OGH 4Ob534/91

OGH4Ob534/9110.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Zoltan R*****, vertreten durch Dr.Bruno Heinz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Ljiljana R*****, vertreten durch DDr.Elisabeth Steiner und Dr.Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwältinnen in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 14.März 1991, GZ 21 c R 1/91-49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St.Johann/Pongau vom 15.November 1990, GZ 1 C 1/90-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.077 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben am 28.12.1986 vor dem Standesamt in Vrnjacka Banja, Jugoslawien, die Ehe geschlossen; für den Kläger war das die zweite Eheschließung. Der Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger, die Beklagte jugoslawische Staatsangehörige. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt war in St.Johann/Pongau. Die eheliche Gemeinschaft der Streitteile ist seit August 1989 aufgehoben; die Beklagte hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr in Wien.

Schon am 13.12.1983 hatte der Kläger an sich eine Sterilisation vornehmen lassen; dabei wurde ein Samenleitersegment entnommen. Spermiogramme vom 11.1.1984, 8.11.1988, 16.2.1989 und 1.6.1989 erbrachten keinen Nachweis von Spermien. Seit der Durchführung dieser Operation ist der Kläger zeugungsunfähig. Da er überzeugt ist, wegen seines Berufes die für Kinder notwendige Zeit nicht aufbringen zu können, ist er gegen Kinder in seiner Ehe eingestellt. Schon die erste Ehe des Klägers war deshalb kinderlos geblieben. Der Kläger erklärte auch der Beklagten, daß er gegen Kinder eingestellt sei, keine möchte und wegen seiner Sterilisation auch keine zeugen könne. Die Beklagte war damit einverstanden, daß ihre Ehe mit dem Kläger kinderlos bleiben soll.

Am 26.4.1989 gebar die Beklagte einen Sohn. Dieses Kind stammt nicht vom Kläger; es muß - in dem für die Beklagte günstigsten Fall - einer im August 1988 im klinischen Zentrum Laibach vorgenommenen künstlichen Befruchtung entstammen, von welcher der Kläger keine Kenntnis hatte und der er auch nicht zugestimmt hat.

Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Trotz ihres Einverständnisses damit, daß ihre Ehe kinderlos bleiben müsse, habe sie schon kurz nach der Eheschließung Bemühungen um ein Kind vertieft und dem Kläger unschöne Szenen bereitet. Hinweise auf die bereits vor der Eheschließung getroffene Vereinbarung, kinderlos bleiben zu wollen, hätten nichts geholfen; die Beklagte habe vom Kläger verlangt, die Sterilisation rückgängig zu machen, was der Kläger jedoch abgelehnt habe, zumal es aus medizinischen Gründen auch gar nicht mehr möglich sei. Schon wegen dieses Verhaltens der Beklagten sei es zunehmend zu einer Entfremdung zwischen den Ehegatten gekommen. Die Beklagte habe, als der Kläger von seinem Standpunkt nicht abgewichen sei, ihren Willen im Wege eines Ehebruchs durchgesetzt; sie versuche, dem Kläger einzureden, daß das Kind ohnehin von ihm stamme. Sollte die Beklagte aber künstlich befruchtet worden sein, dann sei das ohne Wissen und gegen den Willen des Klägers geschehen, so daß auch dieses Verhalten eine schwere Eheverfehlung begründe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie habe dem Kläger nie versprochen, eine Ehe ohne Kinder mit ihm eingehen zu wollen; auch sei ihr vor der Eheschließung nicht bekannt gewesen, daß der Kläger nach einer Sterilisation zeugungsunfähig ist. Erst etwa ein Jahr nach der Eheschließung habe ihr der Kläger gestanden, daß er sich schon im Jahr 1983 hatte sterilisieren lassen. Die Beklagte habe dem Kläger erklärt, daß eine Ehe ohne Kind für sie keine Ehe sei. Nachdem der Kläger eingesehen habe, daß die Beklagte ohne Kinder nicht glücklich sein könne, hätten die Streitteile die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung ins Auge gefaßt. Nach mehreren positiven Untersuchungen in Laibach sei der Kläger damit einverstanden gewesen, daß die Beklagte an sich eine künstliche Befruchtung vornehmen lasse.

