970) abgezogen und dem Kläger infolgedessen nur eine Überstundenentlohnung für 17 Tage in der Höhe von (422,50 S x 17 =) 7.182,50 S zugesprochen. Diese Berechnung wird in der Revision der Beklagten nur insofern bekämpft, als die Beklagte – für den Fall einer Anerkennung der klägerischen Ansprüche – nicht nur 4, sondern 6 Tage als Zeitausgleich angerechnet sehen will, was zu einer Verminderung der Ansprüche des Klägers um 960,‑‑ S führen würde. Da jedoch, wie im folgenden bei Behandlung der Revision des Klägers auszuführen sein wird, die Berücksichtigung eines Zeitausgleiches im konkreten Fall überhaupt nicht in Betracht kommt, bedarf dieses Vorbringen der Revision hier keiner weiteren Erörterung. Für die im angefochtenen Urteil anerkannten 17 „Kongresstage“ besteht vielmehr der Entlohnungsanspruch des Klägers mit dem vom Berufungsgericht errechneten Betrag von 7.182,50 S s.A. zu Recht.
Der Revision der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen und das angefochtene Urteil in seinem stattgebenden Teil (Punkt 1. des Urteilsspruches) zu bestätigen.
II. Zur Revision des Klägers:
In Ausführung seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger zunächst gegen die Berücksichtigung von 4 Tagen „Zeitausgleich“ durch das Berufungsgericht. Überstundenarbeit könne grundsätzlich nicht durch Gewährung von Freizeit abgelöst werden; besondere Umstände, die eine solche Maßnahme im konkreten Fall gerechtfertigt hätten, seien aber von der Beklagten nicht einmal behauptet worden.
Dieses Vorbringen ist im Ergebnis berechtigt: Ob angesichts der Bestimmung des § 10 AZG eine Abgeltung von Überstundenleistungen durch „Freizeitausgleich“ nicht überhaupt auf diejenigen Fälle beschränkt bleiben muß, in denen sie durch Gesetz (vgl. § 20 Abs. 4 VBG) oder Kollektivvertrag ausdrücklich vorgesehen ist, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden (vgl. dazu Dittrich, Der Freizeitausgleich des Arbeitnehmers, RdA 1961, 10 ff; Arb 6490); sie könnte nämlich bei Fehlen einer besonderen gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Grundlage in keinem Fall vom Dienstgeber einseitig angeordnet, sondern immer nur auf dem Wege einer Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer vorgenommen werden. Eine solche Vereinbarung ist aber hier nicht erwiesen: Das Berufungsgericht bezieht sich in diesem Zusammenhang nur auf das Rundschreiben Nr. 156 der Beklagten vom 5. 11. 1970 (Beilage 82) und stellt im Anschluß daran fest, daß die Beklagte „damit“ ihren Mitarbeitern im Außendienst zwischen Weihnachten 1970 und dem 6. 1. 1971 einen Freizeitausgleich für die Mehrdienstleistungen im vergangenen Jahr „geboten“ habe (S. 184 f). Da aber eine solche Absicht der Beklagten im Wortlaut des genannten Rundschreibens – welches nur Anordnungen betreffend verschiedene „Termine 1970/1971“ enthält, ohne auch nur mit einem einzigen Wort darauf hinzuweisen, daß die den Empfängern auf diese Weise zwischen Weihnachten und Neujahr faktisch gewährte Freizeit als „Zeitausgleich“ für Überstundenansprüche gelten solle – überhaupt keinen Niederschlag gefunden hat, scheidet eine Heranziehung dieses Schreibens als Grundlage einer – wenn auch nur schlüssigen –Zeitausgleichsvereinbarung zwischen der Beklagten und ihren Dienstnehmern von vornherein aus. Sonstige Umstände, aus denen auf das Zustandekommen einer derartigen Abmachung zwischen den Parteien geschlossen werden könnte, sind aber weder von der Beklagten behauptet worden noch im Verfahren hervor gekommen. Fehlt es aber an einer Vereinbarung der Parteien über eine (zumindest teilweise) Abgeltung von Überstundenleistungen des Klägers durch Gewährung eines Freizeitausgleiches, dann steht dem Kläger die von ihm angesprochene Entlohnung für Mehrdienstleistungen bei Ärztekongressen nicht nur für die vom Berufungsgericht anerkannten 17 sondern für alle 21 „Kongresstage“ zu; er hat daher von der Beklagten noch das Entgelt für 4 weitere Tage im Betrag von (422,50 S x 4 =) 1.690,‑‑ S zu fordern.
Die Revision des Klägers erweist sich aber auch insoweit als berechtigt, als sie sich gegen die Abweisung des danach verbleibenden, die Entlohnung des Klägers für Ärztebesuche und sonstige Dienstreisen betreffenden Klagebegehrens von 3.651,41 S s.A. richtet: Im angefochtenen Urteil wird die Abweisung dieses Teilbegehrens, wie bereits erwähnt, damit begründet, daß die vom Kläger an Samstagen vorgenommenen Ärztebesuche von der Beklagten nicht angeordnet, vielmehr von ihr sogar als unerwünscht bezeichnet worden seien. Dem Kläger, welcher sich seine Arbeitszeit selbst einteilen konnte, stünde hier ein Anspruch auf Überstundenentlohnung nur dann zu, wenn er seiner Dienstgeberin vorher angezeigt hätte, daß er die ihm übertragenen Aufgaben ohne Überstunden nicht bewältigen könne. Das habe der Kläger aber nicht getan. Das Berufungsgericht stützt diese Rechtsauffassung an sich zutreffend auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach ein Anspruch auf Entlohnung von Überstunden grundsätzlich nur dann besteht, wenn die Überstunden ausdrücklich oder schlüssig angeordnet waren oder der Dienstgeber Arbeitsleistungen entgegengenommen hat, die der Dienstnehmer auch bei richtiger Einteilung seiner Arbeit nicht innerhalb seiner normalen Arbeitszeit erledigen konnte (Arb 8890 = SozM III E 445; Arb 9144 = EvBl 1974/52; Arb 9207 = SozM I C 868 = ZAS 1974, 229); es übersieht dabei aber, daß der Dienstgeber die Bezahlung von Überstunden, die er geduldet und entgegengenommen hat, niemals unter Berufung darauf verweigern kann, daß er eine solche Überstundenarbeit nicht angeordnet habe (Arb 8023; Arb 8890 = SozM III E 445; Arb 8935; Arb 9144 = EvBl 1974/52). Dieser Fall liegt aber hier vor: Die vom Kläger an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen für die Beklagte erbrachten Arbeitsleistungen, deren Entlohnung den Gegenstand dieses Rechtsstreites bildet, waren der Beklagten aus den Wochenberichten und den wöchentlichen Reisekostenabrechnungen des Klägers bekannt. Die Beklagte hat nie bestritten, daß diese Tätigkeit außerhalb der normalen, von Montag bis Freitag reichenden Arbeitszeit des Klägers geleistet wurde; sie hat diese Mehrdienstleistungen des Klägers nicht nur geduldet, sondern darüber hinaus durch anstandslose Honorierung der vom Kläger auch für diese Tage angesprochenen Reisespesen (Tages- und Nächtigungsgebühren) klar zu erkennen gegeben, daß sie auch diese Tätigkeit des Klägers als für sie und in ihrem Interesse erbracht ansehen wollte. Die Beklagte hat dem Kläger eine solche Wochenend- und Feiertagsarbeit entgegen ihren Behauptungen niemals untersagt. Ein derartiges Verbot kann insbesondere auch nicht ihren beiden Schreiben vom 11. 11. 1970 (Beilage O) und vom 26. 5. 1971 (Beilage P) entnommen werden, in denen die Beklagte zwar ihre „Verwunderung“ über die an Samstagen absolvierten Ärztebesuche des Klägers und dessen unrationelle Toureneinteilung ausdrückte, ohne daraus aber (zumindest vorerst) irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Dabei konnte der Kläger insbesondere auch die am Ende des Schreibens Beilage P enthaltene Ankündigung der Beklagten, sie werde in Hinkunft „bei einer ähnlich unrationellen Besuchsarbeit die Wochenendkosten nicht honorieren“, umso weniger als ernstliche Untersagung künftiger Wochenendtätigkeit auffassen, als ihm die Beklagte dessenungeachtet auch nach diesem Zeitpunkt die für solche Tage angesprochenen Reisespesen weiterhin anstandslos auszahlte. Hat die Beklagte aber auf diese Weise die streitgegenständlichen Mehrdienstleistungen des Klägers nicht nur nicht verboten, sondern im Gegenteil bis zuletzt bewußt geduldet und entgegengenommen, dann kann sie die Entlohnung dieser Tätigkeit nicht jetzt unter Berufung darauf verweigern, daß sie eine solche Überstundenarbeit des Klägers nicht angeordnet, sondern als unerwünscht bezeichnet habe. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes besteht daher der Entlohnungsanspruch des Klägers auch für die von ihm neben seiner Kongresstätigkeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen erbrachten Dienstleistungen, insbesondere also auch für die an solchen Tagen durchgeführten Ärztebesuche, dem Grunde nach zu Recht.