Für den Fall der Ehescheidung beantragt die Beklagte auszusprechen, daß das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe. Der Kläger habe der Beklagten vor der Eheschließung seine Zeugungsunfähigkeit verschwiegen und die Nachkommenschaft verweigert. Die Beklagte habe nie zugestimmt, eine Ehe ohne Kinder zu führen; sie sei die Ehe mit dem Kläger vielmehr auch in der Absicht eingegangen, daß sie gemeinsam Kinder haben würden.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden der Beklagten und wies deren Mitverschuldensantrag ab. Die Beklagte habe die Vereinbarung, in der Ehe mit dem Kläger kinderlos zu bleiben, verletzt. Daß sie - ohne Wissen und gegen den Willen des Klägers - eine künstliche Befruchtung an sich habe vornehmen lassen, sei eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG. Der Mitverschuldensantrag der Beklagten sei hingegen nicht begründet.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Kinderlosigkeit könne unter den Ehepartnern im Sinne des § 91 ABGB verbindlich vereinbart werden. Eine solche Einigung im höchstpersönlichen Lebensbereich der Eheleute ende jedoch, wenn sie nicht mehr vom Willen beider Partner getragen werde. Eine einseitige Auflösung sei daher möglich; werde sie aber grundlos und im Widerspruch zur Pflicht der Rücksichtnahme auf die Interessen des Partners erklärt, dann sei sie rechtswidrig und könne auch einen Scheidungsgrund bilden. Die Beklagte habe schon deshalb eine schwere Eheverfehlung begangen, weil sie trotz der ihr bekannten Einstellung des Klägers in der Kinderfrage ohne sein Wissen und gegen seinen Willen eine künstliche Befruchtung an sich habe vornehmen lassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern, hilfsweise sie dahin abzuändern, daß die Scheidung der Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile ausgesprochen werde; weiters stellt die Beklagte auch Aufhebungsanträge.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß die Anknüpfung auf Grund der Ehescheidungsklage des österreichischen Ehemannes gegen seine jugoslawische Ehefrau mit dem gewöhnlichen Aufenthalt beider Streitteile - im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (EFSlg 60.630) hatte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in St.Johann/Pongau, die Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Wien - in Österreich gemäß § 18 Abs 1 Z 2 IPRG und § 20 Abs 1 IPRG zu erfolgen hat und demnach österreichisches Ehescheidungsrecht anzuwenden ist.

Mit ihren Ausführungen in der Revision, es könne keinesfalls ernstlich davon ausgegangen werden, daß die Beklagte vor der Eheschließung einer kinderlosen Ehe mit dem Kläger zugestimmt habe, sei doch im Hinblick auf ihr damaliges Alter von 29 Jahren ihr Kinderwunsch durchaus verständlich und nachvollziehbar und habe doch der Kläger selbst zugegeben, daß er mit der Beklagten im Herbst 1987 das Kinderproblem erörtert habe, bekämpft die Beklagte in unzulässiger Weise die den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen; insoweit kann daher auf das Rechtsmittel nicht eingegangen werden.

Von der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob die Ehepartner in Ausübung des ihnen gemäß § 91 ABGB zustehenden Gestaltungsrechtes auch die Kinderlosigkeit ihrer Ehe verbindlich festlegen können, hängt die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht ab, weil die Beklagte nicht bloß einseitig von einer getroffenen Vereinbarung abgegangen ist, sondern sich überdies - ohne Wissen des Klägers - künstlich hat befruchten lassen. Das ist aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG zu werten.

Gemäß § 91 ABGB sollen die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder einvernehmlich gestalten. Mit dieser durch das EheRwG (BGBl 1975/412) eingeführten, den Kernbereich der Eherechtsreform bildenden Regelung wurde - in Abkehr vom patriarchalischen Ehemodell - den Eheleuten die Befugnis, aber auch der Auftrag zur einvernehmlichen Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt. Das Partnerschaftsprinzip erstreckt sich auf alle Bereiche der Lebensgemeinschaft. Dabei sind die Ehegatten verpflichtet, sich um ein Einverständnis zu bemühen; wer es nicht sucht oder am Gestaltungs- und Entscheidungsvorgang nicht oder nur unzureichend mitwirkt, verletzt diese Pflicht und setzt damit ein ehewidriges Verhalten, das einen Scheidungsgrund bilden kann (Schwind, EheR2, 41; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 91; EFSlg 58.665 ua).

Nach den maßgebenden Feststellungen hat sich die Beklagte ohne Wissen des Klägers künstlich befruchten lassen. Daß eine so weitreichende und für beide Ehepartner folgenschwere Entscheidung von den Ehegatten nur einvernehmlich getroffen werden kann, bedarf keiner näheren Begründung. Wegen der Schwere einer solchen Verfehlung, welche im vorliegenden Fall auch zur Zerrüttung der Ehe geführt hat, ist damit aber auch der Ehescheidungsgrund des § 49 EheG verwirklicht (vgl Schwind aaO 207; Pichler aaO Rz 1 zu § 49 EheG).

Ihren Mitverschuldensantrag hat die Beklagte nur auf Tatsachenbehauptungen gestützt, die nicht erwiesen sind. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Kläger an der Entscheidung über die künstliche Befruchtung wurde nicht geltend gemacht; sie wäre aber auch nicht erwiesen, wenn die Beklagte den Eingriff ohne Wissen des Klägers vornehmen ließ. Das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft daher die Beklagte.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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