Bei dieser Sachlage bleibt nur noch das Ausmaß der Mehrdienstleistungen des Klägers, also die Anzahl der von ihm an Wochenenden und Feiertagen tatsächlich geleisteten Überstunden, zu prüfen. Geht man dabei von den Feststellungen des angefochtenen Urteils (S. 190–195) im Zusammenhalt mit dem Parteienvorbringen und den vor gelegten Urkunden aus und beschränkt man sich außerdem – unter Vernachlässigung der übrigen vom Kläger unter diesem Titel geltend gemachten Mehrdienstleistungen – vorerst auf seine Ärztebesuche in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg, dann führt eine solche Prüfung zu nachstehendem Ergebnis:
Nachstehende Ärztebesuche des Klägers sind auf Grund der Feststellungen des angefochtenen Urteils im Zusammenhang mit den entsprechenden, auch vom Berufungsgericht verwerteten Reisekostenabrechnungen erwiesen:
6. 6.1970 (Bezirk K*) 3 Besuche
27. 6. 1970 (Bezirk S*, K*) 3 Besuche
4. 7 1970 (L*, I*) 1 Besuch
8. 8. 1970 (Bezirk K*) 3 Besuche
29. 8. 1970 (S*, K*, K*) 3 Besuche
5. 9. 1970 (K*, S*) 3 Besuche
19. 9. 1970 (Z*, S*, K*)
4 Besuche
24. 10. 1970 (I*) 3 Besuche
7. 11. 1970 (V*) 6 Besuche
5. 12. 1970 (I*) 5 Besuche
12. 12. 1970 (I*) 4 Besuche
19. 12. 1970 (I*) 1 Besuch
15. 5. 1971 (B*, B*, Z*) 2 Besuche
22. 5. 1971 (B*, D*) 3 Besuche
12. 6. 1971 (B*, L*, S*, I*)
3 Besuche
19. 6. 1971 (B*, W*) 5 Besuche
3. 7. 1971 (H*, W* usw.) 6 Besuche
10. 7. 1971 (I*, K*) 4 Besuche
zusammen 62 Besuche.
Wieviele Überstunden der Kläger für diese 62 an Samstagen durchgeführten Ärztebesuche aufgewendet hat, ist im bisherigen Verfahren nicht exakt festgestellt worden. Geht man aber davon aus, daß der Kläger im Jahr 1970 wöchentlich 45 Stunden, im Jahr 1971 wöchentlich 43 Stunden zu arbeiten (S. 181) und dabei im Durchschnitt täglich acht bis neun Ärzte zu besuchen hatte (S. 189), dann erscheint es gerechtfertigt, den durchschnittlichen Zeitaufwand für einen Ärztebesuch – vor allem unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Fahrzeiten in den vom Kläger zu bearbeitenden Gebieten – unter Anwendung des § 273 ZPO mit mindestens je einer Stunde anzusetzen. Daraus folgt aber – unter Berücksichtigung der Außerstreitstellung eines Betrages von 60,‑‑ S für jede an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen geleistete Arbeitsstunde des Klägers (S. 181) – für die als erwiesen angenommenen 62 Ärztebesuche ein Entlohnungsanspruch des Klägers von (60,‑‑ S x 62 =) 3.720,‑‑ S und damit ein Betrag, der über der noch offenen Restforderung des Klägers von 3.631,41 S liegt.
Da sich die Revision des Klägers also auch in diesem Umfang als berechtigt erweist, war seinem Rechtsmittel zur Gänze Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne eines Zuspruches auch des vom Berufungsgericht abgewiesenen Teilbetrages von 5.321,41 S s.A. abzuändern. Unter Berücksichtigung des vom Erstgericht rechtskräftig zuerkannten Teilbetrages von 3.743,15 S s.A. und des dem Kläger darüber hinaus bereits vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrages von 7.182,50 S s.A. hat daher die Beklagte insgesamt 16.247,06 S s.A. zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 41, 43 Abs. 1, § 50 ZPO. Da der Kläger im Verfahren erster Instanz bei einem Streitwert von 17.702,66 S im Ergebnis mit einem Betrag von 16.247,06 S, also mit rund 11/12 seines Anspruches, durchgedrungen ist, hat ihm die Beklagte 5/6 der Kosten dieses Verfahrensabschnittes zu ersetzen. Im Berufungsverfahren hatte der Streitwert zunächst 13.959,51 S betragen, ehe das Klagebegehren bei der mündlichen Berufungsverhandlung vom 24. 6. 1975 (ON. 37 S. 167) auf 12.503,91 S s.A. eingeschränkt wurde. Dem Kläger, welcher den zuletzt genannten Betrag zur Gänze ersiegt hat, steht daher für den 1. Abschnitt des Berufungsverfahrens, in welchem er mit rund 9/10 seiner Forderung durchgedrungen und mit 1/10 unterlegen ist, der Ersatz von 4/5 seiner Kosten (auf der Basis von 13.959,51 S) zu, während er für die mündliche Berufungsverhandlung vom 24. 6. 1975 vollen Kostenersatz (auf der Basis von 12.503,91 S) zu erhalten hat. Für das Verfahren in dritter Instanz gebühren dem Kläger schließlich die Kosten seiner Revision auf der Grundlage des durch dieses Rechtsmittel ersiegten (weiteren) Betrages von 5.321,41 S; eine Revisionsbeantwortung zur Revision der Beklagten hat der Kläger hingegen nicht erstattet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)